Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 2 S 1463/19

Tenor

Auf die Anträge der Kläger und des Beklagten wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. Mai 2019 - 2 K 4494/18 - zugelassen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung über die Berufung vorbehalten.

Gründe

Die Anträge der Kläger und des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 06.05.2019 haben Erfolg.
I. Mit diesem Urteil hat das Verwaltungsgericht auf die Anfechtungsklage der Kläger die Bescheide des Beklagten vom 06.11.2017 und 21.11.2017 aufgehoben, mit denen dieser die Kläger zum Ersatz der Kosten für die Erneuerung des Trinkwasseranschlusses ihres Grundstücks herangezogen hatte. Die Anfechtungsklage der Kläger gegen die Verfügung des Beklagten vom 20.09.2017, mit der dieser die Erneuerung des Trinkwasseranschlusses des Grundstücks der Kläger und die Art und Weise der Verlegung dieses Anschlusses angeordnet hatte, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 27.12.2018 ihre Klage um den Antrag erweitert hatten, den Beklagten zu verurteilen, ihnen die Kosten für die von ihnen nach der Erneuerung des Trinkwasseranschlusses vorgenommene Verlegung von Leitungen auf ihrem Grundstück in Höhe von 2.306,55 EUR einschließlich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.04.2018 zu bezahlen, hat das Verwaltungsgericht die Klage ebenfalls abgewiesen.
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die mit Schriftsatz vom 27.12.2018 erfolgte Klageerweiterung sei unzulässig. Denn die Zulassung der Klageerweiterung würde eine unzulässige Umgehung des Aufrechnungsverbotes nach § 3 Abs. 1 Nr. 5a KAG i.V.m. § 226 Abs. 3 ZPO (gemeint ist § 226 Abs. 3 AO) bedeuten. Die Unzulässigkeit der Klageerweiterung stelle die Kläger nicht rechtsschutzlos, da sie in einem noch anhängig zu machenden Zivilprozess ihre Gegenforderung geltend machten könnten.
Die Anschlussverfügung des Beklagten vom 20.09.2017 sei auf der Rechtsgrundlage des § 11 Abs. 1 Satz 1 GemO i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 Satz 3 und § 11 Abs. 1 Satz 1 der Wasserversorgungssatzung des Beklagten in der maßgeblichen Fassung vom 05.12.2017 (im Folgenden: Wasserversorgungssatzung - WVS -) rechtmäßig.
Rechtswidrig seien allerdings die Kostenersatzbescheide vom 06.11.2017 und 21.11.2017. Zwar könne die Kostenerstattungsforderung dem Grunde nach auf eine wirksame Ermächtigungsgrundlage gestützt werden. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 KAG könnten die Gemeinden durch Satzung bestimmen, dass ihnen die Kosten für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie für die Unterhaltung der Haus- oder Grundstücksanschlüsse an Versorgungsleitungen und Abwasserbeseitigungsanlagen zu ersetzen seien. Von dieser Ermächtigung habe der Beklagte in § 15 WVS Gebrauch gemacht. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 WVS seien nicht nur Grundstücksanschlüsse, sondern die gesamten Hausanschlüsse ausschließlich von dem Beklagten herzustellen oder zu ändern. Der Beklagte habe also in einem ersten Schritt die Handlungspflicht für die Herstellung und Änderung der genannten Anschlüsse übernommen. In einem weiteren Schritt habe er in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WVS bestimmt, dass ihm von dem Grundstückseigentümer die Kosten der Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung eines Hausanschlusses zu erstatten seien.
Die Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage für eine Heranziehung der Kläger lägen hier auch dem Grunde nach vor. Der Beklagte habe die Hausanschlussleitung der Kläger erneuert. Zwar werde die Notwendigkeit dieser Erneuerung durch die Kläger bestritten, die darauf abstellten, dass es zum „Abklemmen“ der bisherigen Hausanschlussleitung allein durch das Handeln eines vom Beklagten beauftragten Tiefbauunternehmers gekommen sei. Da aber im März 2017 kein funktionierender Hausanschluss mehr bestanden habe, könne die Notwendigkeit diesen zu erneuern, dem Grunde nach nicht in Frage gestellt werden.
Auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Leistungserbringung im Interesse des Grundstückseigentümers sei erfüllt. Zwar hätten die Kläger der Art und Weise der Herstellung des Anschlusses widersprochen und gegen die Anschlussverfügung Widerspruch erhoben. Die vom Beklagten gewählte Variante bringe den Klägern aber einen doppelten Nutzen. Anders als bislang hätten sie nunmehr einen rechtssicheren Anschluss; auch wiesen die Leitungen dieses Anschlusses keine möglicherweise gesundheitsgefährdenden Bleimuffen mehr auf. Das Grundstück der Kläger habe durch den verbesserten Anschluss zudem eine nicht unerhebliche Wertsteigerung erfahren.
