Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 11 S 401/19

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 08.02.2019 - 13 K 774/19 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller, ein iranischer Staatsangehöriger, wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe, mit dem sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) abgelehnt worden ist. In der Sache begehrt der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gegen seine Abschiebung nach Slowenien.
Der Antragsteller ist im Juli 2018 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hat hier noch im selben Monat einen Asylantrag gestellt. Nach Abgleich der Personalien mit der Visadatenbank hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-Verordnung an die Republik Slowenien gerichtet. Ende August 2018 hat die Republik Slowenien ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags erklärt.
Mit Bescheid vom 3. September 2018 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag des Antragstellers unter Verweis auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG als unzulässig abgelehnt. Außerdem hat es festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen. Des Weiteren hat es in Anwendung von § 34a Abs. 1 AsylG die Abschiebung des Antragstellers nach Slowenien angeordnet sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Über die Klage des Antragstellers gegen diesen Bescheid hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe noch nicht entschieden. Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 AsylG hat der Antragsteller nicht beantragt.
Anfang Februar 2019 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Karlsruhe einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) gegen den Antragsgegner eingereicht. Damit hat er auf ein Schreiben des Regierungspräsidiums Karlsruhe reagiert, mit dem er aufgefordert worden war, sich vom 11. bis 15. Februar 2019 in der ihm zugewiesenen Unterkunft zur Abschiebung bereit zu halten. Zur Begründung seines Eilrechtsschutzbegehrens hat der Antragsteller im Wesentlichen nur geltend gemacht, dass nicht die Republik Slowenien, sondern die Bundesrepublik Österreich für sein Asylbegehren zuständig sei. Der Antragsgegner hat demgegenüber seine Passivlegitimation für das Begehren des Antragstellers in Frage gestellt.
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat den Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 8. Februar 2019 (13 K 774/19) abgelehnt. Der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Er sei vollziehbar ausreisepflichtig, zur freiwilligen Ausreise aber nicht bereit. Gründe für eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG seien weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller am 11. Februar 2019 Beschwerde erhoben. Er macht erneut geltend, dass nicht die Republik Slowenien, sondern die Bundesrepublik Österreich für sein Asylbegehren zuständig sei.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm der geltend gemachte Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner zusteht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO). Hiervon ist das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Ergebnis zu Recht ausgegangen. Allerdings bedurfte es insofern keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig ist und ob Duldungsgründe nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorliegen. Denn nach § 34a Abs. 1 und § 5 Abs. 1 Satz 2 AsylG liegt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG die Zuständigkeit für die Anordnung und Durchführung der Abschiebung eines Ausländers beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Diese Zuständigkeit umfasst die Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG und diejenigen einer Abschiebung nach § 58 AufenthG vorliegen; ebenfalls umfasst ist die Prüfung, ob einer Abschiebung zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG oder inlandsbezogene Vollzugshindernisse nach § 60a Abs. 2 AufenthG entgegenstehen (so zutreffend und mit ausführlicher Begründung VG Stuttgart, Beschluss vom 21.06.2018 - 4 K 6710/18 -, juris Rn.10 ff.; vgl. ferner den Beschluss des Senats vom 31.05.2011 - A 11 S 1523/11 -, juris Rn. 3 ff., sowie OVG Rh-Pf., Beschluss vom 20.07.2017 - 7 B 11085/17 -, juris Rn. 9 f.).
Den Ausländerbehörden des Antragsgegners sind insoweit keine eigenen Prüfungs- und Entscheidungszuständigkeiten zugewiesen. Das Regierungspräsidium Karlsruhe unterstützt zwar das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in den Fällen des § 34a Abs. 1 AsylG bei der Durchführung von Abschiebungen. Es wird insofern aber nur im Wege der Amtshilfe tätig (§§ 4 ff. VwVfG).
