Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 11 S 1646/18

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2018 - 16 K 3163/18 - geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin Ziff. 1 gegen die in der Verfügung der Antragsgegnerin vom 5. März 2018 enthaltene Ablehnung der Verlängerung bzw. Erteilung eines Aufenthaltstitels sowie die Abschiebungsandrohung wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Regierungspräsidium ... mitzuteilen, dass eine Abschiebung der Antragsteller Ziff. 2 und 3 nicht vor bestandskräftigem Abschluss des jeweiligen Titelerteilungsverfahrens erfolgen darf.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller Ziff. 2 und 3 gegen die in der Verfügung der Antragsgegnerin vom 5. Mai 2018 enthaltene Abschiebungsandrohung wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen auf jeweils 12.500,- EUR festgesetzt.

Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwalt ..., Stuttgart, beigeordnet. Ratenzahlungen sind nicht zu leisten.

Gründe

 
Die zulässigen, insbesondere rechtzeitig erhobenen und begründeten (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) Beschwerden der Antragsteller haben Erfolg. Ausgehend vom Beschwerdevorbringen der Antragsteller (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ist ihnen einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren.
I.
Dies gilt zunächst für die Beschwerde der Antragstellerin Ziff. 1. Sie zieht die inhaltliche Richtigkeit des angegriffenen Beschlusses mit den im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründen erfolgreich in Zweifel (nachfolgend 1.). Die deshalb erforderliche Prüfung des Rechtsschutzbegehrens führt auf seine Begründetheit (2. und 3.).
1. Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass die Antragstellerin Ziff. 1 voraussichtlich keinen Anspruch auf Verlängerung ihrer familienbezogenen Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AufenthG bzw. auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag nach § 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG habe, weil sie (schon) die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 AufenthG nicht erfülle. Der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 AufenthG scheitere daran, dass die Antragstellerin Ziff. 1 im Zeitpunkt der Vollendung ihres 16. Lebensjahres nicht seit fünf Jahren im Besitz der Aufenthaltserlaubnis gewesen sei. Für den nach Auffassung des Verwaltungsgerichts deshalb allein eröffneten Anspruch nach § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG fehle es an der Sicherung des Lebensunterhalts (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Var. 1 AufenthG).
Die Antragstellerin Ziff. 1 wendet hiergegen ein, sie sei zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 16. Lebensjahres für die Dauer von mehr als fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen. Deshalb habe die Antragsgegnerin die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis nicht allein mit dem Argument ablehnen dürfen, ihr Lebensunterhalt sei nicht gesichert. Dieser Vortrag zieht die Begründung, mit der das Verwaltungsgericht den Tatbestand des § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als nicht erfüllt angesehen hat, erfolgreich in Zweifel. Auch die Antragsgegnerin gesteht im Beschwerdeverfahren zu, dass die Antragstellerin Ziff. 1 den erforderlichen Zeitraum von fünf Jahren bereits vor Vollendung des 16. Lebensjahres zurückgelegt hatte. Die Prüfung des Verlängerungsantrags hat deshalb - anders als die Antragsgegnerin meint - von der Anspruchsgrundlage des § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auszugehen, auch wenn die Antragstellerin zwischenzeitlich volljährig geworden ist:
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist einem minderjährigen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug besitzt, abweichend von § 9 Abs. 2 AufenthG eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er im Zeitpunkt der Vollendung seines 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz der Aufenthaltserlaubnis ist. Ein solcher Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis besteht gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AufenthG u.a. dann nicht, wenn der Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch gesichert ist, es sei denn, der Ausländer befindet sich in einer Ausbildung, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss führt. In diesem Fall kann die Niederlassungserlaubnis erteilt oder die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, d.h. der Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis wird zu einem Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über deren Erteilung bzw. über die Verlängerung der (bisherigen) Aufenthaltserlaubnis herabgestuft (Dienelt, in: Bergmann/ders., AuslR, 12. Auflage 2018, § 35 AufenthG Rn. 21; ähnlich Marx, in: GK-AufenthG, 90. Lieferung, Oktober 2017, § 35 Rn. 48 f. und 64; Diesterhöft, in: HTK-AuslR / § 35 AufenthG / Versagungsgründe, Stand: 26.08.2018, Rn. 15).