Dass der vom Beklagten beauftragte Tiefbauunternehmer den bisherigen Anschluss des Grundstücks der Kläger zerstört habe, sei unbeachtlich. Hätte er dies nicht getan, aber den Beklagten über die Lage und den Zustand des bisherigen Anschlusses der Kläger informiert, wäre der Beklagte ebenfalls berechtigt gewesen, diesen Anschluss zu erneuern.
Für einen Anspruch auf Kostenerstattung fehle dem Beklagten derzeit allerdings die Möglichkeit, einen Kostenersatz der Höhe nach festzusetzen. § 42 Abs. 1 Satz 4 KAG eröffne dem Beklagten die beiden gleichrangigen Alternativen, die ihm entstandenen Kosten für die Erneuerung eines Anschlusses in tatsächlicher Höhe oder nach Einheitssätzen geltend zu machen. Nach ganz überwiegender Meinung müsse die Satzung die Berechnungsmethode regeln und dürfe dies nicht der Verwaltung überlassen. Der Beklagte mache zwar geltend, er habe dem Rechnung getragen, indem § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WVS bestimme, dass ihm vom Grundstückseigentümer „die Kosten der Erneuerung der notwendigen Hausanschlüsse“ zu erstatten seien, und dies könnten schon dem Wortlaut nach nur die tatsächlich angefallenen Kosten sein, da andernfalls eine Bestimmung zu den Einheitssätzen in die Satzung hätte aufgenommen werden müssen.
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Dem sei jedoch nicht zu folgen. Denn auch im Falle der Heranziehung von Eigentümern nach Einheitssätzen würden „die Kosten“ der Erneuerung eines Anschlusses geltend gemacht. Der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WVS lasse somit nicht hinreichend erkennen, dass sich der Satzungsgeber bewusst für eine der beiden gesetzlich vorgesehenen Berechnungsmethoden entschieden habe. Die Angabe, der Beklagte habe das vom Gemeindetag vorgeschlagene Satzungsmuster verwendet, das nach den Erläuterungen (BWGZ 1996, 642, 668) eine bewusste Entscheidung zugunsten der tatsächlich angefallenen Kosten getroffen habe, vermöge daran nichts zu ändern. Denn der Wortlaut der Wasserversorgungssatzung sei gleichwohl nicht hinreichend klar, so dass diese derzeit in dieser Hinsicht unwirksam sei.
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II. Auf die Anträge der Kläger (dazu 1.) und des Beklagten (dazu 2.) ist die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen.
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1. Der zwar nicht ausdrücklich, jedoch der Sache nach auf einen Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), gestützte Zulassungsantrag der Kläger ist zulässig und begründet.
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a) Dem Zulassungsantrag der Kläger, mit dem diese ausschließlich beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die mit Schriftsatz vom 27.12.2008 erfolgte Klageerweiterung als unzulässig erachtet und die nachtäglich geltend gemachte Leistungsklage aus diesem Grunde abgewiesen hat, steht nicht § 91 Abs. 3 VwGO entgegen. Danach ist die Entscheidung, dass eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, nicht selbständig anfechtbar.
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aa) Die Kläger haben ihre Klage gemäß § 91 Abs. 1 VwGO geändert, indem sie mit Schriftsatz vom 27.12.2008 zusätzlich zu den bereits gestellten Anfechtungsanträgen gegen die Anschlussverfügung des Beklagten und dessen Kostenerstattungsbescheide einen Leistungsantrag auf Zahlung von 2.306,55 EUR geltend gemacht haben. Eine Klageerweiterung ist eine Klageänderung im § 91 VwGO und nicht nur eine privilegierte Erweiterung des Klageantrags im Sinne des § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO, wenn der Streitgegenstand eines anhängigen Verfahrens nachträglich durch einen weiteren Streitgegenstand ergänzt wird (vgl. W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl., § 91 Rn. 2; Ortloff/Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 91 Rn. 21). Dabei wird der Streitgegenstand durch Klageanspruch und Klagegrund konkretisiert (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.09.1984 - 2 C 22.83 - BVerwGE 70, 110, juris Rn. 16; Urteil vom 15.03.1984 - 2 C 24.83 - juris Rn. 18).
