Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 1 S 1386/16

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 23. Juni 2016 - 2 K 5419/14 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

 
Die zulässige Beschwerde der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Verwaltungsrechtsweg zu Recht gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG für zulässig erklärt.
Für das Begehren des Klägers auf Verurteilung der Beklagten, für sich als Kreisverband der ... Partei ... ein Girokonto zu eröffnen, ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben. Denn es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, die nicht durch Gesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist.
Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Der Charakter des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses bemisst sich nach dem erkennbaren Ziel des Rechtsschutzbegehrens und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts. Maßgeblich ist allein die tatsächliche Natur des Rechtsverhältnisses, nicht dagegen die rechtliche Einordnung des geltend gemachten Anspruchs durch den Kläger selbst. Für die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit genügt es, dass für das Rechtsschutzbegehren eine Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, die im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgen ist (BVerwG, Beschluss vom 15.12.1992 - 5 B 144.91 -, Buchholz 300 § 17a GVG Nr. 5).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass vorliegend der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Der Kläger beruft sich für sein Begehren auf Eröffnung des Girokontos im Wesentlichen auf § 5 Abs. 1 Satz 1 ParteiG (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 11.07.2014 - 2 BvR 1006/14 - NVwZ 2014, 1572). Nach dieser Vorschrift sollen alle Parteien gleichbehandelt werden, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien Einrichtungen zur Verfügung stellt. Diese Bestimmung begründet eine einseitige Verpflichtung von Trägern staatlicher Gewalt und ist damit dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Im Hinblick auf die Geltendmachung dieses öffentlich-rechtlichen Anspruchs ist die Streitigkeit zwischen einer politischen Partei und einer Sparkasse auf Eröffnung eines Girokontos als öffentlich-rechtliche Streitigkeit einzuordnen und ist damit für sie der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Dies hat das Verwaltungsgericht unter Heranziehung und Würdigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.05.2004 - 8 E 379/04 - NVwZ-RR 2004, 795; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 18.04.2002 - 1 So 35/02 - Juris; VG Hannover, Urt. v. 13.05.2015 - 1 A 6549/13 - juris; s. ferner Schleswig-Holst. VG, Urt. v. 23.06.2016 - 6 A 3/15 - juris) zutreffend entschieden. Auf die Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss, die auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats stehen (vgl. Beschl. v. 24.06.2008 - 1 S 871/08 -und v. 03.12.2010 - 1 S 1877/09 -), wird verwiesen.
Die Beklagte kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass zwischen den Beteiligten bereits eine privatrechtliche Verbindung bestanden habe, die aufgelöst worden sei und die der Kläger fortzusetzen begehre. Diese Rüge genügt bereits den an eine Beschwerde zu stellenden Darlegungsanforderungen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) nicht. Das Verwaltungsgericht hat den schon erstinstanzlich vorgetragenen Einwand der Beklagten berücksichtigt und ausführlich rechtlich gewürdigt (vgl. Bl. 3 d. BA.). Damit setzt sich das Beschwerdevorbringen nicht, wie geboten, auseinander. Unabhängig davon geht der Einwand auch in der Sache fehl. Die Beklagte hatte für den Kläger in der Vergangenheit zwei Konten geführt, diese aber mit Schreiben vom 23.08.2010 gekündigt. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sich der Kläger nicht gegen diese Kündigungen wendet, sondern den Abschluss eines neuen Girovertrags begehrt. Weshalb der vorliegende Rechtsstreit dennoch als ein solcher um die „Fortführung“ eines früheren Vertragsverhältnisses einzuordnen sein sollte (vgl. zu einem solchen Sachverhalt BGH, Urt. v. 11.03.2003 - XI ZR 403/01 - BGHZ 154, 146), ist weder dem Beschwerdevorbringen zu entnehmen noch sonst ersichtlich. Eine solche Annahme liegt im Gegenteil schon angesichts des langen Zeitraums, der seit der Beendigung des letzten Vertragsverhältnisses inzwischen verstrichen ist, fern.
