Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 11 S 2776/17

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. November 2017 - 4 K 5304/17 - teilweise geändert. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt und Rechtsanwalt ..., ..., beigeordnet, soweit sich seine Klage gegen Nr. 1 und Nr. 4 der Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17. März 2017 richtet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Gebühr nach Nr. 5502 der Anlage I zu § 3 Abs. 2 GKG ist nicht zu erheben.

Gründe

 
Die zulässige Beschwerde des Klägers hat teilweise Erfolg. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die erhobene Klage, soweit sie sich gegen die in Nr. 1 und Nr. 4 der Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17. März 2017 richtet, eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 166 Abs. 1 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO (II. und III.). Im Übrigen ist die Versagung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht nicht zu beanstanden (IV).
I.
Gemäß § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewähren. Erforderlich ist zudem, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Unter den gleichen Voraussetzungen erfolgt nach Maßgabe des § 121 Abs. 2 ZPO die Beiordnung eines Rechtsanwalts. Dabei ist es zur Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht erforderlich, dass der Prozesserfolg (annähernd) gewiss ist. Vielmehr besteht eine hinreichende Erfolgsaussicht schon dann, wenn ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich erscheint wie ein Unterliegen, der Prozessausgang also offen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 -, BVerfGE 81, 347; Kammerbeschluss vom 22.05.2012 - 2 BvR 820/11 -, InfAuslR 2012, 317). Weder dürfen Beweiswürdigungen vorweggenommen noch sollen schwierige Rechtsfragen geklärt werden, die in vertretbarer Weise auch anders beantwortet werden können. Denn die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern (vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 05.02.2003 - 1 BvR 1526/02 -, NJW 2003, 1857 und vom 14.04.2003 - 1 BvR 1998/02 -, NJW 2003, 2976).II.
Gemessen hieran kommt dem Kläger für die Anfechtung von Nr. 1 der angegriffenen Verfügung, mit der ihm die Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina aus der Haft ohne Setzung einer Frist angedroht worden ist, der geltend gemachte Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu.
Zwar hat der Senat entschieden, dass das Unterlassen einer Fristsetzung für die Ausreise im Falle der Abschiebung aus der Haft mit § 59 Abs. 5 Satz 1 AufenthG im Einklang steht und bei Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98) - Rückführungsrichtlinie / RFRL -, die sich aus den Umständen des Einzelfalls ergeben kann, dies auch unionsrechtlich keinen durchgreifenden Bedenken begegnet (vgl. insoweit VGH Bad.-Württ, Urteil vom 29.03.2017 - 11 S 2029/16 -, VBlBW 2018, 15). Die kontinuierliche und erhebliche Straffälligkeit des Klägers könnte hier die Gefahr für die öffentliche Ordnung indizieren. Der Klage kommt indes dennoch eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Abs. 1 ZPO zu. Denn das Bundesverwaltungsgericht betrachtet die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Abschiebung aus der Haft heraus ohne Setzen einer Frist zur freiwilligen Ausreise auf der Grundlage des § 59 Abs. 5 Satz 1 AufenthG mit der Rückführungsrichtlinie in Einklang steht, als offene, nicht geklärte Frage (BVerwG, Beschluss vom 14.02.2018 - 1 C 20.17 - Rn. 2).
III.
Auch für die Anfechtung von Nr. 4 der angegriffenen Verfügung, in der es heißt
„Das mit dem Vollzug einer Abschiebung eintretende Einreise- und Aufenthaltsverbot wird auf 2 Jahre ab Ausreise befristet.“
ist dem Kläger entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Prozesskostenhilfe zu gewähren. Denn die Erfolgsaussichten seiner Klage sind auch insoweit offen.
1. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Verfügung insoweit von einer Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist. Das in § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnete gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot ist im Fall des Klägers aus unionsrechtlichen Gründen unanwendbar (a)). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die angegriffene Entscheidung als einzelfallbezogene Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots zu verstehen (b)). Diese Rechtsprechung hat aber die Frage, ob es für eine solche einzelfallbezogene Anordnung eine hinreichend Ermächtigungsgrundlage gibt, nicht geklärt. Es sind hier komplexe Frage (auch des Unionsrechts) zu beantworten (c)).
a) aa) Die gesetzliche Regelung über das als Folge der Abschiebung eintretende Einreise- und Aufenthaltsverbot aus § 11 Abs. 1 AufenthG ist wegen eines Verstoßes gegen Art. 11 RFRL unionsrechtswidrig und daher unanwendbar mit der Folge, dass eine Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots zunächst ins Leere geht.
