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| Die Berufung des Klägers ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente ab dem 01.09.2014, der nicht zu befristen ist. Der Bescheid des Beklagten vom 24.10.2014 und sein Widerspruchsbescheid vom 18.02.2015 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger daher in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). |
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| Nach § 21 Abs. 1 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg (Rechtsanwaltsversorgungswerkssatzung - RAVwS -) erhält das Mitglied Berufsunfähigkeitsrente, das 1. infolge körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung des Berufes eines Rechtsanwaltes, eines Patentanwaltes, eines selbständigen Notars oder eines Rechtsbeistandes auf nicht absehbare Zeit, mindestens 90 Tage, unfähig ist, 2. deshalb seine berufliche Tätigkeit und eine Tätigkeit, die mit dem Beruf eines Rechtsanwalts vereinbar ist, einstellt und innerhalb von 18 Monaten nach Eintritt der Berufsunfähigkeit auf seine berufliche Zulassung verzichtet, 3. das 63. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und 4. mindestens für drei Monate vor Eintritt der Berufsunfähigkeit Beiträge geleistet hat, wobei Beiträge aus Nachversicherungszeiten unberücksichtigt bleiben, falls die Nachversicherung nicht vor Eintritt des Versicherungsfalls beantragt worden ist. |
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| Nach § 21 Abs. 5 RAVwS ist die Berufsunfähigkeit durch Vorlage eines ärztlichen Gutachtens nachzuweisen (Satz 1). Das Versorgungswerk kann auf seine Kosten ein weiteres ärztliches Gutachten erheben und in angemessenen Zeitabständen Nachuntersuchungen anordnen (Satz 2). Das Mitglied ist verpflichtet, sich den vom Versorgungswerk angeordneten Untersuchungen zu unterziehen (Satz 3). Es entbindet mit seinem Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente alle ihn behandelnden und untersuchenden Ärzte von deren Schweigepflicht gegenüber dem Versorgungswerk (Satz 4). |
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| Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist der Begriff der Berufsunfähigkeit in der berufsständischen Pflichtversorgung eigenständig. Er orientiert sich nicht am Begriff der Berufsunfähigkeit bzw. der Erwerbsminderung in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. Senatsurteile vom 19.08.2015 - 9 S 155/13 -, juris, vom 29.10.2002 - 9 S 2062/01 -, NJW 2003, 374, vom 17.12.1996 - 9 S 3284/94 -, juris, und vom 14.01.1991 - 9 S 90/90 -, VGHBW-Ls 1991, Beilage 4, B 8-9) und muss dies auch nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.11.1991 - 1 B 46.91 -, Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 22). Er erfordert in der Regel die berufsspezifische Berufsunfähigkeit und lässt keine Verweisung auf Erwerbstätigkeiten außerhalb des Berufs zu (Senatsurteile vom 23.08.1994 - 9 S 2273/92 -, NVwZ-RR 1996, 95 und vom 14.01.1991, a. a. O.), wobei die berufsspezifische Tätigkeit unter Berücksichtigung der Entwicklung des Berufsbildes und der Vorschriften über die Kammermitgliedschaft und die Teilnahme am Versorgungswerk zu bestimmen ist (Senatsurteil vom 23.08.1994, a. a. O.). Berufsunfähigkeit liegt (erst) dann vor, wenn eine die Existenz sichernde Berufstätigkeit nicht mehr ausgeübt werden kann (Senatsurteile vom 19.08.2015, vom 29.10.2002, vom 17.12.1996 und vom 23.08.1994, jeweils a. a. O.). Dies ist hier der Fall. Sämtliche vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten - mit Ausnahme des Gutachtens von Prof. S., dem jedoch nicht zu folgen ist - belegen eine zur Berufsunfähigkeit führende Erkrankung des Klägers im Sinne von § 21 Abs. 1 Nr. 1 RAVwS (1.). Diese besteht auch auf nicht absehbare Zeit im Sinne dieser Vorschrift (2.). |
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| 1. Seiner aus § 21 Abs. 5 Satz 1 RAVwS folgenden Verpflichtung ist der Kläger mit der Vorlage der Stellungnahmen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie A. vom 07.07.2008, 28.06.2010, 16.04.2012 und 14.05.2014 nachgekommen. Dass der Beklagte nicht gehindert war, weitere ärztliche Gutachten zu erheben, ergibt sich aus § 21 Abs. 5 Satz 2 RAVwS. Nachdem er zunächst Herrn Prof. Sch. und zweimal Herrn Prof. T. beauftragt hatte, hat er 2014 einen Gutachtensauftrag an Herrn Prof. S. erteilt. Auf dessen - eine Berufsunfähigkeit des Klägers verneinendes - Gutachten kann sich der Beklagte entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht mit Erfolg berufen. Dieses Gutachten ist weder schlüssig noch überzeugend. |
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| a) Prof. S. führt in seinem Gutachten vom 07.08.2014 aus: |
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| „Auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet liegt weder eine Krankheit noch ein körperliches Gebrechen noch eine Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte vor. ... Die Bezeichnung einer Diagnose nach ICD-10 oder DSM-IV-Codierung entfällt. Eine Diagnosebegründung ist nicht anzugeben. Wie bereits oben erklärt, ist [der Kläger] bemüht, die Krankenrolle einzunehmen, obwohl keine Krankheit vorliegt, er entfaltet dazu beträchtliche Aktivitäten. Nach den vorgelegten Akten besteht dieser Zustand vermutlich seit 2007. Veranlasst durch das Erleben von Widrigkeiten am Arbeitsplatz kam es zu einem Vermeidungsverhalten, welches durch Attestieren von Arbeitsunfähigkeit unterstützt und chronifiziert wurde, anstatt auf eine sachliche Lösung der Konflikte hinzuwirken. Die in der Akte enthaltenen Gutachten legen nahe, dass die jetzt gezeigte Verhaltensweise mit erheblichen Verdeutlichungsversuchen und Beschwerdenübertreibung spätestens seit 2008 bestanden hat. Die Prognose ist aus medizinischer Sicht gut. Wie lange das Verhalten des [Klägers] anhält, ist allerdings nicht vorherzusagen, weil diesem Verhalten ganz offensichtlich eigene Motive zugrunde liegen, die [der Kläger] nicht thematisieren möchte. Die Motive können aber nach den Testergebnissen dahingehend beschrieben werden, dass [der Kläger] einen Irrtum über seinen Gesundheitszustand und sein Leistungsvermögen erregen möchte.“ |
