Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 9 S 1896/18

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. August 2018 - 12 K 6109/18 - geändert.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin vorläufig zum Schuljahr 2018/2019 in die fünfte Klasse der A-Gemeinschaftsschule aufzunehmen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem ihr Antrag abgelehnt worden ist, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig in die fünfte Klasse der A-Gemeinschaftsschule zum Schuljahr 2018/2019 aufzunehmen, hilfsweise über ihren Antrag erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (vgl. § 147 Abs. 1, § 146 Abs. 1 und 4 VwGO). Die Beschwerde ist auch begründet. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich beschränkt ist, führen zu einer Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses.
Einstweilige Anordnungen sind zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder aus sonstigen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 123 Abs. 3 VwGO). Mit Blick auf den am 10.09.2018 bevorstehenden Schulbeginn liegt die Dringlichkeit der Sache auf der Hand, sodass das Vorliegen eines Anordnungsgrundes keinen Zweifeln begegnet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Antragstellerin aber auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Rechtsgrundlage des Begehrens der Antragstellerin ist § 88 Abs. 4 Satz 2 SchG. Danach besteht ein Anspruch auf Aufnahme in eine bestimmte Schule nicht, solange der Besuch einer anderen Schule desselben Schultyps möglich und dem Schüler zumutbar ist (1. HS); die Schulaufsichtsbehörde kann Schüler einer anderen Schule desselben Schultyps zuweisen, wenn dies zur Bildung annähernd gleich großer Klassen oder bei Erschöpfung der Aufnahmekapazität erforderlich und dem Schüler zumutbar ist (2. HS). Nach der Rechtsprechung des Senats begründet diese Vorschrift einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag auf Aufnahme in eine bestimmte Schule (vgl. Beschlüsse vom 15.09.1999 - 9 S 2178/99 -, NVwZ-RR 2000, 162, und vom 10.09.2009 - 9 S 1950/09 -, NVwZ-RR 2010, 106).
Ein Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung - wie sie die Antragstellerin mit ihrem Hauptantrag begehrt - kann in Anbetracht des prinzipiellen Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren nach § 123 VwGO einerseits und der grundrechtlich verbürgten Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG andererseits nur dann als für den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinreichend glaubhaft gemacht angesehen werden, wenn die ablehnende Entscheidung als ermessensfehlerhaft erscheint und wenn ermessensfehlerfrei vermutlich nur dem abgelehnten Antrag entsprochen werden könnte oder zumindest die Neubescheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Sinne der Antragstellerin erfolgen würde (vgl. Senatsbeschlüsse vom 05.12.2017 - 9 S 2202/17 -, juris, vom 15.09.1999, a.a.O., und vom 24.11.1995 - 9 S 3100/95 -, NVwZ-RR 1996, 262).
