Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 11 S 2125/18

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. September 2018 - 16 K 8854/18 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf die vorläufige Aussetzung seiner Abschiebung, durch das Verwaltungsgericht wendet, ist zulässig (I.) aber unbegründet (II.).
I.
Die Beschwerde ist zulässig. Die Statthaftigkeit der Beschwerde ist insbesondere nicht über § 80 AsylG, nach dessen Wortlaut Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 VwGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden können, ausgeschlossen. Denn auch wenn die Ausreisepflicht hier auf der Grundlage einer vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlassenen Abschiebungsandrohung vollstreckt werden soll, führt dies nicht dazu, dass die Streitigkeit um die Aussetzung der Abschiebung zu einer solchen nach dem Asylgesetz würde (VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 26.04.2016 - 11 S 432/16 -, InfAuslR 2016, 322 und vom 04.03.1999 - 11 S 215/99 -, VBlBW 1999, 273; Nds.OVG, Beschluss vom 13.09.2016 - 13 PA 151/16 -, NVwZ 2016, 1742; BayVGH, Beschluss vom 04.01.2016 - 10 C 15.2105 -, BeckRS 2016, 40755; siehe auch BVerwG, Urteil vom 25.09.1997 - 1 C 6.97 -, InfAuslR 1998, 15 zu einer Klage auf Erteilung einer Duldung nach Ergehen einer Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; a.A. HessVGH, Beschluss vom 23.08.2018 - 7 D 1498/18.A -, BeckRS 2018, 21916; Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 12. Aufl. 2018, § 80 AsylG Rn. 4; Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, § 80 AsylG Rn. 16 ff.). Denn maßgeblich für die Einordnung einer Streitigkeit als solcher nach dem Asylgesetz ist der geltend gemachte Anspruch im jeweiligen Verfahren als Teil des verwaltungsprozessualen Streitgegenstands. Es geht darum, ob die begehrte Maßnahme oder Entscheidung ihre rechtliche Grundlage im Asylgesetz findet (BVerwG Urteil vom 25.09.1997 - 1 C 6.97 -, InfAuslR 1998, 15). Der Streitgegenstand bestimmt sich über den geltend gemachten und hier im Zentrum stehenden Anspruch - also über die begehrte Rechtsfolge - und den dafür herangezogenen Grund - nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (vgl BVerwG, Urteil vom 10.05.1994 - 9 C 503.93 -, BVerwGE 96, 24 (25); VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.09.2018 - 11 S 809/18 -, juris Rn. 7; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 121 Rn. 23). Der geltend gemachte Anspruch im Verfahren nach § 123 VwGO ist der prozessuale Anspruch auf Sicherung des Hauptsacheanspruchs (Funke-Kaiser, in: Bader u.a., VwGO, 7. Aufl. 2018, § 123 Rn. 12), so dass sich der Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens mittelbar auf denjenigen des Verfahrens nach § 123 VwGO auswirkt.
Keine Streitigkeit nach dem Asylgesetz liegt daher in Fällen vor, in denen der Antragsteller die Aussetzung der Abschiebung durch die Ausländerbehörde begehrt, denn die rechtliche Grundlage für den begehrten Anspruch findet sich in § 60a Abs. 2 AufenthG.
Dies gilt unabhängig davon, welchen Sachverhalt der Antragsteller für die Begründung seines behaupteten Anspruchs vorträgt. Indes sagt die Statthaftigkeit der Beschwerde in diesen Verfahren nichts über den zulässigen gerichtlichen Prüfungsumfang im Verfahren nach § 123 VwGO gegen den Rechtsträger der für die Durchführung der Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde und dem vorgelagert über die behördliche Prüfungskompetenz aus. Dies ist aber eine Frage der Begründetheit des Antrags und bzw. oder der Beschwerde und nicht ihrer Statthaftigkeit. Im Übrigen führt ein Sachvortrag, mit dem sich ein Betroffener auf einen Duldungsgrund beruft, der aber außerhalb der Prüfungskompetenz der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde liegt, nicht dazu, dass es an der Passivlegitimation des Antragsgegners fehlen könnte (so aber VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.11.2018 - 12 S 2504/18 -, juris). Denn der Betroffene begehrt in einem solchen Fall weiterhin die Aussetzung der Abschiebung gegenüber dem Rechtsträger der hierfür zuständigen Behörde. Vielmehr führt ein solcher Vortrag allein nicht auf den behaupteten Duldungsanspruch und somit aus diesem Grunde nicht zum Erfolg des Rechtsschutzgesuchs.
Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie fristgemäß erhoben (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und begründet worden (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO).
II.
Die Beschwerde erweist sich aber als unbegründet. Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass abweichend vom Beschluss des Verwaltungsgerichts die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen wäre.
1. a) Das Verwaltungsgericht hat unter anderem entschieden, dass die Ausgestaltung des Asylverwaltungsverfahrens des Klägers, das mit einer Ablehnung seines Schutzgesuchs als offensichtlich unbegründet und dem Erlass einer Abschiebungsandrohung endete, mit den Vorgaben der Richtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98) - Rückführungsrichtlinie / RFRL - im Einklang stehe. Der unionsrechtlich geforderte wirksame Rechtsbehelf sei der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Diesen hatte das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom 10. Mai 2018 abgelehnt.
b) Hiergegen bringt der Antragsteller vor, dass die dem Antragsteller durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gesetzte Ausreisefrist von einer Woche ab Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung nicht im Einklang mit den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union stehe, zumal die Stellung des Eilantrags die Ausreisepflicht und die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung unberührt lasse. In Fällen, in denen eine Verletzung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung in Betracht komme, müsse dem Betroffenen ein gerichtlicher Rechtsbehelf mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung zustehen. Die volle Wirksamkeit des Rechtsbehelfs setze voraus, dass alle rechtlichen Wirkungen der Rückkehrentscheidung bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf ausgesetzt würden. Die Ausreisefrist dürfe nicht zu laufen beginnen, solange der Betroffene bleibeberechtigt sei. Überdies könne der Eilrechtsschutzbeschluss des Verwaltungsgerichts keine Wirkung entfalten, da zwecks Einhaltung der europäischen Grundsätze für hiesiges Verwaltungsprozessrecht die fristgerechte Einlegung einer Klage per se aufschiebende Wirkung entfalte. Es könnten aus diesem Grund die auch in prozessualer Hinsicht aufgeworfenen Fragen nicht abschließend aufgrund des Eilbeschlusses des Verwaltungsgerichts Freiburg mit Verbindlichkeit geklärt sein, dass der Abschiebungsandrohung nebst Ausreisefristsetzung keine Bedenken entgegenstünden. Überdies habe das Bundesamt mit dem ablehnenden Asylbescheid nicht über die notwendigen Garantien, die im Falle des Ergehens einer Rückkehrentscheidung gemeinsam mit der ablehnenden Entscheidung über den Asylantrag zu beachten seien, informiert.
2. Diese Argumentation vermag den angegriffenen Beschluss nicht erfolgreich in Zweifel zu ziehen.
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a) Eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Abschiebung des Antragstellers ist das Bestehen einer wirksamen und vollziehbaren Abschiebungsandrohung. Diese muss in ihrer Ausgestaltung auch den Anforderungen der Rückführungsrichtlinie gerecht werden, denn in deren Anwendungsbereich ist die Abschiebungsandrohung die Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 RFRL (BVerwG, Urteile vom 29.05.2018 - 1 C 17.17 -, InfAuslR 2018, 329 Rn. 24 und vom 21.08.2018 - 1 C 21.17 -, juris Rn. 18; BGH, Beschluss vom 14.07.2016 - V ZB 32/15 -, InfAuslR 2016, 432 Rn. 13; VGH Bad.-Württ, Beschlüsse vom 19.12.2012 - 11 S 2303/12 -, InfAuslR 2013, 98 und vom 22.03.2018 - 11 S 2776/17 -, InfAuslR 2018, 284).
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In den Fällen, in denen die Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlassen wird (§§ 34, 35 AsylG), ist die Rechtmäßigkeit dieser Rückkehrentscheidung allein in dem Verfahren nach dem Asylgesetz gegen die Bundesrepublik Deutschland zu überprüfen. Das gleiche gilt in den Fällen, in denen der Klage gegen die Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukommt (siehe § 75 AsylG), für die Frage der Vollziehbarkeit bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Hier ist vorläufiger Rechtsschutz gegenüber der Bundesrepublik Deutschland in einem Verfahren nach dem Asylgesetz zu suchen. Denn die Frage des Rechtsschutzes korrespondiert mit der Frage der Zuweisung der Zuständigkeiten für die zu treffenden Entscheidungen.
