Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 1 S 277120

Tenor

Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt ...-... bewilligt. Raten sind nicht zu zahlen.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 20. August 2020 - 14 K 2329/20 - geändert. Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Beteiligten streiten über die Haltung des Hundes .... Sie sind sich darüber einig, dass dieser dem Rassestandard eines Pit Bull Terriers entspricht. Am 09.04.2020 meldete sich die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin und gab im Folgenden an, dass sie den Hund, der sechs Jahre alt sei, von ihrem Ex-Partner übernommen habe, als dieser in Haft gewesen sei, und bat um Übersendung der Unterlagen zur Anmeldung zur Verhaltensprüfung. Herr ..., der Ex-Partner der Antragstellerin meldete sich am 24.04.2020 bei der Antragsgegnerin und teilte mit, dass der Hund seiner sei. Am 27.04.2020 morgens meldete sich der Bruder der Antragstellerin telefonisch bei der Antragsgegnerin und teilte mit, dass seine Schwester festgenommen worden sei und der Hund sich noch in der Wohnung befinde.
Mit Verfügung vom 27.04.2020 untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Haltung des Hundes (Ziff. 1), verfügte dessen Beschlagnahme zum Zwecke der Einziehung (Ziff. 2) und ordnete die sofortige Vollziehung von Haltungsuntersagung und Beschlagnahme an. Zur Begründung führte sie aus, Rechtsgrundlage für die Haltungsuntersagung sei §§ 3, 1 Abs. 1 PolG. Der Hund sei ein Kampfhund gemäß § 1 Abs. 2 PolVOgH. Eine Verhaltensprüfung nach § 1 Abs. 4 PolVOgH sei bislang nicht abgelegt. Die erforderliche Erlaubnis zum Halten eines Kampfhundes nach § 3 PolVOgH fehle. Die Beschlagnahme stütze sich auf § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG. Es bestünden Bedenken gegen die Zuverlässigkeit und Sachkunde der Antragstellerin als Hundehalterin. Die Beschlagnahme wurde am 27.04.2020 vollzogen und der Hund ins Tierheim ...-... gebracht.
Unter dem Datum vom 30.04.2020 füllte die Antragstellerin das Formblatt „Anzeige über das Halten eines Kampfhundes“ aus und erklärte sich darin bereit, den Hund einer Verhaltensprüfung zu unterziehen und eine Sachkundeprüfung nach § 3 Abs. 2 PolVOgH abzulegen. Zudem füllte sie den Erhebungsbogen für die Verhaltensprüfung aus. Die beiden Formulare gingen am 05.05.2020 bei der Antragsgegnerin ein.
Gegen die Verfügung vom 27.04.2020 legte die Antragstellerin Widerspruch ein und machte u.a. geltend, sie sei nicht unzuverlässig; der Haftbefehl sei außer Vollzug gesetzt worden. Zudem beantragte sie einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht. Das Verwaltungsgericht gab dem Antrag mit Beschluss vom 20.08.2020 teilweise statt. Es stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Ziff. 1 und 2 der Verfügung vom 27.04.2020 unter der Auflage wieder her, dass die Antragstellerin den Hund bis zum 30.09.2020 bei der Antragsgegnerin für eine Verhaltensprüfung nach § 1 Abs. 4 PolVOgH anmeldet und zu einer solchen Prüfung bis zum 31.10.2020 vorführt. Die am 27.04.2020 erfolgte Vollziehung der Beschlagnahme sei rückgängig zu machen, indem der Hund an die Antragstellerin herausgegeben werde. Im Übrigen werde der Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Haltungsuntersagung voraussichtlich rechtswidrig sei. Der Antragstellerin sei Gelegenheit zu geben, die Vermutung des § 1 Abs. 2 PolVOgH durch eine Prüfung nach § 1 Abs. 4 PolVOgH zu widerlegen. Allerdings sei das berechtigte Haltungsinteresse der Antragstellerin nach § 3 Abs. 2 PolVOgH auf die Vorbereitung einer Verhaltensprüfung beschränkt. Es bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit oder fehlende Sachkunde der Antragstellerin im Hinblick auf eine zeitlich beschränkte Haltung des Hundes bis zu dessen Absolvierung einer Verhaltensprüfung. Der Antragstellerin könne nicht entgegengehalten werden, dass sie ein Verpflichtungsbegehren auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 PolVOgH hätte geltend machen müssen, dass sie weder die theoretische noch die praktische Prüfung zum Nachweis der erforderlichen Sachkunde zum Halten eines Kampfhundes erbracht und das Bestehen einer besonderen Haftpflichtversicherung für den Hund nicht nachgewiesen habe. Für den Fall, dass der Hund die Prüfung bestehe, gelte er nicht als Kampfhund, so dass die Antragstellerin ab diesem Zeitpunkt keiner entsprechenden Erlaubnis mehr bedürfe und die erforderlichen Voraussetzungen zum Halten eines Kampfhunds auch nicht nachweisen müsste. Die Beschlagnahmeverfügung sei voraussichtlich ebenfalls rechtswidrig. Die eine Beschlagnahme rechtfertigenden Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 PolVOgH lägen, wie sich aus den Ausführungen zur Haltungsuntersagung ergebe, voraussichtlich nicht vor.
