Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28. Juni 2018 - 7 K 3352/18 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.282,68 EUR festgesetzt.
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| Die fristgerecht eingelegte (§ 147 Abs. 1 VwGO) und begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Antragsgegner dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich das Beschwerdegericht zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergeben nicht, dass das Verwaltungsgericht dem Eilantrag des Antragstellers auf Einbeziehung in die Auswahl für die Einstellung zum 01.07.2018 in den gehobenen Polizeivollzugsdienst zu Unrecht stattgegeben hat. Auch der Senat ist vielmehr im Ergebnis der Auffassung, dass der Antragsteller hinreichend sowohl einen entsprechenden Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Der Senat teilt zwar nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Totenschädel-Tätowierung des Antragstellers könne seiner persönlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst nicht entgegenstehen (hierzu 1.). Die Reglementierung solcher Tätowierungen bedarf jedoch einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigung, an der es in Baden-Württemberg noch fehlt, sodass eine Tätowierung derzeit grundsätzlich auch nicht unter Berufung auf die „Leitlinien des Innenministeriums Baden-Württemberg zur Dienst- und Zivilkleidung sowie zum äußeren Erscheinungsbild der Polizei Baden-Württemberg“ (Stand: 21.01.2014) abgelehnt werden kann (hierzu 2.). Da durch die konkrete Tätowierung des Antragstellers nicht gegen andere beamtenrechtliche Pflichten verstoßen wird (hierzu 3.) und in einer Gesamtabwägung weiterhin vom Vorliegen eines Anordnungsgrundes auszugehen ist (hierzu 4.), musste der Eilantrag Erfolg haben. |
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| 1. Entgegen der sorgfältig begründeten Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Senat nicht der Auffassung, die Totenschädel-Tätowierung des Antragstellers könne seiner persönlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst nicht entgegenstehen. Zwar trifft es zu, dass diese sich über den oberen Rücken erstreckende Tätowierung „Waage mit der Balance zwischen Leben und Tod (39 x 18 cm)“ wahrscheinlich nicht mit der Absicht der Einschüchterung gestochen wurde, obwohl der auf der einen Seite der Waage grimmig dreinblickende Totenschädel mit roten Augen sowie der schwarze Rabenvogel mit roter Knochenschale auf dem Rücken für sich genommen nur schwerlich positiv ausgedeutet werden können. Auch trifft es wohl zu, dass dem Antragsteller hieraus kein Hang zum Morbiden unterstellt werden kann, nachdem auf der anderen Bildhälfte blühende Blumen sowie ein angeschlagenes Ei das Leben symbolisieren sollen. Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass es bei Tätowierungen grundsätzlich nicht auf das persönliche Motiv bzw. die Phantasie des Trägers ankommt, sondern vor allem auf die Wirkung auf andere. Zwar stellt jede Tätowierung zunächst nur eine Körperdekorierung dar. Durch diese wird der Körper indes bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt. Mit dem Tragen einer Tätowierung ist eine plakative Kundgabe verbunden, durch die eine mit ihr verbundene Aussage das sogenannte forum internum verlässt. Hierdurch erfolgt mithin eine nach außen gerichtete und dokumentierte Mitteilung durch deren Träger über sich selbst. Ihr kommt im Falle der Tätowierung sogar ein besonderer Stellenwert zu, weil das Motiv in die Haut eingestochen wird und der Träger sich damit dauerhaft und in besonders intensiver Weise bekennt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - 2 C 25.17 -, Juris Rn. 25). |
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| Auch wenn bezüglich Tätowierungen zwischenzeitlich unzweifelhaft ein Einstellungswandel in der Bevölkerung stattgefunden hat und die Zeiten, in denen solcher „Körperschmuck“ vor allem im Milieu der Kriminellen, Rockerbanden und Seefahrer anzutreffen waren, vorbei sind, hat ein Polizeivollzugsbeamter doch eine besondere Neutralitäts- und Repräsentationsfunktion und soll bei sämtlichen Teilen der Bevölkerung Vertrauen erwecken, um dem Leitbild des „Freund und Helfers“ gerecht werden zu können. Wegen der Außenwirkung von Tätowierungen hält der Senat deshalb die aktuelle Verwaltungspraxis des Landes für überzeugend und auch im Lichte von Art. 33 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 GG für grundrechtskonform, alle nicht-dezenten Tätowierungen im sichtbaren Bereich grundsätzlich abzulehnen. Das gilt auch für Tätowierungen im Bereich der Unterarme. Denn es ist auf die kurzärmelige Sommeruniform abzustellen, weil eine Anweisung des Tragens langärmeliger Uniformhemden selbst im Hochsommer aus Gründen der Kontrolle nicht als verwaltungspraktikables, milderes Mittel gelten kann. |
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| Auch Tätowierungen im nicht-sichtbaren Bereich können im Privatleben z.B. bei sportlichen Aktivitäten allgemein wahrgenommen werden. Bei einem „Wiedersehen in Uniform“ können sie auch deshalb zu einem Ansehensverlust der Polizei führen (vgl. § 34 Satz 3 BeamtStG). Vor diesem Hintergrund hält der Senat auch die aktuelle Verwaltungspraxis der Landesvollzugspolizei für überzeugend und grundrechtskonform, dass selbst im nicht-sichtbaren Bereich unter der Uniform alle Tätowierungen grundsätzlich abgelehnt werden dürfen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen, diskriminierende, gewaltverherrlichende oder sonstige gesetzlich verbotene Motive enthalten sowie im Einzelfall einen achtungs- und vertrauensunwürdigen Eindruck erwecken. Dass insbesondere Totenschädel-Tätowierungen im Einzelfall einen solchen Eindruck hervorrufen können, liegt auf der Hand. |