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Hingegen sind Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich der Vollstreckung der Ausreisepflicht und damit unionsrechtlich auch der Vollstreckung der Rückkehrentscheidung, also der Abschiebung (vgl. Art. 8 Abs. 1 RFRL), gegenüber dem Rechtsträger der Behörde zu führen, die für die Durchführung der Abschiebung zuständig ist, hier also dem Antragsgegner als Rechtsträger des nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 AAZuVO landesweit zuständigen Regierungspräsidiums Karlsruhe. In diesem Verfahren kann die vorläufige Aussetzung der Abschiebung begehrt werden. Prüfungsgegenstand dieses Verfahrens ist damit das Vorliegen einer vollziehbaren Ausreisepflicht und eines Abschiebungsgrundes (§ 58 Abs. 1 und 3 AufenthG) sowie einer vollziehbaren Abschiebungsandrohung, die Frage, ob die Ausreisefrist, soweit sie erforderlich ist, abgelaufen ist und ob Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG oder Abschiebungshindernisse nach § 60a AufenthG festgestellt sind bzw. vorliegen. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, ist der Ausländerbehörde die Abschiebung im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen und dem Antragsteller eine Duldung zu erteilen.
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b) Ausgehend von diesen Maßstäben zieht das Beschwerdevorbringen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht erfolgreich in Zweifel.
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aa) Der Vortrag, die in dem Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10. Oktober 2017 gesetzte Ausreisefrist von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids stehe nicht im Einklang mit den Vorgaben der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, ist im Verfahren um die Aussetzung der Vollstreckung rechtlich nicht relevant. Vielmehr ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Ausreisefrist - abschließend - in dem Verfahren nach dem Asylgesetz gegen die Bundesrepublik Deutschland zu klären, dort kann diese in der Hauptsache aufgehoben werden, falls sie sich als rechtswidrig erweisen sollte, und dort kann auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage angeordnet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.08.2010 - 10 C 18.09 -, InfAuslR 2010, 464; zum Prüfungsgegenstand im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen eine nach dem Asylgesetz erlassenen Abschiebungsandrohung: Pietzsch, in: BeckOK AuslR, Stand 01.08.2018; § 36 AsylG Rn. 36). Der Ausländerbehörde und auch dem Verwaltungsgericht im Verfahren nach § 123 VwGO auf Aussetzung der Abschiebung ist eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ausreisefristsetzung indes entzogen. Dies gilt auch dann, wenn sich die gesetzte Ausreisefrist als unionsrechtswidrig darstellen sollte, wofür spricht, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die in Art. 7 RFRL vorgesehene Frist für die freiwillige Ausreise nicht zu laufen beginnen darf, solange der Betroffene ein Bleiberecht hat (EuGH, Urteil vom 19.06.2018 - C-181/16 - <Gnandi> NVwZ 2018, 1625 Rn. 61 f.). Diese Aussage zur Frist dürfte auch dann gelten, wenn der Antrag von der zuständigen Asylbehörde - so wie hier - als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist (vgl. EuGH, Beschluss vom 05.07.2018 - C-269/18 PPU - <C, J und S> ECLI:EU:C:2018:544; dort allerdings entschieden allein in Bezug auf die Inhaftnahme nach Art. 15 RFRL; siehe auch Wittkopp, ZAR 2018, 325 (328)).
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Ebenfalls nichts anderes kann sich daraus ergeben, dass die Anwendung des Maßstabs aus § 36 Abs. 4 AsylG, den das Verwaltungsgericht im asylrechtlichen Eilrechtsschutzverfahren für einschlägig erachtet hat, unionsrechtlich jedenfalls bezogen auf die Rückkehrentscheidung bedenklich erscheint, da sich Hinweise auf die Zulässigkeit eines eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsmaßstab in Art. 13 RFRL nicht wiederfinden.
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Soweit mit dem Beschwerdevorbringen auch - der Sache nach - geltend gemacht wird, die gesetzte Ausreisefrist sei nicht abgelaufen, so trifft dies nicht zu.
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Dem Wortlaut des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge folgend ist die vom Verwaltungsgericht Freiburg im seinem Beschluss vom 10. Mai 2018 (A 4 K 9253/17) nicht beanstandete Ausreisefrist bereits im Oktober 2017 abgelaufen. Sollte die Ausreisefristsetzung indes in unionsrechtskonformer Auslegung des Bescheids dahingehend zu verstehen sein, dass die Stellung eines Eilrechtsschutzgesuchs in analoger Anwendung von § 59 Abs. 1 Satz 6 AufenthG zur Unterbrechung der Ausreisefrist führt und diese erst mit Bekanntgabe eines ablehnenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts erneut zu laufen beginnt, so ist diese im Mai 2018 abgelaufen.
