Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 6 S 309/17

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Senat entscheidet über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO in der Besetzung von drei Richtern (§ 9 Abs. 3 Satz 1 erster Halbsatz VwGO); die Besetzungsregelung in § 4 AGVwGO ist auf Entscheidungen nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht anwendbar (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.12.2008 - GRS 1/08 -, ESVGH 59, 154).
Der Antrag, mit dem die Antragstellerin im Wege einer einstweiligen Anordnung die Außervollzugsetzung des § 1 der Satzung der Antragsgegnerin über das Offenhalten von Verkaufsstellen vom 07.12.2016 bis zu einer Entscheidung über den Normenkontrollantrag in der Hauptsache (6 S 357/16) begehrt, ist nach § 47 Abs. 6 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig (I.). Er ist jedoch nicht begründet (II.).
I.
Die Statthaftigkeit des Antrags ergibt sich aus § 47 Abs. 6 VwGO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 4 AGVwGO. Danach entscheidet der Verwaltungsgerichtshof auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO über die Gültigkeit von - wie hier - im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften. Er kann in diesem Zusammenhang auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
Die Antragstellerin ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Im Hinblick auf ihr Vorbringen, die Voraussetzungen für den Erlass der streitgegenständlichen Satzung lägen nicht vor, kann sie die Verletzung ihres durch die Sonn- und Feiertagsruhe des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) sowie des Art. 3 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg (LV) verstärkten Rechts auf eine effektive Wahrnehmung der Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG geltend machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.2015 - 8 CN 2.14 -, BVerwGE 153, 183; Thüringer OVG, Beschluss vom 20.04.2016 - 3 EN 222/16 -, GewArch 2016, 345 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.03.2015 - 1 S 19.15 -, LKV 2015, 274; kritisch: Leisner, NVwZ 2014, 921; Schunder, NVwZ 2016, 694).
II.
Der Antrag ist aber nicht begründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschlüsse vom 25.02.2015 - 4 VR 5.14 -, ZfBR 2015, 381 und vom 16.09.2015 - 4 VR 2.15 -, juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.08.2016 - 5 S 437/16 -, juris m.w.N. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung - jeweils zu Bebauungsplänen) sind Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO zunächst die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache voraussichtlich begründet wäre, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug der streitgegenständlichen Satzung oder Rechtsvorschrift zu suspendieren ist. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug der Rechtsvorschrift vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind dabei die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist.
Hieran gemessen bleibt der Antrag der Antragstellerin ohne Erfolg. Die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags lassen sich im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht hinreichend zugunsten der Antragstellerin absehen (1.). Im Rahmen der somit erforderlichen Folgenabwägung kann der Senat überdies nicht erkennen, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten und für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Belange gegenüber den gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist daher nicht im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten (2.).
1. Mit der in Rede stehenden Satzung hat die Antragsgegnerin gestützt auf § 4 Abs. 1 GemO die Zeit und den räumlichen Bereich des Offenhaltens von Verkaufsstellen an zwei Sonntagen im Jahr 2017 bestimmt. Rechtsgrundlage hierfür ist § 8 LadÖG. Nach § 8 Abs. 1 LadÖG dürfen abweichend von § 3 Abs. 2 Nr. 1 LadÖG, nach dem Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden an Sonn- und Feiertagen geschlossen sein müssen, Verkaufsstellen aus Anlass von örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an jährlich höchstens drei Sonn- und Feiertagen geöffnet sein. Gemäß § 8 Abs. 2 LadÖG kann die Offenhaltung von Verkaufsstellen auf bestimmte Bezirke und Handelszweige beschränkt werden. Sie darf fünf zusammenhängende Stunden nicht überschreiten, muss spätestens um 18.00 Uhr enden und soll außerhalb der Zeit des Hauptgottesdienstes liegen. § 8 Abs. 3 LadÖG bestimmt, dass die Adventssonntage, die Feiertage im Dezember sowie der Oster- und Pfingstsonntag nicht freigegeben werden dürfen.
