Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 9 S 2105/19

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. Juni 2019 - 4 K 16264/17 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 66.233,16 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
A.
Zwischen den Beteiligten steht in Streit, ob die Klägerin von dem Beklagten die Gewährung einer unbefristeten Witwenrente beanspruchen kann.
Die Klägerin ist am 18.04.1978 geboren. Sie war seit dem 27.06.2015 mit dem am 23.06.1962 geborenen Mitglied des Beklagten, H.-G. N., verheiratet. Die Eheleute haben eine gemeinsame Tochter E., die am 17.03.2012 zur Welt kam. Der Ehemann der Klägerin verstarb am 25.02.2017.
Mit Schreiben vom 11.05.2017 teilte der Beklagte der Klägerin mit, sie erhalte eine zeitlich beschränkte Witwenrente. Der - dem Schreiben beigefügte - Rentenbescheid beruhe auf § 25 Abs. 3 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg (VwS). Danach werde die Rente nur auf die Dauer von so vielen Monaten gewährt, wie das Mitglied nach der Eheschließung Beiträge geleistet habe, wenn die Ehe weniger als drei Jahre gedauert habe, aus der Ehe kein gemeinsames Kind hervorgegangen sei, die Witwe/der Witwer am Todestag des Mitglieds das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet habe und die Ehe nach dem 30.06.2005 geschlossen worden sei. Da diese Voraussetzungen sämtlich vorlägen, werde die Zahlung der Witwenrente auf die Dauer von 20 Monaten beschränkt und ende daher mit Ablauf des Monats Oktober 2018.
Hiergegen legte die Klägerin am 24.05.2017 - sowie vorsorglich ein weiteres Mal am 13.06.2017 - Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass aus der Ehe ein gemeinsames Kind hervorgegangen sei. Ihr verstorbener Ehemann sei unstreitig Vater des Kindes. Eine Auslegung, nach der ein im Zeitpunkt der Eheschließung bereits geborenes, leibliches Kind der Ehegatten nicht „aus der Ehe hervorgegangen“ sei, sei weder mit dem Wortlaut noch mit Sinn und Zweck der Regelung in § 25 Abs. 3 b) VwS vereinbar.
Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 20.09.2017 zurück. Zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes habe noch keine Ehe bestanden, aus der das Kind hätte hervorgehen können. Eine an den Tag der Eheschließung anknüpfende Regelung sei dem Satzungsgeber unbenommen und finde sich in einer Vielzahl familienrechtlicher Bestimmungen. In keinem Zusammenhang wirke eine spätere Eheschließung auf die Zeit des vorehelichen Zusammenlebens zurück. Die aus Art. 6 Abs. 5 GG resultierende Verpflichtung zur Gleichstellung nichtehelicher Kinder begünstige nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur diese und nicht auch ihre Eltern.
Die Klägerin hat am 10.10.2017 Klage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, ihr über Oktober 2018 hinaus unbefristet eine Witwenrente zu gewähren und den Bescheid des Beklagten vom 11.05.2017 und dessen Widerspruchsbescheid vom 20.09.2017 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.
Mit Urteil vom 06.06.2019 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung einer unbefristeten Witwenrente verpflichtet. Es lägen nicht alle Befristungsvoraussetzungen des § 25 Abs. 3 VwS vor, da aus der Ehe mit der am 17.03.2012 geborenen Tochter ein gemeinsames Kind hervorgegangen sei. Es sei unerheblich, dass die gemeinsame Tochter der Ehegatten bereits vor dem Zeitpunkt der Eheschließung geboren worden sei. Eine anderweitige Auslegung des § 25 Abs. 3 VwS sei unter Zugrundelegung von Sinn und Zweck der Norm nicht gerechtfertigt. Diese Auslegung verstoße weder gegen die Wortlautgrenze noch sprächen systematische Bedenken hiergegen. Auch die Entstehungsgeschichte rechtfertige keine andere Auslegung.