Der weitere Einwand der Beklagten, auch im Rahmen einer Prüfung durch Zivilgerichte könnten und müssten ggf. Bestimmungen aus dem Parteiengesetz und Grundrechte berücksichtigt werden, rechtfertigt ebenfalls keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Es trifft zu, dass nach dem von der Beklagten sinngemäß in Bezug genommenen § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet. Für die Beantwortung der - vorgelagerten und hier allein entscheidungserheblichen - Frage, welcher Rechtsweg im jeweiligen Einzelfall zulässig ist, führt diese Bestimmung jedoch nicht weiter. Diese Frage entscheidet sich stattdessen, wie gezeigt, nach § 40 VwGO und dem jeweiligen, durch den prozessualen Anspruch, d.h. den Klageantrag und den Klagegrund bestimmten Streitgegenstand (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 16.09.2014 - 10 S 1451/14 - juris, m.w.N.; Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl., § 17 Rn. 17 f., 54).
Ebenfalls ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, entscheidend sei, dass es sich bei dem vom Kläger angestrebten Rechtsverhältnis um ein zivilrechtliches handele. Auch insoweit genügt das Beschwerdevorbringen bereits dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht, denn es verhält sich nicht zu den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts. Unabhängig davon ist der Einwand auch in der Sache nicht begründet. Der Kläger stützt sein Begehren auf Zugang zu der Einrichtung der Beklagten auf eine dem öffentlichen Recht zugehörige Anspruchsgrundlage. Für den danach bestimmten, das „Ob“ der Kontoeröffnung betreffenden Streitgegenstand ist die Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen im Anschluss an den begehrten Zugang unerheblich. Der privatrechtliche Charakter des Vertragsabschlusses zur Kontoeröffnung lässt ebenfalls keinen Rückschluss auf die Rechtsnatur der Vorschriften, die hierzu verpflichten, zu (Senat, Beschl. v. 24.06.2008, a.a.O.; ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.05.2004, a.a.O. m.w.N.; Schleswig-Holst. VG, Urt. v. 23.06.2016, a.a.O.; VG Hannover, Urt. v. 13.05.2015, a.a.O.).
Unbegründet ist schließlich der Einwand der Beklagten, durch den angefochtenen Beschluss sei nicht darüber befunden worden, ob der Kläger - was sie bestreitet - überhaupt existent sei; diese Frage sei vorgreiflich, denn existiere er nicht, sei auch der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet. Der Einwand geht fehl, denn die von der Beklagten behauptete Vorgreiflichkeit besteht nicht. Ist der beschrittene Rechtsweg nach Auffassung des vom jeweiligen Kläger angerufenen Gerichts zulässig, kann das Gericht dies gemäß § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG „vorab“ aussprechen. Nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG hat es vorab zu entscheiden, wenn eine Partei - wie hier die Beklagte - die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt. Diese Vorabentscheidung dient dem Ziel, die Frage der Rechtswegzulässigkeit zu einem möglichst frühen Zeitpunkt des Verfahrens in der ersten Instanz abschließend zu klären und das weitere Verfahren nicht mehr mit dem Risiko eines später erkannten Mangels des gewählten Rechtswegs zu belasten (BT-Drs. 11/7030, S. 36 f.). „Vorab“ bedeutet daher eine Entscheidung isoliert von Fragen der Zulässigkeit der Klage im Übrigen als auch der Begründetheit (BAG, Urt. v. 26.03.1992 - 2 AZR 443/91 - NZA 1992, 954; Kissel/Mayer, a.a.O., § 17 Rn. 27). Das Verwaltungsgericht war daher nicht gehindert, ungeachtet der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage der Existenz des Klägers über die davon isoliert zu prüfende Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs vorab zu entscheiden.
Der Festsetzung eines Streitwerts bedarf es nicht, da für die Zurückweisung der Beschwerde eine Festgebühr von 60,-- EUR erhoben wird (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG - Kostenverzeichnis -, Nr. 5502).
10 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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