Weitergehende Anforderungen sind hier entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts (Entscheidungsabdruck Seite 10 unter 3.) und trotz des Umstands, dass mit der begehrten einstweiligen Anordnung die Hauptsache weitgehend vorweggenommen wird, nicht zu stellen. Zwar verleihen auch das durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte Grundrecht des Schülers auf freie Wahl der Ausbildungsstätte bzw. sein Recht aus Art. 11 Abs. 1 LV auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und das vom Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG umfasste Recht auf freie Wahl des von dem Kind einzuschlagenden Bildungswegs keinen Anspruch auf Aufnahme in eine konkret gewünschte Schule (vgl. Senatsbeschluss vom 24.11.1995, a.a.O.). Allerdings ist mit der Ablehnung des Aufnahmeantrags der Antragstellerin eine Beeinträchtigung dieser grundrechtlichen Positionen verbunden (vgl. Senatsbeschluss vom 05.12.2017, a.a.O.; BVerfG, Beschluss vom 06.02.1984 - 1 BvR 1204/83 -, juris; siehe auch Ebert, in: Haug [Hrsg.], Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1. Aufl. 2018, Art. 11 Rn. 21; ders., in: Ebert u.a., Schulrecht Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2017, § 88 Rn. 5a; Ulbrich, in: Ebert u.a., a.a.O., § 25 Rn. 1; Wörz/von Alberti/Falkenbach, Schulgesetz für Baden-Württemberg, Stand: April 2017, § 25 Anm. 1). Die beschriebenen Grundrechte berechtigen nicht lediglich zur Verfolgung des Begehrens auf Zugang zu einer bestimmten weiterführenden Schulart, auch wenn diesem Begehren regelmäßig ein größeres Gewicht beizumessen sein wird. Vielmehr schließen sie grundsätzlich das Recht ein, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der bestehenden Kapazität die konkrete einzelne Schule auszuwählen, die das Kind besuchen soll (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.11.2016 - 19 B 1066/16 -, m.w.N., juris; Sächsisches OVG, Beschluss vom 12.09.2016 - 2 B 190/16 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.08.2013 - 3 M 268/13 -, juris; Rux, Schulrecht, 6. Aufl. 2018 Rn. 771 f.; Füssel, in: Avenarius, Schulrecht, 10. Aufl. 2010, S. 387 Nr. 18.221). Vor dem Hintergrund dieser verfassungsrechtlichen Situation und in Ansehung der Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG kann die Verweisung der Antragstellerin auf den Rechtsweg in der Hauptsache nicht allein mit dem Hinweis darauf gerechtfertigt werden, dass sie lediglich das Begehren auf Zugang zu einer an einem anderen Standort befindlichen Schule derselben Schulart (Gemeinschaftsschule in A) verfolge, ihr aber der Besuch der Gemeinschaftsschule in B zumutbar sei (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., unter dem Gesichtspunkt des Anordnungsgrundes).
An diesem Maßstab gemessen liegen die Voraussetzungen für den Erlass der mit dem Hauptantrag begehrten einstweiligen Anordnung vor. Die Versagung der Aufnahme der Antragstellerin in die A-Gemeinschaftsschule in A erweist sich bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als ermessensfehlerhaft (1.). Eine ermessensfehlerfreie Entscheidung würde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu Gunsten der Antragstellerin ausgehen (2.).
1. Die die Aufnahme der Antragstellerin versagende Entscheidung des Schulleiters der A-Gemeinschaftsschule leidet nach Aktenlage an Ermessensfehlern und ist daher rechtswidrig (§ 114 VwGO).
a) Inhalt und Grenzen des Ermessens werden durch § 88 Abs. 4 Satz 2 SchG selbst bestimmt. Diese Vorschrift stellt eine Koppelungsvorschrift dar, die zu einer einheitlichen Ermessensentscheidung ermächtigt. Die in dieser Vorschrift verwendeten Begriffe der „Möglichkeit des Besuchs einer anderen Schule desselben Schultyps“ und der „Zumutbarkeit dieses Besuchs“ (1. und 2. HS) einerseits und der „Erforderlichkeit wegen der Bildung annähernd gleich großer Klassen“ oder „bei Erschöpfung der Aufnahmekapazität“ (2. HS) andererseits nehmen sowohl hinsichtlich der das private Interesse eines Schülers bzw. seiner Eltern begründenden Gesichtspunkte als auch hinsichtlich des gegenläufigen öffentlichen Interesses praktisch alle denkbaren sachlichen Entscheidungserwägungen in sich auf, sodass bei einer strikten Trennung von Tatbestand und Rechtsfolge für eine anschließende Ermessensausübung kein Raum mehr verbleiben würde. Die genannten Begriffe ragen in den Ermessensbereich hinein, steuern die Ermessensbetätigung und bestimmen zugleich Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen Ermessensausübung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10.09.2009 und vom 15.09.1999, jeweils a. a. O., m. w. N.).
