Urteil vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 12 S 996/18

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 1. März 2017 - 4 K 2840/16 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Beibehaltung seiner bosnisch-herzegowischen Staatsangehörigkeit.
Er ist im Jahre 1989 in ... (heute: Bosnien und Herzegowina, Entität Republika Srpska) geboren. Seit dem Jahre 1993 hat er seinen ständigen Aufenthalt in Deutschland. Er besitzt seit dem Jahre 2005 eine Niederlassungserlaubnis nach § 35 AufenthG. Nach Beendigung seiner juristischen Ausbildung in Baden-Württemberg wurde er im Januar 2017 als Rechtsanwalt zugelassen. Er ist seitdem bei einer Anwaltskanzlei mit einem derzeitigen Jahresbruttogehalt von 60.000 Euro angestellt. Er ist ledig und hat keine Kinder.
Am 12. Mai 2015 stellte der Kläger einen Antrag auf Einbürgerung. Zur Begründung für seine fehlende Bereitschaft, zur Vermeidung von Mehrstaatigkeit seine bosnisch-herzegowinische Staatsangehörigkeit aufzugeben, gab er an: Im Zuge der von den Serben angeführten „ethnischen Säuberung“ sei er, wie ca. 2,5 Millionen andere Menschen, aus seiner Heimat vertrieben worden. Würde er seine bosnische Staatsangehörigkeit verlieren, wäre dies für ihn persönlich die Vollendung des Völkermordes an den Bosniern, der in den 90er Jahren im ehemaligen Jugoslawien stattgefunden habe. Die Aufgabe seiner bisherigen Staatsangehörigkeit wäre ein Opfer, das er aufgrund des Leides seines Volkes und des Verlustes von Familienangehörigen nicht erbringen könne. Dadurch würde er sich als Beteiligter an einem Völkermord fühlen. Außerdem würden ihm erhebliche wirtschaftliche und rechtliche Nachteile entstehen, da in seinem Heimatort, der in der sog. Republika Srpska liege, welche eine Politik des Rassismus und der Ausgrenzung verfolge, schon Leute mit bosnischer Staatsangehörigkeit zumindest tatsächlich in allen Belangen benachteiligt würden. Ohne bosnische Staatsangehörigkeit hätte er praktisch keinen Handlungsspielraum. Diesen Bruch mit seinem Heimatland könne er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren.
Mit Schreiben vom 23. Juni 2015 und 29. September 2015 führte der Kläger weiter aus, dass die Aufgabe seiner bisherigen Staatsangehörigkeit für den Erhalt staatsbürgerlicher Rechte im Bundesgebiet gegen seine Gewissensfreiheit verstoße. Der Friedensvertrag von Dayton 1995 habe das Morden gestoppt. Der Genozid an den Bosniern setze sich jedoch schleichend fort. Wenn die Behörde ihm nun die bosnische Staatsangehörigkeit entziehen möchte, machten diese und er sich gleichsam an diesem Genozid mitschuldig. Die auf menschenverachtenden Verbrechen fußende Republika Srpska, die ihre Verbrecher feiere anstatt eine vernünftige Aufarbeitung der damaligen Ereignisse zu ermöglichen, blockiere bei jeder sich bietenden Möglichkeit die Entstehung eines funktionierenden Staates, genannt Bosnien-Herzegowina, in dem alle Volksgruppen und Glaubensrichtungen friedlich und gut situiert miteinander leben könnten. Stattdessen werde jede Maßnahme von der Frage nach der Religion oder Nationalität abhängig gemacht. Ziel sei es, die Republika Srpska von dem Gesamtstaat abzutrennen und die allein kaum überlebensfähige bosnisch-kroatische Föderation als Reststaat zu hinterlassen. Die Situation in der Republika Srpska gleiche - wie sich aktuellen Presseberichten entnehmen lasse - einem Apartheidstaat. Die Aufgabe seiner Staatsangehörigkeit könne er ferner nicht in Einklang bringen mit seinem politischen Engagement in und für Bosnien-Herzegowina und gegen die menschenrechtswidrigen Zustände in der Republika Srpska und für eine Integration Bosniens in die Europäische Union. Die Ausbürgerung von hochqualifizierten, politisch motivierten und engagierten jungen Leuten widerspräche der Zielsetzung einer erfolgreichen Integration Bosnien-Herzegowinas in die Europäische Union. Müsste er seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben, hätte er dort überhaupt keinen Handlungsspielraum mehr. Dies gelte auch mit Bezug auf das dortige Grundeigentum seiner Eltern und sein Erbrecht. Bei ihm lägen erhebliche Nachteile im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG vor, weshalb er unter Beibehaltung seiner bisherigen Staatsangehörigkeit einzubürgern sei. Da § 12 Abs. 1 Satz 2 StAG nicht abschließend sei, könne er sich jedenfalls auch auf § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG berufen, wonach vom Erfordernis der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit abgesehen werde, wenn der Ausländer diese nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben könne. Die Aufforderung seine Staatsangehörigkeit aufzugeben, sei in seinem Fall unverhältnismäßig. Ferner stehe seine Einbürgerung als eines qualifizierten jungen Juristen mit Blick auf die mangelhafte personelle Situation in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes im herausragenden öffentlichen Interesse, weshalb die Mehrstaatigkeit hingenommen werden könne. Vorsorglich berufe er sich allerdings auch darauf, dass die derzeitigen Regelungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes zur Einbürgerung und ihre Anwendung im Einzelfall bezüglich der Mehrstaatigkeit verfassungswidrig seien, da sie gegen den Art. 3 GG verstießen.
Mit Bescheid vom 1. Dezember 2015 lehnte das Landratsamt Karlsruhe den Einbürgerungsantrag ab. Es führte zur Begründung insbesondere aus, die in § 12 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 6 StAG geregelten Fälle, die beim Kläger nicht einschlägig seien, seien abschließende Regelungen für eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit. Auch eine Ermessenseinbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit komme nicht in Betracht.
Den mit Schreiben vom 29. Dezember 2015 erhobenen Widerspruch des Klägers, mit dem er seine bisherigen Ausführungen ergänzte, wies das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2016 - dem Kläger am 20. Mai 2016 zugestellt - zurück. Es führte unter anderem aus: Die politische Situation im Heimatland des Klägers und die im Rahmen der Auflösung Jugoslawiens erfolgten Geschehnisse stellten keinen Grund dar, für die dortige Bevölkerung allgemein oder im Einzelfall Mehrstaatigkeit zuzulassen. Es lägen auch keine Erkenntnisse vor, wonach die Aufgabe der bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit Erbrechtsbeschränkungen oder Einschränkungen beim Grundeigentum zur Folge habe. Warum der Kläger sich nach Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit nicht mehr zu Gunsten seines Heimatlandes politisch engagieren könne, erschließe sich aus seinem Vortrag nicht, nachdem er keinerlei Ausführungen zu Umfang und der Art und Weise des Engagements gemacht habe. Ein besonderes öffentliches Interesse an seiner Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit bestehe nicht.
Am 20. Juni 2016 hat der Kläger Klage erhoben und vorgetragen, der Beklagte sei verpflichtet, ihn unter Beibehaltung seiner bisherigen Staatsangehörigkeit einzubürgern. Die Aufgabe seiner bosnischen Staatsangehörigkeit wäre die Vollendung des in den Jahren 1992 bis 1995 erfolgten Genozids an den Bosniern, dem größten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Er könne das Schicksal dieser Menschen, die auch für sein Leben und seine Freiheit gekämpft hätten, nicht ausblenden. Unter den Opfern habe er Verwandte und Bekannte. Zwar sei er während der Kriegsgeschehnisse noch ein Kind gewesen; dies bedeute aber nicht, dass diese an ihm vorbeigegangen seien und ihn nicht geprägt hätten. Würde er seine Staatsangehörigkeit aufgeben, würde er vom Opfer zum Täter. Seine Gewissensnot sei in dem Leid begründet, das seinem Volk aufgrund der willkürlichen Aggression eines anderen Volkes zugefügt worden sei. Sein Gewissenskonflikt wiege weit schwerer als die nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alternative 2 StAG unzumutbaren Bedingungen, die eine Mehrstaatigkeit rechtfertigten. Die Hinnahme von Mehrstaatigkeit aufgrund seines Gewissenkonflikts führe nicht zur Zulassung von Mehrstaatigkeit in Bezug auf sämtliche andere Herkunftsländer oder die gesamte Bevölkerung Bosnien-Herzegowinas. Eine derartige Verbundenheit zum Herkunftsland bestehe nicht bei sämtlichen Ausländern. Außerdem existiere nahezu keine andere Bevölkerungsgruppe, die in jüngerer Vergangenheit ein derartiges Leid habe erfahren müssen wie die Bosnier. Zudem ergebe sich der Anspruch auf Einbürgerung unter Beibehaltung seiner bisherigen Staatsangehörigkeit aus § 8 StAG. Tätigkeiten als Richter oder Beamter im höheren Dienst hätten für den öffentlichen Dienst überragende Bedeutung. Folglich bestehe ein besonderes öffentliches Interesse an der Gewinnung von gut ausgebildeten Ausländern mit entsprechender Befähigung auch unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit. Das öffentliche Interesse könne nicht deshalb verneint werden, weil er sich erst am Anfang seines beruflichen Werdegangs befinde. Eine entsprechende Einschränkung sei in der Verwaltungsvorschrift nicht vorgesehen. Jedenfalls habe der Beklagte sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt, weil er pauschal das öffentliche Interesse verneint habe. So sei etwa sein Gewissenskonflikt nicht ausreichend berücksichtigt worden. Sollte das Gericht zu der Auffassung gelangen, auch bei verfassungskonformer Auslegung komme ihm kein Anspruch auf Einbürgerung unter Beibehaltung seiner bisherigen Staatsangehörigkeit zu, wären die Normen des Staatsangehörigkeitsgesetzes wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG verfassungswidrig. Ausländer, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder der Schweiz besäßen, und Nicht-EU-Ausländer, die in Deutschland geboren und aufgewachsen seien, könnten ihre Staatsangehörigkeit beibehalten. Diese Ungleichbehandlung im Vergleich zu ihm sei nicht gerechtfertigt. Es fehle ein legitimer Zweck. Auch der Gesetzgeber zeige durch zahlreiche Ausnahmetatbestände (§ 12 Abs. 1 bis 3, § 8, § 4 Abs. 3 i.V.m. § 29 StAG), dass er dem vermeintlich im Staatsangehörigkeitsgesetz angelegten Prinzip der Vermeidung von Mehrstaatigkeit keine besondere Bedeutung beimesse. Der kleine Kreis von Personen, die auf ihre Staatsangehörigkeit verzichten müssten, werde willkürlich diskriminiert. Die Ausnahme sei zur Regel geworden. Daher sei das derzeitige Staatsangehörigkeitsgesetz auch nicht geeignet, das Prinzip der Vermeidung von Mehrstaatigkeit zu fördern. Ferner seien die Ausnahmeregelungen selbst willkürlich. § 4 Abs. 3 in Verbindung mit § 29 StAG erlaube eine Mehrstaatigkeit bei Geburt im Inland, obwohl ein geringerer Bezug zum Heimatland der Eltern bestehe als beim Aufwachsen in Deutschland. EU-Ausländer bräuchten nicht zusätzlich die Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Landes, weil sie bereits Unionsbürger (Art. 20 Abs. 1 AEUV) seien. Willkürlich sei auch, dass die Zulassung von Mehrstaatigkeit gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG nach der Verwaltungspraxis schlicht an eine Entlassungsgebühr von mehr als 1.200 EUR anknüpfe.
Der Beklagte ist der Klage unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 1. Dezember 2015 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid entgegengetreten.
