Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 10 S 2025/18

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. August 2018 - 13 K 20045/17 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge auf jeweils 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin, eine am 14.11.2017 durch das Umweltbundesamt nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung, wendet sich gegen die vom Antragsgegner angeordnete sofortige Vollziehbarkeit einer der Beigeladenen im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG am 14.12.2016 erteilten und auf deren Antrag am 13.03.2017 öffentlich bekannt gemachten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von neun Windkraftanlagen des Typs Vestas V136 mit einer Nabenhöhe von 149 m, einem Rotordurchmesser von 136 m und einer Gesamthöhe von 217 m auf der Gemarkung Mittelfischbach und Geifertshofen der Gemeinden Obersontheim und Bühlerzell („Windpark Kohlenstraße Forst BW“).
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des von der Antragstellerin am 11.12.2017 erhobenen Widerspruchs abgelehnt hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Die in der Beschwerdebegründung innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine hiervon abweichende Entscheidung.
Die Einwendungen der Antragstellerin gegen die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts, der Eilrechtsantrag könne jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben, weil ihr Widerspruch verfristet sei, greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 14.12.2016 bei Eingang ihres Widerspruchs bereits bestandskräftig war. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin steht der Annahme einer Bekanntgabewirkung der durchgeführten öffentlichen Bekanntmachung nach allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften nicht der Geltungsvorrang des Bundesimmissionsschutzgesetzes oder der Neunten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über das Genehmigungsverfahren - 9. BImSchV) entgegen (nachfolgend 1.). Die Voraussetzungen für den Eintritt der Bekanntgabefiktion des § 41 Abs. 4 Satz 3 LVwVfG und damit den Lauf der Widerspruchsfrist sind erfüllt (nachfolgend 2.). Der Antragsgegner hat der öffentlichen Bekanntmachung auch keine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt (nachfolgend 3.). Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung schließlich weder den Amtsermittlungsgrundsatz noch den Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (nachfolgend 4.).
1. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 14.12.2016 wurde - was die Antragstellerin im Grundsatz nicht in Abrede stellt - zulässigerweise öffentlich bekannt gemacht (vgl. hierzu auch den Senatsbeschluss vom heutigen Tag im Parallelverfahren 10 S 1817/18). Für die Rechtswirkungen der öffentlichen Bekanntmachung hat das Verwaltungsgericht mangels spezialgesetzlicher Regelungen in §§ 19, 10 BImSchG oder § 21a der 9. BImSchV zutreffend § 41 LVwVfG herangezogen.
a) Im - hier durchgeführten - vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG sind u. a. die für das förmliche Genehmigungsverfahren geltenden Regelungen des § 10 Abs. 7 Satz 2 und 3 sowie Abs. 8 BImSchG über die öffentliche Bekanntmachung bzw. die Ersetzung der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung nicht anzuwenden (§ 19 Abs. 2 BImSchG). Anwendbar ist demgegenüber § 10 Abs. 7 Satz 1 BImSchG, wonach der Genehmigungsbescheid dem Genehmigungsantragsteller zuzustellen ist. Eine Zustellung an Dritte (§ 10 Abs. 7 Satz 1 Alt. 2 BImSchG) ist demgegenüber im vereinfachten Verfahren nicht zwingend vorgeschrieben, weil es dort mangels förmlicher Öffentlichkeitsbeteiligung an Personen fehlt, die - nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG - Einwendungen erheben könnten (vgl. Jarass, BImSchG, 12. Aufl., § 19 Rn. 18; Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 87. Ergl. 2018, § 19 Rn. 38 m. w. N.). Nach dem auch im vereinfachten Verfahren anwendbaren (Umkehrschluss aus § 24 der 9. BImSchV) § 21a Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV ist die Entscheidung über den Antrag - unbeschadet des § 10 Abs. 7 und 8 Satz 1 BImSchG - jedoch öffentlich bekannt zu machen, wenn das Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt wurde oder der Träger des Vorhabens dies - wie hier - beantragt.
b) Die öffentliche Bekanntmachung nach § 21a Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV hat nicht nur die Wirkung einer unverbindlichen Information der Öffentlichkeit, sondern sie bewirkt die Bekanntgabe des Genehmigungsbescheids (§ 41 LVwVfG), der die Geltung der Jahresfrist nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UmwRG ausschließt.
