Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 12 S 2504/18

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 26. Oktober 2018 - 3 K 6099/18 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller, ein Asylbewerber aus Gambia, begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, seine Abschiebung nach Gambia auszusetzen. Der Antrag ist gegen die nach Landesrecht für Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts zuständige Ausländerbehörde (im Folgenden: Antragsgegner) gerichtet.
Der Antragsteller reiste im Juli 2016 in das Bundesgebiet ein und stellte am 19. Juli 2016 einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 10. Oktober 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, den Antrag auf Asylanerkennung und den Antrag auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte dem Antragsteller die Abschiebung nach Gambia an. Den hiergegen gerichteten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 28. Oktober 2016 ab (A 9 K 5474/16), und auch die gleichzeitig erhobene Klage wies es mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid vom 21. Dezember 2016 (A 9 K 5473/16) ab. Den Antrag des Antragstellers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag) vom 15. Februar 2018 lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 05. März 2018 als unzulässig ab, eine erneute Abschiebungsandrohung enthält der Bescheid nicht. Die hiergegen gerichtete Klage ist beim Verwaltungsgericht Freiburg (A 3 K 2386/18) noch anhängig. Der Antragsteller hat im Asylfolgeverfahren gegenüber dem Bundesamt die Frage, ob er seit Abschluss des Erstverfahrens neue Gründe vortragen könne, verneint und im Übrigen seinen Folgeantrag im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland auch nicht weiter begründet. Einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Bundesrepublik im Rahmen des Asylfolgeverfahrens hat der Antragsteller bislang nicht gestellt.
Am 26. Oktober 2018 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO zu verpflichten, die Abschiebung auszusetzen. Zur Begründung hat er vorgebracht, auf Grundlage der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache „Gnandi“ (Urteil vom 19.06.2018 - C - 181/16) dürfe nach der Richtlinie 2008/115/EG (sogenannte Rückführungsrichtlinie) eine Rückkehrentscheidung vor endgültiger gerichtlicher Entscheidung über einen Rechtsbehelf nicht vollzogen werden. Das Hauptsacheverfahren über seinen Asylfolgeantrag sei derzeit vor dem Verwaltungsgericht noch anhängig. Seine Rückführung vor einer rechtskräftigen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in diesem Verfahren würde daher der Entscheidung des EuGH widersprechen.
Mit Beschluss vom 26. Oktober 2018 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Der Antragsteller könne sich nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache „Gnandi“ berufen, da sich der vorliegende Sachverhalt von der Situation im Verfahren des EuGH grundlegend unterscheide. Der erste Asylantrag des Antragstellers sei als offensichtlich unbegründet abgelehnt und gleichzeitig sei eine Abschiebungsandrohung, die zugleich eine Rückkehrentscheidung i.S.d. der Rückführungsrichtlinie darstelle, verfügt worden. Diese Entscheidung sei aber rechtskräftig geworden. Der Bescheid des Bundesamts im Asylfolgeverfahren des Antragstellers, der Gegenstand des noch anhängigen asylrechtlichen Klageverfahrens sei, enthalte selbst keine Abschiebungsandrohung und damit auch keine erneute Rückkehrentscheidung.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 26. Oktober 2018 erhobenen Beschwerde und führt ergänzend unter Bezugnahme auf die Ausführungen von Hruschka (Asylmagazin 9/2018, 290 ff.) aus: Da die Ablehnung des Asylantrags und die Rückkehrentscheidung im deutschen Recht verbunden seien, widersprächen alle Rückkehrentscheidungen, die mit einem ablehnenden Asylantrag verbunden seien und bei denen die Klage keine aufschiebende Wirkung habe, den Vorgaben des EuGH in der Entscheidung „Gnandi“. Dies gelte zum einen bei Entscheidungen des Bundesamts, die den Antrag als „offensichtlich unbegründet“ ablehnten, zum anderen aber auch in den Fällen, in denen eine Hauptsacheklage im Asylfolgeverfahren keine aufschiebende Wirkung habe; der Grundsatz der Waffengleichheit gebiete, dass vor einer Abschiebung eine endgültige Entscheidung im Klageverfahren abgewartet werden müsse, zumal es auch zum jetzigen Zeitpunkt noch möglich sei, im asylrechtlichen Hauptsacheverfahren weitere Klagegründe ins Feld zu führen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 26. Oktober 2018 - 3 K 6099/18 - abzuändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, seine Abschiebung bis zur Entscheidung über seinen Asylfolgeantrag im asylrechtlichen Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Freiburg auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung des Antrags und verweist auf die Ausführungen im angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts.