Mit Urteil vom 1. März 2017 - 4 K 2840/16 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG, weil er nicht bereit sei, seine Staatsangehörigkeit aufzugeben, und Ausnahmen von dem Erfordernis der Aufgabe oder des Verlusts der bisherigen Staatsangehörigkeit gemäß § 12 StAG nicht vorlägen. Der Kläger habe das Entstehen eines nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG beachtlichen Nachteils nicht hinreichend dargelegt. Soweit er Nachteile im Zusammenhang mit dem Grundstück seiner Eltern geltend mache, habe er nicht dargelegt, dass diese konkret drohten, also in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Aufgabe der bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit stünden. Kein Nachteil im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG sei der behauptete Gewissenskonflikt, da dieser nicht - wie von der Norm vorausgesetzt - als Folge der Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit eintrete, sondern vielmehr mit dem Akt der Aufgabe der Staatsangehörigkeit verbunden sei. Dieser stelle auch keine besonders schwierige Bedingung im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG dar, weshalb dahingestellt bleiben könne, ob § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG als Generalklausel einzuordnen sei, auf die bei Nichtvorliegen der in § 12 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 6 StAG geregelten Voraussetzungen zurückgegriffen werden könne. Es liege nicht wirklich ein Gewissenskonflikt vor. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, sein Handeln sei auf Grund einer Gewissensentscheidung verpflichtend. Sein Vorbringen, die Aufgabe seiner bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit wäre die Vollendung des Genozids an den Bosniern, überzeuge nicht. Es sei fernliegend, dass durch die Aufgabe einer Staatsangehörigkeit Verbrechen relativiert würden oder eine Geringschätzung für die Leiden eines Volkes ausgedrückt werde. Der Verlust einer Staatsangehörigkeit ändere nichts an der Herkunft einer Person und führe auch nicht dazu, dass diese ihr Gedächtnis korrigieren müsste. Die Person werde nicht daran gehindert, sich ein Bewusstsein für vergangene Gräuel, seien diese noch so schwer, zu bewahren und hiernach zu handeln. Warum die Aufgabe der bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit gleichwohl ein Verrat an den Kriegsopfern sein soll, den er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne, habe der Kläger nicht nachvollziehbar darlegen können. Es bestehe auch kein Anlass, an der Verfassungsmäßigkeit von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG und § 12 StAG zu zweifeln. Die Notwendigkeit, sich zwischen der deutschen und der ausländischen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei nicht als solche schon unzumutbar. Sie sei Folge der Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine uneingeschränkte Hinnahme von Mehrstaatigkeit und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dass derjenige, der nach § 4 Abs. 3 StAG durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe und im Inland aufgewachsen sei, sich nicht zwischen den Staatsangehörigkeiten entscheiden müsse (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG), während derjenige, der die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben wolle, weil er seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe, nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG auf seine ausländische Staatsangehörigkeit verzichten müsse, rechtfertige sich unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers mit der typisierenden Erwartung, dass in Deutschland geborene Kinder von ausländischen Eltern, von denen zumindest ein Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt bereits seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitze (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 StAG), hinreichend integriert seien, so dass von einer Optionspflicht abgesehen werden könne. Die dauerhafte Hinwendung zum deutschen Staatsverband bei Kindern, die nicht in Deutschland geboren worden seien und deren Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt auch nicht im Inland hätten, sei hingegen erst durch eine klare Entscheidung zu bestätigen. Ferner habe der Kläger nach § 8 StAG weder einen Einbürgerungsanspruch aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null noch einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
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Der Senat hat die Berufung gegen das am 17. März 2017 zugestellte Urteil mit Beschluss vom 2. Mai 2018 - zugestellt am 9. Mai 2018 - zugelassen. Entsprechend dem am 5. Juni 2018 gestellten Antrag ist die Frist zur Vorlage der Berufungsbegründung bis zum 11. Juli 2018 verlängert worden. Am 11. Juli 2018 hat der Kläger die Berufung unter Stellung eines Antrags begründet. Er trägt im Wesentlichen vor: Wie er bereits im Verwaltungsverfahren, im Klageverfahren und in der Begründung des Zulassungsantrags ausgeführt habe, könne er die Aufgabe seiner bisherigen Staatsangehörigkeit nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, weshalb eine Ausnahme von § 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG, jedenfalls aber nach § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG vorliege. Ziel des durch die serbische Aggression ausgelösten sog. Bosnienkriegs sei die vollständige Auslöschung bosnischen Lebens und des bosnischen Staats gewesen. Beispielhaft sei das Massaker von Srebrenica. Die Verantwortung nicht nur der sog. Bosnischen Serben, sondern auch des Staats Serbien für dieses Abschlachten und diesen Genozid sei vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag festgestellt. Er sehe es als für ihn verpflichtend an, die Erinnerung an das Leid der Opfer, auch die Errungenschaft - die bosnische Staatsangehörigkeit - dieser Menschen aufrecht und in Ehren zu halten. Seine Persönlichkeit sei zu einem großen Teil davon geprägt, Bosnier zu sein und über die Existenz und das Schicksal seines Herkunftslandes aufzuklären. Aus diesen Gründen fahre er mehrmals im Jahr nach Bosnien-Herzegowina, besuche seine (überlebenden) Verwandten, pflege die familiäre und heimische Kultur und entsprechende Tradition, gedenke der Getöteten und verfolge auch die Prozesse vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, die entsprechenden nationalen Verfahren und die politischen Entwicklungen in Bosnien-Herzegowina. Würde er seine bosnische Staatsangehörigkeit aufgeben, würde er seine Persönlichkeit verlieren. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass er eben gerade nicht nach seinem Bewusstsein für vergangene Gräuel handeln könne, wenn er zum Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit gezwungen werde, seine bisherige aufzugeben. Dass es keine Pflicht gebe, sich einzubürgern, stehe der Berufung auf die Gewissensfreiheit nicht entgegen. Indem die Behörde ihn gegen sein Gewissen zwingen wolle, seine bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben, um die ihm zustehende deutsche Staatsangehörigkeit zu erhalten, greife sie rechtswidrig in seine Rechte ein. Mit der Geltendmachung des ihn belastenden Gewissenskonflikts sei er auch weit davon entfernt, die Rechtsordnung nach seinen Gewissensvorstellungen zu gestalten. Hätte sich die Bundesrepublik dazu entschlossen, gemäß dem strengen ius-sanguinis-Prinzip nur in Deutschland geborenen Personen mit deutschen Vorfahren die deutsche Staatsangehörigkeit zu verleihen, könnte er unstreitig keinen Anspruch auf Einbürgerung geltend machen, unabhängig vom Vorliegen eines Gewissenskonflikts. Da sich der deutsche Gesetzgeber aber dazu entschlossen habe, weitreichende Ausnahmen von diesem strengen Grundsatz zuzulassen, und auch die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit nicht mehr durchgängig verlange, könne er die Berücksichtigung der ihm durch den Gesetzgeber eingeräumten Rechte verlangen. Das ihm in Art. 4 Abs. 1 GG zugestandene Recht, seinem Gewissen zu folgen und die von ihm dadurch als verbindlich erachteten Ge- und Verbote zu befolgen, eine wertentscheidende Grundsatznorm höchsten Verfassungsrangs, könne bei der Auslegung und Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe „besonders schwierige Bedingungen“ in § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG und „erhebliche Nachteile“ in § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG nicht einfach übergangen werden. § 12 Abs. 1 Satz 2 StAG sei im Übrigen gerade nicht abschließend. Eine andere Sicht würde gegen Art. 16 des Europäischen Übereinkommens über die Staatsangehörigkeit verstoßen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass bei ihm aber auch ein staatlich zurechenbarer Zwang zur Einbürgerung vorliege, weshalb Art. 4 Abs. 1 GG als Abwehrrecht Bedeutung erlange. In seiner durch Art. 12 GG geschützten beruflichen Tätigkeit könne er sich nur dann frei weiterentwickeln, wenn er die deutsche Staatsangehörigkeit erhalte. Andernfalls sei ihm trotz seiner Befähigung zum Richteramt weder ein Dienst als Beamter noch als Richter gestattet. Jedenfalls sei ihm eine Einbürgerung nach Ermessen auch mit Blick auf seine dargelegte Gewissensnot fehlerhaft versagt worden.
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Er beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 1. März 2017 - 4 K 2840/16 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts Karlsruhe vom 1. Dezember 2015 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17. Mai 2016 zu verpflichten, ihn unter Beibehaltung seiner bisherigen bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit einzubürgern; hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts Karlsruhe vom 1. Dezember 2015 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17. Mai 2016 zu verpflichten, über den Antrag auf Einbürgerung vom 12. Mai 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und führt mit Blick auf den vorgetragenen Gewissenskonflikt ergänzend aus, dass niemand den Kläger zur Aufgabe seiner bisherigen Staatsangehörigkeit zwinge, auch nicht über die Einbürgerung. Es stehe ihm frei, Deutscher zu werden.
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Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung angehört. Er hat im Wesentlichen angegeben: Er habe anlässlich seines Einbürgerungsantrags vom Mai 2015 und in den weiteren Schreiben vom 23. Juni und 29. September 2015 ausgeführt, weshalb er aus Gewissensgründen nicht in der Lage sei, auf die bosnisch-herzegowinische Staatsangehörigkeit zu verzichten. Das, was er dort geschrieben habe, gelte für ihn unverändert. Er fühle sich ausgehend von seiner Schulzeit und seinem Studium als Deutscher, ein Bürger Deutschlands, aber eben nicht rechtlich. Das wolle er ändern. Er sei genauso Deutscher wie er Bosnier sei. Es sei für ihn nie in Betracht gekommen, seine bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben. Das gelte auch künftig. Er sei davon überzeugt, einen Anspruch auf beide Staatsangehörigkeiten zu haben. Er habe sich während seines Studiums mit Völkerrecht beschäftigt. Er habe den Antrag auf Einbürgerung erst während seines Referendariats gestellt, weil er zu diesem Zeitpunkt aufgrund seiner Ausbildung habe absehen können, worauf es ankomme, und dass er seinen Anspruch auf Beibehaltung seiner bisherigen Staatsangehörigkeit gerichtlich durchsetzen müsse - ggfs. bis zum Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Er sei in ... geboren. Die Republika Srpska habe seinen Personalausweis ausgestellt. Er habe die Staatsangehörigkeit der Republika Srpska, nicht die der Föderation Bosnien-Herzegowinas. Das halte er für völkerrechtswidrig. Er sei nach wie vor in ... gemeldet und habe seinen Wohnsitz dort aus Faulheit beibehalten. Er sei ihm zu aufwendig, diesen zu wechseln. Er sehe auch keinen Zwang oder eine rechtliche Pflicht hierzu. Seine Eltern hätten vor einiger Zeit in ... eine Wohnung gekauft. Wenn er in Bosnien-Herzegowina sei, halte er sich dort auf, auch im Urlaub. Er habe von Deutschland aus per Briefwahl kürzlich in der Republika Srpska an den Präsidentschaftswahlen teilgenommen. Ein Bosnier könne sich dort nicht aufstellen lassen. Das habe der EGMR bereits beanstandet. Er fühle sich als Bosnier und er verabscheue die Republika Srpska und die Serben. Für ihn gebe es nur die Staatsangehörigkeit Bosnien-Herzegowina. Mit dem Staatsangehörigkeitsrecht seines Herkunftsstaates habe er sich bisher nicht so genau beschäftigt. Soweit nach Hinweis des Senats die Verfassung von Bosnien-Herzegowina aus dem Jahre 1995 in Art I Nr. 7 lit d die Regelung enthalte, dass Mehrstaatigkeit nur unter bestimmten Bedingungen in Betracht komme, müsse man bedenken, dass die bosnischen Kroaten und die bosnischen Serben jeweils auch die Staatsangehörigkeit des jeweils anderen Staates hätten. Da sei Mehrstaatigkeit einfach Fakt. Im Übrigen sehe die Praxis auch anders aus. Die Verfassung sei nichts anderes als der Friedensvertrag, der nicht funktioniere. So könne kein Staat gedeihen. Die politische Mitbestimmung sei wenig wert. Die Politik könne man nicht mit Willenserklärungen ändern. Das Wahlrecht sei ihm daher nicht so wichtig, das würde er aufgeben, nicht aber seine bosnische Staatsangehörigkeit.
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Dem Senat liegen die Einbürgerungs- und Ausländerakten des Landratsamts Karlsruhe, die Widerspruchsakte des Regierungspräsidiums Karlsruhe sowie die Akte des Verwaltungsgerichts vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf deren Inhalt und den der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die zulässige, insbesondere gemäß § 124a Abs. 6 VwGO form- und fristgemäß begründete Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Der Bescheid des Landratsamts Karlsruhe vom 1. Dezember 2015 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17. Mai 2016 sind rechtmäßig. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband noch einen Anspruch darauf, dass über seinen Antrag auf Einbürgerung vom 12. Mai 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden wird (§ 113 Abs. 5 VwGO). Ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG scheitert daran, dass der Kläger dem verfassungs- und völkerrechtlich unbedenklichen Erfordernis des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG nicht entspricht und eine Ausnahme von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG gemäß § 12 StAG nicht vorliegt (A). Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Einbürgerungsbehörde die Einbürgerung nach § 8 StAG abgelehnt hat, weil der Kläger nicht bereit ist, seine bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben (B).