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Die Rückführungsrichtlinie definiert das Einreiseverbot als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht“ (Art. 3 Nr. 6 RFRL). Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsbehelf zu ermöglichen, über den auch belehrt werden muss (Art. 12 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 RFRL). Zwingend ist ein solches Einreiseverbot nach den Vorgaben des Unionsrechts in zwei Fällen zu verfügen: Einmal gilt dies, wenn keine Frist für eine freiwillige Ausreise gesetzt worden ist (Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a) RFRL) und weiter auch dann, wenn der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde (Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) RFRL).
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Davon ausgehend kann allein aufgrund einer gesetzgeberischen Entscheidung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach der Rückführungsrichtlinie jedenfalls, soweit es an eine Abschiebung anknüpft, schon nicht wirksam eintreten; vielmehr bedarf es dafür einer behördlichen oder richterlichen Entscheidung (BVerwG, Beschlüsse vom 13.07.2017 - 1 VR 3.17 -, NVwZ 2017, 1531 Rn. 71 und vom 22.08.2017 - 1 A 10.17 -, NVwZ 2018, 345 Rn. 5). Soweit der erkennende Senat insoweit bisher vertreten hat, dass es zur Sicherung der Unionsrechtskonformität von § 11 AufenthG ausreiche, dass die Befristungsentscheidung (heute) nach § 11 Abs. 2 AufenthG jedenfalls im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung erfolge (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412 (414); Beschluss vom 19.12.2012 - 11 S 2303/12 -, InfAuslR 2013, 98 (99): dort allerdings schon zweifelnd „Nur bei einer derartigen Betrachtungsweise kann noch annähernd dem unionsrechtlichen Erfordernis einer einzelfallbezogenen behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung über das Einreiseverbot und dessen Befristung Rechnung getragen werden.“; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 31.10.2014 - 11 S 2025/14 -, InfAuslR 2015, 13: „Mindestmaß an Konformität mit Unionsrecht“), hält er an dieser Rechtsauffassung nicht weiter fest.
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bb) Die Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers erfolgt auch im Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie, so dass sich der unionsrechtliche Anwendungsvorrang der Rückführungsrichtlinie und die Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung und Anwendung der nationalen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes auf die Entscheidung über das Einreise- und Aufenthaltsverbot auswirken.
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Der Antragsteller ist nämlich ein illegal im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland aufhältiger Drittstaatsangehöriger (vgl. Art. 2 Abs. 1 RFRL), ohne dass die Ausnahmen aus Art. 2 Abs. 2 und 3 RFRL eingriffen. Unbeschadet der Frage, in welcher Weise der Gesetzgeber von der Möglichkeit des opting-out aus dem Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie in Anwendung von Art. 2 Abs. 2 RFRL Gebrauch machen kann bzw. muss (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.03.2017 - 11 S 2029/16 -, VBlBW 2018, 15; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: Dezember 2016, § 59 AufenthG Rn. 299 ff.), ist der Antragsteller bezogen auf die angegriffene Verfügung vom 17. März 2017 nicht aufgrund oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig. Denn seine vollziehbare Ausreisepflicht beruht schlicht auf einem fehlenden Aufenthaltstitel und seiner unerlaubten Einreise (§§ 50 Abs. 1, 58 Ans. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Darüber hinaus ist die von dem Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung nach § 59 AufenthG eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 RFRL (BGH, Beschluss vom 14.07.2016 - V ZB 32/15 -, InfAuslR 2016, 432 Rn. 13; VGH Bad.-Württ, Beschluss vom 19.12.2012 - 11 S 2303/12 -, InfAuslR 2013, 98).
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Es liegt beim Kläger auch ein Fall eines unionsrechtlich zwingenden Einreiseverbots vor, da ihm - für die Abschiebung aus der Haft - keine Frist zur freiwilligen Ausreise gesetzt worden ist (Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a) RFRL).
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b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts soll die von Art. 11 Abs. 1 RFRL geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer in unionsrechtskonformer Auslegung des Aufenthaltsgesetzes regelmäßig in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG zu sehen sein (BVerwG, Beschluss vom 13.07.2017 - 1 VR 3.17 -, NVwZ 2017, 1531 Rn. 72). Es handelt sich hiernach also um den konstitutiven Erlass eines befristeten Einreiseverbots (BVerwG, Urteil vom 27.07.2017 - 1 C 28.16 -, DVBl 2017, 1430 Rn. 42), in das die verfügte Befristung grundsätzlich umzudeuten ist. Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht allerdings, ob für den Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbots eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.07.2017 - 1 VR 3.17 -, NVwZ 2017, 1531 Rn. 72).