Die zunächst auf den Abend des 26. Oktober 2018 vorgesehene Abschiebung des Antragstellers ist nicht vollzogen worden, die Abschiebung ist aber weiterhin zeitnah ab Mitte Dezember 2018 beabsichtigt.
II.
10 
Die Beschwerde ist unbegründet.
11 
Die mit Bescheid des Bundesamts vom 10. Oktober 2016 verfügte Abschiebungsandrohung ist nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens durch Gerichtsbescheid vom 21. Dezember 2016 bestandskräftig. Vor der Stellung des Folgeantrags am 15. Februar 2018 sind auch konkrete Rückführungsmaßnahmen eingeleitet gewesen. Ausgehend von der Beschwerdebegründung, an die der Senat gebunden ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ist nicht ersichtlich, dass das Verfahren der Rückführung in dem Stadium, in dem es wegen der Stellung eines Folgeantrags unterbrochen worden ist, nicht wieder aufgenommen werden kann, wenn dieser Folgeantrag erfolglos geblieben ist (siehe hierzu auch EuGH, Urteil vom 15.02.2016 - C-601/15 PPU - Rn. 75). Hinsichtlich der Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens mit Bescheid des Bundesamts vom 5. März 2018 steht dem Antragsteller ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen das Bundesamt zur Verfügung, in dessen Rahmen seine Einwendungen geprüft und über seinen weiteren Verbleib im Bundesgebiet entschieden werden kann (vgl. hierzu auch Art. 46 Abs. 6 lit. b) und Abs. 8 sowie. Art. 33 Abs. 2 lit d) RL 2013/32/EU).
12 
Bei der Frage, ob der Antragsteller Anspruch auf Aussetzung der vom Antragsgegner beabsichtigten Abschiebung hat, um sein Asylfolgeverfahren von Deutschland aus weiter bis zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Klageverfahren - A 3 K 2386/18 - betreiben zu können, handelt es sich um eine asylrechtliche Streitigkeit. Die Zuständigkeit für die Prüfung und Entscheidung dieser Frage obliegt allein dem Bundesamt und nicht der nach Landesrecht für die Beendigung des Aufenthalts abgelehnter Asylbewerber zuständigen Ausländerbehörde. Dementsprechend hat sich der vorläufige Rechtsschutz im Fall einer drohenden Abschiebung grundsätzlich gegen das Bundesamt bzw. die Bundesrepublik Deutschland als dessen Rechtsträger und nicht gegen die Ausländerbehörde bzw. das Land Baden-Württemberg zu richten.
13 
1. In die ausschließliche Prüfungskompetenz des Bundesamts fallen nicht nur die Entscheidungen über Asylanträge (§ 13 Abs. 2 AsylG), mit denen über die Gewährung von Asyl und die Zuerkennung internationalen Schutzes befunden wird, sondern auch die Entscheidungen darüber, ob Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen (vgl. § 24 Abs. 2 AsylG). Dasselbe gilt auch für die vom Bundesamt gemäß §§ 34 ff. AsylG getroffenen Abschiebungsandrohungen. Auch der Rechtsstreit über die Ablehnung eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ist eine asylrechtliche Entscheidung, auch wenn Gegenstand des Streits allein das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG ist; denn die Rechtsgrundlage für den Folgeantrag findet sich im Asylgesetz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.03.1996 - 9 B 714.95 - juris Rn. 4).