aa) (1) Die Rechtswirkungen der öffentlichen Bekanntmachung auf Antrag des Genehmigungsantragstellers gemäß § 21a Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV ergeben sich aus den Bestimmungen des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts. Das Landesverwaltungsverfahrensgesetz findet insoweit - subsidiär - Anwendung, weil es an einschlägigen spezialgesetzlichen Vorschriften im Bundes-Immissionsschutzgesetz oder der 9. BimSchV fehlt, die vorrangig angewendet werden müssten (vgl. allgemein zur subsidiären Anwendbarkeit des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts Dietlein a. a. O. § 19 Rn. 35 m. w. N.). Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber hat zur öffentlichen Bekanntmachung im vereinfachten Verfahren keine Vollregelung getroffen. Die öffentliche Bekanntmachung ist vielmehr nur für das förmliche Verfahren in § 10 Abs. 7 und 8 BImSchG abschließend geregelt. § 21a Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchG ordnet demgegenüber nur die entsprechende Anwendung eines Teils dieser abschließenden Regelung, nämlich der Vorschriften zum notwendigen Bekanntmachungsinhalt (§ 10 Abs. 8 Satz 2 BImSchG) sowie zu Gegenstand und Dauer der öffentlichen Auslegung (§ 10 Abs. 8 Satz 2 BImSchG), an und regelt ergänzend die zwingende Angabe von Ort und Zeit der Auslegung (§ 21a Abs. 1 Satz 3 der 9. BImSchV). Im Übrigen sind daher die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen anwendbar.
(2) Der Anwendung des § 41 Abs. 3 und 4 LVwVfG kann nicht entgegengehalten werden, dass die Zustellfiktion des § 10 Abs. 8 Satz 5 BImSchG gemäß § 19 Abs. 2 BImSchG im vereinfachten Verfahren nicht gilt oder dieses bei Annahme einer fristauslösenden Wirkung gar gesetzeswidrig dem förmlichen Verfahren angenähert würde. Eine solche Sperrwirkung in Bezug auf die ergänzende Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts auf die öffentliche Bekanntmachung nach § 21a Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV lässt sich aus dem in § 19 Abs. 2 BImSchG geregelten Ausschluss der Anwendung des § 10 Abs. 7 Satz 2 und 3 sowie Abs. 8 BImSchG im vereinfachten Verfahren nicht ableiten (vgl. ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.09.2009 - 8 B 1343/09.AK - juris Rn. 57; VG Minden, Beschluss vom 22.05.2017 - 11 L 2085/16 - ZNER 2017, 226; VG Koblenz, Zwischenurteil vom 16.07.2015 - 4 K 118/15.KO - juris Rn. 50; Kerkmann, ZNER 2016, 38; a. A. VG Ansbach, Beschluss vom 30.11.2011 - AN 11 K 11.01826 - juris Rn. 41; Dietlein a. a. O. § 19 Rn. 39; Jarass a. a. O. § 19 Rn. 30; Kühling in Kotulla, BImSchG, 22. Ergl. 2017, § 19 Rn. 34; Roßnagel/Hentschel in Führ, GK-BImSchG, § 19 Rn. 62).
Der im vereinfachten Verfahren unanwendbare § 10 Abs. 7 und 8 BImSchG schreibt für das förmliche Verfahren - zusätzlich zur Zustellung an die Einwender oder ersatzweise - eine öffentliche Bekanntmachung zwingend vor. Dies dient in Umsetzung von Art. 4 Nr. 3 Buchst. b der Richtlinie 2003/35/EG (vgl. zur Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/2494, S. 26) und damit von Art. 6 Abs. 9 der Aarhus-Konvention der Information der beteiligten Öffentlichkeit über den Inhalt der Entscheidung. Eine solche obligatorische öffentliche Bekanntmachung ist im vereinfachten Verfahren, in dem eine Öffentlichkeitsbeteiligung nicht erfolgt und insbesondere keine öffentliche Bekanntmachung und Auslegung von Antrag und Unterlagen stattfindet (§ 19 Abs. 2 i. V. m. § 10 Abs. 2 bis 4, Abs. 6 BImSchG), naturgemäß nicht angezeigt. Da es dort keine Einwender gibt, an die der Genehmigungsbescheid nach § 10 Abs. 7 Satz 1 BImSchG zwingend zuzustellen wäre, fehlt es auch an einem Anknüpfungspunkt für eine Zustellwirkung der öffentlichen Bekanntmachung gegenüber Dritten, die keine Einwendungen erhoben haben (§ 10 Abs. 8 Satz 5 BImSchG). Der Verordnungsgeber hat in § 21a Abs. 1 der 9. BImSchV folgerichtig auf die Regelung einer Zustellwirkung für die Fälle verzichtet, in denen nicht § 10 Abs. 7 Satz 2 und Abs. 8 Satz 1 BImSchG zur Anwendung kommt und eine öffentliche Bekanntmachung deswegen unabhängig von einem Antrag des Genehmigungsantragstellers erfolgen muss („unbeschadet“).