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| aa) Dieses Ergebnis ist schon vor dem Hintergrund der dokumentierten Krankengeschichte nicht nachvollziehbar. |
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| Der den Kläger behandelnde Facharzt A. diagnostiziert unter dem 07.07.2008 eine länger anhaltende depressive Störung, ausgelöst durch den plötzlichen Kindstod seines Kindes. Berufsunfähigkeit bestehe seit Oktober 2007. Die Dauer sei momentan nicht abzuschätzen, in einem halben Jahr sollte eine erneute Anfrage stattfinden. Der Kläger sei jedenfalls zunächst für mindestens drei weitere Monate zur Ausübung seines Berufs als Rechtsanwalt vollständig unfähig. |
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| Prof. Sch. kommt in seinem vom Beklagten eingeholten Gutachten vom 03.12.2008 zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger ein depressives Syndrom bestehe, das diagnostisch zweifelsfrei einer schwer ausgeprägten depressiven Störung zuzuordnen sei (ICD-10: F. 32.9). Diese Beeinträchtigung führe dazu, dass der Kläger zur Ausübung seines Berufs als Rechtsanwalt vollständig unfähig sei. Berufsunfähigkeit sei nach aller klinischen Erfahrung zumindest mittelfristig im Verlauf der nächsten beiden Jahre gegeben. Mit Intensivierung der Therapie gegebenenfalls unter stationären Bedingungen sei eine Stabilisierung wenn nicht Remission der Symptomatik zu erwarten. Eine Nachuntersuchung sollte in etwa 18 Monaten erfolgen. |
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| Den Fragenkatalog des Beklagten zur Berufsunfähigkeitsrente beantwortete Facharzt A. unter dem 28.06.2010 dahingehend, dass eine rezidivierende depressive Störung F 32.9 und eine Panikstörung F 40.0 vorlägen. Der Kläger sei weiterhin für die Ausübung seines Berufs vollständig berufsunfähig. Die Dauer der Berufsunfähigkeit sei schlecht abzuschätzen. Das Ganze scheine jedoch so chronifiziert zu sein, dass mit einer Beendigung in den nächsten Jahren nicht zu rechnen sei. |
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| Das daraufhin vom Beklagten eingeholte Gutachten von Prof. T. kommt unter dem 20.09.2010 zu dem Schluss, bei dem Kläger liege eine schwere Depression vor (ICD 10: F32.9). Diese führe momentan zu vollständiger Berufsunfähigkeit. Wie der Vorgutachter rate er zu einer Intensivierung der Therapie unter Einschluss stationärer Maßnahmen. Dies sei dem Kläger auch vom Sachverständigen mitgeteilt worden. Die Schwierigkeit bestehe nur darin, dass der Kläger kein rechtes Interesse an sich selber und seinem Schicksal finde und deswegen entsprechende Maßnahmen wohl von selber auch nicht einleiten werde. Dies berge aber die Gefahr, dass die Krankheit nicht nur rezidiviere, sondern chronifiziere und dass nach längerer Zeit dann eine Herausführung des Klägers aus der Depression kaum mehr möglich sein werde. Die Dauer der Berufsunfähigkeit sei ab dem 01.09.2010 auf zwei Jahre zu veranschlagen. In dieser Zeit müsse es unter Intensivierung der Therapie gelingen, den Kläger aus seinem depressiven Elend herauszuführen und bei ihm wieder ein Interesse an sich selbst und an seiner Lebensführung zu wecken. |
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| Unter dem 16.04.2012 gibt Facharzt A. an, beim Kläger liege eine chronifizierte Depression vor. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage und auch in Zukunft nicht in der Lage, den Beruf des Anwalts selbständig oder angestellt auszuüben. Dieser Zustand bestehe mindestens seit 2007, mit einer Besserung rechne er eigentlich nicht. |
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| Daraufhin holte der Beklagte erneut ein Gutachten von Prof. T. ein, der unter dem 24.07.2012 unter Bezugnahme auf sein Vorgutachten ausführt, in der Zwischenzeit seien knapp zwei Jahre verstrichen, die offensichtlich in keiner Weise genutzt worden seien, die Krankheit sachgerecht zu behandeln. Zwar habe sich der Kläger in der Behandlung eines Nervenarztes in W. befunden, dieser habe jedoch offensichtlich die Medikamentendosis herab- und schließlich die Medikamente ganz abgesetzt, sodass der Kläger nun ganz ohne Behandlung sei, zumal eine Psychotherapie ebenfalls nicht stattfinde. Tatsache sei, dass von den Vorschlägen, die er im früheren Gutachten unterbreitet habe, nichts realisiert sei, dass keine stationäre Behandlung stattgefunden habe, keine nicht medikamentösen Verfahren eingesetzt worden seien, aber zu allem Überfluss auch noch die Medikamente in letzter Zeit abgesetzt worden seien, so dass der Kläger sich selbst überlassen sei. Sein Arzt erkläre, er rechne eigentlich mit keiner Verbesserung des Zustandsbildes mehr, er habe sich also damit abgefunden, habe diese Haltung offensichtlich auch auf den Kläger übertragen, der selber ebenfalls keine Hoffnung mehr habe und sich mehr oder weniger aufgegeben habe, jemals wieder gesund zu werden. Damit sei der Kläger auf nicht absehbare Zeit nicht mehr imstande, typische Tätigkeiten eines Anwalts auszuüben, wie sie in der Anlage 1 des Schreibens des Versorgungswerks aufgeführt seien. |
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| Unter dem 14.05.2014 führt Facharzt A. aus, der Kläger befinde sich weiterhin bei ihm in Behandlung. Es liege weiterhin eine chronifizierte Depression vor, gegenüber der letzten Stellungnahme vom 16.04.2012 habe sich keine Änderung, insbesondere keine Besserung ergeben. |
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| Schon vor dem Hintergrund dieser ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen ist die Feststellung von Prof. S., beim Kläger liege - im Übrigen seit 2007/2008 - überhaupt keine Erkrankung vor, nicht nachvollziehbar. |
