Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 1 S 1113/22

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. März 2022 - 3 K 1102/22 - geändert.

Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht wird auf
5.000,-- EUR festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

 
Über die Beschwerde, mit der der Antragsteller eine Herabsetzung des durch die Kammer des Verwaltungsgerichts auf 7.500,-- EUR festgesetzten Streitwerts auf 2.500,-- EUR begehrt, entscheidet gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 GKG in der Beschwerdeinstanz der Senat (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 02.06.2006 - 9 S 1148/06 - NVwZ-RR 2006, 648; OVG Bremen, Beschl. v. 15.01.2010 - 1 S 318/09 - juris m.w.N.).
Die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet.
Die Grundlage für die Festsetzung des Streitwerts für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auf 5.000,-- EUR ergibt sich aus § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG. Nach § 52 Abs. 2 GKG ist ein Streitwert von 5.000,-- EUR anzunehmen, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Dementsprechend hat der Senat in der Vergangenheit für Streitigkeiten über ein Versammlungsverbot sowie bei Streitigkeiten über eine oder mehrere versammlungsrechtliche Auflagen abweichend von der diesbezüglichen Empfehlung in Nummer 45.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von 2013, an der sich das Verwaltungsgericht für die Festsetzung des Streitwerts orientiert hat, regelmäßig einen Streitwert von 5.000,-- EUR festgesetzt (vgl. Senat, Urt. vom 22.03.2022 - 1 S 2284/20 -, Beschl. vom 30.05.2020 - 1 S 1651/20 - und Beschl. vom 19.01.2021 - 1 S 138/21 - ). Hieran hält der Senat fest, weil es für eine anderweitige Bestimmung des Streitwerts für Streitigkeiten über ein Versammlungsverbot sowie für Streitigkeiten über eine oder mehrere versammlungsrechtliche Auflagen keine Stütze im Gesetz gibt und der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet.
Dabei ist auch im Falle einer Streitigkeit bezüglich mehrerer versammlungsrechtlicher Auflagen ein Streitwert von 5.000,-- EUR anzunehmen. Denn nach § 39 Abs. 1 GKG werden in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. Werden mehrere Anträge mit selbständiger Bedeutung gestellt, werden die Werte daher addiert, wenn die Streitgegenstände jeweils einen selbständigen wirtschaftlichen Wert oder einen selbständigen materiellen Gehalt haben. Hat ein Streitgegenstand im Verhältnis zum anderen hingegen keinen eigenen wirtschaftlichen Wert, bleibt er bei der Bemessung unberücksichtigt (vgl. nur BayVGH, Beschl. v. 11.04.2018 - 15 C 18.750 - juris Rn. 8).
Da nach der Rechtsprechung des Senats bei Streitigkeiten über ein Versammlungsverbot als weitgehendste Maßnahme im Versammlungsrecht 5.000,-- EUR als Streitwert anzunehmen sind, würde es zu einem Wertungswiderspruch führen, wenn für jede versammlungsrechtliche Auflage ebenfalls ein Streitwert von 5.000,-- EUR anzunehmen wäre und diese Werte bei mehreren Auflagen zu addieren wären.
Dies führt in der vorliegenden Konstellation dazu, dass für die Streitigkeit über die angegriffene Auflage in Nummer 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 29.03.2022 5.000,-- EUR als Streitwert festzusetzen sind. Für das Feststellungsbegehren im Rahmen des § 123 VwGO, mit dem der Antragsteller die Feststellung begehrte, nur insoweit ständig anwesend und für die Versammlungsbehörde bzw. für den Polizeivollzugsdienst ansprechbar sein zu müssen, als er die Funktion des verantwortlichen Leiters der Versammlung ausübt, sind hingegen keine weiteren 5.000,-- EUR hinzuzuaddieren. Auch insoweit wäre es wertungswidersprüchlich, für das Feststellungsbegehren einen weiteren Wert von 5.000,-- EUR anzunehmen und diesen den 5.000,-- EUR für die Auflage in Nummer 3 des genannten Bescheids hinzuzuaddieren. Vielmehr ist für beide Begehren ein einheitlicher Streitwert von 5.000,-- EUR festzusetzen.
Das Verwaltungsgericht ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass der Streitwert im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nicht zu reduzieren war. Denn der Antragsteller begehrte der Sache nach eine Vorwegnahme der Hauptsache. Der Antragsteller stellte am 30.03.2022 den zugrundeliegenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutz für eine Versammlung, die im Zeitraum vom 28.03. bis zum 02.04.2022 stattfinden sollte. Bei dem dargestellten zeitlichen Ablauf käme eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache zu spät, um Auswirkungen entfalten zu können. Daher ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass seine Entscheidung die Hauptsache vorwegnehmen würde. In den Fällen einer Vorwegnahme der Hauptsache besteht jedoch kein Anlass dafür, den Streitwert im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes zu reduzieren.
Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich, da das Verfahren über die Beschwerde gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (vgl. § 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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