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In der Anordnung der Nichtanwendbarkeit der Regelungen zur zwingenden öffentlichen Bekanntmachung erschöpft sich auch die Regelungswirkung des § 19 Abs. 2 BImSchG. Diese steht damit weder einer öffentlichen Bekanntmachung auf Antrag des Genehmigungsantragstellers nach § 21a Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV noch der sich aus § 41 Abs. 4 Satz 3 LVwVfG ergebenden Bekanntgabewirkung entgegen. Ebenso wenig bedarf die subsidiäre Geltung des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes einer ausdrücklichen spezialgesetzlichen Anordnung. Sie ergibt sich vielmehr aus dessen allgemeinem Anwendungsbereich (§ 1 Abs. 1 LVwVfG).
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(3) Der Anwendung der allgemeinen Regeln zur öffentlichen Bekanntgabe steht schließlich auch kein erkennbar entgegenstehender Wille des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers entgegen. So wurde zwar eine zunächst auch in § 21a der 9. BImSchV vorgesehene Zustellfiktion entsprechend der der Bestimmung des § 10 Abs. 8 Satz 5 BImSchG (vgl. BR-Drs. 494/91, S. 29, 81) im Normgebungsverfahren gestrichen und zur Begründung neben systematischen Erwägungen auf die Möglichkeit des Betreibers hingewiesen, eine gesicherte Rechtsstellung durch die - ggf. durch eine Optierung für das förmliche Verfahren gemäß § 19 Abs. 3 BImSchG erreichbare - materielle Präklusion (§ 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG) zu erhalten (BR-Drs. 494/1/91, S. 28). Damit hat sich der Normgeber aber allein gegen eine - aus den genannten Gründen systemwidrige - Zustellungsfiktion ausgesprochen. Aussagen zu den Rechtswirkungen der gemäß § 24 der 9. BImSchV für das vereinfachte Verfahren ansonsten gerade nicht ausgeschlossenen öffentlichen Bekanntmachung lassen sich dem jedoch nicht entnehmen (vgl. hierzu Kerkmann, ZNER 2016, 38, 39 f.). Insbesondere fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass der Regelung des § 21a Abs. 1 der 9. BImSchV nur eine reine Informationsfunktion zukommen sollte. Hiergegen spricht bereits deren Wortlaut, der sowohl in der amtlichen Überschrift als auch im Normtext ausdrücklich von einer öffentlichen Bekanntmachung spricht und damit ersichtlich auf die Bekanntgabe des Genehmigungsbescheids abzielt. Von einer „Rosinenpickerei“ des Genehmigungsantragstellers kann insoweit nicht die Rede sein, wenn er von der ihm durch die 9. BImSchV eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, die Rechtsmittelfrist für jedermann durch öffentliche Bekanntmachung in Gang zu setzen, ohne auf die Vorteile des vereinfachten Verfahrens verzichten zu müssen.
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bb) Die entgegen der Auffassung der Antragstellerin so zu verstehende Regelung des § 21a Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV stellt ferner eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Durchführung einer öffentlichen Bekanntgabe des Genehmigungsbescheids dar. Nach § 41 Abs. 3 Satz 1 LVwVfG darf ein Verwaltungsakt öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Rechtsvorschriften in diesem Sinne sind nicht nur förmliche Gesetze wie die - hier nicht anwendbaren - Bestimmungen der § 10 Abs. 7 Satz 2 und 3 sowie Abs. 8 BImSchG, sondern auch Gesetze im materiellen Sinne und damit auch Rechtsverordnungen wie die 9. BImSchV (vgl. Ruffert in Knack/Henneke, VwVfG, 10. Aufl., § 41 Rn. 51).