Wenn die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren argumentiert, die Aufenthaltserlaubnis der Antragstellerin Ziff. 1 sei (zuletzt) am 14. Februar 2013 mangels Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 AufenthG im Ermessenswege bis zum Erreichen der Volljährigkeit verlängert worden, ab Eintritt der Volljährigkeit griffen aber die strengeren Erteilungsvoraussetzungen nach § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, so trifft dies in mehrfacher Hinsicht nicht zu. Den Akten ist schon nicht zu entnehmen, dass anlässlich der Verlängerung am 14. Februar 2013 überhaupt eine Ermessensentscheidung (gegen die Erteilung der Niederlassungserlaubnis) getroffen worden wäre, nachdem die Antragstellerin Ziff. 1 keinen förmlichen Bescheid, sondern schlicht eine verlängerte Aufenthaltserlaubnis (nach § 32 Abs. 3 AufenthG) erhielt. Sodann stellte die Antragstellerin Ziff. 1 am 26. Juni 2013, also noch vor Eintritt der Volljährigkeit einen erneuten Antrag, den die Antragsgegnerin bzw. die vorher zuständige Ausländerbehörde über fast fünf Jahre hinweg nicht beschied. Folgte man der Argumentation der Antragsgegnerin, hingen die nach § 35 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 AufenthG niedrigeren bzw. höheren Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis allein davon ab, ob ein Antragsteller während des behördlichen Verfahrens volljährig wird, d.h. letztlich von der Dauer dieses Verfahrens. Diese Auslegung ist allerdings weder von Sinn und Zweck noch von der Systematik des § 35 Abs. 1 AufenthG gedeckt, und auch die historische Entwicklung der Vorschrift spricht dagegen.
Zwar kann die Antragsgegnerin bei vordergründiger Betrachtungsweise den Wortlaut des § 35 Abs. 1 AufenthG für ihre Auffassung in Anspruch nehmen, der in Satz 1 von „einem minderjährigen Ausländer“ und in Satz 2 Nr. 1 davon spricht, dass „der Ausländer volljährig“ ist. Die dadurch nahegelegte Abgrenzung der persönlichen Anwendungsbereiche von § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG allein nach dem Kriterium der Volljährigkeit lässt aber offen, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist; der Wortlaut verhält sich hierzu nicht. Auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung oder wahlweise des Ablaufs der letzten (befristeten) Aufenthaltserlaubnis kann es für die Abgrenzung der Anwendungsbereiche zumindest in Fällen wie dem vorliegenden aber nicht ankommen, in denen die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bei Vollendung des 16. Lebensjahres erfüllt waren und der Antrag noch vor Erreichen der Volljährigkeit gestellt worden ist.
Denn dies widerspräche zunächst dem Zweck der Vorschrift, in der der Gesetzgeber mit Bedacht ein gestaffeltes System der Aufenthaltsverfestigung für ausländische Kinder vorgesehen hat: § 35 Abs. 1 AufenthG begünstigt Antragsteller, die als Minderjährige eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erhalten haben. Dies beruht auf der Erwägung, dass bei ausländischen Kindern mit langjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet regelmäßig davon auszugehen ist, dass sie sich weitgehend in die rechtliche, wirtschaftliche und soziale Ordnung der Bundesrepublik eingefügt haben (vgl. Dienelt, in: Bergmann/ders., AuslR, 12. Auflage 2018, § 35 AufenthG Rn. 2 und 5). Die Niederlassungserlaubnis ist deshalb abweichend von den Erfordernissen des § 9 Abs. 2 AufenthG maßgeblich an die längere Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet geknüpft, die in einem bestimmten Alter zurückgelegt wurde (vgl. Marx, in: GK-AufenthG, 90. Lieferung, Oktober 2017, § 35 Rn. 2 (m.w.N. aus dem Gesetzgebungsverfahren)). Dabei ist zwischen den beiden Anspruchsgrundlagen nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AufenthG zu unterscheiden. Aus der gesetzgeberischen Konzeption folgt, dass die persönlichen Anwendungsbereiche dieser Anspruchsgrundlagen - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - nicht anhand des Alters eines Antragstellers abzugrenzen sind, so dass mit Erreichen der Volljährigkeit stets (nur noch) § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG anzuwenden wäre, sondern anhand des Zeitpunkts, zu dem der Mindestzeitraum von fünf Jahren vervollständigt worden ist (vgl. hierzu und zum Folgenden ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.03.2018 - OVG 12 B 11.17 -, juris, Rn. 25 ff.):
Nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers soll bei ausländischen Kindern, die im Zeitpunkt der Vollendung ihres 16. Lebensjahres seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet leben und über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen, regelmäßig davon ausgegangen werden können, dass sie sich bereits sehr weitgehend in die rechtliche, wirtschaftliche und soziale Ordnung der Bundesrepublik Deutschland eingefügt haben (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz), BT-Drs. 15/420, S. 83 f.). Sie werden deshalb durch § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in besonderer Weise privilegiert. Insbesondere führt eine fehlende Sicherung des Lebensunterhalts bei diesem Personenkreis (nur) dazu, dass an die Stelle des Erteilungsanspruchs ein Ermessen nach dem Regelungsregime des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 AufenthG tritt (s.o.). An dem genannten Grund für die Privilegierung indes ändert sich nichts dadurch, dass ein Antragsteller - etwa während eines womöglich länger andauernden behördlichen Erteilungsverfahrens - schließlich volljährig wird.
