Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 10 S 2420/21

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2021 - 11 K 1585/21 - wird verworfen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer nach der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) erteilten Standortbescheinigung für eine Mobilfunksendeanlage.
Auf Antrag der Beigeladenen erteilte die Bundesnetzagentur am 22.10.2020 eine Standortbescheinigung für den Betrieb einer dort im Einzelnen näher beschriebenen ortsfesten Funkanlage in einer Montagehöhe von 32,60 m auf dem Grundstück Flst. Nr. ... der Gemarkung ... der Stadt ....... Dabei setzte sie Sicherheitsabstände von 20,38 m in Hauptstrahlrichtung und von 4,48 m vertikal (90⁰) fest. Den hiergegen von der Antragstellerin, deren mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück rund 390 m von dem Anlagenstandort entfernt liegt, erhobenen Widerspruch wies die Bundesnetzagentur mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2021 zurück.
Am 05.03.2021 hat die Antragstellerin Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben (Az. 11 K 1069/21) und am 29.03.2021 die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage beantragt.
Das Verwaltungsgericht hat den Eilrechtsschutzantrag mit Beschluss vom 29.06.2021 abgelehnt, weil die Antragstellerin nicht antragsbefugt und der Antrag deswegen unzulässig sei. So erscheine es aufgrund der Entfernung des Grundstücks der Antragstellerin zum Anlagenstandort ausgeschlossen, dass auf ihrem Grundstück die im Rahmen des Standortverfahrens zu prüfenden Grenzwerte überschritten würden. In Bezug auf eine mögliche Rechtsverletzung von Dritten durch eine Standortbescheinigung sei grundsätzlich auf den Einwirkungsbereich der Anlage abzustellen. Das bedeute jedoch nicht, dass alle Personen im Einwirkungsbereich im Sinne des gesamten Versorgungsbereichs einer Funkanlage unterschiedslos antragsbefugt seien. Im Hinblick auf den begrenzten Prüfungs- und Regelungsumfang einer Standortbescheinigung bestehe vielmehr nur für solche Personen die Möglichkeit einer Rechtsverletzung, die mit Erfolg geltend machen könnten, dass durch die Standortbescheinigung möglicherweise der zur Einhaltung der Grenzwerte nach § 3 BEMFV erforderliche standortbezogene Sicherheitsabstand zu ihrem Nachteil fehlerhaft ermittelt worden sei. Dies sei mit Blick auf das Grundstück der Antragstellerin nicht der Fall, da dieses so erheblich außerhalb des standortbezogenen Sicherheitsbereich liege, dass eine Überschreitung der nach § 3 BEMFV einzuhaltenden Grenzwerte praktisch unmöglich sei. Die diesbezüglichen Ermittlungen habe die Antragstellerin auch nicht substantiiert in Frage gestellt. Auf die Eignung der in der 26. BlmSchV festgelegten Anforderungen zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung vor Mobilfunkstrahlung komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Bundesnetzagentur habe ausschließlich zu prüfen, ob eine Funkanlage die Grenzwerte der 26. BlmSchV außerhalb des kontrollierbaren Bereichs einhält. Eine darüberhinausgehende umfassende Analyse von Gesundheitsrisiken durch Mobilfunkstrahlung im Einwirkungsbereich der Anlage oder eine Prüfung des § 22 BlmSchG sei im Standortverfahren nicht vorgesehen, sondern der abschließenden Prüfung im Baugenehmigungsverfahren vorbehalten.