14 
Davon ausgehend wendet sich der Antragsteller mit seiner Argumentation, auf Grundlage der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Gnandi“ (Urteil vom 19.06.2018 - C-181/16 -) dürfe seine Abschiebung bis zur gerichtlichen Hauptsacheentscheidung in seinem Asylfolgeverfahren nicht erfolgen, im Kern gegen die vom Bundesamt getroffene Abschiebungsandrohung, die die Rechtsgrundlage für die von der Ausländerbehörde beabsichtigte Abschiebung des Antragstellers darstellt. Diese Abschiebungsandrohung stellt eine Rückkehrentscheidung i.S.v. Art. 6 RL 2008/115/EG dar (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 21.08.2018 - 1 C 21.17 - juris Rn. 18, Urteil vom 25.07.2017 - 1 C 10.17 - juris Rn. 23 und Urteil vom 17.09.2015 - 1 C 26.14 - juris Rn. 17) mit der Folge, dass die unionsrechtlichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG Anwendung finden und im Falle eines Verstoßes dagegen der Abschiebungsandrohung entgegengehalten werden können. Dementsprechend beruft sich der Antragsteller jedenfalls sinngemäß auf die unionsrechtlichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG - etwa über die Möglichkeit von Rechtsbehelfen in Art. 13 - und leitet daraus sein Recht auf vorläufigen weiteren Aufenthalt bzw. auf vorläufige Suspendierung der vom Bundesamt verfügten Abschiebungsandrohung ab. Er macht danach zwar inhaltlich keine Gründe geltend, welche die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens rechtfertigen könnten, er rügt aber die verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Asylfolgeverfahrens, wie sie der nationale Gesetzgeber in den §§ 71 Abs. 1 und Abs. 5, 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG vorgesehen hat, und macht damit seinen Asylfolgeantrag zum Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Prüfung. Die dargestellte Argumentation des Antragstellers, wonach in seinem Asylfolgeverfahren unionsrechtliche Vorgaben - sei es nach der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG, sei es nach den Asylverfahrensrichtlinien 2005/85/EG bzw. 2013/32/EU - nicht beachtet würden, ändert danach nichts an der Einschätzung einer asylrechtlichen Streitigkeit. Das Bundesamt war und ist dazu berufen, die unionsrechtlichen Einwendungen des Antragstellers und hier insbesondere die Einwendungen auf Grundlage der Rückführungsrichtlinie im Rahmen des Asylfolgeantrags zu prüfen und ggf. im Rahmen seiner Entscheidung - hier etwa bei der Frage, ob eine Mitteilung des Bundesamts nach § 71 Abs. 5 S. 2 AsylG gegenüber der Ausländerbehörde erfolgen kann - zu berücksichtigen.
15 
2. In Fällen, in denen - wie hier - das Bundesamt die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (§ 71 Abs. 1 S. 1 AsylG) abgelehnt und gleichzeitig von einer erneuten Abschiebungsandrohung abgesehen hat, ist deshalb - zur vorläufigen Verhinderung der Abschiebung - der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach mittlerweile wohl einhelliger Auffassung grundsätzlich gegen die Bundesrepublik Deutschland zu richten mit dem Ziel, dieser aufzugeben, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass vorläufig nicht aufgrund der früheren Mitteilung nach § 71 Abs. 5 S. 2 AsylG abgeschoben werden darf (vgl. Bayerischer VGH, Beschlüsse vom 26.01.2009 - 19 CE 09.130 - juris Rn. 2 und vom 18.07.2002 - 10 CE 02.1295 - juris Rn. 3; Hessischer VGH, Beschlüsse 13.09.2018 - 3 B 1712/18.A - juris Rn. 3 und vom 14.12.2006 - 8 Q 2642/06.A - juris Rn. 9; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 14.08.2000 - 4 Bs 48/00.A - AuAS 2001, 10; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.02.2000 - 18 B 1141/99 - juris Rn. 8 und VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 13.09.2000 - 11 S 988/00 - juris Rn. 4 bis 7 und vom 02.12.1997 - A 14 S 3104/97 - juris Rn. 3; vgl. auch Funke-Kaiser in GK-AsylG, § 71 Rn. 389 bis 390 mwN; Hailbronner, Ausländerrecht, § 71 AsylG Rn. 108 bis 110).