A)
19 
Dem Kläger steht in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. BVerwG, Urteile vom 01.06.2017 - 1 C 16.16 - BVerwGE 159, 85 - Rn. 9 und vom 05.06.2014 - 10 C 2.14 - BVerwGE 149, 387 - Rn. 10) kein Anspruch auf Einbürgerung gemäß § 10 StAG zu. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Abs. 1 Satz 1 StAG oder gesetzlich vertreten ist, auf Antrag einzubürgern, wenn er die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 StAG aufgezählten Voraussetzungen erfüllt und kein Ausschlussgrund nach § 11 StAG vorliegt. Zwischen den Beteiligten ist aufgrund des Werdegangs des Klägers im Bundesgebiet und seines monatlichen Bruttoeinkommens von mittlerweile ... unstreitig, dass dieser die Tatbestandsvoraussetzungen einer Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 sowie Nr. 5 bis 7 StAG erfüllt. Dies hat das Landratsamt Karlsruhe im Übrigen bereits mit Schreiben vom 11. April 2016 ausgeführt und hierin auch darauf hingewiesen, dass sich weder aus der Ausländerakte noch aus den Sicherheitsanfragen nachteilige Erkenntnisse ergeben haben.
I.)
20 
Der Einbürgerung steht allerdings § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG entgegen, wonach Voraussetzung für die Einbürgerung auch ist, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Die Entscheidung des Gesetzgebers, in der Fassung des Staatsangehörigkeitsrechts gemäß Art. 5 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I, S. 1802) für die Einbürgerung nach § 10 StAG weiterhin am Prinzip der Vermeidung mehrfacher Staatsangehörigkeit festzuhalten und Ausnahmen hiervon nur nach Maßgabe des § 12 StAG vorzusehen (vgl. auch Berlit, Änderungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz, InfAuslR 2007, 457, 463), begegnet mit Blick auf den dem Gesetzgeber zuzubilligenden Gestaltungsspielraum keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; es besteht insbesondere keine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Einbürgerung langjährig im Inland lebender Ausländer unter (vermehrter) Hinnahme von Doppelstaatsangehörigkeit (Berlit in GK-StAR, § 10 Rn. 270, 273 f. <Stand Oktober 2014>). Mehrstaatigkeit ist weiterhin systematisch begründungsbedürftige Ausnahme und wird ungeachtet der Aufgabe der früheren „Übeltheorie“ als unerwünschter Zustand gesehen, der im Interesse klarer Verhältnisse bei der Zuordnung im nationalen Bereich sowie im internationalen Verkehr und zur Beherrschung bewältigungsbedürftiger, wenngleich bewältigungsfähiger Rechts(anwendungs)konflikte, zu vermeiden ist (Berlit in Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2018, § 2 Rn. 98).
21 
1.) Der staatliche Exklusivitätsanspruch im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts erfährt zwar immer mehr normative Ausnahmen (vgl. hierzu Geyer in Hofmann, AuslR, 2. Aufl., § 12 StAG Rn. 2 f.; Berlit in Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2018, § 2 Rn. 99). Dies gilt etwa für die vom Kläger benannten Konstellationen der generellen Hinnahme der Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz (§ 12 Abs. 2 StAG) oder der Abschaffung der Optionspflicht für im Inland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern, die nach § 4 Abs. 3 oder § 40b StAG Deutsche sind, durch § 29 StAG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 13. November 2014 (BGBl I, S. 1714). Dies führt allerdings entgegen der Auffassung des Klägers nicht dazu, dass die Regelungen in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG bzw. § 12 Abs. 1 StAG verfassungswidrig wären, weil sie gegen Art. 3 GG verstießen.
22 
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Das Gebot gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Anforderungen, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 07.03.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 - Rn. 171 m.w.N.; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl., Art. 3 Rn. 18 ff.; Wolff in Hömig/Wolff, GG, 12. Aufl., Art. 3 Rn. 6). Ausgehend von diesem Maßstab sind Differenzierungen des Gesetzgebers im Umgang mit der Mehrstaatigkeit in unterschiedlichen Konstellationen des Erwerbs bzw. des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit nicht zu beanstanden. Ihnen liegen verschiedene Sachverhalte zugrunde bzw. sie sind durch sachliche Gründe legitimiert.
23 
So verfolgt der Gesetzgeber mit der gemäß § 12 Abs. 2 StAG generellen Hinnahme der Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung von Unionsbürgern das Ziel, die europäische Integration voranzutreiben und den - den Inländern bereits weitgehend gleichgestellten - EU-Bürgern den Anreiz zu geben (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben; der Vermeidung von Mehrstaatigkeit fehlt hier das öffentliche Interesse (vgl. die Begründungen im Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, BT-Drs. 14/533 vom 16.03.1999, S. 19 zu § 87 Abs. 2 AuslG sowie ergänzend zur jetzigen Fassung des § 12 Abs. 2 die Begründung im Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union, BT-Drs. 16/5065 vom 23.04.2007, S. 229). Dies steht in Einklang mit Art. 20 AEUV, nach dessen Absatz 1 Satz 2 die Unionsbürgerschaft zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzutritt, diese aber nicht ersetzt. Soweit der Gesetzgeber im nationalen Staatsangehörigkeitsrecht Unionsbürger bei der Mehrstaatigkeit günstiger behandelt als Drittstaatsangehörige einschließlich der Staatsangehörigen von Staaten, die den Status eines Beitrittskandidaten haben oder einen solchen erlangen wollen, ist dies auch mit Blick auf die Interessen der Union sachgerecht (vgl. zur Wechselwirkung zwischen dem mitgliedschaftlichen Staatsangehörigkeitsrecht und der Unionsbürgerschaft Kluth in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl., Art. 20 Rn. 9 m.w.N.).
24 
Dass die Begünstigung von in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kindern ausländischer Eltern mit langjährigem Aufenthaltsrecht unter dem Aspekt der Mehrstaatigkeit nicht zu beanstanden ist, hat das Verwaltungsgericht im Urteil vom 1. März 2017 (unter I. 2.) ebenfalls zutreffend dargelegt. Hierauf nimmt der Senat gemäß § 130b VwGO Bezug.
25 
2.) Auch völkerrechtlich ist die Hinnahme von Mehrstaatigkeit nicht geboten. Solches folgt insbesondere nicht aus dem für die Bundesrepublik geltenden Europäischen Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (EuStAngÜbk) vom 6. November 1997 (vgl. Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 06.11.1997 über die Staatsangehörigkeit vom 13.05.2004, BGBl 2004 II S. 578). Abgesehen davon, dass das Übereinkommen das Recht der Vertragsstaaten anerkennt, die Einbürgerung von der Aufgabe oder dem Verlust einer anderen Staatsangehörigkeit abhängig zu machen (vgl. Art. 15 lit b EuStAngÜbk), richtet sich das Übereinkommen nach dessen Artikel 1 an die Vertragsstaaten und erzeugt deshalb grundsätzlich keine subjektiven Rechte des Einzelnen (BVerwG, Urt. v. 21.02.2013 - 5 C 9.12 - BVerwGE 146, 89 - Rn. 24). Aus diesem Grund kann sich der Kläger auch nicht auf die Verpflichtung des Vertragsstaats nach Art. 6 Abs. 4 berufen, Personen, die in seinem Hoheitsgebiet geboren sind und sich dort rechtmäßig und gewöhnlich aufhalten (lit e), und Personen, die sich seit einem durch das innerstaatliche Recht des betroffenen Vertragsstaats festgelegten Zeitpunkt vor Vollendung des 18. Lebensjahrs rechtmäßig und gewöhnlich in seinem Hoheitsgebiet aufhalten (lit f), in seinem innerstaatlichen Recht den Erwerb seiner Staatsangehörigkeit zu erleichtern. Entsprechendes gilt für das Verbot, u.a. den Erwerb der Staatsangehörigkeit von der Aufgabe oder dem Verlust einer anderen Staatsangehörigkeit abhängig zu machen, wenn die Aufgabe oder der Verlust unmöglich oder unzumutbar ist (Art. 16 EuStAngÜbk). Im Übrigen greifen § 12 und § 8 StAG diese Postulate hinreichend auf.
II.)
26 
Die Voraussetzungen für eine Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach § 12 Abs. 1 StAG liegen nicht vor.
27 
Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG wird von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist nach § 12 Abs. 1 Satz 2 StAG anzunehmen, wenn 1. das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht, 2. der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert, 3. der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat, 4. der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde, 5. dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, oder 6. der Ausländer einen Reiseausweis nach Art. 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt.
28 
1.) Für das Staatsangehörigkeitsrecht von Bosnien und Herzegowina gilt, dass alle Staatsangehörige einer Entität automatisch auch Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina sind. Nach Art. 19 des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina vom 22. März 2016 hat ein Bürger, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, der im Ausland wohnt und die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates besitzt bzw. dem der Erwerb der Staatsangehörigkeit eines anderen Staates garantiert ist, das Recht, auf die Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina zu verzichten. Das Gesetz über die Staatsangehörigkeit der Republika Srpska vom 10. April 2014 sieht eine entsprechende Regelung in Art. 23 vor (vgl. hierzu und zu diesen Gesetzen Jessel-Holst, Abschnitt Bosnien und Herzegowina, <Stand 1.1.2017> in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht). Für den Antrag auf Verzicht auf die Staatsangehörigkeit wird bei Antragstellung über die Auslandsvertretung von Bosnien und Herzegowina in Deutschland eine Gebühr i.H.v. 660 Euro erhoben; beim Ministerium für zivile Angelegenheiten beträgt die Gebühr ca. 410 Euro (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts Bosnien und Herzegowina, Stand April 2018, S. 24). Zwischen den Beteiligten steht auch nicht im Streit, dass bei einer Einbürgerung des Klägers der Verlust seiner bestehenden Staatsangehörigkeit nach dem Recht und der Praxis des Herkunftsstaates problemlos zu erreichen ist, weshalb es keinen Anhalt für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 StAG gibt.
29 
2.) Eine Ausnahme von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Bestimmung entspricht im Wortlaut § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 AuslG in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl I 1999, S. 1618). Nach der damaligen Gesetzesbegründung betrifft diese zum 1. Januar 2000 in Kraft getretene Regelung den Fall, dass dem Einbürgerungsbewerber mit der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit Nachteile entstehen, die deutlich über das normale Maß hinausreichen. Diese Nachteile können sich auch aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben, z. B. bei geschäftlichen Beziehungen in den Herkunftsstaat, die bei der Aufgabe von dessen Staatsangehörigkeit gefährdet wären (Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, BT-Drs. 14/533 vom 16.03.1999, S. 19). Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die frühere Auffassung korrigiert, wirtschaftliche Nachteile (wie etwa Beschränkungen im Immobilienbesitz oder im Erbrecht) rechtfertigten die Hinnahme der Mehrstaatigkeit nicht (Berlit in GK-StAR, § 12 Rn. 219 <Stand November 2014>; Hailbronner in Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl., § 12 StAG Rn. 38 f.).
30 
a) § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG umfasst bei systematischer Auslegung nur solche Nachteile, die jenseits des Entlassungsverfahrens im engeren Sinne bei der Aufgabe der Staatsangehörigkeit entstehen würden. Die Norm erfasst nicht den Verlust staatsbürgerlicher Teilhaberechte (insb. aktives und passives Wahlrecht, sonstige Formen der an die Staatsangehörigkeit geknüpften Mitwirkung bei der staatlichen oder kommunalen Willensbildung) oder sonstiger unmittelbar an die Staatsangehörigkeit geknüpfter Rechte (z.B. genehmigungsfreier Aufenthalt, Visumsfreiheit, diplomatischer Schutz). Dies schließt die Berücksichtigung mittelbarer Auswirkungen, die notwendig mit der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit verbunden sind (z.B. für die berufliche Tätigkeit), nicht aus. Der Gesetzgeber hat als Nachteile, die bei Erheblichkeit eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit rechtfertigen, solche wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art hervorgehoben, ohne sie - wie aus dem Wort „insbesondere“ erkennbar - der Art nach auf solche Einbußen zu beschränken. Die entstehenden Nachteile müssen deutlich über das normale Maß hinausreichen (Berlit in GK-StAR § 12 Rn. 228 <Stand November 2014>). Die Regelung soll verhindern, dass sich Einbürgerungsbewerber ihre Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Hinnahme erheblicher Nachteile gleichsam „erkaufen“ müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.2010 - 5 C 9.10 - BVerwGE 137, 237 - Rn. 30).