Gegen den ihr am 14.07.2021 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 22.07.2021 Beschwerde erhoben, die sie am 13.08.2021 sowie nachgehend weiter umfänglich vertiefend begründet hat. Zusammengefasst trägt sie vor, das Verwaltungsgericht habe den Antrag zu Unrecht als unzulässig angesehen. Aus Gründen des verfassungsrechtlichen Gebots effektiven Rechtsschutzes und mit Blick auf die systematische Unterlassung immissionsschutzrechtlicher Prüfungen durch die Baurechtsbehörden und eine diese Praxis zum Teil billigende Rechtsprechung müsse - zur Vermeidung von Widersprüchen und letztlich Rechtsschutzlücken - von einer über die rechnerische Festsetzung der Sicherheitsabstände anhand der Grenzwerte der 26. BImSchV hinausgehenden immissionsschutzrechtlichen Prüfungspflicht der Bundesnetzagentur im Standortbescheinigungsverfahren ausgegangen werden. Die Grenzwerte der 26. BImSchV umfassten zahlreiche gesundheitliche Einwirkungen nicht; die Antragstellerin sei auf ihrem Grundstück gesundheitlichen Einwirkungen und potentiellen Schädigungswirkungen ausgesetzt. Dabei sei auch die fehlende Berechenbarkeit der Strahlenbelastung bei „5G-Antennen“ zu berücksichtigen. Die Standortbescheinigung sei rechtswidrig. Es fehle an einer Rechtsgrundlage für ihre Erteilung, das Nachweisverfahren nach der BEMFV stelle keine immissionsschutzrechtliche Prüfung im Sinne von § 22 BImSchG dar, das immissionsschutzrechtliche Vermeidungs- und Minimierungsgebot werde nicht beachtet und Gesundheitsgefährdungen für Dritte wie die Antragstellerin durch den Anlagenbetrieb seien nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen; insbesondere stellten sich die in der 26. BImSchV festgesetzten Grenzwerte als evident unzureichend dar. Die Antragstellerin werde in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG - auch in Verbindung mit Art. 20a GG -, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art 1 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 GG und Art. 13 Abs. 1 GG sowie verfassungsrechtlich geschützten Verfahrensrechten verletzt. Schließlich müsse mit Blick auf die in Rede stehenden Gesundheitsgefahren und zur Vermeidung vollendeter Tatsachen auch eine Interessenabwägung zu ihren Gunsten ausfallen.
Auf Antrag der .... OHG hat die Bundesnetzagentur für den streitigen Anlagenstandort am 09.05.2022 eine neue Standortbescheinigung erteilt. Unter Berücksichtigung weiterer Funkanlagen sind die Sicherheitsabstände dort nunmehr auf 26,90 m in Hauptstrahlrichtung und von 5,79 m vertikal (90⁰) festgesetzt worden. Auch hiergegen hat die Antragstellerin Widerspruch eingelegt.
Am 01.07.2022 hat die Antragstellerin daraufhin beantragt, ihren Beschwerdeantrag auf die neue Standortbescheinigung vom 09.05.2022 „zu erweitern“. Die neu erteilte Standortbescheinigung umfasse den bisherigen Funkanlagenbetrieb, der lediglich erweitert werde. Die Beschwerdeerweiterung sei aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes geboten. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass die Anlage abweichend von einer am 15.04.2019 erteilten Baugenehmigung errichtet worden sei und sowohl die Errichtung als auch der Betrieb der Anlage derzeit nicht von einer baurechtlichen Genehmigung gedeckt seien.
Ein von der Antragstellerin in Bezug auf die erteilte Baugenehmigung gestellter Eilantrag ist ohne Erfolg geblieben (Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29.06.2021 - 11 K 6228/20 - und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16.11.2021 - 8 S 2400/21 -).
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene sind der Beschwerde entgegengetreten. Die Antragsgegnerin hat einer Erweiterung des Beschwerdeantrags zugestimmt.
10 
Für die weiteren Einzelheiten des jeweiligen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der dem Senat vorliegenden Akten des erstinstanzlichen Antragsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht verwiesen.
II.
11 
Die Beschwerde ist unzulässig und deswegen zu verwerfen (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO bzw. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 572 Abs. 2 ZPO).