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| Dies gilt umso mehr mit Blick auf das - in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Gutachten von Prof. S. erstellte - ärztliche Gutachten des Nervenarztes Dr. K. vom 31.10.2014 für die Deutsche Rentenversicherung Bund. Dieser Gutachter diagnostiziert eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwergradige Episode ohne psychotische Symptome, F33.2, und stellt fest, dass beim Kläger keine Belastbarkeit für eine Reha vorliege. |
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| bb) Nicht nachvollziehbar und ersichtlich unzutreffend ist auch die Behauptung von Prof. S. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15.01.2018, sämtliche Untersucher hätten bei dem Kläger lediglich eine depressive Verstimmung festgestellt, die nicht therapiert werden müsse. Sämtliche Vorgutachter haben im Gegenteil bei dem Kläger eine zur Berufsunfähigkeit führende Erkrankung festgestellt und dies schlüssig begründet. |
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| cc) Auch die Auseinandersetzung von Prof. S. mit den Vorgutachten überzeugt nicht im Ansatz. Soweit er Befunde und Begründungen vermisst, lässt er bereits außer Betracht, dass die Vorgutachter und insbesondere die Professoren Sch. und T. den Fragenkatalog des Beklagten zur Feststellung der Berufsunfähigkeit im Einzelnen behandelt und ihre Schlussfolgerungen, die sich decken, nachvollziehbar begründet haben. Es ist auch weder dargelegt noch erkennbar, dass und warum Prof. S. in der Lage sein sollte, den Gesundheitszustand des Klägers in der Vergangenheit, in der er den Kläger nicht gesehen hat, besser beurteilen zu können als die Gutachter, die den Kläger untersucht und einen persönlichen Eindruck gewonnen haben. Dies gilt auch im Hinblick auf seine Feststellung, durch das Erleben von Widrigkeiten am Arbeitsplatz sei es zu einem Vermeidungsverhalten gekommen, welches durch Attestieren von Arbeitsunfähigkeit unterstützt und chronifiziert worden sei, anstatt auf eine sachliche Lösung der Konflikte hinzuwirken. Er lässt im Übrigen schon außer Acht, dass der Kläger angegeben hat, der plötzliche Kindstod seines Kindes sei Auslöser für die Depression gewesen, und kann nicht plausibel machen, dass ihm das genannte Urteil zustehen könnte. Seine Ausführungen zu dem „Vermeidungsverhalten“ können nicht mehr als sachlich angesehen werden. Nichts anderes gilt, soweit er meint, die in der Akte enthaltenen Gutachten legten nahe, dass die jetzt gezeigte Verhaltensweise mit erheblichen Verdeutlichungsversuchen und Beschwerdenübertreibung spätestens seit 2008 bestanden habe. Die in der Akte enthaltenen Gutachten belegen genau das Gegenteil. Prof. Sch. führt in seinem Gutachten vom 03.12.2008 im Hinblick auf den psychopathologischen Befund aus, Aggravationstendenzen hätten zweifelsfrei nicht bestanden. Auch bei der neuropsychologischen Testung hätten sich keine Hinweise auf Aggravationstendenzen geboten. Prof. T. bestätigt dies in seinem Gutachten vom 20.09.2010, in dem er darlegt, die neuropsychologische Untersuchung habe keine Hinweise auf Aggravationstendenz ergeben, aber das Bild einer schweren depressiven Symptomatik. Der gegenteilige Schluss von Prof. S., dem keine eigene Anschauung aus dem Jahr 2008 zugrunde liegt, ist nicht ansatzweise schlüssig. |
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| b) Unabhängig davon ist das Gutachten von Prof. S. auch aus sich heraus nicht nachvollziehbar und die maßgebend auf den Testergebnissen beruhende Schlussfolgerung des Gutachters, der Kläger simuliere, nicht plausibel. |
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| Ausweislich seines Gutachtens vom 07.08.2014 hat der Gutachter zum einen Tests zur Befindlichkeit und Persönlichkeitsstruktur (aa) und zum anderen Tests zur kognitiven Leistungsfähigkeit (bb) durchgeführt. |
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| aa) Die durchgeführten Tests zur Befindlichkeit und Persönlichkeitsstruktur sollen den Wahrheitsgehalt der Aussagen des Untersuchten erfassen. Dabei handelt es sich um den Minnesota Multiphasic Personality Inventory-2 Restrukturierte Form (MMPI-2-RF) und um ein Beschwerdenvalidierungsverfahren. Beim MMPI-2-RF werden nach den Angaben des Gutachters u. a. anhand von Validitätsskalen mögliche Inkonsistenzen und Antwortverzerrungen erfasst; beim Beschwerdenvalidierungsverfahren handelt es sich um einen Selbsteinschätzungsfragebogen, mit dessen Hilfe negative Antwortverzerrung in psychischen, kognitiven und körperlichen Bereichen festgestellt werden kann. Dazu hat der Gutachter ausgeführt, beim MMPI-2-RF ergäben die Validitätsskalen keine Inkonsistenzen oder Antwortverzerrungen, das Beschwerdenvalidierungsverfahren habe keine Aggravation ergeben. |
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| bb) Die Testergebnisse der Tests zur kognitiven Leistungsfähigkeit fasst der Gutachter wie folgt zusammen: |
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| - verbal-kristalline Basisintelligenz: oberer Normbereich |
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| - nonverbales Schlussfolgern und visuelle Wahrnehmung: leicht unter Altersnormgrenze |
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| - visuo-konstruktive Fähigkeiten: deutlich unterdurchschnittlich |
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| - Lern- und Merkfähigkeit: visuell-räumliches und logisch-verbales Gedächtnis entsprechen kurz- und mittelfristig dem Altersnormbereich; unterdurchschnittlich Leistungen bei der akustischen Merkspanne und dem verbalen Gedächtnis für Paarassoziationen |
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| - Aufmerksamkeit: Einfachreaktion deutlich verlangsamt; bei komplexer Aufmerksamkeit, selektiver Aufmerksamkeit und visueller Verarbeitungsgeschwindigkeit sowie der basalen Überblicksgewinnung leicht unterdurchschnittliche Leistungen |