16 
Werden allerdings nur Duldungsgründe i.S.v. § 60a AufenthG geltend gemacht, so ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes insoweit immer gegen den Träger der Ausländerbehörde zu richten; denn die Ausländerbehörde, die die Ausreisepflicht vollzieht, hat sachlich über Duldungsgründe i.S.v. § 60a AufenthG zu befinden. Ein Duldungsgrund kann insbesondere dann gegeben sein, wenn der jeweilige Antragsteller eine Reiseunfähigkeit im engeren oder im weiteren Sinne (inlandsbezogenes Abschiebungshindernis) geltend macht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 01.06.2017 - 11 S 658/17 - juris und vom 10.07.2003 - 11 S 2622/02 - juris) oder sich im Hinblick auf Art. 6 GG auf eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung wegen schützenswerter familiärer Gründe berufen kann (vgl. dazu etwa Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl., § 60a AufenthG Rn. 21 bis 27). Beruft sich danach ein Antragsteller sowohl auf asylrechtliche Gründe als auch auf Duldungsgründe i.S.v. § 60a AufenthG, hat dies zur Konsequenz, dass Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sowohl gegen die Bundesrepublik Deutschland als auch gegen den Träger der Ausländerbehörde gerichtet werden müssen (vgl. Funke-Kaiser in GK-AsylG, § 71 Rn. 398).
17 
Davon ausgehend hat der Antragsteller im vorliegenden Fall die einstweilige Anordnung zu Unrecht gegen den Träger der Ausländerbehörde - hier das Land Baden-Württemberg - gerichtet. Denn der Antragsteller hat Duldungsgründe i.S.v. § 60a AufenthG im streitgegenständlichen Verfahren nicht geltend gemacht. Solche Duldungsgründe - etwa in Form schützenswerter familiärer Gründe oder im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Antragstellers - sind im Übrigen für den Senat auch nicht ersichtlich.
18 
3. Auch im Falle einer asylrechtlichen Streitigkeit - wie hier - kommt allerdings ausnahmsweise der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO gegenüber der Ausländerbehörde in Betracht, wenn der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenüber der Bundesrepublik bzw. jedenfalls die dann zu deren Umsetzung noch erforderliche Mitteilung an die Ausländerbehörde, dass nicht vollzogen werden darf, zu spät kämen; in diesen zugespitzten Ausnahmefällen ist eine solche Rechtsschutzmöglichkeit aus Gründen der Effektivität des Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) möglich (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 26.01.2009, aaO juris Rn. 2; Funke-Kaiser in GK-AsylG, § 71 Rn. 391; Hailbronner, aaO § 71 AsylG Rn. 111). Eine solche Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor.
19 
In Anbetracht der den Beteiligten heute regelmäßig zur Verfügung stehenden modernen Telekommunikationsmittel wird ein solcher Ausnahmefall allenfalls dann in Erwägung gezogen werden können, wenn etwa gegenüber dem jeweiligen Antragsteller eine konkrete Abschiebungsmaßnahme begonnen worden ist und zu diesem Zeitpunkt nicht mehr damit gerechnet werden kann, dass beim Bundesamt ein insoweit zuständiger und vor allem im Außenverhältnis auch entsprechend handlungsbefugter Bediensteter anwesend sein wird, der eine entsprechende gerichtliche Entscheidung umsetzen kann und auch wird.