31 
Für das Entstehen der nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG beachtlichen Nachteile ist der Einbürgerungsbewerber darlegungs- und beweispflichtig (BVerwG, Urteil vom 30.06.2010 - 5 C 9.10 - BVerwGE 137, 237 - Rn. 31; Bayerischer VGH, Urteil vom 15.07.2014 - 5 B 12.2271 - juris Rn. 26 m.w.N. Berlit in GK-StAR, § 12 Rn. 227 <Stand November 2014>; Hailbronner in Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl., § 12 Rn. 43; Geyer in Hofmann, AuslR., 2. Aufl., § 12 StAG Rn. 25). Dies gilt sowohl für die Bezeichnung der drohenden Nachteile nach Grund und voraussichtlicher Höhe als auch für die Wahrscheinlichkeit, mit der diese bei Aufgabe der Staatsangehörigkeit einzutreten drohen, sowie für die Unmöglichkeit, entstehende Nachteile gegebenenfalls durch zumutbare Maßnahmen abwenden oder begrenzen zu können. Berücksichtigungsfähig sind nur Nachteile, die „bei“, also in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit entstehen. Es darf sich nicht lediglich um bloße Karriere- oder Erwerbschancen handeln; die Nachteile müssen nach Grund und Höhe konkret drohen (Bayerischer VGH, Urteil vom 15.07.2014 - 5 B 12.2271 - juris Rn. 26 Hailbronner in Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl., § 12 StAG Rn. 42, vgl. auch Berlit in Dörig, Handbuch des Migrations- und Integrationsrechts, 2018, § 2 Rn. 124).
32 
b) Im Fall des Klägers sind keine wirtschaftlichen oder vermögensrechtlichen Nachteile erkennbar, die in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit entstehen würden. Das hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil bezüglich des Grundeigentums in ... und eines möglicherweise zukünftigen Erbes des Klägers zutreffend ausgeführt. Es ist auch nichts dazu vorgetragen, dass dem als Rechtsanwalt im Bundesgebiet tätigen Kläger mit dem Verlust der bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit konkrete berufliche Nachteile im Herkunftsstaat drohten.
33 
c) Aus der Hervorhebung der objektiv erkennbaren wirtschaftlichen oder vermögensrechtlichen Nachteile ergibt sich, dass auch bei immateriellen Beeinträchtigungen nur solche beachtlich sind, die objektiv entstehen und zu gewichten sind (BVerwG, Urteil vom 30.06.2010 - 5 C 9.10 - BVerwGE 137, 237 - Rn. 30, 36; Berlit in GK-StAR, § 12 Rn. 225 <Stand November 2014>). Mangels Objektivierbarkeit haben daher psychische Belastungen für den Einbürgerungsbewerber (wie Aufgabe der bisherigen Identität, Verleugnung der eigenen Wurzeln) oder psychosoziale Nachteile im soziokulturellen Umfeld (z.B. familiäre Spannungen, Ansehensverlust) ebenso wie ideelle Nachteile außer Betracht zu bleiben. Nummer 5 öffnet die Hinnahme von Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung auch sonst nicht der subjektiven Nachteilsdefinition des Einbürgerungsbewerbers, der den gesetzlichen Regelfall (Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit) unter Ausschluss der freien Wahl mehrfacher Staatsangehörigkeit subjektiv als erheblichen Nachteil empfinden mag (Berlit in GK-StAR, § 12 Rn. 225 <Stand November 2014>, siehe auch Berlit in Dörig, Handbuch des Migrations- und Integrationsrechts, 2018, § 2 Rn. 124). Soweit der Kläger geltend macht, mit der Aufgabe der Staatsangehörigkeit von Bosnien-Herzegowina würde er den Genozid der Serben an den Bosniern quasi mittragen und vom Opfer zum Täter werden, ist das ein immaterieller Nachteil, dessen Entstehung und Gewichtung von seiner subjektiven Bewertung abhängt und der nicht § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG unterfällt.
34 
d) Selbst wenn man annimmt, dass im Rahmen des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG subjektive Empfindungen dann beachtlich sein können, wenn sich eine biographisch außergewöhnliche Bindung an den Herkunftsstaat in besonderer, objektivierbarer Weise nach außen manifestiert hat und diese Bindung mit der Aufgabe der Staatsangehörigkeit verloren geht, ohne anderweitig nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 oder 5 StAG beachtliche Nachteile auszulösen (so Berlit in GK-StAR, § 12 Rn. 225 <Stand November 2014>; offengelassen BVerwG, Urteil vom 30.06.2010 - 5 C 9.10 - BVerwGE 137, 237 - Rn. 36 i.V.m. Rn. 27), führt dies nicht zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung. Der Kläger hat als kleines Kind seinen Heimatstaat verlassen. Es ist in seiner Person nichts ersichtlich, was ihn von anderen Staatsangehörigen bosnischer Volkszugehörigkeit des heutigen Bosnien und Herzegowina im Sinne einer individuellen und außergewöhnlichen Bindung insoweit unterscheiden würde.
35 
Im Rahmen des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG ist ebenfalls nicht erheblich, dass der Kläger den Verlust seiner Staatsangehörigkeit deshalb als unzumutbar betrachtet, weil die Bosnier zu Beginn der 90erJahre durch einen Genozid der Serben betroffen worden und selbst heute noch ethnische Spannungen zu verzeichnen sind, die auch seinen Schilderungen zufolge vor allem von den Serben ausgehen. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG begünstigt nicht eine „Gruppenbetroffenheit“ bzw. die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, sondern knüpft an die konkrete Person des Einbürgerungsbewerbers an. Dass die Leidensgeschichte des bosnischen Volkes kein Argument im Rahmen der Mehrstaatigkeit darstellen kann, verdeutlicht zudem § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG. Die Regelung lässt bei den Inhabern eines Flüchtlingsausweises nach Art. 28 GFK Mehrstaatigkeit zu. Der Internationale Reiseausweis nach der Genfer Flüchtlingskonvention wird Asylberechtigten bzw. Flüchtlingen im Sinne von § 3 AsylG erteilt. Das Gesetz geht in diesem Fall davon aus, dass Entlassungsbemühungen bei Behörden des Verfolgerstaates stets unzumutbar sind (vgl. Geyer in Hofmann, AuslR, 2. Aufl., § 12 StAG Rn. 26). Diese seit dem 28. August 2007 geltende Fassung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG ist gegenüber früheren Fassungen restriktiver (vgl. zur Änderungshistorie Berlit in GK-StAR, § 12 Rn. 241 f. <Stand November 2014>; siehe auch § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AuslG 1990, wonach Mehrstaatigkeit hinzunehmen war, wenn bei Angehörigen bestimmter Personengruppen, insbesondere politischen Flüchtlingen, die Forderung nach Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit eine unzumutbare Härte bedeuten würde). Führt das, was eine Person im Herkunftsstaat erlebt (hat), nicht zu einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (mit der Folge der Ausstellung eines Flüchtlingsausweises), sind Ereignisse dort, die nicht die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft begründen - auch wenn sie menschenrechtswidrig (gewesen) sind - einbürgerungsrechtlich im Rahmen des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG nicht relevant. Ansonsten wäre die restriktive Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG überflüssig.
36 
3.) Auch soweit sich der Kläger darauf beruft, sein Gewissen verbiete ihm die Aufgabe der Staatsangehörigkeit seines Herkunftsstaats, begründet dies keinen Anspruch auf Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit. Der Kläger hat eine Gewissensentscheidung mit Blick auf die Staatsangehörigkeit schon nicht schlüssig vorgetragen (a). Selbst wenn man im Übrigen zu seinen Gunsten eine entsprechende Gewissensentscheidung unterstellen würde, führt dies nicht dazu, dass er - unter entsprechender Auslegung von § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG oder § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG - unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit einzubürgern ist (b).
37 
a) Der Schutzbereich der Gewissensfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG ist betroffen, wenn eine ernste sittliche, d.h. an den Kategorien von „gut“ und „böse“ orientierte Entscheidung in Rede steht, die der einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 20.12.1960 - 1 BvL 21/60 - BVerfGE 12, 45 <54 f.>). Bloße Skrupel oder Bedenken genügen folglich nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dabei nicht nur die Gewissensbildung als „Gedankenfreiheit in Gewissensfragen“, sog. forum internum, sondern auch die Freiheit geschützt, seinem Gewissen durch Tun oder Unterlassen zu folgen, sog. forum externum; die Gewissensfreiheit umfasst folglich grundsätzlich auch die Freiheit, von der öffentlichen Gewalt nicht verpflichtet zu werden, gegen Gebote und Verbote des Gewissens zu handeln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.06.1988 - 2 BvR 701/86 - BVerfGE 78, 391 <395>; Leibholz/Rinck/Hesselberger in Leibholz/Rink, GG, Art. 4 Rn. 146 <Stand Oktober 2017>; Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl., Art. 4 Rn. 45 f.). Das Grundrecht auf Gewissensfreiheit gewährt nicht nur subjektive Rechte, sondern ist zugleich eine wertentscheidende Grundsatznorm höchsten verfassungsrechtlichen Ranges, die bei Staatstätigkeit jeder Art ihre Wertmaßstäbe setzende Kraft entfaltet und Beachtung verlangt. Art. 4 Abs. 1 GG enthält deshalb nicht nur ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern daraus erwächst auch ein Anspruch gegen den Staat, den Raum für eine aktive Betätigung des Gewissens zu sichern und geeignete und erforderliche Maßnahmen zur Ermöglichung gewissenskonformen Verhaltens zu treffen (BVerwG, Urteil vom 18.06.1997 - 6 C 5.96 - BVerwGE 105, 73 <77 f.>).
38 
Für die Berufung auf Art. 4 Abs. 1 GG kommt es nicht darauf an, ob ein bestimmter Gewissenskonflikt von anderen nachvollzogen werden kann oder gar auf allgemeines Unverständnis stößt. Die richterliche Prüfungsbefugnis geht jedenfalls nicht so weit, dass die - einmal als solche erkannte - Gewissensentscheidung in irgendeinem Sinn, etwa als "irrig", "falsch", "richtig", bewertet werden dürfte. Die Frage, wie es zu der Gewissensentscheidung gekommen ist, d. h. vor allem, welche geistigen Einflüsse auf das Gewissen gewirkt haben, ist nur zulässig, soweit davon die Feststellung abhängt, ob wirklich eine "Gewissens"-Entscheidung vorliegt (BVerfG, Beschluss vom 20.12.1960 - 1 BvL 21/60 - BVerfGE 12, 45 <55 f.>). Auch wenn daher eine Rationalitätsprüfung unzulässig ist, so muss doch die Ernsthaftigkeit des Gewissensgebots, seine Unbedingtheit im Konfliktfall geprüft werden können, wobei die Darlegungslast trägt, wer sich auf sein Gewissen beruft, um bestehende Rechtspflichten abzuwehren. Er muss dann die ethischen Gebote nachvollziehbar beschreiben und ihre Dringlichkeit verständlich machen können. Das „Ob“ eines Gewissenskonflikts unterliegt zwar keiner Kontrolle, aber das „Wie“ und das „Warum“ müssen plausibel sein (Schmidt in Erfurter Kommentar, GG, Art. 4 Rn. 62 f. <Stand 2018>).
39 
Gemessen hieran fehlt es an einem schlüssigen Vortrag einer Gewissensentscheidung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GG mit Bezug zur Staatsangehörigkeit. Der Kläger hat mehrfach schriftlich und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat deutlich gemacht, wie sehr er - ausgehend von dem Völkermord an den Bosniern durch die Serben zu Beginn der 90er Jahre und der nach wie vor bestehenden, ihm zufolge allein in die Verantwortung der Republika Srpska und der Serben fallenden ethnischen, religiösen und politischen Spannungen auch innerhalb des Gesamtstaates - die Republika Srpska und die Serben verabscheut. Die Beibehaltung seiner bosnisch-herzegowischen Staatsangehörigkeit dient nach seinem Vorbringen dazu, dass die mit dem Leid der Bosnier errungene bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit aufrechterhalten bleibt und dass die Serben nicht endgültig die Bosnier vernichten. Ungeachtet dessen ist der Kläger aber nach wie vor in seinem Herkunftsort, der in der Entität Republika Srpska liegt, unter der Anschrift des Elternhauses seiner Mutter gemeldet und hat die Staatsangehörigkeit dieser Entität. Dem Kläger wird die Staatsangehörigkeit des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina durch die Staatsangehörigkeit der Entität der Republika Srpska vermittelt (vgl. hierzu Art. 1 Nr. 7 lit a) der Verfassung von Bosnien und Herzegowina vom 14. Dezember 1995, abgedruckt bei Jessel-Holst, Abschnitt Bosnien und Herzegowina, <Stand 1.1.2017> in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht). Obwohl sich der Kläger eigenen Angaben zufolge bei Aufenthalten in Bosnien-Herzegowina überwiegend in der Wohnung seiner Eltern in ... und damit in der Föderation von Bosnien und Herzegowina aufhält, hat er aus Gründen der Bequemlichkeit nichts daran geändert, dass er nach wie vor die Staatsangehörigkeit der Republika Srpska hat - und damit die der Entität, die er verabscheut. Dass er - ungeachtet seiner juristischen Ausbildung und der in ... in einer Anwaltskanzlei absolvierten Wahlstation - sich mit dem Staatsangehörigkeitsrecht seines Herkunftsstaates seinem Bekunden zufolge bislang nicht so genau beschäftigt hat, macht sein Vorgehen nicht plausibler. Auch mit dem Umstand, dass die Verfassung von Bosnien und Herzegowina vom 14. Dezember 1995 ausweislich des Art. I Nr. 7 lit d) Fälle der Mehrstaatigkeit begrenzen will, den Besitz einer zusätzlichen fremden Staatsangehörigkeit vom Vorhandensein eines entsprechenden bilateralen Abkommens abhängig macht und Doppelstaater in Bosnien-Herzegowina und in den Entitäten nur dann wählen können, wenn Bosnien und Herzegowina ihr Wohnsitzstaat ist (vgl. Jessel-Holst, Abschnitt Bosnien und Herzegowina, S. 9 ff. <Stand 1.1.2017> in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht), hat sich der Kläger nicht näher auseinandergesetzt. Soweit er in der Berufungsverhandlung betont, ihm sei das Wahlrecht nicht wichtig und Politik könne man nicht mit Willenserklärung ändern, erschließt sich nicht, welche aktive Bedeutung er seiner jetzigen Staatsangehörigkeit, die er beibehalten will, überhaupt beimisst. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass er sich in einem reflektierenden Entscheidungsprozess mit den Unterschieden zwischen Volk, Nation und Staat beschäftigt hätte.