Unmittelbar im Anschluss an die Zustellung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts wurde der Hund an die Antragstellerin herausgegeben.
Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt, mit der sie die vollständige Ablehnung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz begehrt. Solange die erforderliche Erlaubnis nach § 3 PolVOgH nicht erteilt sei und auch nicht im Rahmen eines Verpflichtungsbegehrens mit Erfolg geltend gemacht werde, bleibe es zwingend bei § 3 Abs. 1 PolVOgH, wonach das Halten eines Kampfhundes der Erlaubnis der Ortspolizeibehörde bedürfe. Da eine solche Erlaubnis nicht erteilt worden sei, führe die Herausgabe zu einem bereits formell rechtswidrigen Zustand. Wie der Verwaltungsgerichtshof entschieden habe (Beschl. v. 04.08.2020 - 1 S 1263/20 -), knüpfe die Ermächtigungsgrundlage in § 3 Abs. 3 PolVOgH nur daran an, dass keine Erlaubnis erteilt sei, ohne danach zu unterscheiden, aus welchen Gründen eine Erlaubnis nicht erteilt werde. § 3 PolVOgH sei ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt. Ohne Erlaubniserteilung dürfe daher eine Kampfhundehaltung nicht stattfinden. Die Behauptung der Antragstellerin, es gebe eine Verwaltungspraxis, auf entsprechende Zulassungsanträge hin entweder vorläufige Erlaubnisse oder jedenfalls Duldungen zu erteilen, bis die Halter ihre Hunde einer Verhaltensprüfung hätten stellen können, sei unzutreffend. Zudem sei die Haltung hier auch materiell illegal. Die Möglichkeit, eine Verhaltensprüfung vorzubereiten, rechtfertige die Haltung nicht. Die Vorbereitung auf die Verhaltensprüfung sei auch mit einem im Tierheim untergebrachten Tier möglich. Im Juli 2020 habe ein Hund mit reinem Training im Tierheim ... die Verhaltensprüfung bestanden. Auch aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Beschl. v. 21.03.2018 - 1 S 2522/17 -) folge nicht, dass in jedem Fall die Haltung eines Kampfhundes zur Wesenstestvorbereitung und -durchführung erforderlich sei. Aus den genannten Gründen sei daher auch die Beschlagnahmeverfügung rechtmäßig.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten. Mit dem Antrag auf Zulassung eines Hundes zur Verhaltensprüfung sei jedenfalls konkludent ein Antrag auf Erteilung einer vorläufigen Erlaubnis zur Haltung eines Kampfhundes gestellt. Dies korrespondiere auch mit einer gut 20 Jahre fortdauernden Verwaltungspraxis in Baden-Württemberg, auf entsprechende Zulassungsanträge hin entweder vorläufige Erlaubnisse oder jedenfalls Duldungen zu erteilen, bis die Halter ihre Hunde einer Verhaltensprüfung hätten stellen können. Alles andere wäre auch lebensfremd, da Tierheime nicht rund um die Uhr geöffnet hätten und eine Vorbereitung im Tierheim nicht zumutbar sei, weil Hunde ihre gewohnte Umgebung, Ruhe und Zuneigung benötigten. Die Prüfungsvorbereitung setze eine mehrwöchige Hundehaltung zu Hause voraus, wie der Verwaltungsgerichtshof längst klargestellt habe (Beschl. v. 21.03.2018 - 1 S 2522/17 -). Die Antragstellerin habe sich zur Prüfung lange angemeldet und werde den Aufforderungen der Antragsgegnerin im Schreiben vom 24.09.2020, ein neues Führungszeugnis zu beantragen und eine Haftpflichtversicherungspolice vorzulegen, umgehend nachkommen. Im Übrigen sehe die PolVOgH keine Nachweispflicht für die Sachkunde vor, sondern setze voraus, dass keine Bedenken gegen Zuverlässigkeit und Sachkunde bestünden.