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1. Der Antragstellerin fehlt es im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats in Bezug auf ihren ursprünglichen, gegen die Standortbescheinigung vom 22.10.2020 gerichteten Aussetzungsantrag an der notwendigen Beschwer als allgemeiner Zulässigkeitsvoraussetzung (vgl. hierzu Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 146 VwGO Rn. 13d, Vorb. § 124 VwGO Rn. 39). Denn die neue, auf Antrag der ...... OHG für die Standortmitbenutzung erteilte Standortbescheinigung vom 09.05.2022 hat die frühere Standortbescheinigung vom 22.10.2020 gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 BEMFV ersetzt. Letztere ist damit nicht mehr Grundlage des Anlagenbetriebs, was auch praktisch dadurch zum Ausdruck kommt, dass nunmehr für die erweiterte Gesamtanlage neue Sicherheitsabstände festgelegt wurden. Da die im Hauptsacheverfahren angefochtene Standortbescheinigung vom 22.10.2020 keine den Anlagenbetrieb legitimierenden Rechtswirkungen mehr entfaltet, ist es zugleich ausgeschlossen, dass die Antragstellerin durch ihren Vollzug, gegen den sich ihr Antrag nach § 80a Abs. 3 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 VwGO richtet, betroffen sein könnte. Damit geht nicht nur der (ursprüngliche) Aussetzungsantrag ins Leere, weil die Standortbescheinigung vom 22.10.2020 keinen vollziehbaren Verwaltungsakt mehr darstellt, sondern ist auch das Rechtsschutzbedürfnis für die hierauf bezogene Beschwerde entfallen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.01.2006 - 11 S 1455/05 - VBlBW 2006, 285 = juris Rn. 5 m. w. N.). Ein anderes schutzwürdiges Interesse, das sie nach Erledigung ihres Aussetzungsbegehrens im Beschwerdeverfahren etwa noch verfolgen könnte, hat die Antragstellerin schon nicht geltend gemacht (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.12.2009 - 1 S 1342/09 - NVwZ-RR 2010, 416; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.05.2022 - 4 E 148/22 - juris). Insbesondere steht eine Aufhebung der Vollziehung (§ 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO) in der vorliegenden Konstellation nicht in Rede und könnte auch ein etwaiges Feststellungsbegehren im Beschwerdeverfahren nicht verfolgt werden, so dass die Antragstellerin auch nicht etwa die Feststellung erwirken könnte, ihrem Aussetzungsantrag sei zu Unrecht der Erfolg versagt geblieben (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.01.2006 a. a. O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.08.2021 - 1 B 803/21 - juris Rn. 18 ff.; siehe in Bezug auf Anträge nach § 123 VwGO außerdem BVerwG, Beschluss vom 27.01.1995 - 7 VR 16.94 - NVwZ 1995, 586; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.08.2015 - 9 S 1418/15 - Justiz 2015, 357; BayVGH, Beschluss vom 28.03.2019 - 3 CE 18.2248 - juris Rn. 19 ff.). Aus der Erledigung ihres Aussetzungsbegehrens hat die Antragstellerin gleichwohl nicht die prozessuale Konsequenz gezogen, ihre Beschwerde insoweit für erledigt zu erklären, sondern hat diese lediglich auf die neue Standortbescheinigung vom 09.05.2022 „erweitert“. Ihr diesbezüglicher Beschwerdeantrag ist deswegen zu verwerfen.
13 
2. Die Beschwerde ist ebenfalls unzulässig, soweit die Antragstellerin damit am 01.07.2022 nunmehr auch beantragt hat, unter Abänderung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs - bzw. der beim Verwaltungsgericht anhängigen Hauptsacheklage (Az. 11 K 1069/20), deren entsprechende Erweiterung sie erklärt hat - gegen die Standortbescheinigung vom 09.05.2022 anzuordnen.