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Bei dem nach Anhängigkeit der Anfechtungsanträge gestellten Leistungsantrag handelt es sich um einen weiteren Streitgegenstand. Das mit Schriftsatz vom 27.12.2018 geltend gemachte Leistungsbegehren beruht auf einem anderen Klagegrund, nämlich den entstandenen Kosten für die von den Klägern nach der Erneuerung ihres Hausanschlusses persönlich veranlasste Verlegung von Leitungen auf ihrem Grundstück, und zielt auf eine andere Rechtsfolge als die ursprünglich nur auf die Anfechtung der Anschlussverfügung und der Kostenerstattungsbescheide gerichtete Klage.
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bb) § 91 Abs. 3 VwGO steht einer Anfechtung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die Klageerweiterung sei unzulässig, nicht entgegen. Denn diese Vorschrift bezieht sich - ebenso wie die Regelung des § 268 ZPO - nur auf die positive Zulassung einer Klageänderung durch das Verwaltungsgericht, nicht aber auf deren Nichtzulassung (so auch, allerdings ohne nähere Begründung BVerwG, Urteil vom 16.03.1972 - I C 49.70 - juris Rn. 56; W.-R. Schenke, aaO, § 91 Rn. 27 f; Rennert in Eyermann, VwGO, § 91 Rn. 34; a.A. Ortloff/Riese, aaO, § 91 Rn. 76 f.; Peters/Kujath in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 91 Rn. 71; Porz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl., § 91 Rn. 17). Zwar ist der Wortlaut des § 91 Abs. 3 VwGO, anders als der des § 268 ZPO, insoweit offen. Das „nicht“ in der Formulierung des § 91 Abs. 3 VwGO, „dass eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei“, kann sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch einerseits nur auf das Vorliegen einer Klageänderung beziehen, andererseits aber auch hierauf und zugleich auf die Entscheidung über die Zulassung der Klageänderung (vgl. Ortloff/Riese, aaO, § 91 Rn. 76). Der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 91 Abs. 3 VwGO kann allerdings kein anderer sein als der des § 268 ZPO, dessen Formulierung („Eine Anfechtung der Entscheidung, dass eine Änderung der Klage nicht vorliege oder dass die Änderung zuzulassen sei, findet nicht statt.“) klar zum Ausdruck bringt, dass nur die positive Zulassung der Klageänderung, nicht aber deren Nichtzulassung unanfechtbar ist. Hintergrund der Regelungen in § 268 ZPO und § 91 Abs. 3 VwGO ist, dass aus Gründen der Prozessökonomie über die Entscheidung des Ausgangsgerichts, ob von einer Klageänderung auszugehen ist und - bejahendenfalls - dass diese zulässig ist, kein gesonderter Rechtsstreit geführt werden soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.11.2015 - 4 B 35.15 - juris Rn. 9; Beschluss vom 14.05.1999 - 4 B 21.99 - juris Rn. 9; zu § 268 ZPO: Becker-Eberhard in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl., § 268 Rn. 1). Hat das Ausgangsgericht die Zulässigkeit der Klageänderung bejaht und über den geänderten Klageantrag in der Sache entschieden, soll verhindert werden, dass diese Entscheidung und die ihr ggf. zu Grunde liegende mündliche Verhandlung nur dadurch überflüssig werden, dass die Klageänderung sich später als unzulässig erweist (vgl. Becker-Eberhard, aaO).
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Diese prozessökonomischen Erwägungen kommen nicht zum Tragen, wenn das Ausgangsgericht die Zulässigkeit einer Klageänderung verneint. In diesem Fall könnte eine Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Nichtzulassung der Klageänderung vielmehr unter Umständen dazu führen, dass der geänderte Antrag - etwa wegen zwischenzeitlichen Ablaufs der Klagefrist oder Eintritts der Verjährung - nicht (erneut) mit Erfolg gerichtlich geltend gemacht werden könnte. Jedenfalls in diesen Fällen gebietet es der Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, die Anfechtung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Unzulässigkeit der Klageänderung zuzulassen.
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Schließlich spricht auch die Gesetzeshistorie für eine Anfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung über die Nichtzulassung der Klageänderung. § 91 Abs. 3 VwGO war bereits in der ursprünglichen Fassung der Verwaltungsgerichtsgerichtsordnung vom 21.01.1960 (BGBl I S. 17) enthalten. In der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 91 VwGO (BT-Drs. 3/55, S. 41) heißt es, der § 263 ZPO werde inhaltlich übernommen; die hier enthaltenen Grundsätze seien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit seit jeher anerkannt.