Gegen das ihm am 08.07.2019 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 29.07.2019 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - am 11.11.2019 begründet. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, der Beklagte habe bei der Satzungsbestimmung sehr wohl bewusst auf eine zeitliche Komponente abgestellt. Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung dürfe für die Frage der Entstehung des Versorgungsanspruchs des Ehepartners auf den Zeitpunkt der Eheschließung abgestellt werden. Dies habe u.a. der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 05.12.2016 (3 ZB 15.2089, juris Rn. 12) entschieden. Ferner ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.01.1988, dass ein gemeinsames Kind nur dann „aus der Ehe hervorgegangen“ sei, wenn es während der Ehezeit geboren worden sei.
Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. Juni 2019 - 4 K 16264/17 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie trägt vor, es erschließe sich nicht, weshalb die Existenz eines nach Eheschließung geborenen leiblichen Kindes das Bestehen einer echten, auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft indizieren solle, nicht jedoch die Existenz eines vorehelich geborenen leiblichen Kindes. Sofern man nicht ausschließlich auf die Existenz eines gemeinsamen leiblichen Kindes abstellte, wäre dies eine gegen Art. 6 Abs. 5 GG verstoßende mittelbare Schlechterstellung des nichtehelichen Kindes. Darüber hinaus läge ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, da sie allein deshalb gegenüber anderen Versorgungsberechtigten mit leiblichen Kindern schlechter gestellt würde, weil sie ein uneheliches Kind habe.
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Dem Senat liegen die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Prozessakten des Verwaltungsgerichts vor. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird hierauf verwiesen und auf die im vorliegenden Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
B.
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Die Entscheidung über die Berufung des Beklagten ergeht nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a VwGO durch Beschluss, da der Senat die - statthafte und auch sonst zulässige - Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
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Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die auf unbefristete Bewilligung von Witwenrente gerichtete Klage der Klägerin zulässig und begründet ist. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Witwenrente nicht nur dem Grunde nach, sondern kann die Gewährung auch zeitlich unbefristet beanspruchen.
I.
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Rechtsgrundlage der Witwenrente sind § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Gesetzes über das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg - RAVG - vom 10.12.1984 in der hier maßgeblichen Fassung vom 24.04.2018 (GBl. S. 138), § 24 Abs. 1 Nr. 1, § 25 Abs. 1 Satz 1 und § 28 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg - VwS - vom 29.11.1991 (Die Justiz 1994 S. 5) in der vorliegend zur Anwendung kommenden Fassung vom 01.06.2016.
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Nach § 24 Abs. 2 VwS werden Hinterbliebenenrenten gewährt, wenn das Mitglied zum Zeitpunkt des Todes bzw. der Todeserklärung Anspruch oder Anwartschaft auf Altersrente oder auf Berufsunfähigkeitsrente hatte. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 VwS erhält die Witwe nach dem Tod des Mitglieds eine Witwenrente. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs liegen vor. Der verstorbene Ehemann der Klägerin hatte im Zeitpunkt des Todes eine Anwartschaft auf Altersrente. Die Ehe war am 27.06.2015 - etwa 20 Monate vor dem Tod des Rechtsanwalts am 25.02.2017 - geschlossen worden.
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1. Der Anspruch auf Witwenrente ist nicht nach § 25 Abs. 1 Satz 3 VwS ausgeschlossen. Zwar ist die Ehebestandszeit vorliegend kürzer als drei Jahre. Allerdings hatte der verstorbene Ehemann der Klägerin im Zeitpunkt der Eheschließung weder bereits das 60. Lebensjahr vollendet noch war er in diesem Zeitpunkt berufsunfähig im Sinne der Satzung.
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2. Die Witwenrente ist entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht nach Maßgabe des § 25 Abs. 3 VwS zu befristen. Nach dieser Bestimmung wird die Witwenrente nur auf die Dauer von so vielen Monaten gewährt, wie das Mitglied nach der Eheschließung Beiträge geleistet hat, wenn (a) die Ehe weniger als drei Jahre gedauert hat, (b) aus der Ehe kein gemeinsames Kind hervorgegangen ist, (c) die Witwe am Todestag des Mitglieds das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und (d) die Ehe nach dem 30.06.2005 geschlossen wurde. Diese für eine Befristung erforderlichen Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen, sind hier nicht (alle) erfüllt. Denn aus der Ehe ist ein gemeinsames Kind - die am 17.03.2012 geborene gemeinsame Tochter E. - hervorgegangen. § 25 Abs. 3 b) VwS ist dahingehend auszulegen, dass auch ein vor dem Zeitpunkt der Eheschließung geborenes Kind „aus der Ehe hervorgegangen“ ist.