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a) Eine solche Erweiterung des Beschwerdeantrags ist ungeachtet der weiteren Voraussetzungen entsprechend § 91 Abs. 1 VwGO nicht statthaft.
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Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist grundsätzlich allein der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts (§ 146 Abs. 1 VwGO), auf den sich auch das Begründungserfordernis bezieht (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt die Prüfung im Beschwerdeverfahren dabei auf die innerhalb der einmonatigen, hier am 16.08.2021 abgelaufenen (§ 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO sowie § 188 Abs. 2, § 187 Abs. 1 BGB) Beschwerdebegründungsfrist gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragenen Gründe. Dies schließt eine Änderung oder Erweiterung des Beschwerdebegehrens jedenfalls wie hier nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist aus (grds. ablehnend OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11.11.2020 - 3 M 208/20 - juris Rn. 7; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.04.2020 - 11 S 20/20 - juris Rn. 9; ähnlich Rennert in Eyermann, VwGO, § 91 Rn. 7).
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Zwar können aus Gründen der gemäß Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen Rechtsschutzeffektivität abweichend von dem Grundsatz, dass das Beschwerdeverfahren ausschließlich der rechtlichen Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung dient, ausnahmsweise Antragsänderungen auch hier zuzulassen sein (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 05.04.2022 - 1 S 645/22 - juris Rn. 31, vom 18.01.2021 - 9 S 3123/20 - juris Rn. 31, vom 21.07.2020 - 12 S 1545/20 - juris Rn. 23 und vom 18.10.2010 - 1 S 2029/10 - VBlBW 2011, 95; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12.07.2018 - 4 MB 76/18 - juris Rn. 7; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.01.2018 - 9 B 1540/17 - DVBl 2018, 527, jew. m. w. N.; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, § 146 Rn. 94; Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 146 VwGO Rn. 13c). Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Antragsänderung - anders als im vorliegenden Fall - noch vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist erklärt wird. Denn nur unter dieser Voraussetzung können geänderte Umstände unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 146 Abs. 4 VwGO überhaupt in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.10.2010 - 1 S 2029/10 - VBlBW 2011, 95; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.05.2022 - 4 MB 16/22 - juris Rn. 12; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26.07.2017 - 8 B 11235/17 - juris Rn. 50 f.; BayVGH, Beschluss vom 06.02.2012 - 11 CE 11.2964 - juris Rn. 32; SächsOVG, Beschluss vom 25.01.2012 - 1 B 231/11 - juris Rn. 11; HessVGH, Beschluss vom 12.07.2011 - 1 B 1046/111 - NVwZ-RR 2012, 201; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, § 146 Rn. 33). Soweit darüber hinausgehend Antragsmodifikationen teilweise unter Verweis auf den Rechtsgedanken des § 264 Nr. 3 ZPO als Reaktion auf nachträgliche Änderungsbescheide in bestimmten Konstellationen zugelassen werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 29.03.2013 - 22 CS 13.753 - juris Rn. 16 f.), ist ein solcher Fall hier jedenfalls nicht gegeben. Insbesondere hat die Bundesnetzagentur am 09.05.2022 nicht etwa für die bereits im erstinstanzlichen Antragsverfahren gegenständliche Anlage eine geänderte Standortbescheinigung erteilt, sondern es handelt sich bei der „neuen“ Standortbescheinigung um eine solche für eine erweiterte Funkanlage, die ein aliud darstellt, so dass eine Identität des Streitgegenstands nach den Maßstäben des § 264 ZPO nicht gegeben ist. Dies zeigt sich auch daran, dass durch die Standortbescheinigung vom 09.05.2022 nunmehr nicht mehr nur die Beigeladene in Bezug auf den Betrieb der bislang vorhandenen Anlagen begünstigt ist, sondern mit der ....... OHG eine weitere Begünstigte, die ebenfalls Mobilfunksendeanlagen auf dem Anlagengrundstück betreiben möchte, hinzugetreten ist.