Diese einfachgesetzlichen Voraussetzungen erfüllt die mit der Satzung der Antragsgegnerin erfolgte Freigabe der beiden Sonntage 02.04.2017 und 15.10.2017 zur Ladenöffnung ohne weiteres. Das Offenhalten ist ausdrücklich auf die Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr und damit auf fünf Stunden beschränkt. Auch die maximale Anzahl der Sonn- und Feiertage wird ersichtlich nicht überschritten. Die Freigabe erfolgt zudem ausweislich der Satzung sowie der zugrundeliegenden Beschlussvorlage des Gemeinderats (VORL.NR. 432/16) aus Anlass der Saisoneröffnung beziehungsweise des Saisonabschlusses der „Oldtimer-Sternfahrt“, bei denen auf dem Außengelände des Einkaufszentrums ... jeweils ca. 800 historische Fahrzeuge vorgestellt und ausgestellt werden sowie - nach substantiierten Angaben der Antragsgegnerin - mehrere weitere hundert historische Fahrzeuge ohne Anmeldung zusammenkommen und von interessierten Besuchern besichtigt werden. Hierbei handelt es sich um „ähnliche Veranstaltungen“ im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 LadÖG, anlässlich derer verkaufsoffene Sonntage grundsätzlich ermöglicht werden können.
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Fraglich und im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu klären ist indes, ob die Satzung auch einer Prüfung anhand der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Sonn- und Feiertagsschutz aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV standhält. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11.11.2015, a.a.O.) zum in Bayern noch anwendbaren bundesrechtlichen § 14 LadSchlG, der im Wesentlichen mit den Regelungen des baden-württembergischen § 8 LadÖG übereinstimmt, allerdings das Offenhalten an jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertagen ermöglicht, ist die Vorschrift zu den verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen verfassungskonform dahingehend einschränkend auszulegen, dass die Tatbestandsvoraussetzung „aus Anlass von örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen“ nur dann erfüllt ist, wenn die öffentliche Wirkung solcher traditionell auch an Sonn- und Feiertagen stattfindenden Veranstaltungen gegenüber der typisch werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung im Vordergrund steht; die Ladenöffnung muss mithin nach den gesamten Umständen als bloßer Annex zur anlassgebenden Veranstaltung erscheinen. Dies könne - so das Bundesverwaltungsgericht für den in seiner Entscheidung zu Grunde liegenden Frühjahrsmarkt - in der Regel nur dann angenommen werden, wenn die Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt werde, weil nur insoweit ihr Bezug zum Marktgeschehen erkennbar bleibe, wobei die Ausstrahlungswirkung des Marktes wegen seines Umfangs oder seiner besonderen Attraktivität zu berücksichtigen sei. Darüber hinaus bleibe die werktägliche Prägung der Ladenöffnung nur dann im Hintergrund, wenn nach einer anzustellenden Prognose der Besucherstrom, den der Markt für sich genommen auslöse, die Zahl der Besucher übersteige, die allein wegen einer Öffnung der Verkaufsstellen kämen. Zur Abschätzung der jeweiligen Besucherströme könne beispielsweise auf Befragungen zurückgegriffen werden. Die gemeindliche Prognose unterliege zwar nur eingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Das Gericht habe jedoch zu prüfen, ob die bei Erlass der die Freigabe der Ladenöffnung regelnden Vorschrift vorgenommene Prognose schlüssig und vertretbar sei (BVerwG, Urteil vom 11.11.2015, a.a.O.).
