Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 3 S 2668/18

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. September 2018 - 8 K 1072/17 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Flst.Nr. .... Das Grundstück ist mit einem Gebäude bebaut, das der Kläger nach seinen Angaben teilweise als Pension nutzt und teilweise zu gastronomischen Zwecken verpachtet. Das Grundstück grenzt nach Norden an den von der Talstraße abzweigenden Mühlweg. Auf der gegenüber liegenden Seite des Mühlwegs folgt das 1.978 m2 große, unbebaute Grundstück Flst.Nr. ..., an das sich weiter nach Norden das von dem Schlittenbach, einem Nebenfluss der Nagold, durchflossene Grundstück Flst.Nr. ... anschließt. Mit notariellem Vertrag vom 21.7.2016 verkauften die damaligen Eigentümer des Grundstücks, der Beigeladene und sein mittlerweile verstorbener Bruder, das Grundstück Flst.Nr. ... an den Kläger zum Preis von 20.000 EUR. Mit Bescheiden vom 23.9.2016 übte die Beklagte gegenüber dem Beigeladenen und seinem Bruder das Vorkaufsrecht an einer 480 m2 großen Fläche des Grundstücks aus. Zur Begründung führte sie aus, bei dem Schlittenbach handele es sich um ein Gewässer 2. Ordnung, das mit einer Länge von über 4,8 km und einem Einzugsgebiet von über 9,5 km2 kein Gewässer von lediglich wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung sei. Der Schlittenbach verlaufe durch eine Verdolung unter dem Flst.Nr. .... Ab dieser Verdolung am Ortsausgang von Calw-Stammheim fließe er dann größtenteils oberirdisch. Der Mühlweg führe mit einer 3,5 m breiten Brücke über den Bachlauf. Zwischen diesen beiden Bereichen verlaufe der Schlittenbach auf einer Länge von ca. 55 m entlang des Grundstücks Flst.Nr. ... in einem offenen Bachbett, sodass in diesem Bereich ein Gewässerrandstreifen liege. Der Gewässerrandstreifen habe eine Breite von 10 m, da sich das Grundstück im Außenbereich befinde. Das Vorkaufsrecht werde für die 480 m2 große Fläche ausgeübt, auf dem sich der Gewässerrandstreifen befinde. Der Erwerb sei zum Schutz des Gewässers gemäß § 29 Abs. 6 Satz 5 WG, zur ökologischen Entwicklung des Gewässerrandstreifens, sowie zur Erhaltung bzw. Verbesserung der ökologischen Funktionen des Gewässers erforderlich. Für eine natürliche Entwicklung des Bachunterlaufes und des gewässerbegleitenden Gehölzsaums sei eine bachbegleitende Randstreifenfläche erforderlich, die nachhaltig entwickelt und bewirtschaftet werden müsse. Derzeit sei die Vegetation nicht standortgerecht und die Nutzung reiche beinahe bis an die Böschungsoberkante heran. Es müsse ein Pufferstreifen zur Verminderung des Nährstoffeintrags in das Gewässer geschaffen werden. Durch den Erwerb der Teilfläche könne sie, die Beklagte, entsprechende Maßnahmen zum Schutz des öffentlichen Gewässers ergreifen.
Der Kläger hat nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens am 3.2.2017 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 23.9.2016 sowie den Widerspruchsbescheid vom 30.12.2017 aufzuheben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach Einnahme eines Augenscheins mit Urteil vom 18.9.2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach § 29 Abs. 6 Satz 1 stehe dem Land oder der Gemeinde als Träger der Unterhaltslast ein Vorkaufsrecht an Grundstücken zu, auf denen sich Gewässerrandstreifen zu öffentlichen Gewässern befänden. Das sei hier der Fall. Bei dem Schlittenbach handele es sich um ein oberirdisches Gewässer im Sinne des § 3 Nr. 1 WHG, das nicht nur von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung sei. Als Trägerin der Unterhaltungslast an dem Gewässer, stehe danach der Beklagten ein Vorkaufsrecht zu, das sie mit dem angefochtenen Bescheid rechtmäßig ausgeübt habe.
II.
