Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - A 3 S 2890/18

Tenor

Auf Antrag der Beklagten wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 31. Oktober 2018 - A 1 K 7806/16 - zugelassen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung über die Berufung vorbehalten.

Gründe

 
Der auf § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG gestützte Antrag der Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, ist zulässig und begründet.
1. Der Zulässigkeit des Berufungszulassungsbegehrens steht - anders als vom Kläger geltend gemacht - insbesondere nicht entgegen, dass die Beklagte innerhalb der einmonatigen Antragsfrist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG nur einen Zulassungsantrag in Form eines nicht qualifiziert signierten elektronischen Dokuments beim Verwaltungsgericht eingereicht hat.
Die Wahrung bzw. - was hier offenbleiben kann - Ersetzung der Schriftform nach § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO (hier i. V. mit § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO) durch ein elektronisches Dokument i. S. von § 55a Abs. 1 VwGO (vgl. zum Meinungsstand Ulrich, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand September 2018, RdNr. 19 zu § 55a; vgl. auch Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, RdNr. 3 zu § 55a) setzt nach 55a Abs. 3 VwGO voraus, dass das (elektronische) Dokument entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird. Als sichere Übermittlungswege werden in § 55a Abs. 4 unter genauer bezeichneten weiteren Voraussetzungen die Kommunikation zwischen dem Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos (Nr. 1), dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach - beA - (Nr. 2) sowie dem besonderen elektronischen Behördenpostfach - beBPo - (Nr. 3) einerseits und dem elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach - EGVP - andererseits zugelassen. § 55a Abs. 4 Nr. 4 VwGO eröffnet dem Verordnungsgeber darüber hinaus die Möglichkeit, weitere solcher Übermittlungswege zu benennen und damit die elektronische Kommunikation mit Zustimmung des Bundesrates zukünftigen technischen Entwicklungen zeitnah anzupassen (vgl. Schmitz, in: BeckOK, VwGO, Stand 1.1.2019, RdNr. 18 zu § 55a).
Zwar weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass die Privilegierung des § 55 Abs. 4 VwGO bei der Verwendung des besondere elektronische Anwaltspostfach nach überwiegender Meinung allein dem Versand von Dokumenten durch den nutzungsberechtigten Anwalt persönlich zu Gute kommt (so Hoppe, a. a. O., RdNr. 16 zu § 55a; vgl. zum Meinungsstand, aber wohl a. A. Schmieder/Liedy, Der Versand durch Dritte aus dem beA ohne qualifizierte Signatur, NJW 2018, 1640; vgl. auch den vom Kläger zit. Hinweis d. ArbG Lübeck v. 10.10.2018 - 6 Ca 2050/18 - https://www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/ LAG/Presse/PI/prm 818.html sowie MMR-Aktuell 2018, 412684). Hierfür dürften insbesondere die von § 55 Abs. 4 Nr. 2 VwGO in Bezug genommenen Regelungen des § 31a BRAO i. V. mit der auf der Grundlage des § 31c BRAO erlassenen Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung (RAVPV) sprechen, wonach das besondere elektronische Anwaltspostfach personengebezogen eingerichtet wird (§ 31a Abs. 1 und 2 BRAO, § 21 Abs. 1 Satz 2 RAVPV) und der Postfachinhaber das Recht, nicht-qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, nicht auf andere Personen übertragen kann (§ 23 Abs. 3 Satz 5 RAVPV). Daher bedarf es im Falle eines durch Dritte vorgenommenen Versands von elektronischen Dokumenten über das besondere elektronische Anwaltspostfach nach 55a Abs. 3 VwGO wohl einer qualifizierten elektronischen Signatur des Rechtsanwalts.
Abweichend verhält es sich hingegen mit Blick auf die vorliegend in Rede stehende privilegierte Übermittlung von Dokumenten über das besondere elektronische Behördenpostfach nach § 55 Abs. 4 Nr. 3 VwGO. Denn die von § 55a Abs. 4 Nr. 3 VwGO in Bezug genommene, auf § 55a Abs. 2 Satz 2 VwGO beruhende Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) lässt in ihrem § 8 ausdrücklich zu, dass die Postfachinhaber, nämlich Behörden sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 6 Abs. 1 ERVV), natürlichen Personen Zugang zu ihrem einheitlichen besonderen elektronischen Behördenpostfach ermöglichen, und regelt die dabei zu beachtenden Anforderungen. Eine dem § 23 Abs. 3 Satz 5 RAVPV entsprechende Regelung findet sich in der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung nicht. Da die Postfachinhaber nur durch natürliche Personen handeln können, liefe die Privilegierung des § 55 Abs. 4 Nr. 3 VwGO andernfalls auch leer. Einer qualifizierten elektronischen Signatur bedarf es danach im Falle der von der Beklagten gewählten Übermittlung zwischen ihrem besonderen elektronischen Behördenpostfach und dem elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach nicht. Vielmehr genügt es, wenn das Dokument lediglich - wie hier - den Namen des Urhebers oder dessen eingescannte Unterschrift am Textende wiedergibt (vgl. Hoppe, a. a. O., RdNr. 14 zu § 55a; Ulrich, a. a. O., RdNr. 73 zu § 55a).
2. In der Sache liegt der von der Beklagten geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz i. S. des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG vor, da das Urteil von dem in dem Antrag bezeichneten Urteil des Senats vom 23.10.2018 - A 3 S 791/18 - (juris) abweicht und auf dieser Abweichung beruht.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger, einem am ... geborenen syrischen Staatsangehörigen, die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Es ist dabei davon ausgegangen, dass in Syrien der Wehrpflicht unterliegende Männer, die ohne Genehmigung der zuständigen Militärbehörden Syrien verlassen und sich im Ausland aufgehalten haben, im Falle der Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht. Wie die Beklagte in ihrem Antrag zutreffend dargelegt hat, steht diese Annahme im Widerspruch zu der im Urteil des Senats vom 23.10.2018 geäußerten gegenteiligen Auffassung. Der Tatbestand der Divergenz i. S. des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG ist damit gegeben. Der Umstand, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung das Urteil des Senats noch nicht berücksichtigen konnte, ändert daran nichts (vgl. Bergmann, in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, RdNr. 21 zu § 78 AsylG), da der Begriff der Abweichung in einem objektiven Sinn zu verstehen ist. Die Regelung in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG dient der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Darauf, ob die Abweichung dem Verwaltungsgericht bewusst und von ihm gewollt war, kommt es deshalb nicht an (vgl. zu § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., RdNr. 158 zu § 124; Happ, in: Eyermann, a. a. O, RdNr. 43 zu § 124).

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