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c) aa) Der Wortlaut von § 11 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AufenthG spricht zunächst gegen die Möglichkeit, hier die Ermächtigung der Behörde zur Verhängung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots zu verorten, nachdem in Absatz 1 eindeutig ein kraft Gesetzes entstehendes Verbot bestimmt wird und in Absatz 2 Satz 1 allein die Ermächtigung und Verpflichtung zur Befristung des Verbots verankert ist.
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bb) Es gilt jedoch zu beachten, dass die Gerichte nicht allein darauf verwiesen sind, gesetzgeberische Weisungen in den Grenzen des möglichen Wortsinns auf den Einzelfall anzuwenden. Richterliche Tätigkeit besteht nicht nur im Erkennen und Aussprechen von Entscheidungen des Gesetzgebers. Die Aufgabe der Rechtsprechung kann es insbesondere erfordern, in einem Akt bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte Elemente nicht fehlen, Wertvorstellungen, die der Rechtsordnung immanent sind, ans Licht und in Entscheidungen in willkürfreier Weise zur Geltung zu bringen (BVerfG, Beschluss vom 14.02.1973 -1 BvR 112/65 -, BVerfGE 34, 269 (287)). Im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung durch teleologische Korrektur des Normtextes liegt es auf der Hand, dass der Wortlaut der Norm als solcher gerade nicht begrenzend wirken kann (so auch Bauer, NVwZ 2018, 471 (473) - im Erscheinen; a.A. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.02.2018 - A 4 S 169/18 -, juris Rn. 6). Die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung sind weiter, soweit die vom Gericht im Wege der Rechtsfortbildung gewählte Lösung dazu dient, der Verfassung, insbesondere verfassungsmäßigen Rechten des Einzelnen, zum Durchbruch zu verhelfen, da insoweit eine auch den Gesetzgeber treffende Vorgabe der höherrangigen Verfassung konkretisiert wird. Umgekehrt sind die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung demgemäß bei einer Verschlechterung der rechtlichen Situation des Einzelnen enger gesteckt. Die Rechtsfindung muss sich umso stärker auf die Umsetzung bereits bestehender Vorgaben des einfachen Gesetzesrechts beschränken, je schwerer die beeinträchtigte Rechtsposition auch verfassungsrechtlich wiegt (BVerfG, Beschluss vom 24.02.2015 - 1 BvR 472/14 -, BVerfGE 138, 177 Rn. 41 mwN.).
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cc) Weiter verlangt Art. 288 AEUV iVm Art. 4 Abs. 3 EUV von den nationalen Gerichten im Anwendungsbereich des Unionsrechts, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem vom Unionsrecht verfolgten Ziel im Einklang steht (EuGH, Urteil vom 13.07.2016 - C-187/15 - <Pöpperl>, NVwZ 2016, 1485 Rn. 43). Dabei ist zu beachten, dass das Unionsrecht auch in diesen Fällen die Beachtung allgemeiner Rechtsgrundsätze verlangt und nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen darf (EuGH, Urteil vom 15.01.2014 - C-176/12 - <Association de médiation sociale>, NZA 2014, 193 Rn. 39). Die unionsrechtskonforme Auslegung findet ihre Grenzen in dem nach der innerstaatlichen Rechtsordnung methodisch Erlaubten (BVerfG, Beschluss vom 17.11.2017 - 2 BvR 1131/16 -, NVwZ-RR 2018, 169 Rn. 37).