Bei der Entscheidung über den Antrag auf Aufnahme in eine der weiterführenden sog. Wahlschulen (z.B. Gymnasium, Realschule, Gemeinschaftsschule) ist zu beachten, dass bei diesen Schulbezirke (vgl. § 25 SchG) gesetzlich nicht vorgesehen sind und deshalb im Grundsatz das Recht auf freie Wahl der schulischen Ausbildungsstätte besteht (vgl. Ulbrich, a.a.O., § 25 Rn. 1; Ebert, a.a.O., § 88 Rn. 5; Wörz/von Alberti/Falkenbach, a.a.O., Anm. 4.5; vgl. auch bereits Senatsbeschluss vom 10.09.2009, a.a.O.). Nach § 88 Abs. 4 Satz 1 SchG darf deshalb die Aufnahme eines Schülers in eine der in Absatz 2 genannten Schulen nicht deshalb abgelehnt werden, weil der Schüler nicht am Schulort wohnt. Mit der Regelung soll verhindert werden, dass allein der Wohnort als Ablehnungsgrund herangezogen wird und durch eine entsprechende Aufnahmepraxis der Schulleitungen entgegen § 25 SchG faktisch Schulbezirke eingeführt werden (vgl. Wörz/von Alberti/Falkenbach, a.a.O., § 88 Anm. 4.5; Ebert, a.a.O., § 88 Rn. 9).
10 
b) Mit Blick auf die Zweizügigkeit der A-Gemeinschaftsschule in A lag bei einem Klassenteiler von 28 Schülern die Kapazitätsgrenze für die Aufnahme in die fünfte Klasse bei 56 Schülern. Da dem 88 Anmeldungen gegenüberstanden, bedurfte es eines Auswahlverfahrens. In diesem war - in Ermangelung normativer Vorgaben - unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes nach sachgerechten Kriterien zu entscheiden, welche Bewerber die freien Plätze erhalten. Die mit der Beschwerde angegriffene Vergabe der drei Plätze, die nach Aufnahme als vorrangig angesehener Bewerber (Kinder mit Wohnort in A, Geschwisterkinder, acht Kinder mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot) verblieben waren, erweist sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts aller Voraussicht nach als ermessensfehlerhaft.
11 
Auswahlkriterium für die Vergabe dieser Plätze sollte nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen die Zumutbarkeit des Schulwegs zu einer anderen bzw. zu der nächstgelegenen Gemeinschaftsschule mit freien Aufnahmekapazitäten sein (vgl. die E-Mail des Schulleiters der A-Gemeinschaftsschule vom 09.05.2018 und dessen Schreiben vom 17.05.2018). Der Senat hält es zwar im Grundsatz nicht für ausgeschlossen, im Falle begrenzter Aufnahmekapazität die Schulwegsituation als rechtlich zulässiges Auswahlkriterium bei der Aufnahmeentscheidung anzusehen (vgl. Ebert, in: Ebert u.a., a.a.O., § 88 Rn. 8; Wörz/von Alberti/Falkenbach, a.a.O., § 88 Anm. 4.5 m.w.N.; Rux, a.a.O., Rn. 813, 818, auch zu möglichen Differenzierungen; offen gelassen im Senatsbeschluss vom 10.09.2009, a.a.O.). Das Kriterium muss allerdings hinreichend bestimmt gefasst sein. Denn nur dann ist gewährleistet, dass betroffene Eltern und Schüler erkennen können, wie das Kriterium konkret zu verstehen ist, und nur dann wird eine effektive gerichtliche Kontrolle ermöglicht, ob die Auswahlentscheidung das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt oder sonst an rechtlichen Mängeln leidet.