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§ 263 ZPO regelt den Grundsatz, dass nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit eine Änderung der Klage zulässig ist, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet, und entspricht damit inhaltlich der Regelung des § 91 Abs. 1 VwGO. Verweist die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 91 VwGO somit einschränkungslos auf die dem Absatz 1 entsprechende Regelung des § 263 ZPO und die „hier enthaltenen Grundsätze“, so lässt sich daraus auf den Willen des Gesetzgebers schließen, dass auch § 91 Abs. 2 und 3 VwGO den betreffenden Vorschriften des § 267 ZPO über die vermutete Einwilligung in die Klageänderung und des § 268 ZPO über die Unanfechtbarkeit der Entscheidung inhaltlich entsprechen sollen.
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b) Das Verwaltungsgericht hat die Zulässigkeit der Klageerweiterung zu Unrecht verneint. Nach § 91 Abs. 1 VwGO ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte der Klageerweiterung ausdrücklich widersprochen. Das Verwaltungsgericht ist allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klageerweiterung nicht sachdienlich sei. Als sachdienlich ist eine Klageänderung in der Regel anzusehen, wenn sie der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streitstoffes zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren zu dienen geeignet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.03.1984, aaO Rn. 22) und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.08.1989 - 5 B 87.89 - VBlBW 1990, 56). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
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Der Senat folgt nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Zulassung der Klageerweiterung würde eine unzulässige Umgehung der Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 5a KAG i.V.m. § 226 Abs. 3 AO bedeuten, wonach gegen Ansprüche aus dem Abgabenverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufgerechnet werden kann. Denn die Erweiterung der Klage um den streitgegenständlichen Leistungsantrag stellt nicht zugleich eine Aufrechnungserklärung dar, sondern dient gerade der - für eine mögliche spätere Aufrechnung erforderlichen - rechtskräftigen Feststellung des geltend gemachten Zahlungsanspruchs.
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Die Sachdienlichkeit der Klageerweiterung ist - entgegen der vom Beklagten im Klageverfahren vertretenen Auffassung - auch nicht deshalb zu verneinen, weil der nachträglich gestellte Leistungsantrag in einen anderen Rechtsweg zu verweisen gewesen wäre (vgl. zur Frage der Sachdienlichkeit einer Klageänderung im Fall der Unzulässigkeit des Rechtswegs BVerwG, Urteil vom 15.03.1984, aaO Rn. 22; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.06.2013 - 6 S 667/13 -; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.12.2008 - OVG 1 B 13.08 - juris Rn. 38; Ortloff/Riese, aaO, § 91 Rn. 63). Denn eine Verweisung der nachträglich erhobenen Leistungsklage nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG ist hier nicht Betracht gekommen.
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Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten. Daraus folgt, dass der beschrittene Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) schon dann zulässig ist, wenn sich nicht offensichtlich, d.h. nach jeder rechtlichen Betrachtungsweise, ausschließen lässt, dass das Klagebegehren auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, für die dieser Rechtsweg eröffnet ist (BVerwG, Beschluss vom 04.03.2015 - 6 B 58.14 - juris Rn. 11). Eine Verweisung ist also nur dann geboten und zulässig, wenn der beschrittene Rechtsweg schlechthin, d.h. für den Klageanspruch mit allen in Betracht kommenden Klagegründen, unzulässig ist (BVerwG, Beschluss vom 01.10.2019 - 6 AV 14.19 - juris Rn. 11; Beschluss vom 15.12.1992 - 5 B 144.91 - juris Rn. 2). Dies ist hier nicht der Fall.
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Ob für das Klagebegehren eine Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, die in dem beschrittenen Rechtsweg zu verfolgen ist, ist auf der Grundlage des Klageantrags und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen (BVerwG, Beschluss vom 15.12.1992, aaO Rn. 3). Dabei steht es der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht entgegen, dass sich die Kläger zur Begründung ihres Schadensersatzanspruchs ausschließlich auf einen Aufopferungsanspruch oder einen „Anspruch nach den Grundsätzen des enteignenden Eingriffs“ berufen, für die nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO der ordentliche Rechtsweg eröffnet wäre.