40 
b) Selbst wenn man ungeachtet der vorstehenden Ausführungen zu Gunsten des Klägers eine glaubhaft gemachte Gewissensentscheidung gegen den Verlust der Staatsangehörigkeit Bosnien und Herzegowinas unterstellen würde, verhilft ihm dies nicht zu einer Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit. Es liegt kein Eingriff in seine Gewissensfreiheit vor. Der Kläger wird von der öffentlichen Gewalt nicht verpflichtet, gegen ein Gebot bzw. Verbote des Gewissens zu handeln. Er wird nicht gezwungen, seine Staatsangehörigkeit aufzugeben und Deutscher zu werden. Ihm räumt das Staatsangehörigkeitsrecht die Möglichkeit ein, deutscher Staatsangehöriger zu werden und diesbezüglich eine selbstbestimmte und eigenverantwortliche freie Willensentscheidung über seine Zugehörigkeit zu Deutschland zu treffen. Die Auffassung des Klägers, aus dem - den Deutschen vorbehaltenen - Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 GG folge mittelbar der Zwang sich einbürgern zu lassen, weil er ohne die Eigenschaft als deutscher Staatsangehöriger nicht Beamter oder Richter werden könne, ändert nichts daran, dass die Einbürgerung in ihrer rechtlichen Ausgestaltung eine begünstigende Entscheidung ist, die auf Antrag ergeht. Soweit das Gesetz die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen für eine positive Entscheidung über den Einbürgerungsantrag verlangt (vgl. § 10 Abs. 1 StAG, § 11 StAG), lässt dies den rechtlichen Charakter der Begünstigung unberührt. Die Gewissensfreiheit ihrerseits ist kein Teilhabe-recht, das auf positive Leistungen des Staates zielt (vgl. Bethge in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 158 Rn. 8).
41 
Im Übrigen ist - da das Gewissen ein höchst individuelles Phänomen ist - der Gefahr einer Auflösung der allgemeinen Rechtsordnung durch Gewissensvorbehalte zu begegnen. Auch wenn die Gewissensfreiheit keinen Gesetzesvorbehalt enthält, besteht Einigkeit darüber, dass diese durch kollidierendes Verfassungsrecht beschränkt wird (vgl. etwa Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl., Art. 4 Rn. 50 f. m.w.N; siehe auch Bethge in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 158 Rn. 38 ff.). Das Grundgesetz weist die Entscheidung über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber zu (Art. 20 Abs. 2 GG, Art. 38 Abs. 1 GG, Art. 73 Abs. 1 Nr. 2 GG). Ihm obliegt es im Rahmen seiner ihm verfassungsrechtlich zukommenden Gestaltungsfreiheit auch die Voraussetzungen für eine Einbürgerung festzulegen. Dabei kann der Gesetzgeber - geleitet durch das Wesen der Staatsangehörigkeit als Ausdruck der exklusiven politischen Identität - das Ziel verfolgen, das Zustandekommen von Mehrstaatigkeit zu begrenzen und hierfür besondere Tatbestände formulieren (vgl. näher Haack in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. X, § 205 Rn. 17 ff.). Aus der Gewissensfreiheit kann niemand das Recht herleiten, die Rechtsordnung nach seinen Gewissensvorstellungen zu gestalten, und verlangen, dass seine Überzeugung zum Maßstab der Gültigkeit genereller Rechtsnormen oder ihrer Anwendung gemacht wird (BVerfG, Beschlüsse vom 02.05.2007 - 2 BvR 475/02 - juris Rn. 6, vom 13.12.2006 - 1 BvR 2084/05 - juris Rn. 26 und vom 18.04.1984 - 1 BvL 43/81 - juris Rn. 35; BVerwG, Urteil vom 18.06.1997 - 6 C 5.96 - BVerwGE 105, 73 <78>). Eine Auslegung und Ausgestaltung der Voraussetzungen für eine Einbürgerung nach individuellen Gewissensvorstellungen würde aber eintreten, wenn man hier dem Kläger folgen würde.
B)
42 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Einbürgerung oder zumindest auf Neubescheidung seines Antrags nach § 8 Abs. 1 StAG. Es ist bei der auf Ermessensfehler beschränkten Überprüfung (vgl. § 114 VwGO) nicht zu beanstanden, dass die Einbürgerungsbehörde die Einbürgerung auch nach § 8 StAG abgelehnt hat, weil der Kläger nicht bereit ist, seine bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben.
I.)
43 
Nach § 8 Abs.1 StAG kann ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er 1. handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, 2. weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, 3. eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat und 4. sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist. Diese Anforderungen erfüllt der Kläger unstreitig. Die Frage der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit verlagert § 8 StAG in die Ermessensbetätigung. Dass sich der Beklagte im vorliegenden Fall maßgebend von der Erwägung hat leiten lassen, vom Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit nicht abzuweichen, lässt keinen Ermessensfehler erkennen.
44 
1.) Nach der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats geltenden Nummer 8.1.2.6 der baden-württembergischen Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration zum Staatsangehörigkeitsgesetz (VwV StAG) vom 8. Juli 2013 - Az. 7-1010.1/1 - (mit Stand 3. März 2017) ist der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit bei der Ermessensausübung zu beachten. Ob Mehrstaatigkeit hingenommen werden kann, hat die Einbürgerungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen (vgl. im Einzelnen Nummer 8.1.2.6.3, a.a.O.). Entsprechende Regelungen finden sich auch in den Nummern 8.1.2.6 und 8.1.2.6.3 der im Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrags (und auch der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts) noch gültigen baden-württembergischen Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Integration zum Staatsangehörigkeitsgesetz (Az. 2-1010.1/1). Auch die insoweit nach wie vor geltende und nach Art. 84 Abs. 2 und Art. 86 Satz 1 GG erlassene Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht (StAR-VwV) vom 13. Dezember 2000 sieht unter den gleichen Ziffern solches vor (vgl. ferner die entsprechenden Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern - VAH-StAG - mit Stand 1. Juni 2015). In der Verwaltungspraxis beachtet die Einbürgerungsbehörde gemäß der Verwaltungsvorschrift den Grundsatz der Mehrstaatigkeit und prüft mögliche Ausnahmen aber nach pflichtgemäßem Ermessen.
45 
2.) Kommt eine Einbürgerung nach § 10 StAG unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit nicht in Betracht, so scheidet grundsätzlich eine Einbürgerung auf der Grundlage des § 8 StAG aus, da im Hinblick auf die Hinnahme der Mehrstaatigkeit bei einer Ermessenseinbürgerung vergleichbare Anforderungen bestehen (Marx in GK-StAR, § 8 Rn. 355 ff. <Stand Oktober 2009>; vgl. auch Niedersächsisches OVG, Urteil vom 08.02.2012 - 13 LC 240/10 - juris Rn. 61). Der systematische Zusammenhang zwischen Anspruchs- und Ermessenseinbürgerung rechtfertigt eine Berücksichtigung der Anspruchsvoraussetzungen und -ausschlussgründe der §§ 10, 11 StAG auch im Rahmen des § 8 StAG (vgl. auch BVerwG Urteile vom 27.05.2010 - 5 C 8.09 - juris Rn. 32 und vom 21.02.2013 - 5 C 9.12 - BVerwGE 146, 89 - Rn. 25). Der Grund, weshalb der Kläger im vorliegenden Fall nicht seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben will, ist im Rahmen der Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG unbeachtlich; dies gilt insbesondere für den geltend gemachten Gewissenskonflikt (siehe hierzu oben unter A II.). Dass die Widerspruchsbehörde mit vergleichbarer Argumentation eine Einbürgerung nach Ermessen ablehnt (vgl. Widerspruchsbescheid ab S. 6 unten), lässt daher keinen Ermessensfehler erkennen.
46 
3.) Soweit Nummer 8.1.2.6.3. der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration zum Staatsangehörigkeitsgesetz vorsieht, dass Ausnahmen vom Einbürgerungshindernis eintretender Mehrstaatigkeit außer in den Fällen des § 12 StAG unter anderem auch dann in Betracht kommen können, wenn ein herausragendes öffentliches Interesse an der Einbürgerung auch unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit besteht, verhilft dies dem Kläger ebenfalls nicht zum Erfolg. Zwar sieht auch der Beklagte, dass der Kläger, der sowohl die Erste juristische Staatsprüfung als auch die Zweite juristische Staatsprüfung in Baden-Württemberg jeweils mit der Gesamtnote ... ... bestanden hat, ein Beispiel einer gelungenen Integration ist, an dessen beruflicher Verwendung im Bundesgebiet ein Interesse besteht. Nach dem vom Vertreter des Beklagten nach Rücksprache mit dem Innenministerium in der mündlichen Verhandlung näher ausgeführten Verständnis und der Handhabung dieser Ausnahme in der Praxis muss jedoch das öffentliche Interesses im Sinne des Ausnahmetatbestands gerade auch an der Hinnahme der Mehrstaatigkeit bestehen. Dem Beklagten zufolge kann dies etwa bei Sportlern, Künstlern oder Wissenschaftlern in Betracht kommen, wobei in der baden-württembergischen Praxis diese Fälle aber äußerst selten sind und regelmäßig mit Stellungnahmen und Begründungen der Verbände oder Organisationseinheiten einhergehen, für die der Ausländer tätig sein soll.
47 
Dass im Falle des Klägers mit Blick auf eine Verwendung in den juristischen Berufen, zu denen das Zweite juristische Staatsexamen befähigt, überhaupt ein öffentliches Interesse gerade an der Hinnahme der Mehrstaatigkeit besteht, ist schon im Ansatz nicht ersichtlich. Nach dem Vortrag des Klägers gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass er für eine besondere andere - berufliche - Tätigkeit im Bundesgebiet gewonnen oder gehalten werden soll. Der Kläger kann seinen Beruf als Rechtsanwalt fortsetzen und ggfs. auch im Angestelltenverhältnis im Öffentlichen Dienst tätig sein. Daher kann auch dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen ein „herausragendes“ öffentliches Interesse im Sinne der geltenden Verwaltungsvorschrift anzunehmen ist und ob sich der Kläger ggfs. auf die im Zeitpunkt seiner Antragstellung geltende Fassung der Verwaltungsvorschrift berufen könnte, die insoweit ein „besonderes“ öffentliches Interesse an der Einbürgerung auch unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit hat ausreichen lassen.
C)
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
49 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
50 
Beschluss vom 19. Dezember 2018
51 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
52 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
18 
Die zulässige, insbesondere gemäß § 124a Abs. 6 VwGO form- und fristgemäß begründete Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Der Bescheid des Landratsamts Karlsruhe vom 1. Dezember 2015 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17. Mai 2016 sind rechtmäßig. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband noch einen Anspruch darauf, dass über seinen Antrag auf Einbürgerung vom 12. Mai 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden wird (§ 113 Abs. 5 VwGO). Ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG scheitert daran, dass der Kläger dem verfassungs- und völkerrechtlich unbedenklichen Erfordernis des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG nicht entspricht und eine Ausnahme von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG gemäß § 12 StAG nicht vorliegt (A). Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Einbürgerungsbehörde die Einbürgerung nach § 8 StAG abgelehnt hat, weil der Kläger nicht bereit ist, seine bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben (B).