10 
Wenn § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG demgegenüber die (weniger) privilegierte Erteilung einer Niederlassungserlaubnis auch an volljährig gewordene Kinder vorsieht, erfasst diese Vorschrift, wie sich aus der systematischen Zusammenschau mit Satz 1 und dem dargestellten Zweck des gestuften Regelungskonzepts ergibt, nur diejenigen Fälle, in denen eine schon während der Minderjährigkeit erteilte Aufenthaltserlaubnis wegen Ablaufs des Fünfjahreszeitraums erst nach Eintritt der Volljährigkeit zu einem Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis führt (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.11.2009 - 1 C 24.08 -, juris, Rn. 24, und vom 13.09.2011 - 1 C 17.10 -, juris, Rn. 22; Dienelt, in: Bergmann/ders., AuslR, 12. Auflage 2018, § 35 Rn. 11). Der persönliche Anwendungsbereich dieser Anspruchsgrundlage erstreckt sich demnach auf volljährig gewordene ausländische Kinder, die erst so spät in das Bundesgebiet nachgezogen sind, dass sie bei Vollendung des 16. Lebensjahres noch nicht die erforderliche Aufenthaltsdauer von fünf Jahren erfüllten, bei denen dieser Tatbestand vielmehr erst bis zur Volljährigkeit oder sogar - je nach dem Zeitpunkt der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis - noch später eingetreten ist. Nur bei diesen Kindern ist die Vermutung einer weitgehenden Eingliederung in die hiesigen Lebensverhältnisse weniger begründet, weil sie einen längeren Teil ihrer jugendlichen Entwicklung im Ausland verbracht haben. Deshalb stellt der Gesetzgeber an diese Gruppe volljähriger Antragsteller, die wegen ihres späten Nachzugs nicht schon von § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfasst werden, typisierend gesteigerte Anforderungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.03.2018 - OVG 12 B 11.17 -, juris, Rn. 26).
11 
Neben den teleologischen und systematischen Argumenten spricht auch die historische Entwicklung der Norm für eine derartige Betrachtungsweise. Denn die vorstehend beschriebene Konzeption lag - auch nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats - bereits der Vorgängervorschrift des § 35 Abs. 1 und 3 AufenthG zugrunde (vgl. für § 26 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 und 2 AuslG 1990 VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.02.1993 - 11 S 2532/92 -, juris, Rn. 3; darüber hinaus auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 21.11.2001 - 13 S 1635/01 -, juris, Rn. 5). Die gegenüber der früheren Vorschrift festzustellenden Abweichungen im Wortlaut lassen nicht darauf schließen, dass der Gesetzgeber mit dem Erlass des Aufenthaltsgesetzes eine wesentliche Änderung seiner Grundkonzeption bezweckt hätte (vgl. ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.03.2018 - OVG 12 B 11.17 -, juris, Rn. 27); nach der Gesetzesbegründung „entspricht [die Vorschrift] weitgehend § 26 AuslG“ (BT-Drs. 15/240, S. 83).