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Der Senat hegt nach derzeitigem Erkenntnisstand Zweifel daran, ob diese vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene vergleichsweise enge „verfassungskonforme“ Auslegung tatsächlich erforderlich ist und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 01.12.2009 (- 1 BvR 2857/07, 1 BvR 2858/07 -, BVerfGE 125, 39) entspricht (zu den diesbezüglichen Zweifeln des Senats vgl. bereits den Beschluss vom 26.10.2016 - 6 S 2041/16 -, juris). Das Bundesverfassungsgericht fordert darin mit Blick auf Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV lediglich ein Schutzkonzept mit einem Mindestschutzniveau für die Sonn- und Feiertage und die Einhaltung eines Regel-/Ausnahmeverhältnisses, wobei für die ausnahmsweise sonntägliche Ladenöffnung ein öffentliches Interesse von gewissem Gewicht sprechen müsse, das über das alleinige Umsatz- und Erwerbsinteresse auf Seiten der Verkaufsstelleninhaber und das alltägliche „Shopping-Interesse“ auf Kundenseite hinausgehe. Demgegenüber verlangt das Bundesverwaltungsgericht mit der von ihm vorgenommenen „weitergehenden“ verfassungskonformen Einschränkung des Anwendungsbereichs der Ladenöffnungsregelungen an Sonntagen eine Verknüpfung einer anderen Veranstaltung mit der Ladenöffnung in Gestalt einer (überwiegenden) Gleichwertigkeitsprognose. Es erscheint dem Senat zweifelhaft, ob diese weitere Einschränkung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts tatsächlich angelegt und zur Wahrung der in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV verankerten Schutzpflichten verfassungsrechtlich geboten ist, zumal die Aussagekraft von Prognosen der Besucherströme aufgrund der auf der Hand liegenden Wechselbezüglichkeit von Veranstaltung und Sonntagsöffnung begrenzt erscheint und es die Zielrichtung des Schutzkonzepts konterkarieren könnte, wenn einerseits ein gewichtiges öffentliches Interesse für die sonntägliche Ladenöffnung gefordert wird, diese aber andererseits keinen erheblichen Besucherstrom anziehen dürfte. Zwar darf sich die anlassgebende Veranstaltung sicherlich nicht als bloßer Vorwand für eine Ladenöffnung darstellen oder gegenüber dem Sonntagsverkauf in den Hintergrund gedrängt werden. Die vom Bundesverwaltungsgericht geforderten Einschränkungen scheinen jedoch deutlich über die verfassungsrechtlich gebotene Beibehaltung eines Mindestschutzniveaus für die Sonn- und Feiertage und die Einhaltung eines Regel-/Ausnahmeverhältnisses hinauszugehen.
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Unabhängig davon, dass eine Klärung derartiger schwieriger Sach- und Rechtsfragen verfassungsrechtlicher Art im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht erfolgen kann, erscheinen die Erfolgsaussichten der Normenkontrolle auch unter Heranziehung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Maßstäbe als offen. Die dem Satzungsbeschluss zugrundeliegende Beschlussvorlage des Gemeinderats enthält jedenfalls ein Mindestmaß an Angaben zu den vom Gemeinderat erwarteten Besucherzahlen. Da die „Oldtimer-Sternfahrten“ verbunden mit sonntäglicher Ladenöffnung bereits viele Male stattgefunden haben, ist nicht zu beanstanden, dass der Satzungsgeber dabei auf die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren sowie auf die Angaben des Betreibers des ... zu den dortigen Besucherzahlen zurückgreift. Danach seien von den bei den letzten Veranstaltungen jeweils verzeichneten 20.000 bis 25.000 Besuchern des ... ca. 70 Prozent - und damit die deutliche Mehrheit - speziell zur Besichtigung der Oldtimer-Fahrzeuge angereist. Ob sich dieser durch die anlassgebende Veranstaltung angezogene Besucheranteil nach der Einschätzung der Antragsgegnerin auch auf die weiteren von der Möglichkeit der Sonntagsöffnung erfassten Verkaufsstellen (... etc.) bezieht, bleibt indes unklar. Die Klärung der Frage, ob nach alledem von einer schlüssigen Prognose seitens des Satzungsgebers ausgegangen werden kann, muss dem Hauptsacheverfahren überlassen bleiben.