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| - exekutive Funktionen: Arbeitsgedächtnis altersentsprechend; figurale Ideenflüssigkeit als Zeichen der spontanen kognitiven Flexibilität wie auch Wortflüssigkeit ergeben leichte Verlangsamungen. |
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| Der Gutachter führt dazu aus: „Objektive Verfahren zur Kontrolle der Anstrengungsbereitschaft ergeben eine unzureichende Leistungsmotivation. Die Ergebnisse in den kognitiven Verfahren können nicht als valides Abbild des tatsächlichen Leistungspotentials interpretiert werden.“ |
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| Diese Feststellung ist jedoch nicht schlüssig. In seiner vom Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten erläuternden Stellungnahme vom 15.01.2018 gibt der Gutachter dazu und zu der Ansicht des Klägers, aus dem Gutachten gehe hervor, dass bei ihm nicht im Mindesten eine Täuschungstendenz erkennbar sei, an, das Gutachten bestehe nicht nur aus dem MMPI-2-Fragebogen, sondern darüber hinaus sei eine ausführliche Exploration, eine körperliche, eine neurologische, eine psychiatrische Untersuchung und vor allem testpsychologische Leistungsdiagnostik durchgeführt worden, die in Tabelle 1 zusammengefasst sei. Aus all diesen Informationsquellen habe sich ergeben, dass der Kläger offensichtlich bemüht gewesen sei, bei der Untersuchung einen Irrtum über sein Leistungsvermögen hervorzurufen. Speziell sei noch einmal die Tabelle 1 besprochen. Bei dem Kläger seien mehrere standardisierte und gut validierte leistungsmessende Verfahren zur Überprüfung der kognitiven Fähigkeiten eingesetzt worden. Die Ergebnisse würden auf hochgradige kognitive Beeinträchtigungen, einer fortgeschrittenen Demenz entsprechend, hinweisen. Sie stünden in unüberbrückbaren Widerspruch zu dem Verhalten des Klägers außerhalb der Testsituation. Darüber hinaus wiesen mehrfache leistungsvalidierende Verfahren (dies sei etwas anderes als die Beschwerdenvalidierung) darauf hin, dass Versuche der Testmanipulation vorgelegen hätten. Dies seien insbesondere die Untertests 1, 2 und Konsistenz in der verbalen Gedächtnisprüfung sowie auch die Ergebnisse der „Alertness“. Beispielsweise wäre ein Proband, der tatsächlich über derart schlechte Gedächtnisfähigkeiten verfüge, wie der Kläger dies bei der Testuntersuchung zu demonstrieren versucht habe, keineswegs in der Lage, so ausführliche und im Vergleich zu den Akteninhalten richtige anamnestische Angaben zu machen, wie der Kläger dies habe leisten können. Eine solche Person wäre auch nicht in der Lage, die verbal gegebenen Anweisungen bei der körperlichen und neurologischen Untersuchung richtig umzusetzen. Auch wäre eine solche Person nicht in der Lage, das Diktat des Untersuchers zu verfolgen und jeweils zu intervenieren, wenn sich eine Unstimmigkeit ergebe. Auch bei der körperlichen Untersuchung hätten sich Hinweise für nicht authentisches Leistungsverhalten gefunden. Zusammenfassend beruhe die Aussage in seinem Gutachten, dass der Kläger versucht habe, die Testergebnisse zu manipulieren und man dies als eine Aggravationstendenz bewerten können, nicht auf einem einzigen, unauffälligen Testergebnis (nämlich in der Beantwortung des Fragebogens MMPI-2 RF), sondern auf zahlreichen weiteren Befunden, die im Verlaufe der ausführlichen Begutachtung erhoben worden seien. |
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| Dies überzeugt schon deshalb nicht, weil die Behauptung des Gutachters nicht plausibel ist, die Ergebnisse der Tests zur kognitiven Leistungsfähigkeit würden auf hochgradige kognitive Beeinträchtigungen, einer fortgeschrittenen Demenz entsprechend, hinweisen. Diese Behauptung setzt der Gutachter schon nicht in hinreichend konkrete Beziehung zu den Testergebnissen und verhält sich vor allem nicht dazu, dass die Ergebnisse der kognitiven Tests, wie er selbst dargelegt hat (s. o.), oftmals im Normbereich liegen und insgesamt keineswegs deutlich unterdurchschnittlich sind. Dass Ergebnisse im Normbereich auf einer Täuschung durch den Kläger beruhten, behauptet auch der Gutachter nicht. Auch seine Ausführungen, zu was „eine solche Person“ nicht in der Lage sei (z. B. die verbal gegebenen Anweisungen bei der körperlichen und neurologischen Untersuchung richtig umzusetzen), berücksichtigen die o. a. positiven Testergebnisse nicht hinreichend. Der Gutachter stellt schließlich - auch soweit er darauf hinweist, dass Unterschiede zwischen leistungs- und beschwerdevalidierenden Verfahren bestünden - in seine Betrachtung auch nicht hinreichend ein, dass sich nicht nur beim MMPI-2 RF, sondern auch im Bereich der Beschwerdenvalidierung gerade keine Aggravationstendenzen ergeben haben. Schließlich vermag der Gutachter die Feststellungen von Prof. Sch. in seinem Gutachten vom 03.12.2008 nicht zu entkräften, der die kognitive Leistungsfähigkeit ebenfalls getestet hat. Prof. Sch. hat dargelegt, dass die ausführliche neuropsychologische Testung weitreichende Abweichungen von der Altersnorm in allen untersuchten Bereichen mit Ausnahme der unmittelbaren Merkfähigkeit ergeben habe. Hinweise auf Aggravationstendenzen hätten sich nicht geboten. Insgesamt seien die zitierten Defizite im Rahmen der schweren depressiven Symptomatik zu verstehen. |
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| Nicht nachvollziehbar sind auch die Ausführungen des Gutachters zu dem Vortrag des Klägers, dass kognitive Leistungstests bei der bei ihm diagnostizierten Erkrankung - nach dem Ausschluss des Vorliegens einer hirnorganischen Erkrankung - nicht angezeigt seien. Der Kläger führt dazu aus, diese Tests seien bereits dem Namen nach dafür da, um kognitive Störungen bei Hirn- oder Schädelkranken zu erkennen. Daher würden sie bei Depressiverkrankungen generell nicht eingesetzt, weil sie hier keine Aussagekraft besäßen. Dies werde durch verschiedene wissenschaftliche Nachweise (u. a. „Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde zur Anwendung von Beschwerdenvalidierungstests in der psychiatrischen Begutachtung vom 28.01.2011“) bestätigt. |