Auf Aufforderung des Senats teilte die Antragstellerin ergänzend mit, ihr Lebensgefährte sei Anfang 2019 inhaftiert worden. Dieser habe sie im Glauben gelassen, die Hündin sei ordnungsgemäß angemeldet. Dass dem nicht so gewesen sei, habe sie erfahren, als dieser aus der Haft entlassen worden sei und nachhaltig die Hündin zurückgefordert habe, obwohl er sie ihr zuvor geschenkt habe. Der Ärger habe einige Wochen nach der Haftentlassung des Ex-Partners im November 2019 begonnen. Nachdem es am Abend des 11.12.2019 zu einem heftigen Streit mit dem ehemaligen Lebensgefährten gekommen sei, sei die Antragstellerin am 12.12.2019 zur Antragsgegnerin gegangen und habe erfahren, dass der Hund gar nicht angemeldet gewesen sei. Sie habe den Hund dann sofort zur Steuer auf sich angemeldet, wie sich aus dem vorgelegten Formular „Anmeldung einer Hundehaltung“ vom 12.12.2019 ergebe.
II.
1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Antragstellerin beruht auf § 166 VwGO, § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
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2. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), geben dem Senat Anlass, den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 20.08.2020 zu ändern und den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.
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a) Die ausgesprochene Haltungsuntersagung ist voraussichtlich rechtmäßig. Sie stützt sich auf § 3 Abs. 3 PolVOgH. Nach dieser Vorschrift hat die Ortspolizeibehörde die zur Abwendung der Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 PolVOgH für das Halten eines Kampfhundes nicht erteilt wird. Die Ermächtigungsgrundlage in § 3 Abs. 3 PolVOgH knüpft - wie der Senat mehrfach entschieden hat - nur daran an, dass keine Erlaubnis erteilt wird, ohne danach zu unterscheiden, aus welchen Gründen eine Erlaubnis nicht erteilt wird. Die Erlaubnis ist für Kampfhunde, die älter als sechs Monate sind, nach § 3 Abs. 1 PolVOgH stets erforderlich. Wenn die notwendige Erlaubnis nicht beantragt wird und im jeweiligen Einzelfall auch nicht erteilt werden kann, sind die Voraussetzungen für ein behördliches Handeln nach § 3 Abs. 3 PolVOgH gegeben. Andernfalls könnten sich die Halter eines Kampfhundes den polizeilichen Maßnahmen allein durch das Unterlassen eines Erlaubnisantrags entziehen (Senat, Beschl. v. 24.10.2017 - 1 S 1364/17 -, Beschl. v. 04.08.2020 - 1 S 1263/20 -).
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Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob eine Haltungsuntersagung bei einem Kampfhund nach § 1 Abs. 2 PolVOgH, der älter als sechs Monate ist, bei Fehlen der nach § 3 Abs. 1 PolVOgH erforderlichen Erlaubnis stets ausgesprochen werden kann oder ob dem Halter eines solchen Kampfhundes vorübergehend gestattet sein muss, einen Kampfhund ohne eine solche Erlaubnis zur Vorbereitung auf eine Prüfung nach § 1 Abs. 4 PolVOgH zu halten, hat der Verordnungsgeber nicht ausdrücklich geregelt (aa). Sie ist in der Rechtsprechung des Senats noch nicht abschließend geklärt (bb). Die Frage ist anhand der gesetzlichen Systematik der PolVOgH unter Heranziehung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beantworten (cc). Danach ergibt sich hier, dass die Haltungsuntersagung rechtmäßig ausgesprochen wurde (dd).