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Denn im vorliegenden Fall ist es aufgrund des von den Klägern vorgetragenen Lebenssachverhalts nicht von vornherein offensichtlich ausgeschlossen, dass diese den geltend gemachten Schadensersatzanspruch auf § 280 Abs. 1 BGB analog stützen können wegen einer schuldhaften Verletzung der Sorgfaltspflichten, die sich aus dem zwischen ihnen und dem Beklagten bestehenden öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.03.1995 - 8 C 36.92 - juris Rn. 10 ff; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.08.2002 - 8 S 455/02 - juris Rn. 22 ff.; Beschluss vom 09.05.1994 - 8 S 1101/93 - juris Rn. 19; Urteil vom 15.06.1992 - 8 S 2728/91 - juris Rn. 15; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 25.02.2019 - 2 O 1/19 - juris Rn. 5; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.08.2018 - 15 A 2313/17 - juris Rn. 13). Hieraus folgt insbesondere die Pflicht des Beklagten, Störungen der Funktionsfähigkeit des Grundstücksanschlusses zu vermeiden. Der Beklagte haftet im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses gemäß § 278 BGB analog auch für das Verschulden von Erfüllungsgehilfen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.1990 - 8 S 1595/90 - NVwZ-RR 1991, 325).
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Über einen Schadensersatzanspruch aus dem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis entscheidet nicht das Zivilgericht, sondern gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO das Verwaltungsgericht. Schadensersatzansprüche aus einem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis sind denen aus einem öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnis gleichzustellen, für die die abdrängende Sonderzuweisung des § 40 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO nach dem dort geregelten Vorbehalt nicht zur Anwendung kommt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.08.2002, aaO, Rn. 17; Rennert, aaO, § 40 Rn. 121).
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2. Der zulässige Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung ist ebenfalls begründet.
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Die Berufung ist nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung liegen nach der ständigen Zulassungspraxis des Senats bereits dann vor, wenn ein die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragender Rechtssatz oder eine für diese Entscheidung erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und der Ausgang des Verfahrens, um dessen Zulassung es geht, daher offen ist. So liegt der Fall hier.
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Der Beklagte hat mit seinem Zulassungsantrag die Begründung des Verwaltungsgerichts hinreichend erschüttert, es fehle an einer Vorschrift in der Wasserversorgungssatzung, die die Berechnungsmethode zur Festsetzung des Kostenersatzes der Höhe nach regele. Nach Auffassung des Senats spricht viel dafür, dass § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WVS entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts hinreichend klar erkennen lässt, dass sich der Satzungsgeber bewusst für eine der beiden möglichen Berechnungsmethoden (Erstattung der entstandenen Kosten für die Erneuerung des Anschlusses in tatsächlicher Höhe oder nach Einheitssätzen) entschieden hat. Den Erläuterungen des Gemeindetags zu dem Satzungsmuster (BWGZ 1996, 642, 668), auf dem die Wasserversorgungssatzung beruht, ist ausdrücklich zu entnehmen, dass dieses Satzungsmuster dem Kostenersatz die tatsächlichen Kosten, nicht aber Einheitssätze zugrunde legt. Sollten Einheitssätze festgesetzt werden, sei hierzu eine ausdrückliche, zusätzliche Regelung in die Satzung aufzunehmen. Aus den Erläuterungen des Gemeindetags ergibt sich darüber hinaus die ausdrückliche Empfehlung, von der Festsetzung von Einheitssätzen angesichts der Schwierigkeiten, diese betragsmäßig festzulegen, nur zurückhaltend Gebrauch zu machen (vgl. zum Ganzen BWGZ 1996, 642, 668).
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Der Beklagte verweist in der Begründung seines Zulassungsantrags zudem auf die Vorschrift des § 42 Abs. 1 Satz 5 KAG, wonach den Einheitssätzen die der Gemeinde für Anschlüsse der gleichen Art üblicherweise erwachsenen Kosten zugrunde zu legen sind. Die Regelung einer Erstattung der Kosten nach Einheitssätzen erfordere danach eine differenzierte Aufschlüsselung dieser Einheitssätze für die unterschiedlichen erstattungspflichtigen Maßnahmen in der Satzung. Sofern davon auszugehen sei, dass dem Satzungsgeber die Regelung des § 42 Abs. 1 Satz 5 KAG bekannt sei, könne aus dem Fehlen einer Regelung von Einheitssätzen in der Satzung geschlossen werden, dass der Satzungsgeber eine bewusste Entscheidung für eine Kostenerstattung nicht nach Einheitssätzen, sondern nach der Höhe der tatsächlichen Kosten getroffen habe. Hierfür spricht auch nach Auffassung des Senats, dass die Satzungsbestimmung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WVS ohne eine vom Satzungsgeber getroffene Regelung zur Höhe der Kosten sinnentleert wäre.
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Da die Berufung des Beklagten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob sie auch aus dem weiteren von dem Beklagten geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen wäre.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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