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| Prof. S. führt dazu aus, in der Behauptung des Klägers, dass die Untersuchung der kognitiven Leistungen zur Beurteilung seines Krankheitsbildes nicht relevant sei, sei offensichtlich ein Irrtum zu erkennen. Die Tätigkeit des Anwalts setze vor allem intakte kognitive Fähigkeiten voraus, darüber hinaus natürlich gewisse Fähigkeiten der Fortbewegung, der Handhabung von Schriftstücken und vor allem der Fähigkeit, sich zu äußern. Diese „peripheren“ Fähigkeiten habe er in seinem Gutachten ebenfalls ausführlich untersucht. Um die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen zu untersuchen, müsse naturgemäß eine geeignete kognitive Testbatterie eingesetzt werden. Abgesehen von den konkreten kognitiven Fähigkeiten wie Konzentration, Reaktionsvermögen, Gedächtnis etc. werde bei der testpsychologischen Untersuchung natürlich auch Ausdauer und Antrieb beurteilt, ob nämlich die doch recht umfangreiche Testbatterie in angemessener Zeit bewältigt werden können. Diese Ausführungen verhalten sich indes nicht zu dem nachvollziehbaren Vortrag des Klägers, dass kognitive Tests bei einer depressiven Störung keine Aussagekraft hätten (s. dazu auch die folgenden Ausführungen). |
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| Der Kläger hat unter anderem eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) vom 28.01.2011 „Zur Anwendung von Beschwerdenvalidierungstests in der psychiatrischen Begutachtung“ vorgelegt. Darin wird in nachvollziehbarer Weise ausgeführt, gesetzliche Unfallversicherungen und private Haftpflichtversicherungen forderten zunehmend die obligate Anwendung neuropsychologischer Beschwerdenvalidierungstests (BVT) und würden in dieser Haltung von herangezogenen Beratungsärzten und Psychologen unterstützt. Dabei werde den Versicherungen und den Gerichten suggeriert, dass damit objektive wissenschaftliche Methoden zur Feststellung von Simulation und Aggravation zur Verfügung stünden. Die DGPPN sehe sich deshalb veranlasst, darauf hinzuweisen, dass der Einsatz von Beschwerdenvalidierungstests kein obligates Qualitätsmerkmal psychiatrischer Gutachten darstelle. Zwar möge es bei der Abklärung hirnorganischer Schäden sinnvoll sein, bei der Überprüfung der Authentizität geklagter Beschwerden BVT zu berücksichtigen. Bei anderen psychiatrischen Fragestellungen, z. B. der Begutachtung depressiver Syndrome, sei der schwerpunktmäßige Einsatz von BVT jedoch kritisch zu sehen. Es gebe bisher in der Begutachtungspraxis in Deutschland auch keinen Konsensus darüber, welche und wie viele der zahlreich verfügbaren Tests sinnvollerweise zum Einsatz kommen sollten. Solange die Auswahl der BVT aber dem Belieben des Gutachters überlassen bleibe, könne der Einsatz solcher Tests auch kein Qualitätsmerkmal eines sozialmedizinischen Gutachtens oder gar ein einzufordernder obligatorischer Standard sein. Keinesfalls dürfe ein auffälliger Befund von vornherein mit Simulation gleichgesetzt werden. Darauf wiesen auch Empfehlungen einer amerikanischen Konsensuskonferenz explizit hin, in denen ausdrücklich festgehalten werde, dass der Einsatz von BVT nur ein Mosaikstein in einer umfassenden gutachterlichen Gesamtschau darstelle. Diese Gesamtschau aber hat Prof. S. (wie im Übrigen auch der Beklagte) nicht vorgenommen, der die zahlreichen vorliegenden ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen sowie die Tatsache der sechsjährigen ununterbrochenen Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente ebenso wenig mit dem ihnen zukommenden Gewicht in seine Betrachtung eingestellt hat wie den Umstand, dass Inkonsistenzen zwischen beobachteten und erwarteten Leistungen ein Ausdruck von psychischen Störungen sein können, wie Prof. Sch. dies beschrieben hat. |
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| Im Übrigen fallen auch deutliche Widersprüche in den Angaben von Prof. S. - gerade soweit er im Weiteren die angeführte Stellungnahme der DGPPN erwähnt - auf. So heißt es in seinem Gutachten vom 07.08.2014: „... war [der Kläger] ähnlich wie bei der körperlichen Befunderhebung auch bei der psychologischen Befunderhebung bemüht, dramatische Beeinträchtigungen zu zeigen, die so nicht vorliegen und nicht vorliegen können... In mehreren Validierungsverfahren ergab sich massive negative Antwortverzerrung.“ Demgegenüber hat er in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15.01.2018 angegeben, es sei richtig, dass beschwerdenvalidierende Verfahren nicht zur Diagnostik psychischer Störungen geeignet seien. Eine Schlussfolgerung, dass bei einem Menschen keine Erkrankung vorliege, lasse sich nicht bereits aus dem Umstand ziehen, dass negative Antwortverzerrungen vorlägen. Das sei auch in seinem Gutachten nicht geschehen. Vielmehr habe er eine ausführliche Exploration, eine sorgfältige klinische und psychiatrische Untersuchung durchgeführt, aus diesen Untersuchungen habe sich ergeben, dass eine diagnostizierbare Krankheit bei dem Kläger nicht bestehe. Die leistungs- und beschwerdenvalidierenden Verfahren trügen dazu nichts bei. Dies ist nicht nachvollziehbar, wenn man die oben angeführten Aussagen aus dem ursprünglichen Gutachten in den Blick nimmt. Der Gutachter übersieht auch, dass seine Feststellungen ohne diese Begründung nicht hinreichend belegt sind. Angesichts all dieser Umstände überzeugt das Gutachten von Prof. S. nicht ansatzweise. |
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| c) Darüber hinaus ist das Gutachten von Prof. S. auch deshalb nicht verwertbar, weil es eine deutliche Tendenz zur Unsachlichkeit und Parteilichkeit erkennen lässt. |