A)
19 
Dem Kläger steht in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. BVerwG, Urteile vom 01.06.2017 - 1 C 16.16 - BVerwGE 159, 85 - Rn. 9 und vom 05.06.2014 - 10 C 2.14 - BVerwGE 149, 387 - Rn. 10) kein Anspruch auf Einbürgerung gemäß § 10 StAG zu. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Abs. 1 Satz 1 StAG oder gesetzlich vertreten ist, auf Antrag einzubürgern, wenn er die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 StAG aufgezählten Voraussetzungen erfüllt und kein Ausschlussgrund nach § 11 StAG vorliegt. Zwischen den Beteiligten ist aufgrund des Werdegangs des Klägers im Bundesgebiet und seines monatlichen Bruttoeinkommens von mittlerweile ... unstreitig, dass dieser die Tatbestandsvoraussetzungen einer Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 sowie Nr. 5 bis 7 StAG erfüllt. Dies hat das Landratsamt Karlsruhe im Übrigen bereits mit Schreiben vom 11. April 2016 ausgeführt und hierin auch darauf hingewiesen, dass sich weder aus der Ausländerakte noch aus den Sicherheitsanfragen nachteilige Erkenntnisse ergeben haben.
I.)
20 
Der Einbürgerung steht allerdings § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG entgegen, wonach Voraussetzung für die Einbürgerung auch ist, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Die Entscheidung des Gesetzgebers, in der Fassung des Staatsangehörigkeitsrechts gemäß Art. 5 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I, S. 1802) für die Einbürgerung nach § 10 StAG weiterhin am Prinzip der Vermeidung mehrfacher Staatsangehörigkeit festzuhalten und Ausnahmen hiervon nur nach Maßgabe des § 12 StAG vorzusehen (vgl. auch Berlit, Änderungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz, InfAuslR 2007, 457, 463), begegnet mit Blick auf den dem Gesetzgeber zuzubilligenden Gestaltungsspielraum keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; es besteht insbesondere keine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Einbürgerung langjährig im Inland lebender Ausländer unter (vermehrter) Hinnahme von Doppelstaatsangehörigkeit (Berlit in GK-StAR, § 10 Rn. 270, 273 f. <Stand Oktober 2014>). Mehrstaatigkeit ist weiterhin systematisch begründungsbedürftige Ausnahme und wird ungeachtet der Aufgabe der früheren „Übeltheorie“ als unerwünschter Zustand gesehen, der im Interesse klarer Verhältnisse bei der Zuordnung im nationalen Bereich sowie im internationalen Verkehr und zur Beherrschung bewältigungsbedürftiger, wenngleich bewältigungsfähiger Rechts(anwendungs)konflikte, zu vermeiden ist (Berlit in Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2018, § 2 Rn. 98).
21 
1.) Der staatliche Exklusivitätsanspruch im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts erfährt zwar immer mehr normative Ausnahmen (vgl. hierzu Geyer in Hofmann, AuslR, 2. Aufl., § 12 StAG Rn. 2 f.; Berlit in Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2018, § 2 Rn. 99). Dies gilt etwa für die vom Kläger benannten Konstellationen der generellen Hinnahme der Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz (§ 12 Abs. 2 StAG) oder der Abschaffung der Optionspflicht für im Inland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern, die nach § 4 Abs. 3 oder § 40b StAG Deutsche sind, durch § 29 StAG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 13. November 2014 (BGBl I, S. 1714). Dies führt allerdings entgegen der Auffassung des Klägers nicht dazu, dass die Regelungen in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG bzw. § 12 Abs. 1 StAG verfassungswidrig wären, weil sie gegen Art. 3 GG verstießen.
22 
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Das Gebot gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Anforderungen, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 07.03.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 - Rn. 171 m.w.N.; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl., Art. 3 Rn. 18 ff.; Wolff in Hömig/Wolff, GG, 12. Aufl., Art. 3 Rn. 6). Ausgehend von diesem Maßstab sind Differenzierungen des Gesetzgebers im Umgang mit der Mehrstaatigkeit in unterschiedlichen Konstellationen des Erwerbs bzw. des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit nicht zu beanstanden. Ihnen liegen verschiedene Sachverhalte zugrunde bzw. sie sind durch sachliche Gründe legitimiert.
23 
So verfolgt der Gesetzgeber mit der gemäß § 12 Abs. 2 StAG generellen Hinnahme der Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung von Unionsbürgern das Ziel, die europäische Integration voranzutreiben und den - den Inländern bereits weitgehend gleichgestellten - EU-Bürgern den Anreiz zu geben (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben; der Vermeidung von Mehrstaatigkeit fehlt hier das öffentliche Interesse (vgl. die Begründungen im Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, BT-Drs. 14/533 vom 16.03.1999, S. 19 zu § 87 Abs. 2 AuslG sowie ergänzend zur jetzigen Fassung des § 12 Abs. 2 die Begründung im Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union, BT-Drs. 16/5065 vom 23.04.2007, S. 229). Dies steht in Einklang mit Art. 20 AEUV, nach dessen Absatz 1 Satz 2 die Unionsbürgerschaft zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzutritt, diese aber nicht ersetzt. Soweit der Gesetzgeber im nationalen Staatsangehörigkeitsrecht Unionsbürger bei der Mehrstaatigkeit günstiger behandelt als Drittstaatsangehörige einschließlich der Staatsangehörigen von Staaten, die den Status eines Beitrittskandidaten haben oder einen solchen erlangen wollen, ist dies auch mit Blick auf die Interessen der Union sachgerecht (vgl. zur Wechselwirkung zwischen dem mitgliedschaftlichen Staatsangehörigkeitsrecht und der Unionsbürgerschaft Kluth in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl., Art. 20 Rn. 9 m.w.N.).
24 
Dass die Begünstigung von in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kindern ausländischer Eltern mit langjährigem Aufenthaltsrecht unter dem Aspekt der Mehrstaatigkeit nicht zu beanstanden ist, hat das Verwaltungsgericht im Urteil vom 1. März 2017 (unter I. 2.) ebenfalls zutreffend dargelegt. Hierauf nimmt der Senat gemäß § 130b VwGO Bezug.
25 
2.) Auch völkerrechtlich ist die Hinnahme von Mehrstaatigkeit nicht geboten. Solches folgt insbesondere nicht aus dem für die Bundesrepublik geltenden Europäischen Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (EuStAngÜbk) vom 6. November 1997 (vgl. Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 06.11.1997 über die Staatsangehörigkeit vom 13.05.2004, BGBl 2004 II S. 578). Abgesehen davon, dass das Übereinkommen das Recht der Vertragsstaaten anerkennt, die Einbürgerung von der Aufgabe oder dem Verlust einer anderen Staatsangehörigkeit abhängig zu machen (vgl. Art. 15 lit b EuStAngÜbk), richtet sich das Übereinkommen nach dessen Artikel 1 an die Vertragsstaaten und erzeugt deshalb grundsätzlich keine subjektiven Rechte des Einzelnen (BVerwG, Urt. v. 21.02.2013 - 5 C 9.12 - BVerwGE 146, 89 - Rn. 24). Aus diesem Grund kann sich der Kläger auch nicht auf die Verpflichtung des Vertragsstaats nach Art. 6 Abs. 4 berufen, Personen, die in seinem Hoheitsgebiet geboren sind und sich dort rechtmäßig und gewöhnlich aufhalten (lit e), und Personen, die sich seit einem durch das innerstaatliche Recht des betroffenen Vertragsstaats festgelegten Zeitpunkt vor Vollendung des 18. Lebensjahrs rechtmäßig und gewöhnlich in seinem Hoheitsgebiet aufhalten (lit f), in seinem innerstaatlichen Recht den Erwerb seiner Staatsangehörigkeit zu erleichtern. Entsprechendes gilt für das Verbot, u.a. den Erwerb der Staatsangehörigkeit von der Aufgabe oder dem Verlust einer anderen Staatsangehörigkeit abhängig zu machen, wenn die Aufgabe oder der Verlust unmöglich oder unzumutbar ist (Art. 16 EuStAngÜbk). Im Übrigen greifen § 12 und § 8 StAG diese Postulate hinreichend auf.
II.)
26 
Die Voraussetzungen für eine Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach § 12 Abs. 1 StAG liegen nicht vor.
27 
Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG wird von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist nach § 12 Abs. 1 Satz 2 StAG anzunehmen, wenn 1. das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht, 2. der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert, 3. der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat, 4. der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde, 5. dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, oder 6. der Ausländer einen Reiseausweis nach Art. 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt.
28 
1.) Für das Staatsangehörigkeitsrecht von Bosnien und Herzegowina gilt, dass alle Staatsangehörige einer Entität automatisch auch Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina sind. Nach Art. 19 des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina vom 22. März 2016 hat ein Bürger, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, der im Ausland wohnt und die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates besitzt bzw. dem der Erwerb der Staatsangehörigkeit eines anderen Staates garantiert ist, das Recht, auf die Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina zu verzichten. Das Gesetz über die Staatsangehörigkeit der Republika Srpska vom 10. April 2014 sieht eine entsprechende Regelung in Art. 23 vor (vgl. hierzu und zu diesen Gesetzen Jessel-Holst, Abschnitt Bosnien und Herzegowina, <Stand 1.1.2017> in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht). Für den Antrag auf Verzicht auf die Staatsangehörigkeit wird bei Antragstellung über die Auslandsvertretung von Bosnien und Herzegowina in Deutschland eine Gebühr i.H.v. 660 Euro erhoben; beim Ministerium für zivile Angelegenheiten beträgt die Gebühr ca. 410 Euro (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts Bosnien und Herzegowina, Stand April 2018, S. 24). Zwischen den Beteiligten steht auch nicht im Streit, dass bei einer Einbürgerung des Klägers der Verlust seiner bestehenden Staatsangehörigkeit nach dem Recht und der Praxis des Herkunftsstaates problemlos zu erreichen ist, weshalb es keinen Anhalt für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 StAG gibt.
29 
2.) Eine Ausnahme von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Bestimmung entspricht im Wortlaut § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 AuslG in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl I 1999, S. 1618). Nach der damaligen Gesetzesbegründung betrifft diese zum 1. Januar 2000 in Kraft getretene Regelung den Fall, dass dem Einbürgerungsbewerber mit der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit Nachteile entstehen, die deutlich über das normale Maß hinausreichen. Diese Nachteile können sich auch aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben, z. B. bei geschäftlichen Beziehungen in den Herkunftsstaat, die bei der Aufgabe von dessen Staatsangehörigkeit gefährdet wären (Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, BT-Drs. 14/533 vom 16.03.1999, S. 19). Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die frühere Auffassung korrigiert, wirtschaftliche Nachteile (wie etwa Beschränkungen im Immobilienbesitz oder im Erbrecht) rechtfertigten die Hinnahme der Mehrstaatigkeit nicht (Berlit in GK-StAR, § 12 Rn. 219 <Stand November 2014>; Hailbronner in Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl., § 12 StAG Rn. 38 f.).
30 
a) § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG umfasst bei systematischer Auslegung nur solche Nachteile, die jenseits des Entlassungsverfahrens im engeren Sinne bei der Aufgabe der Staatsangehörigkeit entstehen würden. Die Norm erfasst nicht den Verlust staatsbürgerlicher Teilhaberechte (insb. aktives und passives Wahlrecht, sonstige Formen der an die Staatsangehörigkeit geknüpften Mitwirkung bei der staatlichen oder kommunalen Willensbildung) oder sonstiger unmittelbar an die Staatsangehörigkeit geknüpfter Rechte (z.B. genehmigungsfreier Aufenthalt, Visumsfreiheit, diplomatischer Schutz). Dies schließt die Berücksichtigung mittelbarer Auswirkungen, die notwendig mit der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit verbunden sind (z.B. für die berufliche Tätigkeit), nicht aus. Der Gesetzgeber hat als Nachteile, die bei Erheblichkeit eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit rechtfertigen, solche wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art hervorgehoben, ohne sie - wie aus dem Wort „insbesondere“ erkennbar - der Art nach auf solche Einbußen zu beschränken. Die entstehenden Nachteile müssen deutlich über das normale Maß hinausreichen (Berlit in GK-StAR § 12 Rn. 228 <Stand November 2014>). Die Regelung soll verhindern, dass sich Einbürgerungsbewerber ihre Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Hinnahme erheblicher Nachteile gleichsam „erkaufen“ müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.2010 - 5 C 9.10 - BVerwGE 137, 237 - Rn. 30).