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Auch ob sich darüber hinaus die angegriffene Satzung bereits - wie die Antragstellerin meint - deshalb als vollständig oder teilweise rechtswidrig erweist, weil deren räumlicher Anwendungsbereich nicht allein auf das ..., auf dessen Parkflächen die Oldtimer-Veranstaltungen stattfinden sollen und das einen Großteil der weiteren Infrastruktur zur Verfügung stellt, beschränkt wurde, kann mit den dem Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln nicht hinreichend sicher bewertet werden. Dies betrifft vor allem die Frage, ob die im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.11.2015 (a.a.O.) insoweit für einen (ortsfesten) Markt aufgestellten Erfordernisse in gleicher Weise auch für die hier in Rede stehenden „Oldtimer-Sternfahrten“ gelten, deren Veranstaltungsgebiet naturgemäß flexibler und weiträumiger als das eines Marktes sein kann. Insoweit bedürfte beispielsweise genauerer Betrachtung, inwieweit sich die zur Veranstaltung gehörenden An- und Abfahrten der Oldtimer auf die in der Umgebung des ... befindlichen Verkaufsstellen auswirken sowie ob aufgrund der Inanspruchnahme der Außenbereichsflächen des ... durch die Oldtimer ein Ausweichen der Besucher auf die Parkflächen der weiteren Verkaufsstellen zu erwarten ist, so dass diese zwangsläufig in den Veranstaltungsbereich einbezogen würden.
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2. Nach der im Hinblick auf die offenen Erfolgsaussichten erforderlichen Folgenabwägung kann der Senat ein deutliches Überwiegen der von der Antragstellerin geltend gemachten Belange gegenüber den von der Antragsgegnerin vorgetragenen gegenläufigen Interessen nicht feststellen. Der Senat vermag daher derzeit auf Grund des Vorbringens der Beteiligten nicht zu erkennen, dass der Satzungsvollzug Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO unaufschiebbar ist.
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Dabei berücksichtigt der Senat durchaus, dass grundsätzlich allein erwerbswirtschaftliche Interessen der Geschäftsinhaber sowie das alltägliche „Shopping-Interesse“ potenzieller Kunden nicht ausreichen, um eine Ausnahme von der im Grundgesetz verankerten sonn- und feiertäglichen Ruhe zu begründen. Auch stellt er in Rechnung, dass sich mit dem Ablauf des nahenden 02.04.2017 und der Durchführung des verkaufsoffenen Sonntags an diesem Tag die damit verbundenen tatsächlichen Konsequenzen nicht mehr ungeschehen machen ließen und damit der verfassungsrechtlich gebotene Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe an diesem Tag zumindest tangiert wäre. Auch im Hinblick auf den 15.10.2017 könnten durch Zeitablauf vollendete Tatsachen eintreten, wenn bis dahin eine rechtskräftige Entscheidung über den Normenkontrollantrag in der Hauptsache nicht vorliegt. Allerdings betrifft dies lediglich zwei vereinzelte, zeitlich beschränkte Ereignisse, so dass dadurch eine dauerhafte Infragestellung des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes der Sonn- und Feiertage nicht zu erwarten ist. Hinsichtlich der verfassungsrechtlich geforderten Sicherung eines Mindestniveaus des Sonn- und Feiertagsschutzes ist überdies zu beachten, dass der baden-württembergische Gesetzgeber in § 8 LadÖG bereits eine nur sehr niedrige Höchstzahl freigabefähiger Sonn- und Feiertage (drei) mit zudem geringer Stundenzahl (jeweils fünf) ermöglicht und davon noch die Adventssonntage, die Feiertage im Dezember sowie den Oster- und Pfingstsonntag ausnimmt (vgl. dagegen die Fallgestaltung in BVerfG, Urteil vom 01.12.2009, a.a.O., der eine deutlich höhere Anzahl freigegebener Tage zugrunde lag; vgl. zum Ganzen bereits den Senatsbeschluss vom 26.10.2016, a.a.O.). Die Antragstellerin kann zudem die von ihr geltend gemachte Rechtswidrigkeit der sonntäglichen Ladenöffnung anlässlich der „Oldtimer-Sternfahrten“ im Hauptsacheverfahren auch dann weiter verfolgen, wenn die in der Satzung aufgeführten Tage verstrichen sind, da nichts dafür ersichtlich ist, dass die seit 2004 stattfindende Veranstaltung zukünftig nicht mehr durchgeführt oder mit einem Sonntagsverkauf verknüpft werden soll (vgl. zum Sachentscheidungsinteresse für ein Normenkontrollverfahren trotz Erledigung der zur Prüfung gestellten Norm: BVerwG, Urteil vom 29.06.2001 - 6 CN 1.01 -, NVwZ-RR 2002, 152 und Urteil vom 11.11.2015, a.a.O.), und damit eine präjudizielle Entscheidung für künftige Sonntagsöffnungen aus diesem Anlass erreichen.