12 
Danach erweist sich das hier der Auswahlentscheidung zugrunde gelegte Kriterium als zu unbestimmt. Das folgt bereits daraus, dass den Äußerungen des Schulleiters und auch den sonstigen Unterlagen nicht hinreichend entnommen werden kann, nach welchem konkreten Maßstab die Start- und Zielpunkte ausgewählt wurden, die der Berechnung des zumutbaren Schulwegs zugrunde gelegt worden sind. In seinem Schreiben vom 17.05.2018 hat der Schulleiter eine vergleichende Berechnung der Zeitdauer angestellt, die von der in ... wohnhaften Antragstellerin für den Weg zur Gemeinschaftsschule in B und die von den Schülern aus ... und ... für den Weg zu der für sie nächstgelegenen - und nach der Beschwerdeerwiderung sowohl zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung wie auch aktuell über freie Plätze verfügenden - C-Gemeinschaftsschule in der ... Innenstadt (...) benötigt werden. Konkret hat er für den Weg „Aus ... nach GMS-B (Bf.)“ 21-23 Minuten, für den Weg „Aus ... nach GMS-C (MA)“ 28-35 Minuten und für den Weg „Aus ... nach GMS-C (MA)“ 29 Minuten angesetzt.
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Der Senat vermag bereits nicht nachzuvollziehen, weshalb danach der berechnete Schulweg im Fall der Antragstellerin bereits am Bahnhof in B endet und nicht an der dortigen B-Gemeinschaftsschule, in den Fällen der ... Schüler aber (wohl) erst an der C-Gemeinschaftsschule in C.
14 
Im Unklaren bleiben vor allem aber die der Berechnung zugrundeliegenden Startpunkte der ... Schüler. Zwar hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 08.07.2014 (- 12 K 2397/14 -, juris) angenommen, zur Vermeidung eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes könne nicht verlangt werden, für jeden Einzelfall dezidiert zu prüfen, wie lange der Schulweg von der Wohnadresse zu einer Alternativschule sei. Vielmehr könne der Auswählende grundsätzlich pauschalisierte Gruppen bilden, die sich an Ortsteilen oder der ÖPNV-Nähe ausrichteten.
15 
Indes ist bereits zweifelhaft, ob die angeführten Gründe hinreichend gewichtig sind, um im vorliegenden Fall eine solche Pauschalierung zu rechtfertigen. Denn der Schulleiter hat ausweislich seines Schreibens vom 17.05.2018 erklärt, sich bei der Prüfung des Schulwegs zur nächstgelegenen Gemeinschaftsschule „an die Fahrplanauskunft des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar (www.vrn.de) gehalten“ zu haben. Dementsprechend heißt es in der Beschwerdeerwiderung, alle die Dauer des Schulwegs betreffenden Informationen seien mit Hilfe dieser Fahrplanauskunft gewonnen worden. Dieses Online-Auskunftssystem setzt aber lediglich die Angabe einer konkreten Start- wie einer konkreten Zieladresse voraus. Jedenfalls im vorliegenden Fall dürfte mit Blick auf die überschaubare Zahl der Kinder, die hier miteinander konkurrierten (4 Bewerbungen um drei Plätze), nicht erkennbar sein, dass die Anwendung des Fahrplanauskunftssystems bei Angabe der Wohnadresse als Startadresse und der Schuladresse als Zieladresse mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden gewesen wäre.