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| Bei dem vom Beklagten eingeholten Gutachten von Prof. S. handelt es sich (zunächst) um ein Parteigutachten mit der Konsequenz, dass es bei Vorliegen substantiierter Einwendungen ggf. unverwertbar sein kann (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.05.2017 - 2 S 1826/16 -, und Beschluss vom 29.04.2002 - 10 S 2367/01 -, jeweils juris). Dies ist im Allgemeinen der Fall, wenn das vorliegende Gutachten auch für den Nichtsachkundigen erkennbare Mängel aufweist, etwa nicht auf dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft beruht, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare inhaltliche Widersprüche enthält oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde und/oder Unparteilichkeit des Gutachters gibt (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 29.02.2012 - 7 C 8.11 -, BVerwGE 142, 73; Beschlüsse vom 10.09.2010 - 8 B 15.10 -, und vom 30.08.1993 - 2 B 106.93 -, juris). Ausgehend von diesen Grundsätzen bestehen hier durchgreifende Zweifel an der Unparteilichkeit von Prof. S. |
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| Dies gilt zunächst mit Blick auf die oben dargelegten unsachlichen Einlassungen des Gutachters und gilt des Weiteren mit Blick auf beleidigende und herabsetzende Äußerungen von Prof. S. (vgl. dazu auch OLG Koblenz, Beschluss vom 19.05.2009 - 4 W 150/09 -, juris, m. w. N.). |
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| Er führt in seinem Gutachten aus: „Der psychiatrische Befund war auffällig durch fehlenden Blickkontakt und leise Sprechweise, wobei unter Bezugnahme auf die diagnostischen Kriterien der Psychiatrie keine Diagnose zu stellen ist. Es handelt sich um unspezifische Verhaltensauffälligkeiten, wie sie offensichtlich einem laienhaften Klischee über Auftreten und Verhalten von psychisch erkrankten Menschen entsprechen... ist [der Kläger] bemüht, die Krankenrolle einzunehmen, obwohl keine Krankheit vorliegt, er entfaltet dazu beträchtliche Aktivitäten... Die Prognose ist aus medizinischer Sicht gut. Wie lange das Verhalten des [Klägers] anhält, ist allerdings nicht vorherzusagen, weil diesem Verhalten ganz offensichtlich eigene Motive zugrunde liegen, die [der Kläger] nicht thematisieren möchte. Die Motive können aber nach den Testergebnissen dahingehend beschrieben werden, dass [der Kläger] einen Irrtum über seinen Gesundheitszustand und sein Leistungsvermögen erregen möchte.“ |
|
| Diese Äußerungen stellen sich vom Standpunkt eines juristisch und medizinisch nicht vorgebildeten Lesers als Tatsachenbehauptung dar, die der Gutachter als hinreichend gesichert ansieht. Diese Behauptung entbehrt jedoch, wie sich aus den obigen Ausführungen und dem Inhalt der übrigen Gutachten ergibt, einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Die Äußerungen sind unsachlich und persönlich herabsetzend („einem laienhaften Klischee über Auftreten und Verhalten von psychisch erkrankten Menschen entspricht“; „bemüht, die Krankenrolle einzunehmen, obwohl keine Krankheit vorliegt, er entfaltet dazu beträchtliche Aktivitäten“; „einen Irrtum über seinen Gesundheitszustand und sein Leistungsvermögen erregen möchte“). |
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| Durchgreifende Zweifel an der Unparteilichkeit des Gutachters bestehen schließlich auch deshalb, weil er bei der Gutachtenserstellung eigenmächtig über die ihm durch den Gutachtensauftrag gezogenen Grenzen hinausgegangen ist (vgl. dazu OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.02.2014 - 7 W 10/14 -, juris). Der Beklagte hat Prof. S. mitgeteilt, dass der Kläger seit dem 01.09.2008 Berufsunfähigkeitsrente beziehe, die derzeit bis 31.08.2014 befristet sei, und hat ihn beauftragt, eine gutachterliche Stellungnahme zur Frage der weiteren Berufsunfähigkeit zu erstellen. Darauf hat sich der Gutachter indes nicht beschränkt, sondern weitergehend behauptet, nach den vorgelegten Akten bestehe der Zustand, dass der Kläger bemüht sei, die Krankenrolle einzunehmen, obwohl keine Krankheit vorliege, vermutlich seit 2007. Die in der Akte enthaltenen Gutachten legten nahe, dass die jetzt gezeigte Verhaltensweise mit erheblichen Verdeutlichungsversuchen und Beschwerdenübertreibung spätestens seit 2008 bestanden habe. Diese Feststellungen, die im Widerspruch zu den in der Akte enthaltenen Gutachten stehen und nicht auf eigener Anschauung beruhen, überschreiten den Gutachtensauftrag und sind auch angesichts des Inhalts der in der Akte enthaltenen Gutachten nicht nachvollziehbar. |
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| Nach alledem ist das Gutachten von Prof. S. auch aus diesen Gründen unverwertbar. |
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| 2. Dass der Kläger berufsunfähig im Sinne des § 21 Abs. 1 RAVwS ist, ergibt sich zur Überzeugung des Senats indes aus allen anderen, oben näher bezeichneten Stellungnahmen und Gutachten. Sie erfüllen alle Voraussetzungen, um dem Senat die für seine Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln. Insbesondere bestehen keinerlei Zweifel an der Objektivität und Sachkunde der erfahrenen Gutachter Prof. Sch. und Prof. T. Sämtliche Ärzte und Gutachter bestätigen übereinstimmend und nachvollziehbar, wie dargelegt, eine zur Berufsunfähigkeit führende depressive Störung beim Kläger. Für den Zeitraum 2008 bis 2014 sieht dies offensichtlich auch der Beklagte nicht anders, der dem Kläger für diesen Zeitraum mit drei bestandskräftigen Bescheiden Berufsunfähigkeitsrente bewilligt hat. Diese Feststellung gilt indes auch für den hier im Streit stehenden Zeitraum ab dem 01.09.2014, für den schon jedwede Anhaltspunkte für eine Änderung des Gesundheitszustands des Klägers fehlen. Abgesehen davon hat Prof. T. in seinem Gutachten vom 24.07.2012 konstatiert, der Kläger biete das voll ausgeprägte Bild eines erschöpften, verzweifelten, hoffnungslosen, resignierten Menschen ohne Esprit oder Witz, der interesselos und antriebslos vor sich hinlebe, blass, mit leiser Stimme spreche, so dass man ihn kaum verstehe, niedergedrückt, einsilbig, leise. Er vermeide jeden Blickkontakt, sei offensichtlich verstimmt, fühle sich unfähig zu irgendwelchen Aktivitäten, gleich welcher Natur. Man gewinne den Eindruck, dass er sich vollkommen aufgegeben habe und überhaupt kein Interesse an seiner eigenen Existenz oder auch der der Familie aufbringen könne. Er sei niedergeschlagen, freudlos, lustlos und offensichtlich nicht imstande, die minimalsten Alltagsgeschäfte zu besorgen, geschweige denn als Anwalt auch nur in der geringsten Form tätig zu werden. Er sei auf nicht absehbare Zeit nicht mehr imstande, typische Tätigkeiten eines Anwalts auszuüben. Der Zustand werde, wenn keine neuen Ansätze zur Therapie erfolgten, und dies scheine der Fall zu sein, auf Dauer bestehen bleiben, so dass eine Nachuntersuchung nicht erforderlich sei. |