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cc) Gegen die Anwendung der Bekanntgabefiktion des § 41 Abs. 4 Satz 3 LVwVfG bestehen schließlich auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit die Antragstellerin meint, die Ingangsetzung der Rechtsbehelfsfrist durch öffentlichen Bekanntmachung sei mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes „kaum zu vereinbaren“, fehlt es an der schlüssigen Darlegung einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. So zeigt die Beschwerdebegründung weder auf, worin konkret sie einen Gleichheitsverstoß sieht, noch, dass und inwieweit die Möglichkeiten effektiven Rechtsschutzes durch die öffentliche Bekanntgabe - gerade für sie als anerkannte Umweltvereinigung - unzumutbar beeinträchtigt würden. Eine „prohibitive Wirkung“ der Bekanntgabefiktion vermag der Senat nicht zu erkennen. Auch aus der vom Gesetz gewünschten Sachverstandspartizipation von Umwelt- und Naturschutzvereinigungen kann die Antragstellerin insoweit nichts Konkretes ableiten, was der Anwendung der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelung zur Bekanntgabewirkung der öffentlichen Bekanntmachung verfassungsrechtlich entgegenstehen könnte.
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2. Die Fiktionswirkung des § 41 Abs. 4 Satz 3 LVwVfG ist vorliegend eingetreten. Aufgrund der am 13.03.2017 erfolgten öffentlichen Bekanntmachung gilt der Genehmigungsbescheid vom 14.12.2016 nach zwei Wochen, d. h. am 27.03.2017, als bekannt gegeben (§ 31 Abs. 1 LVwVfG i. V. m. § 188 Abs. 2, § 187 Abs. 1 BGB).
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a) Der Antragsgegner hat den Genehmigungsbescheid entgegen der Auffassung der Antragstellerin mit dem notwendigen Bekanntgabewillen öffentlich bekannt gemacht. Hierfür genügt es, dass der Bescheid dem Adressaten, hier der Öffentlichkeit, mit Wissen und Wollen der Behörde eröffnet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.02.2015 - 7 C 11.12 - NVwZ 2015, 1070 Rn. 14; Urteil vom 18.04.1997 - 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301 m. w. N.). Hieran können ernstlich keine Zweifel bestehen, weil das Landratsamt den Bescheidtenor mit Rechtsbehelfsbelehrung gerade zu dem Zweck auf die Internetseite des Landkreises eingestellt und hierauf in zwei Tageszeitungen hingewiesen hat, den Genehmigungsbescheid damit dem Antrag der Beigeladenen nach § 21a Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV entsprechend öffentlich bekannt zu machen. Welche rechtlichen Schlüsse die Behörde später in Bezug auf den Eintritt der Bestandskraft des Genehmigungsbescheids gezogen und warum sie am 19.10.2017 einen Teilabhilfebescheid (Ergänzung einer Nebenbestimmung zum sog. Gondelmonitoring) erlassen hat oder mit welcher Abgabenachricht sie die Widersprüche anderer Verbände an die Widerspruchsbehörde abgegeben hat, ist für die Frage des - hier zweifelsfrei gegebenen - Bekanntgabewillens unerheblich.
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b) aa) Die öffentliche Bekanntmachung ist auch fehlerfrei erfolgt. Das Landrats-amt hat den verfügenden Teil des Genehmigungsbescheids und die diesem beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung einschließlich des notwendigen Hinweises auf Auflagen veröffentlicht (§ 21a Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV i. V. m. § 10 Abs. 8 Satz 2 BImSchG) sowie auch die Auslegungsorte und die Dauer der Auslegung angegeben (§ 21a Abs. 1 Satz 3 der 9. BImSchV). In Bezug auf die Auflagen und sonstigen Nebenbestimmungen (vgl. insoweit Czajka in Feldhaus, BImSchG, 201. Ergl. 2018, § 10 Rn. 93a; Roßnagel/Hentschel a. a. O. § 10 Rn. 460) genügte dabei der ausdrückliche Hinweis auf die Tatsache, dass der Bescheid mit Nebenbestimmungen verbunden ist. Eine Verpflichtung zur Veröffentlichung kursorischer oder auch nur stichwortartiger Angaben zum jeweiligen Inhalt bzw. Gegenstand der Nebenbestimmungen in der öffentlichen Bekanntmachung besteht - auch mit Blick auf die mit ihr bezweckte Anstoßfunktion - nicht. Eine solche würde in Anbetracht des regelmäßigen Umfangs von Nebenbestimmungen zu immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen gerade auch bei der Zulassung von Windkraftanlagen wie hier (im konkreten Fall insgesamt 104 Nebenbestimmungen, vgl. S. 6 bis 23 des Genehmigungsbescheids) im Übrigen ersichtlich den Rahmen der öffentlichen Bekanntmachung sprengen und damit zudem der Anstoßfunktion der öffentlichen Bekanntmachung zuwiderlaufen.