20 
In diesem Zusammenhang muss, bevor der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenüber der Ausländerbehörde in Betracht gezogen wird, zudem noch berücksichtigt werden, dass bei besonderer Eilbedürftigkeit die einstweilige Anordnung ausnahmsweise auch ohne vorherige Anhörung der Gegenseite ergehen kann (so ausdrücklich auch Funke-Kaiser in GK-AsylG, § 71 Rn. 391). Darüber hinaus kann und muss das Verwaltungsgericht im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG, insbesondere was die Zeit bis zu einer gerichtlichen Entscheidung betrifft, für eine effektive Gestaltung des Rechtsschutzverfahrens Sorge tragen, auch wenn die Ausländerbehörde an dem Verfahren nicht beteiligt ist. § 83a AsylG sieht in diesem Zusammenhang ausdrücklich vor, dass das Gericht der Ausländerbehörde das Ergebnis seines Verfahrens gegenüber der Bundesrepublik formlos mitteilen darf. Im Übrigen wird nach den bisherigen Erfahrungen in der Praxis die Ausländerbehörde, die sich insoweit lediglich als Vollzugsorgan in Bezug auf die Entscheidungen des Bundesamts versteht, die Durchführung der Abschiebung auf eine telefonische Mitteilung des Verwaltungsgerichts unverzüglich abbrechen (so bereits VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.09.2000, aaO juris Rn. 8).
21 
Eine solch außergewöhnliche „Eilsituation“ ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Abschiebung des Antragstellers ist nunmehr ab Mitte Dezember 2018 beabsichtigt, so dass der zulässige Eilrechtsschutz gegenüber der Bundesrepublik Deutschland in der zur Verfügung stehenden Zeit ohne Weiteres noch zu erlangen ist. Aber auch hinsichtlich der ursprünglich am Abend des 26. Oktober 2018 erstmals vorgesehenen Abschiebung des Antragstellers fehlte es an der erforderlichen besonderen Eilbedürftigkeit, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenüber der Ausländerbehörde gerechtfertigt hätte. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist beim Verwaltungsgericht am 26. Oktober 2018 um 12.26 Uhr eingegangen, die Abschiebung des Antragstellers war aber erst am Abend vorgesehen. Dass beim Bundesamt am 26. Oktober 2018 gegen Mittag kein insoweit zuständiger und im Außenverhältnis auch entsprechend handlungsbefugter Bediensteter mehr erreichbar gewesen wäre, kann nicht ernsthaft angenommen werden. Selbst wenn man dies unterstellt, hätte für das Verwaltungsgericht ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden, eine Entscheidung ohne vorherige Anhörung des Bundesamts zu erlassen und die Ausländerbehörde entsprechend über den Tenor der Entscheidung zu informieren.
22 
Der Antragsteller hätte - unabhängig von diesen Ausführungen - im Falle einer stattgebenden Entscheidung gegenüber der Ausländerbehörde auch keinen Anspruch darauf gehabt, dass seine Abschiebung bis zur Entscheidung über seinen Asylfolgeantrag im asylrechtlichen Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht ausgesetzt wird. Im Rechtsverhältnis zur Ausländerbehörde kommt in den zugespitzten Ausnahmefällen, in denen Rechtsschutz gegenüber der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr erlangt werden kann, nur eine kurzfristige Aussetzung - bis das Verwaltungsgericht über den vorläufigen Rechtsschutzantrag im Verhältnis zum Bundesamt entscheiden kann bzw. entschieden hat - in Betracht. Deshalb wird durch eine ggf. gegenüber der Ausländerbehörde erlassene einstweilige Anordnung das vorläufige Rechtsschutzverfahren gegenüber dem Bundesamt nicht überflüssig. Danach kann der Ausländer eine einstweilige Anordnung gegenüber dem Träger der Ausländerbehörde nur mit dem Ziel erlangen, die Abschiebung bis zur Entscheidung des obligatorischen Einzelrichters (§ 76 Abs. 4 AsylG) im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegenüber der Bundesrepublik Deutschland auszusetzen (so auch Funke-Kaiser in GK-AsylG, § 71 Rn. 392 auch mit Hinweisen zur Tenorierung).
23 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
24 
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren findet ihre Grundlage in den §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.
25 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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