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| 2. Die Ablehnung auch solcher Tätowierungen im sichtbaren und nicht-sichtbaren Bereich bedarf jedoch einer gesetzlichen Ermächtigung, an der es in Baden-Württemberg derzeit noch fehlt. Unter Bezugnahme auf die Wesentlichkeitslehre des Bundesverfassungsgerichts sowie dessen Rechtsprechung zu Berufswahl- und Berufsausübungsverboten hat das Bundesverwaltungsgericht unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung mit Urteil vom 17.11.2017 (- 2 C 25.17 -, Juris) rechtsgrundsätzlich entschieden, dass die Reglementierung zulässiger Tätowierungen im Beamtenverhältnis einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Regelung bedarf, die nicht in Dienstkleidungsermächtigungen zu finden ist. Auch im Falle der Verordnungsermächtigung müsse schon aus der parlamentarischen Leitentscheidung der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar sein, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll. |
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| Aus Gründen der Rechtseinheit schließt sich der Senat, ebenfalls unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 27.10.2015 - 4 S 1914/15 -, Juris), dieser neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an. Da für die „Leitlinien des Innenministeriums zur Dienst- und Zivilkleidung sowie zum äußeren Erscheinungsbild der Polizei Baden-Württemberg“ nur die Rechtsgrundlage des § 55 Abs. 1 LBG in Betracht kommen dürfte, diese sich jedoch ausdrücklich allein auf „Dienstkleidung sowie Dienstrangabzeichen“ und nicht auf Tätowierungen bzw. sonstigen „Körperschmuck“ bezieht, fehlt es in Baden-Württemberg derzeit an der diesbezüglich erforderlichen Leitentscheidung des Landtags zum äußeren Erscheinungsbild der Landesvollzugspolizei. Der angefochtene Bescheid der Polizeihochschule vom 22.01.2018 und ihr Widerspruchsbescheid vom 12.03.2018 stellen mithin derzeit zu Unrecht auf diese Leitlinien als Einstellungshindernis ab. |
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| 3. Durch die konkrete Tätowierung des Antragstellers wird nicht gegen andere beamtenrechtliche Pflichten verstoßen. Das Bundesverwaltungsgericht hat weiter ausgeführt (a.a.O. Rn. 53 ff.), dass eine Tätowierung auch ohne gesetzliche Reglementierung abgelehnt werden darf, wenn und soweit diese durch ihren Inhalt gegen andere beamtenrechtliche Pflichten verstößt. Dies sei nicht nur der Fall, wenn sich aus dem Inhalt der Tätowierung eine Straftat ergibt, wie etwa im Falle der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Eine Tätowierung begründe vielmehr auch dann ein Dienstvergehen, wenn ihr Inhalt einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht des Beamten offenbare. Der Annahme eines Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht stehe nicht entgegen, wenn einzelne Tätowierungen für sich genommen weder strafrechtlich zu beanstanden seien noch einen unmittelbaren Bezug zum Dritten Reich aufwiesen. Ebenso wenig sei von Belang, ob das Verbot entsprechender Tätowierungen durch eine wirksame (Verwaltungs-)Vorschrift konkretisiert worden sei. Soweit durch Tätowierungen die Verfassungstreuepflicht berührt sei, betreffe dies ein unmittelbar kraft gesetzlicher Anordnung und Verfassungsrecht geltendes Eignungsmerkmal. |
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| Aus dem Inhalt der im Streit stehenden Tätowierung des Antragstellers ergibt sich - trotz aller Bedenken - offenkundig weder eine Straftat noch ein Verstoß gegen Verfassungstreuepflichten eines Beamten. Extremistische, sexistische oder rassistische Hintergründe dürften auszuschließen sein. Auch eine mangelnde Distanz zu Gewalt drängt sich selbst durch das Totenschädelmotiv im Gesamtkontext wohl nicht auf. Ohne Leitentscheidung des Landtags kann der Antragsteller deshalb aufgrund seiner Tätowierung heute nicht vom Beruf des Polizeivollzugsbeamten ausgeschlossen werden. |
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| 4. In einer Gesamtabwägung ist weiterhin vom Vorliegen eines Anordnungs-grundes auszugehen. Angesichts des Anfang nächster Woche startenden Ausbildungsjahres kann sich der Antragsteller hinsichtlich der zeitnah nicht erreichbaren Hauptsacheentscheidung in dem beim Verwaltungsgericht anhängigen Verfahren 7 K 3351/18 auf besondere Eilbedürftigkeit berufen. Zudem kann er sich darauf berufen, dass er bei einer weiteren Zurückstellung mit einer erheblich in seine Grundrechte aus Art. 33 Abs. 2 bzw. Art. 12 GG eingreifenden Ausbildungsverzögerung konfrontiert wäre. |
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| Das Verwaltungsgericht hat überzeugend entschieden, dass für die Zeit nach Eintritt der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. Denn der Antragsgegner hat es in der Hand, den Antragsteller als Beamten auf Widerruf gegebenenfalls gemäß § 23 Abs. 4 BeamtStG zu entlassen, sollte er in der Hauptsache verlieren. Trotz Vorwegnahme der Hauptsache wird ihm die Rechtsstellung durch die einstweilige Anordnung mithin insoweit nur vorläufig gewährt, was in der Gesamtabwägung zu seinen Gunsten streitet. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. |
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| Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG (1.213,78 x 6). Wegen Vorwegnahme der Hauptsache ist im Eilverfahren keine Minderung gemäß Ziff. 1.5 Streitwertkatalog 2013 vorzunehmen. |
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| Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). |
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