12 
Ist demzufolge der persönliche Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG einmal eröffnet, geht die einem Antragsteller danach erwachsene, verfestigte aufenthaltsrechtliche Rechtsposition nicht dadurch verloren, dass die Ausländerbehörde etwa mangels Sicherung des Lebensunterhalts zunächst (nur) die Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 AufenthG verlängert, oder gar allein dadurch, dass der Ausländer volljährig wird. Die Antragsgegnerin geht daher unzutreffend auch noch im Beschwerdeverfahren davon aus, dass der Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 AufenthG nicht eröffnet sei und der Anspruch der Antragstellerin Ziff. 1 schon auf Ebene des Tatbestandes allein mangels Sicherung des Lebensunterhalts nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Var. 1 AufenthG abgelehnt werden könne.
13 
2. Einstweiliger Rechtsschutz zur Sicherung des Aufenthalts der Antragstellerin Ziff. 1 ist ihr im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren. Die vorläufige Sicherung des Aufenthaltsrechts während des anhängigen Verwaltungs- und auch Gerichtsverfahrens um die Erteilung eines Aufenthaltstitels hat dann in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu erfolgen, wenn der Antrag auf Erteilung dieses Titels - wie hier - zum Entstehen einer Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder Abs. 4 AufenthG geführt hat und diese durch die Verbescheidung des Antrags wieder erloschen ist (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.11.2007 - 11 S 2364/07 -, juris). Hier ist im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu entscheiden, ob die dem Antragsteller durch die Ablehnung seines Antrags genommene Rechtsposition wieder eingeräumt werden soll (Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 8).
14 
Bei der - nach dem Erfolg des Beschwerdevorbringens - vorzunehmenden vollständigen Prüfung des Rechtsschutzbegehrens erweisen sich die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragstellerin Ziff. 1 als offen (nachfolgend a)). Die demnach erforderliche Interessenabwägung führt zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (b)).
15 
a) Die Antragsgegnerin hat die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 AufenthG nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand bei summarischer Prüfung ermessensfehlerhaft versagt, denn sie hat den Tatbestand des § 35 Abs. 3 Satz 2 nach vorstehenden Ausführungen wohl zu Unrecht nicht als erfüllt angesehen und deshalb insoweit keinerlei Ermessen ausgeübt. Jedenfalls ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder die (ggf. rückwirkende) Verlängerung ihrer bisherigen Aufenthaltserlaubnis dürfte der Antragstellerin aber voraussichtlich zukommen.
16 
Ein solcher Anspruch scheitert - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin und des Verwaltungsgerichts - nicht schon daran, dass die Antragstellerin Ziff. 1 die Passpflicht nicht erfüllte (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG), denn sie besaß bzw. besitzt sowohl zum Zeitpunkt der Antragstellung als auch heute einen gültigen Pass. Soweit die Antragstellerin Ziff. 1 weiterhin ihren Lebensunterhalt nicht sichern können sollte, geht das spezifische Regelungssystem des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 AufenthG der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor; dies begründet indes nicht stets einen Anspruch darauf, dass in solchen Fällen „zumindest“ die Aufenthaltserlaubnis verlängert wird (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.03.2018 - OVG 12 B 11.17 -, juris, Rn. 28 ff.; Dienelt, in: Bergmann/ders., AuslR, 12. Auflage 2018, § 35 AufenthG Rn. 21; Diesterhöft, in: HTK-AuslR / § 35 AufenthG / Versagungsgründe, Stand: 26.08.2018, Rn. 3 (m.w.N.) und 16).
17 
Im Rahmen der danach zu treffenden Ermessensentscheidung wird sich die Antragsgegnerin mit den gestuften Entscheidungsmöglichkeiten des § 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auseinandersetzen und die für und gegen den jeweils geforderten Grad der Integration der Antragstellerin Ziff. 1 sprechenden Gesichtspunkte abwägen müssen. Die Versagung selbst einer befristeten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis allein wegen fehlender Sicherung des Lebensunterhalts dürfte nach dem gesetzgeberischen Grundkonzept dabei nur als ultima ratio in Betracht kommen, wenn also mit einer Verbesserung der bisherigen individuellen Integrationsbedingungen auch bei einem verlängerten Aufenthalt kaum mehr zu rechnen wäre (vgl. zu den Ermessenskriterien insoweit Marx, in: GK-AufenthG, 90. Lieferung, Oktober 2017, § 35 Rn. 65 ff.). In diesem Zusammenhang wird die Antragsgegnerin auch zu berücksichtigen haben, dass die Antragstellerin Ziff. 1 während der Dauer des Titelerteilungsverfahrens vier Kinder entbunden bzw. betreut hat und daher bisher kaum imstande war, ihren Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu sichern. Demgegenüber dürften Straftaten oder sonst zu beanstandendes Verhalten von Mitgliedern der Familie T., bei der die Antragstellerin Ziff. 1 mit ihren Kindern lebt, kaum als geeignete Ermessenserwägungen bei der Entscheidung über das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin Ziff. 1 in Betracht kommen.