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aa) Die PolVOgH trifft insoweit keine ausdrückliche Regelung. Zum einen geht der Verordnungsgeber für Kampfhunde, die älter als sechs Monate sind, in § 3 Abs. 1 PolVOgH von einer ausnahmslosen Erlaubnispflicht aus. Diese Erlaubnispflicht knüpft ersichtlich an die Einschätzung des Verordnungsgebers an, dass Kampfhunde aufgrund rassespezifischer Merkmale, durch Zucht oder im Einzelfall wegen ihrer Haltung oder Ausbildung von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren gekennzeichnet sind (§ 1 Abs. 1 PolVOgH). Zum anderen eröffnet § 1 Abs. 4 PolVOgH die Möglichkeit, die an rassespezifische Merkmale nach § 1 Abs. 2 PolVOgH anknüpfende Vermutung der Eigenschaft als Kampfhund durch eine Prüfung zu widerlegen.
14 
Während bei der Begründung der Haltereigenschaft für einen Kampfhund nach § 1 Abs. 2 PolVOgH, der jünger als sechs Monate ist, der Halter die Möglichkeit hat, den Hund rechtmäßig ohne Erlaubnis bis zum Alter von sechs Monaten zu halten und bis dahin die Prüfung nach § 1 Abs. 4 PolVOgH zu absolvieren, verhält sich die Verordnung nicht dazu, auf welche Art und Weise bei der Begründung der Haltereigenschaft für einen Kampfhund nach § 1 Abs. 2 PolVOgH, der älter als sechs Monate ist und für den eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 PolVOgH fehlt, die Vorbereitung auf eine Prüfung nach § 1 Abs. 4 PolVOgH soll erfolgen können.
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bb) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ergibt sich aus der Rechtsprechung des Senats nicht, dass dem Halter eines Kampfhundes nach § 1 Abs. 2 PolVOgH, der älter als sechs Monate ist, stets die Hundehaltung zur Vorbereitung auf eine Prüfung nach § 1 Abs. 4 PolVOgH möglich sein muss und eine an das Fehlen einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 PolVOgH anknüpfende Haltungsuntersagung in solchen Fällen stets rechtswidrig ist. Im Beschluss vom 11.02.2011 - 1 S 27/11 - hat der Senat ausgeführt, dass die Aussagekraft des dort durchgeführten Wesentests dadurch infrage gestellt war, dass der Hund zuvor für einen Zeitraum von etwa sechs Monaten rechtswidrig beschlagnahmt und in einem Tierheim untergebracht war, dass es daher plausibel erschien, dass das gezeigte aggressive Verhalten auf den Haltungsbedingungen während des Tierheimaufenthalts beruhen kann und dass insbesondere aufgrund eines mittlerweile absolvierten zweitägigen Intensivtrainings in einer Hundeschule im konkreten Fall die begründete Erwartung bestand, dass bei einem erneuten Wesenstest die Vermutung der Kampfhundeeigenschaft widerlegt werden könnte. Vergleichbar hat der Senat im Beschluss vom 02.04.2012 - 1 S 330/12 - für den dortigen Hund gewichtige Anhaltspunkte für eine positive Verhaltensänderung des Hundes gesehen und daher angenommen, dass dem Halter Gelegenheit zu geben ist, die Prüfung nach § 1 Abs. 4 PolVOgH durchzuführen. Im Verfahren 1 S 2522/17 hat der Senat im Beschluss vom 02.03.2018 ausgeführt, dass dem Halter die Möglichkeit einzuräumen war, eine erneute Verhaltensprüfung mit dem Hund durchzuführen. Der Fall war jedoch dadurch geprägt, dass im Entscheidungszeitpunkt der Hund nach einer Beschlagnahme wegen Erreichens der Sechsmonatsfrist des § 33 Abs. 4 Satz 2 PolG bereits an den Halter wieder herausgegeben worden war. Das Verfahren 1 S 958/18 wurde von den Beteiligten durch Vergleich beendet. Die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 09.08.2018, mit dem den Beteiligten ein Vergleich vorgeschlagen wurde, dienten der Begründung des Vergleichsvorschlags des Senats.
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cc) Die streitige Frage ist aufgrund der gesetzlichen Systematik der PolVOgH unter Berücksichtigung des aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beantworten.