31 
Für das Entstehen der nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG beachtlichen Nachteile ist der Einbürgerungsbewerber darlegungs- und beweispflichtig (BVerwG, Urteil vom 30.06.2010 - 5 C 9.10 - BVerwGE 137, 237 - Rn. 31; Bayerischer VGH, Urteil vom 15.07.2014 - 5 B 12.2271 - juris Rn. 26 m.w.N. Berlit in GK-StAR, § 12 Rn. 227 <Stand November 2014>; Hailbronner in Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl., § 12 Rn. 43; Geyer in Hofmann, AuslR., 2. Aufl., § 12 StAG Rn. 25). Dies gilt sowohl für die Bezeichnung der drohenden Nachteile nach Grund und voraussichtlicher Höhe als auch für die Wahrscheinlichkeit, mit der diese bei Aufgabe der Staatsangehörigkeit einzutreten drohen, sowie für die Unmöglichkeit, entstehende Nachteile gegebenenfalls durch zumutbare Maßnahmen abwenden oder begrenzen zu können. Berücksichtigungsfähig sind nur Nachteile, die „bei“, also in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit entstehen. Es darf sich nicht lediglich um bloße Karriere- oder Erwerbschancen handeln; die Nachteile müssen nach Grund und Höhe konkret drohen (Bayerischer VGH, Urteil vom 15.07.2014 - 5 B 12.2271 - juris Rn. 26 Hailbronner in Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl., § 12 StAG Rn. 42, vgl. auch Berlit in Dörig, Handbuch des Migrations- und Integrationsrechts, 2018, § 2 Rn. 124).
32 
b) Im Fall des Klägers sind keine wirtschaftlichen oder vermögensrechtlichen Nachteile erkennbar, die in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit entstehen würden. Das hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil bezüglich des Grundeigentums in ... und eines möglicherweise zukünftigen Erbes des Klägers zutreffend ausgeführt. Es ist auch nichts dazu vorgetragen, dass dem als Rechtsanwalt im Bundesgebiet tätigen Kläger mit dem Verlust der bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit konkrete berufliche Nachteile im Herkunftsstaat drohten.
33 
c) Aus der Hervorhebung der objektiv erkennbaren wirtschaftlichen oder vermögensrechtlichen Nachteile ergibt sich, dass auch bei immateriellen Beeinträchtigungen nur solche beachtlich sind, die objektiv entstehen und zu gewichten sind (BVerwG, Urteil vom 30.06.2010 - 5 C 9.10 - BVerwGE 137, 237 - Rn. 30, 36; Berlit in GK-StAR, § 12 Rn. 225 <Stand November 2014>). Mangels Objektivierbarkeit haben daher psychische Belastungen für den Einbürgerungsbewerber (wie Aufgabe der bisherigen Identität, Verleugnung der eigenen Wurzeln) oder psychosoziale Nachteile im soziokulturellen Umfeld (z.B. familiäre Spannungen, Ansehensverlust) ebenso wie ideelle Nachteile außer Betracht zu bleiben. Nummer 5 öffnet die Hinnahme von Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung auch sonst nicht der subjektiven Nachteilsdefinition des Einbürgerungsbewerbers, der den gesetzlichen Regelfall (Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit) unter Ausschluss der freien Wahl mehrfacher Staatsangehörigkeit subjektiv als erheblichen Nachteil empfinden mag (Berlit in GK-StAR, § 12 Rn. 225 <Stand November 2014>, siehe auch Berlit in Dörig, Handbuch des Migrations- und Integrationsrechts, 2018, § 2 Rn. 124). Soweit der Kläger geltend macht, mit der Aufgabe der Staatsangehörigkeit von Bosnien-Herzegowina würde er den Genozid der Serben an den Bosniern quasi mittragen und vom Opfer zum Täter werden, ist das ein immaterieller Nachteil, dessen Entstehung und Gewichtung von seiner subjektiven Bewertung abhängt und der nicht § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG unterfällt.
34 
d) Selbst wenn man annimmt, dass im Rahmen des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG subjektive Empfindungen dann beachtlich sein können, wenn sich eine biographisch außergewöhnliche Bindung an den Herkunftsstaat in besonderer, objektivierbarer Weise nach außen manifestiert hat und diese Bindung mit der Aufgabe der Staatsangehörigkeit verloren geht, ohne anderweitig nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 oder 5 StAG beachtliche Nachteile auszulösen (so Berlit in GK-StAR, § 12 Rn. 225 <Stand November 2014>; offengelassen BVerwG, Urteil vom 30.06.2010 - 5 C 9.10 - BVerwGE 137, 237 - Rn. 36 i.V.m. Rn. 27), führt dies nicht zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung. Der Kläger hat als kleines Kind seinen Heimatstaat verlassen. Es ist in seiner Person nichts ersichtlich, was ihn von anderen Staatsangehörigen bosnischer Volkszugehörigkeit des heutigen Bosnien und Herzegowina im Sinne einer individuellen und außergewöhnlichen Bindung insoweit unterscheiden würde.
35 
Im Rahmen des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG ist ebenfalls nicht erheblich, dass der Kläger den Verlust seiner Staatsangehörigkeit deshalb als unzumutbar betrachtet, weil die Bosnier zu Beginn der 90erJahre durch einen Genozid der Serben betroffen worden und selbst heute noch ethnische Spannungen zu verzeichnen sind, die auch seinen Schilderungen zufolge vor allem von den Serben ausgehen. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG begünstigt nicht eine „Gruppenbetroffenheit“ bzw. die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, sondern knüpft an die konkrete Person des Einbürgerungsbewerbers an. Dass die Leidensgeschichte des bosnischen Volkes kein Argument im Rahmen der Mehrstaatigkeit darstellen kann, verdeutlicht zudem § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG. Die Regelung lässt bei den Inhabern eines Flüchtlingsausweises nach Art. 28 GFK Mehrstaatigkeit zu. Der Internationale Reiseausweis nach der Genfer Flüchtlingskonvention wird Asylberechtigten bzw. Flüchtlingen im Sinne von § 3 AsylG erteilt. Das Gesetz geht in diesem Fall davon aus, dass Entlassungsbemühungen bei Behörden des Verfolgerstaates stets unzumutbar sind (vgl. Geyer in Hofmann, AuslR, 2. Aufl., § 12 StAG Rn. 26). Diese seit dem 28. August 2007 geltende Fassung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG ist gegenüber früheren Fassungen restriktiver (vgl. zur Änderungshistorie Berlit in GK-StAR, § 12 Rn. 241 f. <Stand November 2014>; siehe auch § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AuslG 1990, wonach Mehrstaatigkeit hinzunehmen war, wenn bei Angehörigen bestimmter Personengruppen, insbesondere politischen Flüchtlingen, die Forderung nach Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit eine unzumutbare Härte bedeuten würde). Führt das, was eine Person im Herkunftsstaat erlebt (hat), nicht zu einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (mit der Folge der Ausstellung eines Flüchtlingsausweises), sind Ereignisse dort, die nicht die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft begründen - auch wenn sie menschenrechtswidrig (gewesen) sind - einbürgerungsrechtlich im Rahmen des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG nicht relevant. Ansonsten wäre die restriktive Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG überflüssig.
36 
3.) Auch soweit sich der Kläger darauf beruft, sein Gewissen verbiete ihm die Aufgabe der Staatsangehörigkeit seines Herkunftsstaats, begründet dies keinen Anspruch auf Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit. Der Kläger hat eine Gewissensentscheidung mit Blick auf die Staatsangehörigkeit schon nicht schlüssig vorgetragen (a). Selbst wenn man im Übrigen zu seinen Gunsten eine entsprechende Gewissensentscheidung unterstellen würde, führt dies nicht dazu, dass er - unter entsprechender Auslegung von § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG oder § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG - unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit einzubürgern ist (b).
37 
a) Der Schutzbereich der Gewissensfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG ist betroffen, wenn eine ernste sittliche, d.h. an den Kategorien von „gut“ und „böse“ orientierte Entscheidung in Rede steht, die der einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 20.12.1960 - 1 BvL 21/60 - BVerfGE 12, 45 <54 f.>). Bloße Skrupel oder Bedenken genügen folglich nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dabei nicht nur die Gewissensbildung als „Gedankenfreiheit in Gewissensfragen“, sog. forum internum, sondern auch die Freiheit geschützt, seinem Gewissen durch Tun oder Unterlassen zu folgen, sog. forum externum; die Gewissensfreiheit umfasst folglich grundsätzlich auch die Freiheit, von der öffentlichen Gewalt nicht verpflichtet zu werden, gegen Gebote und Verbote des Gewissens zu handeln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.06.1988 - 2 BvR 701/86 - BVerfGE 78, 391 <395>; Leibholz/Rinck/Hesselberger in Leibholz/Rink, GG, Art. 4 Rn. 146 <Stand Oktober 2017>; Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl., Art. 4 Rn. 45 f.). Das Grundrecht auf Gewissensfreiheit gewährt nicht nur subjektive Rechte, sondern ist zugleich eine wertentscheidende Grundsatznorm höchsten verfassungsrechtlichen Ranges, die bei Staatstätigkeit jeder Art ihre Wertmaßstäbe setzende Kraft entfaltet und Beachtung verlangt. Art. 4 Abs. 1 GG enthält deshalb nicht nur ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern daraus erwächst auch ein Anspruch gegen den Staat, den Raum für eine aktive Betätigung des Gewissens zu sichern und geeignete und erforderliche Maßnahmen zur Ermöglichung gewissenskonformen Verhaltens zu treffen (BVerwG, Urteil vom 18.06.1997 - 6 C 5.96 - BVerwGE 105, 73 <77 f.>).
38 
Für die Berufung auf Art. 4 Abs. 1 GG kommt es nicht darauf an, ob ein bestimmter Gewissenskonflikt von anderen nachvollzogen werden kann oder gar auf allgemeines Unverständnis stößt. Die richterliche Prüfungsbefugnis geht jedenfalls nicht so weit, dass die - einmal als solche erkannte - Gewissensentscheidung in irgendeinem Sinn, etwa als "irrig", "falsch", "richtig", bewertet werden dürfte. Die Frage, wie es zu der Gewissensentscheidung gekommen ist, d. h. vor allem, welche geistigen Einflüsse auf das Gewissen gewirkt haben, ist nur zulässig, soweit davon die Feststellung abhängt, ob wirklich eine "Gewissens"-Entscheidung vorliegt (BVerfG, Beschluss vom 20.12.1960 - 1 BvL 21/60 - BVerfGE 12, 45 <55 f.>). Auch wenn daher eine Rationalitätsprüfung unzulässig ist, so muss doch die Ernsthaftigkeit des Gewissensgebots, seine Unbedingtheit im Konfliktfall geprüft werden können, wobei die Darlegungslast trägt, wer sich auf sein Gewissen beruft, um bestehende Rechtspflichten abzuwehren. Er muss dann die ethischen Gebote nachvollziehbar beschreiben und ihre Dringlichkeit verständlich machen können. Das „Ob“ eines Gewissenskonflikts unterliegt zwar keiner Kontrolle, aber das „Wie“ und das „Warum“ müssen plausibel sein (Schmidt in Erfurter Kommentar, GG, Art. 4 Rn. 62 f. <Stand 2018>).