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dd) Eine Rechtsanwendung dahingehend, § 11 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG könnten als Ermächtigungsgrundlage für die Ausländerbehörde zur Verhängung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots dienen, würde damit in methodischer Hinsicht eine unionsrechtlich gebotene Rechtsfortbildung bedeuten, die in einer Kombination von teleologischer Extension und Substitution (vgl. dazu Reimer, Juristische Methodenlehre Rn. 623 ff.) sowohl einen Austausch von Tatbestands- als auch Rechtsfolgenelementen vornähme (siehe hierzu Dörig/Hoppe, in: Dörig, Handbuch Migrationsrecht, 2018 im Erscheinen Kapitel 5). Jedenfalls offen ist die Frage, ob sich damit der Rechtsanwender über eine ausdrückliche gesetzgeberische Entscheidung hinwegsetzte, was verfassungsrechtlich unzulässig wäre (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.10.2016 - 1 BvR 871/13 -, NVwZ 2017, 617 Rn. 23). Dies könnte man annehmen, weil die Beibehaltung des Systems eines gesetzlichen Einreiseverbots mit sich anschließender behördlicher Befristung in der Sachverständigenanhörung im Innenausschuss diskutiert worden ist (siehe Habbe, Deutscher Bundestag, Innenausschuss, Drucksache 17(4)282 E S. 8 ; Kluth, Deutscher Bundestag, Innenausschuss, Drucksache 17/4)282 A S. 2; Sommer, Deutscher Bundestag, Innenausschuss, Drucksache 17(4)282 B S. 3; Thym, Deutscher Bundestag, Innenausschuss, Drucksache 17(4)282 F S. 3) und sich der Bundesgesetzgeber sodann für die - unionsrechtswidrige - Umsetzung entschieden hat. Indes lässt sich auch mit guten Gründen vertreten, dass eine solche Rechtsfortbildung die verfassungsrechtlichen Grenzen deswegen nicht überschreitet, weil bei einer Gesamtbetrachtung der Einzelne beim Vergleich zwischen der nationalen Konzeption von § 11 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG einerseits und der unionsrechtskonformen Regelung andererseits in gleichem Maße in seinen Rechtspositionen beeinträchtigt würde (so Dörig/Hoppe, in: Dörig, Handbuch Migrationsrecht, 2018 im Erscheinen, Kapitel 5).
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ee) Aus der Darstellung der Probleme, die mit dem Unionsrechtsverstoß durch § 11 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG verbunden sind, ergibt sich, dass derzeit in der Regel hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne von § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO einer jeden zulässigen Klage gegen den Ausspruch einer Befristung eines gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots im Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie bestehen.
21 
Bei diesem Befund kann der Senat offen lassen, ob es methodisch überhaupt möglich und zulässig ist, in einer Entscheidung einer Behörde über die Befristung eines gesetzlichen Verbots die Einzelfallanordnung eines befristeten Verbots zu erblicken (siehe hierzu Bauer, NVwZ 2018, 471 (473) - im Erscheinen)
22 
2. Es lässt sich derzeit nicht feststellen, dass die Regelung in Nr. 4 der Verfügung vom 17. März 2017 sich durch eine nachfolgende Regelung erledigt hätte.
23 
Das Regierungspräsidium Stuttgart hat zwar mit - nach dessen Auskunft vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart angegriffener - Verfügung vom 14. November 2017 „die Wirkung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf vier Jahre ab erneuter Ausreise (ggf. Abschiebung) befristet.“ Nach einem so genannten „Hinweis“ soll sich diese Entscheidung auf die (vom Regierungspräsidium Stuttgart) verfügte Ausweisung vom 9. August 2011 sowie auf die Abschiebungen des Antragstellers am 8. Dezember und vom 22. August 2014 beziehen. Dabei geht das Regierungspräsidium Stuttgart davon aus, dass Ausweisung und Abschiebung zu einem einheitlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot führen, das einheitlich zu befristen sei. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 RFRL darstellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492) und insoweit § 11 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG nicht aufgrund unionsrechtlicher Bestimmungen unanwendbar sind, lässt sich die These einer einheitlichen Handhabung des Einreise- und Aufenthaltsverbots aufgrund Ausweisung einerseits und Abschiebung andererseits nicht halten. Da schon deshalb auch die Erfolgsaussichten der Klage gegen die Entscheidung vom 14. November 2017 offen erscheinen, hat diese Entscheidung derzeit keine Auswirkungen auf die Feststellung, dass der Klage gegen Nr. 4 der Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17. März 2017 hinreichende Erfolgsaussicht zukommt.
IV.
24 
Soweit sich die Klage gegen die Abschiebungsandrohung nach Haftentlassung mit Fristsetzung für die freiwillige Ausreise richtet, kommen der Klage die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne des § 166 Abs. 1 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO hingegen nicht zu.
25 
Die vom Antragsteller geltend gemachten Umstände könnten allein auf Duldungsgründe führen. Diese stünden der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung indes nicht entgegen § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Gründe, die auf eine Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung führen könnten, wie etwa das Entfallen der Ausreisepflicht, werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
V.
26 
Die Entscheidung zu bestimmen, dass keine Gebühr nach Nr. 5502 der Anlage I zu § 3 Abs. 2 GKG zu erheben ist, nimmt der Senat in Ausübung seines ihm eingeräumten Ermessens aufgrund des teilweisen Obsiegens des Antragstellers mit seiner Beschwerde vor.
27 
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Außergerichtliche Kosten sind nicht erstattungsfähig, § 166 Abs. 1 VwGO iVm. § 127 Abs. 4 ZPO. Gerichtsgebühren fallen nach der Entscheidung des Senats nicht an.
28 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

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