Der offenbar auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
1. Der vom Kläger angefochtene Bescheid der Beklagten stützt sich auf § 29 Abs. 6 WG. Danach steht dem Land oder der Gemeinde als Träger der Unterhaltungslast ein Vorkaufsrecht an Grundstücken zu, auf denen sich Gewässerrandstreifen zu öffentlichen Gewässern befinden (Satz 1). Befindet sich der Gewässerrandstreifen nur auf einem Teil des Grundstücks, so erstreckt sich das Vorkaufsrecht nur auf diese Teilfläche (Satz 2). Das Vorkaufsrecht darf nur ausgeübt werden, wenn dies zum Schutz des öffentlichen Gewässers erforderlich ist (Satz 5).
Gewässerrandstreifen dienen nach § 38 Abs. 1 WHG der Erhaltung und Verbesserung der ökologischen Funktionen oberirdischer Gewässer, der Wasserspeicherung, der Sicherung des Wasserabflusses und der Verminderung von Stoffeinträgen aus diffusen Quellen. Zu den ökologischen Funktionen oberirdischer Gewässer gehört dabei auch die Funktion des Gewässers als Bestandteil des Naturhaushalts und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Mit Blick auf diese Vorschrift ist die Ausübung des Vorkaufsrechts an Grundstücken, auf denen sich Gewässerrandstreifen zu öffentlichen Gewässern befinden, als im Sinne des § 29 Abs. 6 Satz 5 WG zum Schutz des Gewässers erforderlich anzusehen, wenn in dem konkret betroffenen Gewässerabschnitt Defizite im Hinblick auf eine dieser Funktionen bestehen und erwartet werden kann, dass sich durch die Ausübung des Vorkaufsrechts insoweit Verbesserungen ergeben.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts weist der Gewässerrandstreifen in dem konkret betroffenen Abschnitt des Schlittenbachs Defizite in dem genannten Sinn auf. Nach dem Ergebnis des von der Kammer eingenommenen Augenscheins befinde sich auf dem überwiegenden Teil des streitgegenständlichen Grundstücks eine Wiese, die bis an die Böschungskante reiche. Nur im östlichen Teil des Grundstücks, wo der Schlittenbach aus dem „Tunnel“ austrete, seien Ufergehölze vorhanden. Aufgrund des Heranreichens der bewirtschaften Wiesenfläche bis unmittelbar an den Schlittenbach erfülle der Gewässerrandstreifen nicht seine Abstands- und Pufferfunktion. Düngemittel oder Gülle könnten so bei unpräziser Ausbringung, durch Windeintrag oder Oberflächenabfluss direkt in das Gewässer gelangen. Auch sei die Uferböschung aufgrund des fast vollständigen Fehlens von Ufergehölzen besonders anfällig für Erosionen und bietet keinerlei Schutz für das Gewässer vor Sonneneinstrahlung. Schließlich werde durch die Bewirtschaftung des Grundstücks bis an die Uferkante die Habitatfunktion des Gewässerrandstreifens beeinträchtigt. Die Überführung des Gewässerrandstreifens in das Eigentum der Beklagten sei geeignet, diese Defizite zu beheben.
Die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts werden vom Kläger in der Begründung seines Zulassungsantrags nicht bestritten. Er hält die Ausübung des Vorkaufsrechts gleichwohl nicht für zum Schutz des Schlittenbachs erforderlich, weil die Beklagte kein konkretes Konzept für den Schlittenbach im Hinblick auf die Entwicklung eines Gewässerrandstreifens habe und ein solches Konzept auch nicht denkbar sei, da sich der einzige offene Bereich des Schlittenbachs auf wenige Meter beschränke.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Nach der Sitzungsniederschrift hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt, die Stadt habe inzwischen das westlich des Grundstücks Flst.Nr. ... liegende Grundstück erwerben können, dessen gärtnerische Nutzung bis an die Uferböschung reiche. Man habe dem (bisherigen) Grundstückseigentümer zwei weitere Jahre Nutzungszeit eingeräumt. Danach werde mit der Entwicklung des Gewässerrandstreifens begonnen. Mehr ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht erforderlich. § 29 Abs. 6 Satz 5 WG macht die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht vom Vorliegen eines „übergreifenden“ Entwicklungskonzepts abhängig. Als ausreichend ist vielmehr anzusehen, wenn von dem Träger der Unterhaltungslast in dem von dem Vorkaufsrecht betroffene Teilabschnitt des Gewässers Maßnahmen zur Verbesserung des bestehenden Zustands angestrebt werden. Detaillierter Pläne bedarf es dazu nicht. Vorkaufsfälle sind in aller Regel weder beeinflussbar noch vorhersehbar. Bereits fertig ausgearbeitete Pläne ohne konkrete Aussicht einer Realisierung, können daher nicht verlangt werden (VG Sigmaringen, Urt. v. Urt. v. 18.11.2016 - 6 K 2177/14 - juris Rn. 36; s. auch Gellermann: in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 66 WHG Rn. 20; Fischer-Hüftle, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl., § 66, Rn. 34; Kraft, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl., § 66, Rn. 17 zum Vorkaufsrecht gemäß § 66 BNatSchG).