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Es trifft nicht zu, dass es unionsrechtlich geboten sei, dass die Ausreisefrist im Fall einer Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens ablaufen dürfe, so dass eine unionsrechtskonforme Auslegung der Ausreisefrist über das oben Dargestellte hinaus nicht in Betracht kommt. Damit steht für den Senat fest, dass die Ausreisefrist bei allen in Frage kommenden Betrachtungsweisen abgelaufen ist. Denn der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass bei einer Ablehnung eines Antrags als offensichtlich unbegründet im Einklang mit Art. 32 Abs. 2 RL 2013/32/EU dem Betroffenen ein Bleiberecht zunächst nur bis zu dem Zeitpunkt zusteht, bis ein angerufenes Gericht nach Art. 46 Abs. 8 RL 2013/32/EU über das weitere Bleiberecht im Verfahren entschieden hat (EuGH, Beschluss vom 05.07.2018 - C-269/18 PPU - <C, J und S> Rn. 52 - 54). Diese gerichtliche Entscheidung ist im nationalen Kontext diejenige des Verwaltungsgerichts im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung, so dass sich aus der Rückführungsrichtlinie und dem Grundsatz der Nicht-Zurückweisung keine über die hier dargestellten Folgen für die Ausreisefrist hinausgehenden Konsequenzen ziehen lassen (so aber Hruschka, Asylmagazin 2018, 290 (292) und ders. Voller Rechtsschutz! Abschiebungen sind auch nach verweigertem Eilrechtsschutz europarechtswidrig, VerfBlog, 2018/11/28, wobei der Autor die Erwägungen des EuGH im Beschluss vom 05.07.2018 - C-269/18 PPU - <C, J und S> Rn. 53 ausblendet).
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bb) Aus den oben dargestellten Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich auch, dass die Rechtsauffassung des Antragstellers nicht zutrifft, dass seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung im asylrechtlichen Verfahren bis zum Eintritt der Rechtskraft - oder wenigstens bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens - aufschiebende Wirkung zukommen müsse. Denn ein Bleiberecht während des Rechtsbehelfsverfahrens ist im Falle der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet eben nur bis zur gerichtlichen Entscheidung über das Recht auf Verbleib unionsrechtlich garantiert, Art. 46 Abs. 8 RL 2013/32/EU.
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cc) Die angegriffene Entscheidung begegnet auch insoweit keinen durchgreifenden Zweifeln, als sie sich nicht mit der Frage der (Nicht-)Erfüllung von Informationspflichten beschäftigt hat.
21 
Es trifft zwar zu, dass der Gerichtshof der Europäischen Union - nunmehr erstmals - entschieden hat, dass die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung eines fairen und transparenten Rückkehrverfahrens dann, wenn die Rückkehrentscheidung zusammen mit der erstinstanzlichen Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz durch die zuständige Behörde in einer einzigen behördlichen Entscheidung ergeht, dafür Sorge zu tragen haben, dass die Person, die internationalen Schutz beantragt hat, in transparenter Weise über die Einhaltung verschiedener Garantien informiert wird - nämlich: die Aussetzung aller Wirkungen der Rückkehrentscheidung, die Verhinderung des Laufs der Ausreisefrist, solange der Betroffene ein Bleiberecht hat, das Verbot der Abschiebungshaft in diesem Zeitraum, die Fortgeltung der Rechte aus der Aufnahmerichtlinie sowie die Möglichkeit, im gerichtlichen Verfahren neue Umstände geltend zu machen, die nach Art. 5 RFRL relevant sein können (EuGH, Urteil vom 19.06.2018 - C-181/16 - <Gnandi> NVwZ 2018, 1625 Rn. 65).