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bb) Es ist ferner nicht zu beanstanden, dass die öffentliche Bekanntmachung auf der Internetseite des Landratsamts erfolgt ist und hierauf in zwei örtlichen Tageszeitungen nur hingewiesen worden ist. Gemäß § 21a Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV i. V. m. § 10 Abs. 8 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 BImSchG hat die Behörde die Bekanntmachung in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, zu veröffentlichen. Das Landratsamt verfügt über kein gedrucktes amtliches Veröffentlichungsblatt. Vielmehr erfolgen öffentliche Bekanntmachungen - ausschließlich - durch Bereitstellung auf der Internetseite des Landkreises (§ 1 Abs. 1 der Satzung des Landkreises Schwäbisch-Hall über die Form der öffentlichen Bekanntmachungen vom 25.10.2016). Dies steht im Einklang mit § 1 Abs. 1 Nr. 3 DVO LKrO, wonach öffentliche Bekanntmachungen des Landkreises, soweit wie hier keine sondergesetzlichen - speziell das Bekanntmachungsmittel bestimmenden - Regeln bestehen, durch Bereitstellung im Internet erfolgen können, und entspricht außerdem auch § 15 Abs. 1 EGovG. Die Veröffentlichung auf der Internetseite des Landkreises stellt damit gleichzeitig eine Bekanntmachung im amtlichen Veröffentlichungsblatt (§ 10 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 BImSchG) und im Internet (§ 10 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 Alt. 1 BImSchG) dar. Das Landratsamt konnte sich deswegen ermessensfehlerfrei darauf beschränken, in örtlich verbreiteten Tageszeitungen auf die öffentliche Bekanntmachung im Internet nur hinzuweisen, um deren Anstoßwirkung zu erhöhen. Denn hierdurch wird ein größerer Kreis an Bürgern angesprochen und ihm ermöglicht, die Bekanntmachung unschwer aufzufinden (vgl. insoweit auch BayVGH, Beschluss vom 26.03.2014 - 22 CS 14.471 - juris Rn. 19). Der Hinweis trägt damit dem Umstand Rechnung, dass trotz der mittlerweile weiten Verbreitung von Internetzugängen nicht jeder Bürger regelmäßig die Internetseiten der Genehmigungsbehörden einsieht (vgl. hierzu Roßnagel/Hentschel a. a. O. § 10 Rn. 253 m. w. N.), wobei umgekehrt freilich auch nicht von einer allgemeinen oder auch nur besseren Verbreitung örtlicher Tageszeitungen im Vergleich zum Internet ausgegangen werden kann. Bei alldem ist schließlich zu berücksichtigen, dass § 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG eine kumulative Veröffentlichung im Internet und in örtlichen Tageszeitungen nicht vorschreibt, was der mit der Ermöglichung der Internetveröffentlichung bezweckten Verwaltungsvereinfachung im Grundsatz auch zuwiderliefe (vgl. insoweit Czajka a. a. O. § 10 Rn. 37a). Dass das Ermessen des Antragsgegners hinsichtlich einer zusätzlichen Veröffentlichung der Bekanntmachung in örtlichen Tageszeitungen auf null reduziert gewesen wäre, wie die Antragstellerin meint, liegt vor diesem Hintergrund fern.
18 
3. Die öffentliche Bekanntmachung setzte schließlich auch den Lauf der einmonatigen Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Gang, die ausgehend von der fingierten Bekanntgabe am 27.03.2017 mit Ablauf des 27.04.2017 endete (§ 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO und § 188 Abs. 2, § 187 Abs. 1 BGB), so dass der von der Antragstellerin erst am 11.12.2017 erhobene Widerspruch verfristet war.