16 
Selbst wenn man jedoch mit dem Verwaltungsgericht eine Pauschalierung „anhand der Gemeinden bzw. Ortsteile“ für zulässig halten sollte, wäre zu berücksichtigen, dass eine aussagekräftige und nachvollziehbare Vergleichsberechnung erkennen lassen muss, auf welcher Basis die Pauschalierung erfolgt ist. Der Antragstellervertreter macht daher zu Recht geltend, dass auch bei einer pauschalierenden Betrachtungsweise etwa bezogen auf einen Stadtteil Klarheit darüber bestehen muss, von welcher Adresse/welchen Adressen bzw. von welcher Haltestelle/welchen Haltestellen als Startadresse ausgegangen wird. Dies gilt umso mehr als der Schulleiter selbst angegeben hat, sich bei der Prüfung des Schulwegs an die Fahrplanauskunft des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar gehalten zu haben. Dementsprechend müssen im Rahmen der für die Vergleichsberechnung eingeholten Online-Fahrplanauskunft auch für die ... Schüler Startadressen eingegeben worden sein. Welche dies waren, lässt sich dem Schreiben vom 17.05.2018 nicht entnehmen. In der Beschwerdeerwiderung heißt es hierzu, als Startpunkt des Schulwegs sei pauschalierend der im jeweiligen Ortsteil des Schülers bzw. der Schülerin liegende zentrale Bahnhof bzw. die zentrale Haltestelle ausgewählt worden. Konkret seien dies die Haltestellen ..., ... und ... Dem ist indes bereits entgegenzuhalten, dass nach der - vom Schulleiter zugrunde gelegten - Fahrplanauskunft des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar Haltestellen mit der Bezeichnung „...“ und „...“ nicht als Start- bzw. Zieladresse verzeichnet sind. Ob insoweit die existierenden Haltestellen „...“ oder „...“ gemeint sind, bleibt im Unklaren. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, welche Haltestellen als Zieladresse des Schulwegs der ... Schüler angenommen worden sind. Schließlich vermag der Senat nicht ohne weiteres nachzuvollziehen, weshalb im Schreiben vom 17.05.2018 trotz Anwendung der Online-Fahrplanauskunft keine bestimmten Fahrtzeiten, sondern lediglich Zeiträume angegeben worden sind. In Ansehung dieser Unklarheiten hinsichtlich des im Rahmen des Auswahlverfahrens angewandten Maßstabs kann der Senat nicht feststellen, dass das Kriterium des zumutbaren Schulwegs die Auswahlentscheidung trägt.
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Ungeachtet dessen erweist sich auch die tatsächliche Handhabung des vom Schulleiter zugrunde gelegten Auswahlkriteriums als ermessensfehlerhaft. In seinem Schreiben vom 17.05.2018 hat der Schulleiter für den Fahrtweg der Antragstellerin von der Stadtbahn-Haltestelle ... bis zum Bahnhof in B 21-23 Minuten berechnet. Den restlichen Weg bis zur B-Gemeinschaftsschule hat er offenbar unberücksichtigt gelassen, obwohl er - wie aufgezeigt - den Schulweg der ... Schüler wohl bis zur C-Gemeinschaftsschule in C berechnet und diesen - im Verhältnis zu dem der Antragstellerin zur Gemeinschaftsschule in B - als zeitlich länger angesehen hat. Legt man indes die Online-Auskunft des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar zugrunde, so ergibt sich für die - im Schreiben vom 17.05.2018 erwähnte - Verbindung von der Haltestelle ... bis zur B-Gemeinschaftsschule in B (Abfahrt 7.30 Uhr mit der Linie RNV 5 bis ... Bahnhof, nach Umstieg Abfahrt 7.48 Uhr mit der Regionalbahn RB 15306, Ankunft Bahnhof B 7.51 Uhr) unter Einschluss des - mit 12 Minuten angesetzten - Fußwegs vom Bahnhof B bis zur Schule ein zeitlicher Aufwand von 33 Minuten. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Feststellung, der Schulweg der Schüler aus ... und ... zur C-Gemeinschaftsschule in C sei mit 29 Minuten bzw. 28-35 Minuten länger, als nicht bzw. nur eingeschränkt zutreffend. Damit dürfte der Schulleiter bei seiner Ermessensentscheidung von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sein. Dieses Defizit kann durch die wenig bestimmte und im Übrigen der Online-Auskunft des Verkehrsverbundes widersprechende Angabe des Regierungspräsidiums in der Antragserwiderung, die „B-Gemeinschaftsschule befindet sich in unmittelbarer Entfernung zum Bahnhof und ist in wenigen Minuten fußläufig zu erreichen“, ersichtlich nicht „geheilt“ werden. Entsprechendes gilt für die aus der Sicht des Senats nicht nachvollziehbare Angabe in der Beschwerdeerwiderung, die „Zielhaltestellen bzw. Wege von der jeweiligen Zielhaltestelle zu den Schulen seien für alle Schüler gleich und damit kein ausschlaggebendes Kriterium“.