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Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Veranstaltung der „Oldtimer-Sternfahrten“ nach dem substantiierten Vortrag der Antragsgegnerin wesentlich von finanziellen Beiträgen sowie der Nutzung der Infrastruktur - beispielsweise der sanitären Anlagen, der Gastronomie und der Parkplätze - des ... abhängt. Ein Wegfall der in der Satzung vorgesehenen verkaufsoffenen Sonntage ließe daher die Nichtdurchführbarkeit der Veranstaltungen befürchten. Jedenfalls im Hinblick auf den 02.04.2017 ist überdies - ohne dass es darauf noch entscheidend ankäme - davon auszugehen, dass die Verkaufsstelleninhaber aufgrund eines in die Bestimmung des verkaufsoffenen Sonntags gesetzten Vertrauens bereits vor Stellung des vorliegenden Antrags durch die Antragstellerin Dispositionen getroffen haben, die bei einer Außervollzugsetzung der Satzung vergeblich aufgewendet wären (vgl. BVerfG, Urteil vom 01.12.2009, a.a.O., nach dem die Regelung zur Öffnung von Verkaufsstellen an allen vier Adventssonntagen trotz Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit für das Jahr 2009 noch anwendbar blieb). So hat die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf nachvollziehbare Angaben der Betreiberin des ... insoweit ausgeführt, dass der Werbegemeinschaft des ... bereits Kosten in Höhe von ca. 66.500 EUR für Werbemaßnahmen entstanden seien.
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Demgegenüber ist für den Senat ein relevanter Nachteil für die Antragstellerin, der den Erlass einer einstweiligen Anordnung unaufschiebbar macht, nicht erkennbar. Der Sonn- und Feiertagsschutz gemäß Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV und Art. 3 LV dient zwar auch einer effektiven Wahrnehmung der Vereinigungsfreiheit der Antragstellerin gemäß Art. 9 Abs. 3 GG. Die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen ist für die Rahmenbedingungen des Wirkens der Gewerkschaften bedeutsam und wirkt sich auf die Möglichkeiten zur Abhaltung von Versammlungen oder ähnlichen Veranstaltungen der Gewerkschaft aus. Die Sonntagsöffnung kann zur Folge haben, dass Mitglieder der Antragstellerin an diesen Tagen an der Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen gehindert sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.2015, a.a.O.). Jedoch gewährleistet das Grundgesetz weder nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch der des Bundesverwaltungsgerichts insoweit ausnahmslosen Schutz. Die Herausnahme von zwei über das Jahr verteilten Sonntagen aus der allgemeinen Arbeitsruhe stellt weder den grundsätzlichen Schutz von Sonn- und Feiertagen in Frage, noch erscheint dies als eine Umkehrung des Regel-/Ausnahmeverhältnisses oder als ein unzumutbarer Eingriff in die Rechte der Antragstellerin beziehungsweise der von ihr vertretenen Mitglieder. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Öffnungszeiten lediglich fünf Stunden betragen und der Geltungsbereich der Satzung nur einen Teil des Gemeindegebiets erfasst, so dass der Tag einem normalen Werktag ersichtlich nicht gleichkommt. An alledem ändert im Ergebnis auch der erstmals mit Schriftsatz vom 24.02.2017 mitgeteilte Umstand nichts, dass die Antragstellerin am 02.04.2017 in ... und ... gewerkschaftliche Informationsveranstaltungen durchführt und für den 15.10.2017 eine Protestkundgebung auf dem Gemeindegebiet der Antragsgegnerin plant.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Da die Hauptsache wegen des Zeitablaufs voraussichtlich - jedenfalls in Bezug auf die Ladenöffnung am 02.04.2017 - vorweggenommen wird, sieht der Senat in Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 58) von einer weiteren Reduzierung des Streitwerts für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ab.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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