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a) Der Wortlaut legt zwar nahe, dass das gemeinsame Kind während der Ehezeit geboren worden sein muss. Denn ein „Hervorgehen“ erfordert nach allgemeinem Sprachgebrauch einen Ursprung, hier die Ehe als bereits existierende Basis. Ungeachtet dessen ist der - die äußerste Grenze einer Auslegung markierende (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.09.2007 - 2 BvF 3/02 -, BVerfGE 119, 247; BVerwG, Urteil vom 02.03.2017 - 3 C 19.15 -, BVerwGE 158, 142) - Wortlaut nicht derart eindeutig, dass er einer Auslegung, nach der auch ein vorehelich geborenes gemeinsames Kind „aus der Ehe hervorgeht“, zwingend entgegenstünde.
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b) Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte der Befristungsregelung in § 25 Abs. 3 VwS zeigt, dass es dem Satzungsgeber darauf ankam, dass die Ehegatten ein gemeinsames leibliches Kind haben bzw. hatten; dass das gemeinsame Kind zwingend nach der Eheschließung geboren worden sein muss, kann den Materialien dagegen nicht entnommen werden.
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Die Absätze 3 und 4 des § 25 VwS sind nachträglich zum 01.01.2005 in die Vorschrift eingefügt wurden, „um Missbräuchen bei Witwen- und Witwerrenten zu begegnen“. Der Satzungsgeber wollte durch die Neuregelung die Höhe der Renten unberührt lassen und nur ihre Laufzeit abkürzen, sofern die in § 25 Abs. 3 VwS genannten Voraussetzungen kumulativ gegeben sind. Die Regelung erschien der Vertreterversammlung „angemessen und moderat“ (Info 19 des Beklagten vom Oktober 2005, VIII b).
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Es kommt hinzu, dass die Formulierung in § 25 Abs. 3 b) VwS derjenigen in § 20 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG bzw. dem inhaltsgleichen § 34 Abs. 2 Satz 1 LBeamtVG BW ähnelt. Deshalb kann angenommen werden, dass der Satzungsgeber die Formulierung an diese - dieselbe Zweckbestimmung enthaltenden - beamtenrechtlichen Bestimmungen (teilweise) angelehnt hat. Die bundesrechtliche Regelung geht davon aus, dass die vollen Versorgungsbezüge vor allem derjenigen Beamtenwitwe zugutekommen sollen, die in der Regel während einer längeren Zeitspanne die Arbeit ihres Mannes mitgetragen hat. Das ist bei einer erheblich lebensjüngeren Witwe, vor allem dann, wenn der Beamte sie in einem bereits fortgeschrittenen Lebensalter geheiratet hat, in der Regel nicht der Fall, so dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass ausschließlicher oder überwiegender Zweck der Eheschließung die Verschaffung einer Versorgung der (erheblich) lebensjüngeren Ehefrau des Beamten war. Diese Vermutung wird als widerlegt angesehen, wenn aus der Ehe ein Kind hervorgegangen ist. „Aus der Ehe hervorgegangen“ ist dabei nur ein leibliches, nicht auch ein adoptiertes Kind (Bericht der Bundesregierung vom 09.02.1978, BT-Drs. 8/1495, S. 4 f.; BVerwG, Urteil vom 28.01.1988 - 2 C 39.86 -, juris Rn. 16; ferner Bericht des Innenausschusses [4. Ausschuss] vom 11.05.1976, BT-Drs. 7/5165, S. 8).
25 
Den Materialien der parallelen bundesrechtlichen Norm kann mithin entnommen werden, dass es maßgeblich auf die Existenz eines gemeinsamen leiblichen Kindes ankommt; zum zeitlichen Aspekt verhalten sich diese dagegen nicht.