18 
Die im Rahmen der Auswahlentscheidung herangezogenen Tatsachen dürften noch in einem anderen Punkt unzutreffend gewesen sein. Ausweislich seines Schreibens vom 17.05.2018 hat der Schulleiter für den Schulweg der Antragstellerin von ... zur A-Gemeinschaftsschule in A 24 bis 29 Minuten angesetzt. Daraus hat er den Schluss gezogen, für die Antragstellerin sei der - im Schreiben mit 21-23 Minuten angegebene - Schulweg nach B kürzer. Auch diese Annahme dürfte nicht tragfähig sein. Dies dürfte bereits wegen des aufgezeigten Fehlers bei der Ermittlung der zeitlichen Länge des Schulwegs zur B-Gemeinschaftsschule in B gelten. Unabhängig davon benötigt die Antragstellerin nach der Online-Auskunft des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar für die Verbindung von der Haltestelle „..., Bahnhof“ bis zur A-Gemeinschaftsschule (im System angegebene Zieladresse: ...; Abfahrt 7.28 Uhr mit dem Bus 629, Ankunft 7.39 Uhr Haltestelle A, Sportzentrum) unter Einschluss des Fußwegs einen zeitlicher Aufwand von lediglich 16 Minuten (11 Minuten Busfahrt, 5 Minuten Fußweg). Dieser Zeitaufwand liegt deutlich unter den Werten, die für den Schulweg der Antragstellerin zur B-Gemeinschaftsschule in B wie auch für den Schulweg der ... Schüler zur C-Gemeinschaftsschule in C berechnet wurden. Er liegt ferner nicht unerheblich unter den Werten, die der Schulleiter für den Schulweg der ... Schüler zur A-Gemeinschaftsschule ermittelt hat. Da der Schulleiter auch die Wege der Schüler zu ihrer Wunschschule (A-Gemeinschaftsschule) in seine vergleichende Betrachtung der Schulwegsituation einbezogen hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die insoweit unzutreffenden Daten auch maßgeblich in die Auswahlentscheidung eingeflossen sind.
19 
Dem kann der Antragsgegner nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Errechnung des längeren Schulwegs der Antragstellerin zur A-Gemeinschaftsschule beruhe darauf, dass pauschalierend die im jeweiligen Ortsteil liegende zentrale Haltestelle ausgewählt worden sei. Denn es dürfte bereits zweifelhaft sein, ob die insoweit ausgewählte Haltestelle ..., die außerhalb der Bebauung von ... in erheblicher Entfernung vom Zentrum des Ortsteiles in Richtung ... liegt, die vom Antragsgegner aufgestellten Anforderungen erfüllt. Jedenfalls dürfte der Antragsgegner mit der Auswahl dieser Haltestelle das Interesse der Antragstellerin an einer möglichst realistischen Berücksichtigung der mit den verglichenen Schulwegen verbundenen Vor- und Nachteile im Auswahlverfahren nicht mit dem ihm zukommenden Gewicht in seine Ermessensentscheidung eingestellt haben. Der mit der Pauschalierung verfolgte Zweck der Begrenzung des Verwaltungsaufwands vermag dies in Anbetracht der überschaubaren Konkurrenzsituation im vorliegenden Fall nicht zu rechtfertigen.