22 
Ein möglicher Verstoß gegen diese Informationspflichten, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit der Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung über den Asylantrag zu erfüllen hat, ist im Verfahren nach dem Asylgesetz zu prüfen, da ein Verstoß möglicherweise auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung durchschlagen kann. Im dazugehörigen einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die Abschiebungsandrohung kommt es daher in Betracht, die aufschiebende Wirkung anzuordnen, wenn die aus der Rückführungsrichtlinie folgenden Informationspflichten nicht oder nur unzureichend erfüllt worden sind. Ob ein etwaiger Verstoß gegen die Informationspflichten nach unionsrechtlichen Maßstäben überhaupt zur Aufhebung einer Rückkehrentscheidung führen darf, richtet sich unter anderem auch nach unionsrechtlichen Vorgaben zur praktischen Wirksamkeit der Rückführungsrichtlinie (vgl. EuGH, Urteil vom 10.09.2013 - C-383/13 PPU - <M.G. und NE> BeckRS 2013, 81783 Rn. 36 ff.) und ist in dem Verfahren nach dem Asylgesetz zu prüfen.
23 
Sollte die Erfüllung der Informationspflichten sich allerdings auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung auswirken können, wäre es zu ihrer Durchsetzung nicht hinreichend effektiv, wenn die Pflichterfüllung erst durch die für die Abschiebung zuständige Ausländerbehörde - und in der Folge in einem gerichtlichen Verfahren nach § 123 VwGO gerichtet auf Aussetzung der Abschiebung - geprüft würde. Denn sähe man die Erfüllung der Informationspflichten (nur) als Zulässigkeitserfordernis für den Vollzug der Abschiebung an, würde über sie in einem Verfahren entschieden, an dem die zur Information verpflichtete Behörde - das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - nicht beteiligt ist und in dem also keine Bindungswirkung ihr gegenüber erreicht werden kann.
24 
Da das Verwaltungsgericht Freiburg in seinem Beschluss vom 10. Mai 2018 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den ablehnenden Bundesamtsbescheid nicht angeordnet und es damit bei der Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung belassen hat, ist dem Verwaltungsgericht und auch dem beschließenden Senat daher eine Prüfung, ob den - ungeschriebenen - unionsrechtlichen Informationspflichten hier genügt wurde, entzogen. Diese Frage ist nach dem oben Dargestellten allein im Verfahren nach dem Asylgesetz zu prüfen, da sie die Vollziehbarkeit und Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung betrifft.
25 
dd) Die Konsequenzen aus dem geteilten Rechtsschutzverfahren gegen die Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung stehen sowohl mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG als auch mit unionsrechtlichen Vorgaben im Einklang.
26 
Der Umstand, dass die Frage der Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung nebst Ausreisefristsetzung durch das Verwaltungsgericht in einem Eilrechtsschutzverfahren nach dem Asylgesetz entschieden wird, bei dem im unionsrechtlichen Kontext über ein Recht zum Verbleib bis zum Abschluss des Verfahrens um die Gewährung internationalen Schutzes befunden wird (vgl. Art. 46 Abs. 8 RL 2013/32/EU), erschwert den Rechtsschutz nämlich nicht in unzumutbarer Weise. Dem Betroffenen wird inhaltlicher Vortrag durch die Aufspaltung des Rechtsschutzes in ein Verfahren nach dem Asylgesetz gegen die Bundesrepublik Deutschland und ein Verfahren gegen den Rechtsträger der die Abschiebung durchführenden Behörde nicht abgeschnitten, veränderte Umstände nach Abschluss des asylrechtlichen Eilverfahrens kann er gegebenenfalls in einem Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO geltend machen.
27 
Keine Frage der Effektivität des vom Gesetzgeber gewählten Rechtsschutzsystems ist es im Übrigen, wenn im Einzelfall im Verfahren nach dem Asylgesetz oder im Verfahren um die Aussetzung der Abschiebung fehlerhaft entschieden worden sein sollte. Vielmehr misst sich die Effektivität des Systems daran, ob bei zu unterstellender zutreffender Rechtsanwendung Rechtsschutzlücken verbleiben, was hier nicht der Fall ist.
28 
Da unionsrechtlich - für das Verfahren nach Art. 46 Abs. 8 RL 2013/32/EU - keine zweite gerichtliche Instanz garantiert ist (vgl. EuGH, Urteil vom 26.09.2018 - C-175/17 - ECLI:EU:C:2018:776 <X> Rn. 30) und auch Art. 19 Abs. 4 GG eine solche Garantie nicht kennt (BVerfG, Beschluss vom 22.06.1960 - 2 BvR 37/60 -, BVerfGE 11, 232 (233)), begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, dass in dem sich gegen die Abschiebungsandrohung richtenden Eilrechtsschutzverfahren eine Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht / Verwaltungsgerichtshof durch § 80 AsylG ausgeschlossen ist.
III.
29 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
30 
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

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