19 
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die dem Genehmigungsbescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung den gesetzlichen Vorgaben des § 58 Abs. 1 VwGO entspricht. Im Rahmen der öffentlichen Bekanntmachung ist neben dem verfügenden Teil die Rechtsbehelfsbelehrung zu veröffentlichen, die dem bekannt gemachten Genehmigungsbescheid beigefügt war (§ 21a Abs. 2 der 9. BImSchV i. V. m. § 10 Abs. 8 Satz 2 BImSchG). Die Rechtsbehelfsbelehrung zum Genehmigungsbescheid nimmt für den Fristbeginn auch zutreffend auf die - gemäß § 19 Abs. 2 i. V. m. § 10 Abs. 7 Satz 1 BImSchG - erfolgte Zustellung an die Beigeladene Bezug und war deswegen weder unzureichend noch unzutreffend oder irreführend und damit nicht unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
20 
Über den durch die öffentliche Bekanntmachung ausgelösten Fristbeginn für Dritte wie die Antragstellerin, denen gegenüber die Bekanntgabefiktion des § 41 Abs. 4 Satz 3 LVwVfG eingreift, musste demgegenüber nicht gesondert belehrt werden. Dies folgt schon daraus, dass Erläuterungen zum Beginn der Rechtsbehelfsfrist nicht zu dem nach § 58 Abs. 1 VwGO notwendigen Belehrungsinhalt gehören (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.1990 - 8 C 70.88 - NJW 1991, 508; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2018 - 8 S 1294/17 - VBlBW 2018, 324 m. w. N.). Eine solche Belehrung ist mit der öffentlichen Bekanntmachung auch nicht erfolgt, sondern der Antragsgegner hat mit dem Abdruck der (Original-)Rechtsbehelfsbelehrung lediglich der gesetzlichen Vorgabe genügt. Eine Irreführung der Adressaten der öffentlichen Bekanntmachung kann darin von vornherein nicht gesehen werden. Ein solcher irreführender Charakter wohnt dem Bekanntmachungstext nach dem objektiven Empfängerhorizont auch nicht inne. Einen gesonderten Hinweis auf den Eintritt der durch die öffentliche Bekanntmachung ausgelösten Bekanntgabefiktion schreibt § 41 Abs. 4 LVwVfG demgegenüber nicht vor (vgl. hierzu näher den Senatsbeschluss vom heutigen Tag im Parallelverfahren 10 S 1817/18).
21 
4. Das Verwaltungsgericht hat schließlich weder den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt noch stellt der angegriffene Beschluss eine Überraschungsentscheidung dar oder ist er sonst unter Verletzung des Anspruchs der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art.103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) ergangen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts konnte die Antragstellerin schon deswegen nicht überraschen, weil die Frage der Zulässigkeit ihres Widerspruchs bereits im erstinstanzlichen Verfahren zwischen den Beteiligten im Streit stand und die Beigeladene dessen Verfristung mit Schriftsatz vom 26.02.2018 ausdrücklich eingewandt hat. Hierzu hatte die Antragstellerin bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 10.08.2018 ersichtlich ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme. Da eine Fehlerhaftigkeit der öffentlichen Bekanntmachung bzw. der darin veröffentlichten Rechtsbehelfsbelehrung im erstinstanzlichen Verfahren nicht geltend gemacht worden war, musste sich das Verwaltungsgericht insoweit auch nicht zu weiteren Ermittlungen über den Inhalt der Behördenakte hinaus veranlasst sehen. Denn darin war sowohl die E-Mail-Korrespondenz mit dem Webmaster des Landrats-amts und den auslegenden Gemeindeverwaltungen als auch die im Haller Tageblatt und der Gaildorfer Rundschau erfolgten Hinweisveröffentlichungen enthalten, die unter diesen Umständen ausreichende Rückschlüsse auf den Inhalt der öffentlichen Bekanntmachung zuließen.
III.
22 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nach § 162 Abs. 3 VwGO der Antragstellerin aufzuerlegen, weil die Beigeladene einen Sachantrag gestellt und damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ein Prozessrisiko übernommen hat.
23 
Die Streitwertfestsetzung und -änderung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Empfehlungen in den Nummern 1.5, 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt z. B. in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, unter § 163). Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Hauptsachestreitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von Windkraftanlagen hälftig zu reduzieren (vgl. Senatsbeschluss vom 20.07.2018 - 10 S 2378/17 - juris Rn. 31 m. w. N.).
24 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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