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Die Kommentarliteratur zu § 20 BeamtVG geht - soweit sie hierzu Stellung bezieht - weitergehend davon aus, dass als aus der Ehe hervorgegangenes Kind jedes gemeinsame leibliche Kind der Ehegatten gilt und damit auch das bereits vor der Eheschließung geborene - und nach früherem Recht durch nachfolgende Eheschließung legitimierte (vgl. § 1719 BGB a.F.) - leibliche Kind der Ehegatten (so ausdrücklich Brinktrine/Rauscher, in: Kugele, BeamtVG, § 20 Rn. 9; Strötz, in: Fürst u.a., GKÖD, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Richterrecht und Wehrrecht, Stand: Januar 2020, Band I, Teil 3 b, § 20 Rn. 37; Kazmaier, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Hauptband I, Nr. 12.4 Rn. 77). Auch nach Nr. 20.2.1.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Beamtenversorgungsgesetz vom 02.02.2018 (GMBl. S. 98) - BeamtVGVwV - wird fingiert, dass das bereits vor der Eheschließung geborene Kind der Ehegatten als ein aus der Ehe hervorgegangenes Kind gilt.
27 
Ferner hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass „aus der Ehe hervorgegangene minderjährige Kinder“ im Sinne des § 1568 Abs. 1 BGB (Härteklausel bei Scheidung) gemeinsame Kinder der Ehegatten sind, mögen diese vor oder nach der Eheschließung geboren sein (vgl. Coester-Waltjen, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, beck-online Großkommentar, Stand: 01.08.2019, § 1568 BGB Rn. 18; Weber, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 1568 Rn. 16).
28 
c) Entgegen der Ansicht des beklagten Versorgungswerks steht die satzungsrechtliche Systematik diesem entstehungsgeschichtlichen Ergebnis nicht entgegen. Insbesondere kann aus der vom Satzungsgeber in § 26 Abs. 4 Nr. 1 VwS verwendeten Begrifflichkeit der „ehelichen Kinder“ nicht gefolgert werden, diese sei bewusst und in inhaltlicher Abgrenzung zu der Formulierung in § 25 Abs. 3 b) VwS gewählt worden. Das Verwaltungsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die verschiedenen Formulierungen den unterschiedlichen Regelungsbereichen und Anspruchsberechtigten sprachlich Rechnung tragen. So können gemäß § 26 Abs. 4 Nr. 1 VwS „eheliche Kinder“ Waisenrente beanspruchen, während einer Witwe - sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen und kein Ausschlussgrund besteht - ein unbefristeter Rentenanspruch zusteht, wenn „aus ihrer Ehe ein Kind hervorgegangen ist“.
29 
Ein darüberhinausgehender inhaltlicher Erklärungswert kann der unterschiedlichen Formulierung demgegenüber mangels konkreter Anhaltspunkte nicht beigemessen werden.
30 
d) Sinn und Zweck der Befristungsregelung in § 25 Abs. 3 VwS erhärten das sich bereits entstehungsgeschichtlich abzeichnende Ergebnis. Die Laufzeit der Witwenrente ist nicht zu kürzen, wenn ein gemeinsames leibliches Kind der Ehegatten bereits vor der Eheschließung geboren wurde; auch in diesem Fall ist das Kind „aus der Ehe hervorgegangen“. Mit der Einführung der Kürzungsregelung in § 25 Abs. 3 VwS wollte der Satzungsgeber - wie bereits dargelegt - Missbräuchen bei der Witwenrente „in angemessener und moderater Weise“ begegnen. Die Gewährleistung einer zeitlich unbegrenzten Witwenrente nach § 25 Abs. 1 Satz 1 VwS geht von dem Regelfall aus, dass die Eheleute im Lebensalter einander annähernd entsprechen und die Ehefrau darüber hinaus die Lebensarbeit des Ehemannes für einen längeren Zeitraum mitgetragen hat. Liegt dieser „Regelfall“ nicht vor, sondern besteht ein (großer) Altersunterschied der Ehegatten bei nur kurzer Ehebestandszeit, soll der Beklagte vor einer nach Höhe und Dauer nicht mehr gerechtfertigt erscheinenden Versorgungslast geschützt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.05.1973 - 2 C 31.70 -, ZBR 1974, 159 zu der mit Blick auf den Normzweck vergleichbaren beamtenrechtlichen Regelung in § 129 BBG a.F.). Die Begrenzung der Rentenlaufzeit in § 25 Abs. 3 VwS dient