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Das Halten eines Kampfhundes, der älter als sechs Monate ist, ohne die erforderliche Erlaubnis verstößt gegen § 3 Abs. 1 PolVOgH. Darin liegt ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit, da zu deren Schutzgütern u.a. die gesamte Rechtsordnung gehört. Beim Verstoß gegen die Erlaubnispflicht hat die Behörde daher nach § 3 Abs. 3 PolVOgH die zur Abwendung der Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
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Bei diesen Maßnahmen nach § 3 Abs. 3 PolVOgH hat die Behörde - nach allgemeinen Grundsätzen - das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten. Aus diesem folgt u.a., dass die eingreifende staatliche Maßnahme bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit wahrt (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 12.02.1986 - 1 BvR 1170/83 - BVerfGE 72, 26 <30>). Eine Haltungsuntersagung - und daran anknüpfend eine Beschlagnahme des Hundes - ist in der Regel verhältnismäßig, wenn es bereits zu einem oder mehreren Vorfällen gekommen ist, in denen sich die Gefährlichkeit des Hundes gezeigt hat. Denn in solchen Fällen bedarf es - es sei denn es liegen gewichtige Anhaltspunkte für eine positive Verhaltensänderung vor (vgl. Senat, Beschl. v. 02.04.2012, a.a.O.; Beschl. v. 11.05.2015 - 1 S 364/15 -; Beschl. v. 18.10.2016 - 1 S 1586/16 -) - einer Verhaltensprüfung nach § 1 Abs. 4 PolVOgH nicht, da die konkrete Gefährlichkeit des Hundes erwiesen ist, und gebührt dem durch die Regelungen in §§ 1, 3 PolVOgH bezweckten Schutz von Menschen und anderen Tieren Vorrang. Hingegen ist eine Haltungsuntersagung - und ebenso eine Beschlagnahme des Hundes - in der Regel unverhältnismäßig, wenn - kumulativ - ein Vorfall, bei dem der Hund seine Gefährlichkeit gezeigt hat, nicht vorliegt, keine Bedenken gegen die Zuverlässigkeit oder Sachkunde des Halters bestehen, dieser unverzüglich nach Begründung der Haltereigenschaft für den Hund eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 PolVOgH beantragt und den Hund zur Prüfung nach § 1 Abs. 4 PolVOgH anmeldet sowie diese Prüfung binnen einer angemessenen Frist von in der Regel drei Monaten durchführt. Sind alle diese Voraussetzungen erfüllt, hat der Halter eines Kampfhundes, der älter als sechs Monate ist, alles Zumutbare getan, um eine Prüfung nach § 1 Abs. 4 PolVOgH durchzuführen und seine Halterpflichten zu erfüllen. Dann darf das Gebrauchmachen von der vom Verordnungsgeber eröffneten Möglichkeit einer Prüfung nach § 1 Abs. 4 PolVOgH nicht unzumutbar erschwert werden (ähnlich, wenngleich bei anderer Gesetzeslage: NdsOVG, Beschl. v. 31.08.2020 - 11 ME 136/20 - juris und OVG LSA, Beschl. v. 13.03.2017 - 3 M 246/16 - juris).
19 
Sollten bisherige Entscheidungen des Senats anders zu verstehen gewesen sein, hält der Senat hieran ausdrücklich nicht fest.
20 
dd) Nach diesem Maßstab ist die von Antragsgegnerin ausgesprochene Haltungsuntersagung voraussichtlich rechtmäßig. Die Antragstellerin hat nach ihrem eigenen Vorbringen im Jahre 2019 den Hund von ihrem Ex-Partner übernommen und ist somit Halterin des Hundes geworden. Zu diesem Zeitpunkt oblag es, da der Hund der Rasse der Pit Bull Terrier angehört und damit gemäß § 1 Abs. 2 PolVOgH ein Kampfhund ist, der Antragstellerin, unverzüglich eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 PolVOgH zu beantragen, den Hund zum Wesenstest nach § 1 Abs. 4 PolVOgH anzumelden und binnen einer angemessenen Frist von in der Regel drei Monaten diesen Wesenstest mit dem Hund zu absolvieren. Dies hat sie unterlassen. Die Haltungsuntersagung ist daher verhältnismäßig.