39 
Gemessen hieran fehlt es an einem schlüssigen Vortrag einer Gewissensentscheidung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GG mit Bezug zur Staatsangehörigkeit. Der Kläger hat mehrfach schriftlich und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat deutlich gemacht, wie sehr er - ausgehend von dem Völkermord an den Bosniern durch die Serben zu Beginn der 90er Jahre und der nach wie vor bestehenden, ihm zufolge allein in die Verantwortung der Republika Srpska und der Serben fallenden ethnischen, religiösen und politischen Spannungen auch innerhalb des Gesamtstaates - die Republika Srpska und die Serben verabscheut. Die Beibehaltung seiner bosnisch-herzegowischen Staatsangehörigkeit dient nach seinem Vorbringen dazu, dass die mit dem Leid der Bosnier errungene bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit aufrechterhalten bleibt und dass die Serben nicht endgültig die Bosnier vernichten. Ungeachtet dessen ist der Kläger aber nach wie vor in seinem Herkunftsort, der in der Entität Republika Srpska liegt, unter der Anschrift des Elternhauses seiner Mutter gemeldet und hat die Staatsangehörigkeit dieser Entität. Dem Kläger wird die Staatsangehörigkeit des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina durch die Staatsangehörigkeit der Entität der Republika Srpska vermittelt (vgl. hierzu Art. 1 Nr. 7 lit a) der Verfassung von Bosnien und Herzegowina vom 14. Dezember 1995, abgedruckt bei Jessel-Holst, Abschnitt Bosnien und Herzegowina, <Stand 1.1.2017> in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht). Obwohl sich der Kläger eigenen Angaben zufolge bei Aufenthalten in Bosnien-Herzegowina überwiegend in der Wohnung seiner Eltern in ... und damit in der Föderation von Bosnien und Herzegowina aufhält, hat er aus Gründen der Bequemlichkeit nichts daran geändert, dass er nach wie vor die Staatsangehörigkeit der Republika Srpska hat - und damit die der Entität, die er verabscheut. Dass er - ungeachtet seiner juristischen Ausbildung und der in ... in einer Anwaltskanzlei absolvierten Wahlstation - sich mit dem Staatsangehörigkeitsrecht seines Herkunftsstaates seinem Bekunden zufolge bislang nicht so genau beschäftigt hat, macht sein Vorgehen nicht plausibler. Auch mit dem Umstand, dass die Verfassung von Bosnien und Herzegowina vom 14. Dezember 1995 ausweislich des Art. I Nr. 7 lit d) Fälle der Mehrstaatigkeit begrenzen will, den Besitz einer zusätzlichen fremden Staatsangehörigkeit vom Vorhandensein eines entsprechenden bilateralen Abkommens abhängig macht und Doppelstaater in Bosnien-Herzegowina und in den Entitäten nur dann wählen können, wenn Bosnien und Herzegowina ihr Wohnsitzstaat ist (vgl. Jessel-Holst, Abschnitt Bosnien und Herzegowina, S. 9 ff. <Stand 1.1.2017> in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht), hat sich der Kläger nicht näher auseinandergesetzt. Soweit er in der Berufungsverhandlung betont, ihm sei das Wahlrecht nicht wichtig und Politik könne man nicht mit Willenserklärung ändern, erschließt sich nicht, welche aktive Bedeutung er seiner jetzigen Staatsangehörigkeit, die er beibehalten will, überhaupt beimisst. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass er sich in einem reflektierenden Entscheidungsprozess mit den Unterschieden zwischen Volk, Nation und Staat beschäftigt hätte.
40 
b) Selbst wenn man ungeachtet der vorstehenden Ausführungen zu Gunsten des Klägers eine glaubhaft gemachte Gewissensentscheidung gegen den Verlust der Staatsangehörigkeit Bosnien und Herzegowinas unterstellen würde, verhilft ihm dies nicht zu einer Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit. Es liegt kein Eingriff in seine Gewissensfreiheit vor. Der Kläger wird von der öffentlichen Gewalt nicht verpflichtet, gegen ein Gebot bzw. Verbote des Gewissens zu handeln. Er wird nicht gezwungen, seine Staatsangehörigkeit aufzugeben und Deutscher zu werden. Ihm räumt das Staatsangehörigkeitsrecht die Möglichkeit ein, deutscher Staatsangehöriger zu werden und diesbezüglich eine selbstbestimmte und eigenverantwortliche freie Willensentscheidung über seine Zugehörigkeit zu Deutschland zu treffen. Die Auffassung des Klägers, aus dem - den Deutschen vorbehaltenen - Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 GG folge mittelbar der Zwang sich einbürgern zu lassen, weil er ohne die Eigenschaft als deutscher Staatsangehöriger nicht Beamter oder Richter werden könne, ändert nichts daran, dass die Einbürgerung in ihrer rechtlichen Ausgestaltung eine begünstigende Entscheidung ist, die auf Antrag ergeht. Soweit das Gesetz die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen für eine positive Entscheidung über den Einbürgerungsantrag verlangt (vgl. § 10 Abs. 1 StAG, § 11 StAG), lässt dies den rechtlichen Charakter der Begünstigung unberührt. Die Gewissensfreiheit ihrerseits ist kein Teilhabe-recht, das auf positive Leistungen des Staates zielt (vgl. Bethge in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 158 Rn. 8).
41 
Im Übrigen ist - da das Gewissen ein höchst individuelles Phänomen ist - der Gefahr einer Auflösung der allgemeinen Rechtsordnung durch Gewissensvorbehalte zu begegnen. Auch wenn die Gewissensfreiheit keinen Gesetzesvorbehalt enthält, besteht Einigkeit darüber, dass diese durch kollidierendes Verfassungsrecht beschränkt wird (vgl. etwa Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl., Art. 4 Rn. 50 f. m.w.N; siehe auch Bethge in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 158 Rn. 38 ff.). Das Grundgesetz weist die Entscheidung über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber zu (Art. 20 Abs. 2 GG, Art. 38 Abs. 1 GG, Art. 73 Abs. 1 Nr. 2 GG). Ihm obliegt es im Rahmen seiner ihm verfassungsrechtlich zukommenden Gestaltungsfreiheit auch die Voraussetzungen für eine Einbürgerung festzulegen. Dabei kann der Gesetzgeber - geleitet durch das Wesen der Staatsangehörigkeit als Ausdruck der exklusiven politischen Identität - das Ziel verfolgen, das Zustandekommen von Mehrstaatigkeit zu begrenzen und hierfür besondere Tatbestände formulieren (vgl. näher Haack in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. X, § 205 Rn. 17 ff.). Aus der Gewissensfreiheit kann niemand das Recht herleiten, die Rechtsordnung nach seinen Gewissensvorstellungen zu gestalten, und verlangen, dass seine Überzeugung zum Maßstab der Gültigkeit genereller Rechtsnormen oder ihrer Anwendung gemacht wird (BVerfG, Beschlüsse vom 02.05.2007 - 2 BvR 475/02 - juris Rn. 6, vom 13.12.2006 - 1 BvR 2084/05 - juris Rn. 26 und vom 18.04.1984 - 1 BvL 43/81 - juris Rn. 35; BVerwG, Urteil vom 18.06.1997 - 6 C 5.96 - BVerwGE 105, 73 <78>). Eine Auslegung und Ausgestaltung der Voraussetzungen für eine Einbürgerung nach individuellen Gewissensvorstellungen würde aber eintreten, wenn man hier dem Kläger folgen würde.
B)
42 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Einbürgerung oder zumindest auf Neubescheidung seines Antrags nach § 8 Abs. 1 StAG. Es ist bei der auf Ermessensfehler beschränkten Überprüfung (vgl. § 114 VwGO) nicht zu beanstanden, dass die Einbürgerungsbehörde die Einbürgerung auch nach § 8 StAG abgelehnt hat, weil der Kläger nicht bereit ist, seine bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben.
I.)
43 
Nach § 8 Abs.1 StAG kann ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er 1. handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, 2. weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, 3. eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat und 4. sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist. Diese Anforderungen erfüllt der Kläger unstreitig. Die Frage der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit verlagert § 8 StAG in die Ermessensbetätigung. Dass sich der Beklagte im vorliegenden Fall maßgebend von der Erwägung hat leiten lassen, vom Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit nicht abzuweichen, lässt keinen Ermessensfehler erkennen.
44 
1.) Nach der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats geltenden Nummer 8.1.2.6 der baden-württembergischen Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration zum Staatsangehörigkeitsgesetz (VwV StAG) vom 8. Juli 2013 - Az. 7-1010.1/1 - (mit Stand 3. März 2017) ist der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit bei der Ermessensausübung zu beachten. Ob Mehrstaatigkeit hingenommen werden kann, hat die Einbürgerungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen (vgl. im Einzelnen Nummer 8.1.2.6.3, a.a.O.). Entsprechende Regelungen finden sich auch in den Nummern 8.1.2.6 und 8.1.2.6.3 der im Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrags (und auch der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts) noch gültigen baden-württembergischen Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Integration zum Staatsangehörigkeitsgesetz (Az. 2-1010.1/1). Auch die insoweit nach wie vor geltende und nach Art. 84 Abs. 2 und Art. 86 Satz 1 GG erlassene Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht (StAR-VwV) vom 13. Dezember 2000 sieht unter den gleichen Ziffern solches vor (vgl. ferner die entsprechenden Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern - VAH-StAG - mit Stand 1. Juni 2015). In der Verwaltungspraxis beachtet die Einbürgerungsbehörde gemäß der Verwaltungsvorschrift den Grundsatz der Mehrstaatigkeit und prüft mögliche Ausnahmen aber nach pflichtgemäßem Ermessen.
45 
2.) Kommt eine Einbürgerung nach § 10 StAG unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit nicht in Betracht, so scheidet grundsätzlich eine Einbürgerung auf der Grundlage des § 8 StAG aus, da im Hinblick auf die Hinnahme der Mehrstaatigkeit bei einer Ermessenseinbürgerung vergleichbare Anforderungen bestehen (Marx in GK-StAR, § 8 Rn. 355 ff. <Stand Oktober 2009>; vgl. auch Niedersächsisches OVG, Urteil vom 08.02.2012 - 13 LC 240/10 - juris Rn. 61). Der systematische Zusammenhang zwischen Anspruchs- und Ermessenseinbürgerung rechtfertigt eine Berücksichtigung der Anspruchsvoraussetzungen und -ausschlussgründe der §§ 10, 11 StAG auch im Rahmen des § 8 StAG (vgl. auch BVerwG Urteile vom 27.05.2010 - 5 C 8.09 - juris Rn. 32 und vom 21.02.2013 - 5 C 9.12 - BVerwGE 146, 89 - Rn. 25). Der Grund, weshalb der Kläger im vorliegenden Fall nicht seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben will, ist im Rahmen der Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG unbeachtlich; dies gilt insbesondere für den geltend gemachten Gewissenskonflikt (siehe hierzu oben unter A II.). Dass die Widerspruchsbehörde mit vergleichbarer Argumentation eine Einbürgerung nach Ermessen ablehnt (vgl. Widerspruchsbescheid ab S. 6 unten), lässt daher keinen Ermessensfehler erkennen.
46 
3.) Soweit Nummer 8.1.2.6.3. der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration zum Staatsangehörigkeitsgesetz vorsieht, dass Ausnahmen vom Einbürgerungshindernis eintretender Mehrstaatigkeit außer in den Fällen des § 12 StAG unter anderem auch dann in Betracht kommen können, wenn ein herausragendes öffentliches Interesse an der Einbürgerung auch unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit besteht, verhilft dies dem Kläger ebenfalls nicht zum Erfolg. Zwar sieht auch der Beklagte, dass der Kläger, der sowohl die Erste juristische Staatsprüfung als auch die Zweite juristische Staatsprüfung in Baden-Württemberg jeweils mit der Gesamtnote ... ... bestanden hat, ein Beispiel einer gelungenen Integration ist, an dessen beruflicher Verwendung im Bundesgebiet ein Interesse besteht. Nach dem vom Vertreter des Beklagten nach Rücksprache mit dem Innenministerium in der mündlichen Verhandlung näher ausgeführten Verständnis und der Handhabung dieser Ausnahme in der Praxis muss jedoch das öffentliche Interesses im Sinne des Ausnahmetatbestands gerade auch an der Hinnahme der Mehrstaatigkeit bestehen. Dem Beklagten zufolge kann dies etwa bei Sportlern, Künstlern oder Wissenschaftlern in Betracht kommen, wobei in der baden-württembergischen Praxis diese Fälle aber äußerst selten sind und regelmäßig mit Stellungnahmen und Begründungen der Verbände oder Organisationseinheiten einhergehen, für die der Ausländer tätig sein soll.
47 
Dass im Falle des Klägers mit Blick auf eine Verwendung in den juristischen Berufen, zu denen das Zweite juristische Staatsexamen befähigt, überhaupt ein öffentliches Interesse gerade an der Hinnahme der Mehrstaatigkeit besteht, ist schon im Ansatz nicht ersichtlich. Nach dem Vortrag des Klägers gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass er für eine besondere andere - berufliche - Tätigkeit im Bundesgebiet gewonnen oder gehalten werden soll. Der Kläger kann seinen Beruf als Rechtsanwalt fortsetzen und ggfs. auch im Angestelltenverhältnis im Öffentlichen Dienst tätig sein. Daher kann auch dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen ein „herausragendes“ öffentliches Interesse im Sinne der geltenden Verwaltungsvorschrift anzunehmen ist und ob sich der Kläger ggfs. auf die im Zeitpunkt seiner Antragstellung geltende Fassung der Verwaltungsvorschrift berufen könnte, die insoweit ein „besonderes“ öffentliches Interesse an der Einbürgerung auch unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit hat ausreichen lassen.
C)
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
49 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
50 
Beschluss vom 19. Dezember 2018
51 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
52 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

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