vor diesem Hintergrund „der Gerechtigkeit“ und will eine unbefristete Versorgung der (erheblich) jüngeren Witwe (darauf deutet die Voraussetzung in § 25 Abs. 3 c) VwS hin) verhindern, weil diese den beruflichen Lebensweg des Ehemannes nicht über einen längeren Zeitraum mitgetragen hat (vgl. das zeitliche Erfordernis in § 25 Abs. 3 a) VwS). Ferner will die Vorschrift den Träger der zu gewährenden Versorgung vor - in Anbetracht des noch nicht fortgeschrittenen Lebensalters der Witwe - erheblichen Versorgungslasten bewahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.05.1973, a.a.O.; Strötz, in: Fürst u.a., GKÖD, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Richterrecht und Wehrrecht, Stand: Januar 2020, Band I, Teil 3 b, § 20 Rn. 37 zu der beamtenrechtlichen Regelung in § 20 Abs. 2 BeamtVG). Die Annahme einer nach Art und Höhe nicht gerechtfertigt erscheinenden Versorgungslast ist nach dem erkennbaren Zweck der Bestimmung in § 25 Abs. 3 VwS, Missbräuchen zu begegnen, nur unter eng begrenzten, ohne Weiteres feststellbaren Voraussetzungen als „widerlegt“ anzusehen.
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Danach kommt eine Kürzung der Laufzeit der Witwenrente hier nicht Betracht. In § 25 Abs. 3 b) VwS zieht der Satzungsgeber aus der Geburt eines leiblichen Kindes tatsächliche Rückschlüsse auf die ehelichen Beziehungen der Eheleute zueinander, die für die Bewertung der Ehe als auf Dauer angelegte, echte eheliche Lebensgemeinschaft bedeutsam sind und die sich allein auf die Versorgung der erheblich lebensjüngeren Witwe auswirken (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.01.1988 - 2 C 39.86 -, juris Rn. 17 zu § 20 Abs. 2 BeamtVG). Ein durch die Geburt eines gemeinsamen Kindes dokumentierter - in versorgungsrechtlicher Hinsicht schützenswerter - „echter Lebensbund“ besteht dabei unabhängig davon, ob das Kind vor oder nach der Eheschließung geboren wurde; entscheidend ist allein die Existenz eines gemeinsamen Kindes. Durch die Geburt eines gemeinsamen (leiblichen) Kindes kommt zum Ausdruck, dass mit der Eheschließung eine echte, auf Dauer angelegte eheliche Lebensgemeinschaft begründet worden ist (vgl. § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB) und sie nicht nur der Versorgung der (erheblich) lebensjüngeren Witwe dient.
32 
Dem steht das Urteil des 2. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.01.1988 (a.a.O.) nicht entgegen. In diesem Urteil hat der 2. Senat entschieden, dass ein „aus der Ehe hervorgegangenes Kind“ im Sinne des § 20 Abs. 2 BeamtVG nur ein leibliches Kind sein kann; ob auch ein vorehelich geborenes Kind „aus der Ehe hervorgegangen ist“, war dagegen nicht streitgegenständlich. Das gleiche gilt hinsichtlich des von dem Beklagten in Bezug genommenen Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 05.12.2016 (3 ZB 15.2089, juris). Darin hat dieser zwar entschieden, dass der Zeitpunkt der Eheschließung für die Frage der Entstehung eines Versorgungsanspruchs des Ehepartners einen sachgerechten, praktikablen und rechtlich unbedenklichen Anknüpfungspunkt darstellt (Beschluss vom 05.12.2015, a.a.O., juris Rn. 12). Nicht maßgeblich war demgegenüber, ob auch ein vorehelich geborenes gemeinsames Kind als „aus der Ehe hervorgegangen“ gilt. Schließlich ist auch nicht zu erkennen, dass die im Senatsurteil vom 29.10.2002 - 9 S 2062/01 - juris, angestellten Erwägungen der vorstehend dargelegten Interpretation des § 25 Abs. 3 b) VwS entgegenstehen.
II.
33 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
34 
Die Festsetzung des Streitwerts des Berufungsverfahrens folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 14.3 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs 2013. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
35 
Die Streitwertfestsetzung ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO).

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