10 
In Konsequenz sind Rechtsstreitigkeiten, die in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG die oben angesprochenen Themen betreffen, für die nach § 34a Abs. 1 AsylG die alleinige Zuständigkeit beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge liegt, gegen die Bundesrepublik Deutschland als Trägerin dieser Behörde zu führen. Dabei sind die speziellen prozessualen Regelungen in § 34a Abs. 2 AsylG zu beachten.
11 
Dem Regierungspräsidium Karlsruhe als Ausländerbehörde des Antragsgegners und auch dem Verwaltungsgericht im gegen den Antragsgegner gerichteten Verfahren nach § 123 VwGO ist die Prüfung der oben angesprochenen Themen hingegen entzogen.
12 
Anderes kann allenfalls für ungewöhnliche Ausnahmefälle gelten, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls bei einer durch Stellen des Landes im Wege der Amtshilfe bereits eingeleiteten Abschiebung eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO gegen die Bundesrepublik Deutschland zu spät käme, um die Durchführung der Abschiebung noch abzuwenden. In Ausnahmefällen dieser Art kann es die verfassungsrechtliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gebieten, dem Träger der Amtshilfe leistenden Behörde auf Antrag durch einstweilige Anordnung aufzugeben, die bereits eingeleitete Abschiebung zu stoppen (vgl. OVG Rh-Pf., Beschluss vom 20.07.2017 - 7 B 11085/17 -, juris Rn. 8 mit weiteren Nachweisen). Für eine solche Anordnung ist allerdings kein Raum, wenn bei Dublin-Rückführungen ein auch kurzfristig funktionierender Informationsfluss zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und der Amtshilfe leistenden Behörde besteht.
13 
Ein weiterer Ansatzpunkt für Rechtsschutz gegen den Träger der Amtshilfe leistenden Behörde kann sich aus der Verantwortungsteilung im Rahmen der Amtshilfe ergeben. Diese Verteilung der Verantwortung wird im Innenverhältnis durch § 7 Abs. 2 VwVfG geregelt. Im Außenverhältnis gilt, dass Rechtsschutz gegen denjenigen Rechtsträger zu suchen ist, dessen Behörde die beanstandete Maßnahme getroffen hat oder zu treffen gedenkt (Raumsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 7 Rn. 11; Kastner, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 7 VwVfG Rn. 7). Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen, die von der Amtshilfe leistenden Behörde im Zuge der konkreten Durchführung der Amtshilfe getroffen werden, sind also gegen den Träger dieser Behörde zu richten. Dies betrifft im vorliegenden Zusammenhang etwa Maßnahmen des Regierungspräsidiums zur konkreten Ausgestaltung einer im Wege der Amtshilfe durchgeführten Abschiebung, soweit dieser Maßnahme eigenständiger Eingriffscharakter zukommt und § 44a VwGO einer isolierten gerichtlichen Überprüfung nicht entgegensteht (Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 7 Rn. 9; Funke-Kaiser, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand: 01.10.2016, § 7 Rn. 10). Dagegen sind Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der ersuchenden Behörde gegen den Träger dieser Behörde zu richten. Dies betrifft im vorliegenden Zusammenhang die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG und die Durchführung der Abschiebung an sich.
14 
Im vorliegenden Fall besteht daher kein Anlass, sich mit der vom Antragsteller aufgeworfenen Frage auseinanderzusetzen, ob die Republik Slowenien oder die Bundesrepublik Österreich nach dem geltenden Unionsrecht für die Bearbeitung des Asylbegehrens des Antragstellers zuständig ist. Dieser Frage wird gegebenenfalls in dem beim Verwaltungsgericht Karlsruhe noch anhängigen Klageverfahren (A 13 K 8730/18) gegen die Bundesrepublik Deutschland nachzugehen sein. Vorläufiger Rechtsschutz wäre insofern nach § 80 Abs. 5 VwGO und § 34a Abs. 2 AsylG eröffnet gewesen.
15 
Sonstige Umstände, die im vorliegenden Verfahren einen Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner begründen könnten, sind weder vom Antragsteller geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.
16 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
17 
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
18 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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