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| Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass diese Feststellungen für die Zeit ab 01.09.2014 keine Geltung beanspruchen könnten, im Gegenteil: Sie erfahren Bestätigung durch das Gutachten des Nervenarztes Dr. K. für die Deutsche Rentenversicherung vom 31.10.2014, der eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwergradige Episode ohne psychotische Symptome, F33.2, diagnostiziert und festgestellt hat, dass keine Belastbarkeit für eine Reha vorliege. Auf dieser Grundlage erhält der Kläger von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, mit Bescheid vom 07.04.2016 verlängert bis Oktober 2019. |
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| Dem kann nicht mit Erfolg entgegenhalten werden, der Begriff der Berufsunfähigkeit sei hier eigenständig und decke sich nicht mit dem in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies trifft zwar zu, ist hier aber nicht entscheidend. |
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| Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind Versicherte teilweise erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Demgegenüber kommt es für Frage der Berufsunfähigkeit im Sinne des § 21 Abs. 1 RAVwS darauf an, ob der Rechtsanwalt in der Lage ist, ein existenzsicherndes Einkommen zu erwirtschaften. Dies ist berufsspezifisch zu bestimmen, eine Verweisung auf Erwerbstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist nicht möglich. Darum geht es hier aber ebenso wenig wie um die Frage der Unterscheidung zwischen teilweiser und voller Erwerbsminderung. Es steht auch nicht im Streit, welche Leistungseinschränkungen die von allen Ärzten - mit Ausnahme von Prof. S. - diagnostizierte Erkrankung zur Folge hat. Denn es nicht zweifelhaft, dass diese Depression - wenn sie vorliegt - beim Kläger sowohl zu Berufsunfähigkeit im Sinne des § 21 Abs. 1 RAvWS als auch zu einer vollen Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI führt. Dass der Kläger infolge der Depression zwar voll erwerbsgemindert, nicht aber berufsunfähig wäre, behauptet auch der Beklagte nicht, der bei dem gleichbleibenden Krankheitsbild sechs Jahre lang Berufsunfähigkeitsrente gewährt hat. Streitig sind hier nicht die Folgen der Erkrankung und deren Auswirkung auf das Leistungsvermögen, streitig ist vielmehr das Vorliegen einer Erkrankung überhaupt. Dafür aber können auch die Feststellungen des Gutachters der Deutschen Rentenversicherung herangezogen werden. Eine depressive Störung ist eine depressive Störung in beiden Systemen. |
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| 3. Soweit das Verwaltungsgericht das Urteil selbständig tragend auch darauf gestützt hat, jedenfalls bestehe der von den Vorgutachtern festgestellte Gesundheitszustand beim Kläger nicht auf „nicht absehbare Zeit“ im Sinne des § 21 Abs. 1 Nr. 1 RAVwS, vermag der Senat ihm nicht zu folgen. |
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| Zwar kann - wie sich aus § 21 Abs. 7 Nr. 1 RAVwS ergibt - die Berufsunfähigkeit ex post betrachtet auch nur vorübergehend sein. Jedoch kann eine Berufsunfähigkeitsrente dann nicht bewilligt werden, wenn die Berufsunfähigkeit aus der Sicht ex ante voraussichtlich nur vorübergehend sein wird. Denn die Vorschrift des § 21 Abs. 1 Nr. 1 RAVwS nimmt mit dem Tatbestandsmerkmal „auf nicht absehbare Zeit“ eine Abgrenzung vor zwischen bloßer Krankheit, die zu einer vorübergehenden Unfähigkeit zur Berufsausübung führt, und der dauernden Berufsunfähigkeit. Der Satzungsgeber hat damit in rechtlich nicht zu beanstandender Weise geregelt, dass eine Berufsunfähigkeitsrente dann nicht bewilligt werden kann, wenn bei der Prognose ex ante davon auszugehen ist, dass die Berufsunfähigkeit nur vorübergehend ist. Nichts anderes folgt auch aus der Präzisierung in § 21 Abs. 1 Nr. 1 RAVwS, der die Unfähigkeit zur Berufsausübung auf „mindestens 90 Tage“ festlegt. Mit dieser Tatbestandsvariante ist das grundsätzliche Erfordernis einer Unfähigkeit der Berufsausübung auf nicht absehbare Zeit nicht ausgeschlossen. Die 90-Tage-Frist trägt vielmehr allein dem Umstand Rechnung, dass sich die ex-ante-Prognose einer dauernden Berufsunfähigkeit als unzutreffend erweisen kann. Ihre Bedeutung erschöpft sich darin, dass die (später nicht bestätigte) Prognose dauernder Berufsunfähigkeit den Rentenbezug dann deckt, wenn die Berufsunfähigkeit für mindestens 90 Tage angedauert hat. Die Berufsunfähigkeit auf „mindestens 90 Tage“ stellt mithin den Behaltensgrund für die Rentenleistung dar. Daraus ergibt sich weiter, dass auch die Tatbestandsvariante der Berufsunfähigkeit auf „mindestens 90 Tage“ dem Anwalt kein Wahlrecht zwischen der Fortsetzung der Berufsausübung und dem Wechsel in die Berufsunfähigkeitsrente in den Fällen gibt, in denen er krankheitsbedingt zwar mehr als 90 Tage seinen Beruf nicht (hinreichend) ausüben kann, jedoch (ex ante) davon auszugehen ist, er werde ihn danach wieder in vollem Umfang aufnehmen. Vielmehr verlangt die Geltendmachung der Berufsunfähigkeitsrente durch das Mitglied, dass prognostisch davon ausgegangen werden muss, die Berufsunfähigkeit werde auf nicht absehbare Zeit bestehen (vgl. Senatsurteil vom 29.10.2002, a. a. O.; Senatsbeschlüsse vom 21.01.2016 - 9 S 1578/15 - und vom 25.02.2013 - 9 S 89/13 -). |