18 
b) Ausgehend von der Offenheit der Erfolgsaussichten des Widerspruchs überwiegen derzeit die Suspensivinteressen der Antragstellerin Ziff. 1 die öffentlichen Interessen am Vollzug der bestehenden Ausreisepflicht. Denn dem Vollzug der Ausreisepflicht steht hier der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht gegenüber. Hingegen wirken die Folgen für die Allgemeinheit für den Fall, dass die aufschiebende Wirkung nun angeordnet wird, aber der Rechtsbehelf erfolglos bleibt, deutlich weniger schwer.
19 
3. Da die Erfolgsaussichten des Widerspruchs gegen die Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis offen erscheinen und insoweit die aufschiebende Wirkung anzuordnen war, gilt dies auch, soweit der Widerspruch die - daran anknüpfende - Abschiebungsandrohung betrifft.
II.
20 
Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist auch im Hinblick auf die Antragsteller Ziff. 2 und 3 zu ändern.
21 
Das Verwaltungsgericht hat es abgelehnt, diesen vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, weil sie voraussichtlich keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder zumindest ermessensfehlerfreie Entscheidung über deren Erteilung von Amts wegen gemäß § 33 Satz 1 AufenthG hätten. Hierfür fehle es - mit Blick auf die Ausführungen zur Antragstellerin Ziff. 1 - an der Voraussetzung einer Aufenthaltserlaubnis eines Elternteils. Diese Argumentation wird mit den Ausführungen der Beschwerdebegründung, nach denen der Antragstellerin Ziff. 1 ein Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis zukomme und diesem ein Anspruch ihrer Kinder zu folgen habe, erfolgreich in Frage gestellt.
22 
Aus den Ausführungen unter I. folgt, dass die sodann erforderliche Prüfung des Rechtsschutzbegehrens in der Sache auch bei den Antragstellern Ziff. 2 und 3 auf dessen Begründetheit führt. Denn es spricht viel dafür, dass sie zumindest einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug - insbesondere nach § 33 Satz 1 AufenthG - haben. Nachdem der angefochtene Bescheid überhaupt keine individuelle Begründung für die Ablehnung der begehrten Aufenthaltstitel hinsichtlich der Antragsteller Ziff. 2 und 3 enthält, ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin insoweit Ermessen ausgeübt haben könnte.
23 
Einstweiliger Rechtsschutz zur Sicherung des Aufenthalts der Antragsteller Ziff. 2 und 3 während des Verfahrens, das die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels zum Gegenstand hat, ist ihnen im Verfahren nach § 123 Abs. 1 bis 3 VwGO und nicht etwa im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren; ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in Anwendung von § 88 VwGO dementsprechend auszulegen bzw. umzudeuten (vgl. hierzu ausführlich zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.09.2018 - 11 S 1973/18 -, juris, Rn. 11 ff.). Darüber hinaus ist - aus entsprechenden Gründen wie bei der Antragstellerin Ziff. 1 - gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen, soweit sie die Antragsteller Ziff. 2 und 3 betrifft.
III.
24 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
25 
Die Streitwertfestsetzung und -änderung findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2 und 3, § 47 sowie § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Eine Reduzierung des Streitwerts auf die Hälfte findet hier bei der Antragstellerin Ziff. 1 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts - nicht statt, weil der Antragstellerin Ziff. 1 bereits zuvor legal eine längere Aufenthaltsperspektive eröffnet worden war (vgl. Senatsbeschluss vom 31.01.2011 - 11 S 2517/10 -, juris). Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts war entsprechend zu ändern (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG).
IV.
26 
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 166 Abs. 1 VwGO, §§ 114, 115, 119, 121 ZPO. Nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragsteller war eine Ratenzahlung nicht anzuordnen.
27 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

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