20 
2. Eine erneute Ermessensentscheidung müsste aller Voraussicht nach zugunsten des Anliegens der Antragstellerin ausfallen. In Ansehung der unter 1. wiedergegebenen Feststellungen und Erwägungen zum Kriterium des Schulwegs spricht nach Aktenlage nahezu alles dafür, dass der Antragstellerin im Auswahlverfahren sowohl unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit des Schulwegs zu einer anderen bzw. zu der nächstgelegenen Gemeinschaftsschule mit freien Aufnahmekapazitäten als auch unter dem Aspekt des Schulwegs zur Wunschschule der Vorrang gegenüber den Bewerbern aus ... und aus ... gebührt hätte. Es sind keine Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich, die eine andere Entscheidung als die Aufnahme der Antragstellerin als rechtmäßig erscheinen lassen könnten.
21 
Dem steht der vom Regierungspräsidium noch im erstinstanzlichen Verfahren erhobene Einwand, „da der Wohnort der Antragstellerin Stadtteil der Stadt ... ist, wären vorrangig die Schülerinnen und Schüler aus der Gemeinde ... zu berücksichtigen“, bzw. „Kinder aus den umliegenden Gemeinden, wie ..., ... oder ..., wären vorrangig zu berücksichtigen“, nicht entgegen. Der Einwand ist im Beschwerdeverfahren nicht wiederholt worden. Im Übrigen wird bereits nicht hinreichend klar, auf welches konkrete Auswahlkriterium das Regierungspräsidium hier abgestellt hat. Sollte es tatsächlich dem Wohnort entscheidende Bedeutung beigemessen haben, dürfte dies mit dem Verbot des § 88 Abs. 4 Satz 1 SchG kollidieren. Dass die Antragstellerin, die in unmittelbarer Nähe der Gemarkungsgrenze zu ... wohnt, bei rechtmäßiger Anwendung des Kriteriums des Schulwegs hinter den Kindern der vom Regierungspräsidium genannten Gemeinden zurückzustehen hätte, lässt sich jedenfalls auf der Grundlage des insoweit nicht substantiierten Vortrags des Antragsgegners nicht feststellen.
22 
Ungeachtet dessen ist weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar, dass derzeit noch eine Auswahlentscheidung zwischen der Antragstellerin und weiten an einer Aufnahme an der A-Gemeinschaftsschule in A Interessierten zu treffen wäre. Dies ist insbesondere auch in Anbetracht des unmittelbar bevorstehenden Schulbeginns nicht anzunehmen (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 10.09.2009, a.a.O.; zu der Auffassung, dem rechtswidrig abgewiesenen Bewerber könne nicht entgegengehalten werden, dass er auch bei rechtmäßiger Auswahlentscheidung deshalb nicht zum Zuge gekommen wäre, weil andere - bislang abgewiesene Bewerber, die die Abweisung akzeptiert haben - vorrangig aufzunehmen wären, vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 17.10.2014 - OVG 3 S 56.14 - und vom 27.09.2013 - OVG 3 S 50.13 -, beide juris; Sächsisches OVG, Beschluss vom 19.08.2011 - 2 B 158/11 -, juris; OVG Bremen, Beschluss vom 25.09.1990 - 1 B 52/90 -, juris; Rux, a.a.O., Rn. 822 m.w.N.; einschränkend HessVGH, Beschluss vom 25.10.2013 - 7 B 1889/13 -, juris; Wörz/von Alberti/Falkenbach, a.a.O., § 88 Anm.4.5). Anhaltspunkte dafür, dass durch die Aufnahme der Antragstellerin die Funktionsfähigkeit der A-Gemeinschaftsschule in Frage gestellt, insbesondere die Erfüllung des ihr obliegenden Erziehungs- und Bildungsauftrags (vgl. § 1 SchG, Art. 11 und 12 LV, Art. 7 Abs. 1 GG) gefährdet würde, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
23 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
24 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 38.4 des Streitwertkatalogs 2013. Wegen der weitgehenden Vorwegnahme der Hauptsache ist der Auffangwert im vorliegenden Eilverfahren nicht zu halbieren (vgl. Senatsbeschluss vom 15.09.1999, a. a. O., und vom 10.09.2009, a.a.O.).
25 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG hinsichtlich der Streitwertfestsetzung).

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