21 
Etwas anders ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Antragstellerin, sie sei bei Übernahme des Hundes davon ausgegangen, dass - entsprechend den Angaben ihres Ex-Partners - alles in Ordnung sei. Wer einen Kampfhund nach § 1 Abs. 2 PolVOgH übernimmt und dessen Halter wird, hat sich ab diesem Zeitpunkt selbständig um die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen zu kümmern. Im Übrigen wäre die Haltungsuntersagung auch bei Anlegung eines großzügigeren Maßstabs verhältnismäßig, da der Antragstellerin spätestens bei der Anmeldung des Hundes am 12.12.2019 klar sein musste, dass nicht „alles in Ordnung“ ist, und sie gleichwohl mit der Anmeldung des Hundes zur Verhaltensprüfung nach § 1 Abs. 4 PolVOgH bis zum 05.05.2020 zuwartete.
22 
b) Daher dürfte auch die Beschlagnahme nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG rechtmäßig sein. An der - nach dem unter a) Ausgeführten auch im Hinblick auf die Vorbereitung des Hundes auf die Prüfung nach § 1 Abs. 4 PolVOgH erforderlichen - Erlaubnis für Kampfhunde nach § 3 Abs. 1 PolVOgH fehlt es. Darin liegt eine Störung der öffentlichen Sicherheit nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG. Folglich konnte die Antragsgegnerin den Hund beschlagnahmen. Ermessensfehler liegen nicht vor, insbesondere ist die Beschlagnahme nach dem zuvor Ausgeführten verhältnismäßig.
23 
Aufgrund der vorliegenden Entscheidung des Senats kann die Antragsgegnerin, da eine vollziehbare Beschlagnahme mit der Verfügung vom 27.04.2020 vorliegt, den Hund der Antragstellerin wieder wegnehmen und die Beschlagnahmeverfügung somit wieder in Vollzug setzen, ohne dass es insoweit einer erneuten Beschlagnahmeverfügung oder eines anderweitigen Verwaltungsakts bedürfte. Dies gilt nur dann nicht, wenn im Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieser Entscheidung der Hund eine Prüfung nach § 1 Abs. 4 PolVOgH erfolgreich absolviert hat, da er dann kein Kampfhund i.S.v. § 1 Abs. 2 PolVOgH wäre und eine Störung der öffentlichen Sicherheit nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG mangels Verstoßes gegen § 3 PolVOgH nicht vorläge.
24 
Auch § 33 Abs. 4 Satz 2 PolG steht einem erneuten Vollzug der Beschlagnaheverfügung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift darf vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Regelung die Beschlagnahme nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden. Diese gesetzlich bestimmte Höchstdauer der Beschlagnahme von sechs Monaten ist Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Das Gesetz setzt damit der Dauer der Beschlagnahme eine absolute Grenze. Die Frist beginnt mit dem Vollzug der Beschlagnahme, also mit dem Zeitpunkt, zu dem die Behörde die beschlagnahmte Sache in amtliche Verwahrung nimmt. Denn mit dem Vollzug der Beschlagnahme realisiert sich für den Betroffenen - gerade im Hinblick auf Nutzungsmöglichkeit und Verwahrkosten - die belastende Wirkung einer Beschlagnahmeanordnung (Senat, Beschl. v. 11.03.2014 - 1 S 2422/13 - VBlBW 2014, 377). Wird der Vollzug der Beschlagnahme - wie hier - aufgrund der Rückgabe des Hundes an den Halter im Anschluss an einen erfolgreichen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz des Halters vor dem Ablauf von sechs Monaten unterbrochen, kann die Beschlagnahme nach einer Ablehnung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz in der Beschwerdeinstanz wieder vollzogen werden. Denn auch insoweit kommt es auf die tatsächliche Wegnahme des Hundes und deren Dauer an, da sich in ihr die Belastung für den Halter verwirklicht. Da die amtliche Verwahrung in einem solchen Fall den Zeitraum von sechs Monaten noch nicht erreicht hat, ist eine erneute Wegnahme und amtliche Verwahrung für den restlichen Zeitraum, also so lange möglich, bis insgesamt sechs Monate des Vollzugs der Beschlagnahme erreicht sind. Die absolute Grenze von sechs Monaten nach § 33 Abs. 4 Satz 2 PolG ist dann gewahrt.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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