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| Das Verwaltungsgericht hat im Anschluss an die Rechtsprechung insbesondere des OVG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 12.09.2012 - 17 A 1373/09 -, juris) ausgeführt, eine Prognose, die Berufsunfähigkeit werde auf nicht absehbare Zeit bestehen, könne nicht gestellt werden, wenn die Möglichkeit und Erwartung bestehe, dass ein erkrankter Rechtsanwalt die Fähigkeit zur Ausübung seines Berufs innerhalb eines überschaubaren Zeitraums wieder erlangen könne (s. a. Senatsurteil vom 29.10.2002, a. a. O.), indem er bis dahin noch nicht ausgeschöpfte, aber nach ärztlichem Urteil zur Wiederherstellung der Berufsfähigkeit geeignete und zumutbare therapeutische Behandlungsmöglichkeiten wahrnehme. So liege der Fall hier; der Kläger habe die bei seinem Krankheitsbild bestehenden Behandlungsmöglichkeiten nicht in erforderlichem Maße wahrgenommen. |
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| Das Verwaltungsgericht berücksichtigt jedoch schon nicht hinreichend, dass das Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen die erstmalige Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente betraf (und auch die zitierten Urteile des VG Köln vom 20.01.2015 - 7 K 4210/12 - und des VG Münster vom 28.05.2014 - 3 K 1587/12 - keine vergleichbare Fallkonstellation zum Gegenstand hatten). Hier dagegen steht ein Folgeantrag nach sechsjährigem ununterbrochenen Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente im Streit. Vor diesem Hintergrund kann eine Dauerhaftigkeit im Sinne der Satzung des Beklagten der vom Verwaltungsgericht unterstellten Erkrankung nicht ernsthaft in Frage gestellt werden. Im Übrigen ändert das Nichtausschöpfen von Therapiemöglichkeiten - ungeachtet der Frage, ob der Kläger die dafür erforderliche Belastbarkeit aufgewiesen hat (vgl. dazu nur das Gutachten von Dr. K. vom 31.10.2014 für die Deutsche Rentenversicherung Bund: keine Belastbarkeit für eine Reha) - hier nichts daran, dass die die Berufsunfähigkeit auslösende Erkrankung (weiterhin) vorliegt (vgl. Gutachten Prof. T. vom 24.07.2012). |
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| In dieser Konstellation scheidet die (Weiter-)Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 9 RAVwS aus. Nach dieser Vorschrift kann das Versorgungswerk verlangen, dass sich derjenige, der eine Berufsunfähigkeitsrente beantragt hat oder erhält, medizinisch untersuchen lässt sowie sich einer Heilbehandlung oder einer Maßnahme nach § 23 der Satzung unterzieht, wenn zu erwarten ist, dass diese Maßnahme die Berufsunfähigkeit beseitigt oder eine drohende Berufsunfähigkeit verhindert und für das Mitglied zumutbar ist (Satz 1). Kommt das Mitglied dem Verlangen nicht nach, so kann das Versorgungswerk die Berufsunfähigkeitsrente ganz oder teilweise versagen oder entziehen, wenn es zuvor auf die Folgen schriftlich hingewiesen und eine angemessene Frist gesetzt hat (Satz 2). So aber ist der Beklagte bisher nicht verfahren, obwohl spätestens nach dem zweiten Gutachten von Prof. T. aller Anlass zu einer Aufforderung nach § 21 Abs. 9 RAVwS bestanden hätte. Deshalb bedarf keiner Vertiefung, ob die Therapieempfehlungen der Gutachter nach wie vor Gültigkeit haben - der Kläger macht geltend, dass es keine aktuellen Therapieempfehlungen gebe - und ob sie dem Kläger, dessen Vorbringen nicht ergibt, dass er vollständig „austherapiert“ wäre, zumutbar wären. |
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| 4. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf unbefristete Bewilligung der Berufsunfähigkeitsrente. Einer Klarstellung im Tenor bedarf es insoweit nicht. |
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| Zwar soll die Berufsunfähigkeitsrente nach § 21 Abs. 4 Satz 3 RAVwS befristet werden. Im vorliegenden Fall besteht indes kein Anlass für eine Befristung. Im Hinblick auf die hier vorliegende atypische Situation hat sich das dem Beklagten eingeräumte Ermessen, Berufsunfähigkeitsrente befristet oder unbefristet zu gewähren, zu einer unbefristeten Gewährung verdichtet (vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 06.03.2017 - 9 S 698/16 -). |
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| Dabei ist zum einen in den Blick zu nehmen, dass der Beklagte dem Kläger auf der Grundlage von sechs ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen bereits dreimal für drei aufeinanderfolgende Zeiträume von jeweils zwei Jahren Berufsunfähigkeitsrente bewilligt hatte. Vor allem aber scheidet eine erneute Befristung deshalb aus, weil die Gutachter übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt sind, dass die festgestellten Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Klägers auf nicht absehbare Zeit bestehen. Danach besteht Berufsunfähigkeit nunmehr seit über zehn Jahren. Anhaltspunkte für eine Besserung des Gesundheitszustands bestehen nicht, die Einschätzung von Prof. T. in seinem Gutachten vom 07.08.2012 gilt fort. Nach den Gesamtumständen des vorliegenden Einzelfalls ist danach die Annahme einer Ermessensverdichtung auch unter Berücksichtigung des rentenfernen Alters des Klägers nicht gerechtfertigt. Dem Beklagten steht es gegebenenfalls frei, von der Möglichkeit des § 21 Abs. 5 Satz 2 RAVwS Gebrauch zu machen und in angemessenen Zeitabständen Nachuntersuchungen anzuordnen. |
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| 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. |
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| Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben. |
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| Beschluss vom 14. Januar 2019 |
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| Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an die Empfehlung in Nr. 14.3 des Streitwertkatalogs 2013 auf 52.226,64 EUR festgesetzt. |
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| Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). |
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