Die Annahme, das Vorkaufsrecht sei zum Schutz des Gewässers erforderlich, wird entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht durch den von ihm angeführten Umstand gehindert, dass der Schlittenbach teilweise verdolt ist. Nach den Feststellungen, die das Verwaltungsgericht bei der Einnahme des Augenscheins getroffen hat, tritt der Schlittenbach auf dem Grundstück Flst.Nr. ... zu Tage und verläuft danach - mit Ausnahme des kurzen Bereichs, in dem er von dem Mühlweg überquert wird - in einem offenen Gewässerbett. Dafür, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht dem ihm zugedachten Zweck erfüllen kann, ist danach nichts zu erkennen.
10 
Die weiteren Ausführungen des Klägers zu der Frage der Erforderlichkeit sind unverständlich. Das Verwaltungsgericht hat nicht angenommen, dass die geplante Bebauung eines Grundstücks ein Vorkaufsrecht begründe. Die von ihm angenommene Absicht des Klägers, auf dem Grundstück Flst.Nr. ... einen Parkplatz anzulegen, hat es vielmehr nur im Zusammenhang mit der - von ihm verneinten - Frage erwähnt, ob es statt der Ausübung des Vorkaufsrechts ein milderes, aber gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des von der Beklagten mit ihrem Bescheid verfolgten Zwecks gibt.
11 
2. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 WG ist der Gewässerrandstreifen im Außenbereich 10 m und im Innenbereich 5 m breit. Das Verwaltungsgericht hat vor diesem Hintergrund angenommen, der Gewässerrandstreifen auf dem Grundstück Flst.Nr. ... habe eine Breite von 10 m, da das Grundstück im Außenbereich liege. Die vereinzelte Bebauung auf den Grundstücken Flst.Nr. Nr. ..., ..., ... und ... sowie der auf den Grundstücken Flst.Nr. ..., ... und ... vorhandene Campingplatz seien weder von solch einem Gewicht, dass sie einen Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildeten noch entstehe durch die verstreute Bebauung der Eindruck der Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit. Das Grundstück sei auch kein Teil des Bebauungszusammenhangs des nördlich gelegenen Ortskerns von Stammheim, von dem das Grundstück durch landwirtschaftliche Flächen sowie die Talstraße getrennt sei.
12 
Gegen diese Ausführungen bestehen entgegen der Ansicht des Klägers ebenfalls keinen Bedenken. Nach den bei den Akten befindlichen Luftaufnahmen steht das Grundstück Flst.Nr. ... in keinem Zusammenhang mit der südöstlich gelegenen, den erwähnten Campingplatz einschließenden Bebauung. Ob es sich bei dieser Bebauung um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne des § 34 BauGB handelt, kann danach dahinstehen. Ein Zusammenhang mit der über 100 m entfernten, zu Stammheim gehörenden Bebauung im Norden besteht ebenfalls nicht. Das Grundstück liegt danach unzweifelhaft im Außenbereich. Der Umstand, dass das Grundstück nach der Darstellung des Klägers auf drei Seiten von Grundstücken umgeben ist, die sich im Geltungsbereich eines Bebauungsplans befinden, vermag daran nichts zu ändern, da es für die Frage, ob ein Grundstück Teil des Bebauungszusammenhangs ist, ausschließlich auf die tatsächliche vorhandene Bebauung und andere optisch wahrnehmbare Verhältnisse ankommt.
13 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
14 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 9.6.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und folgt der von den Beteiligten nicht beanstandeten Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts.
15 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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