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b) Mit dem „erweiterten“ Antrag ist die Beschwerde darüber hinaus auch deswegen unzulässig, weil das Begründungserfordernis gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO diesbezüglich ebenfalls nicht erfüllt ist. Zur Erfüllung der Begründungsanforderungen genügt es nicht, dass die Antragstellerin schlicht auf ihr die Standortbescheinigung vom 22.10.2020 bezogenes Beschwerdevorbringen verweist. Entgegen ihrer Auffassung ist der Sach- und Streitstand mit dem Erlass der Standortbescheinigung vom 09.05.2022 nicht „im Wesentlichen gleich bzw. identisch“ geblieben, sondern bezieht sich letztere wie ausgeführt auf eine im Vergleich mit der ursprünglich streitgegenständlichen erheblich erweiterte und sich damit von jener wesentlich unterscheidende Gesamtanlage. Die konkreten Gegebenheiten am vorliegenden Standort berücksichtigt die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung aber schon bislang nicht hinreichend, geschweige denn zeigt sie hinsichtlich der „neuen“ Standortbescheinigung auf, inwieweit sie durch diese im Einzelnen konkret - insbesondere mit Blick auf die dortigen Festlegungen - in subjektiven Rechten betroffen sein könnte.
18 
Dem liegt offenbar nicht zuletzt ein Fehlverständnis des Regelungsgehalts der Standortbescheinigung und des der Bundesnetzagentur bei deren Erteilung obliegenden Prüfungsauftrags zugrunde. Auszugehen ist dabei von den Regelungen der BEMFV. Diese ist entgegen der Auffassung der Beschwerde weder nichtig noch sonst infolge der Aufhebung des Gesetzes über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (FTEG) einschließlich der in § 12 FTEG geregelten Verordnungsermächtigung und dessen Ablösung durch das Gesetz über die Bereitstellung von Funkanlagen auf dem Markt (Funkanlagengesetz - FuAG) zum 04.07.2017 (Gesetz vom 27.06.2017, BGBl. I S. 1947) obsolet geworden. Denn das nachträgliche Erlöschen hat ebenso wenig wie die nachträgliche Änderung einer Ermächtigungsgrundlage Einfluss auf den rechtlichen Bestand einer ordnungsgemäß erlassenen Rechtsverordnung, ohne dass dabei - wie die Antragstellerin meint - zwischen vor- und nachkonstitutionellem Recht zu unterscheiden wäre (vgl. hierzu ausführlich BayVGH, Beschluss vom 08.12.2021 - 22 CS 21.2284 - BayVBl 2022, 557 = juris Rn. 33 ff. m. w. N. zur stRspr. u. a. des Bundesverfassungsgerichts). Wie das Verwaltungsgericht bereits ausgeführt hat, hätte ein Wegfall der BEMFV wie von der Antragstellerin geltend gemacht im Übrigen zur Folge, dass der Betrieb der Anlage nicht von der Erteilung einer Standortbescheinigung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BEMFV) abhängig wäre und diese damit ohne vorherige Prüfung durch die Bundesnetzagentur betrieben werden könnte, womit den angeführten Interessen der Antragstellerin ersichtlich noch weniger gedient wäre.
19 
Der Prüfauftrag der Bundesnetzagentur im Zusammenhang mit der Erteilung einer Standortbescheinigung beschränkt sich darauf, auf der Grundlage der systembezogenen Sicherheitsabstände den zur Einhaltung der Grenzwerte nach § 3 BEMFV, d. h. insbesondere der in der 26. BImSchV festgesetzten Grenzwerte (§ 3 Satz 1 Nr. 1 BEMFV), erforderlichen standortbezogenen Sicherheitsabstand zu ermitteln. Die Standortbescheinigung ist zu erteilen, wenn der standortbezogene Sicherheitsabstand innerhalb des kontrollierbaren Bereichs liegt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 BEMFV). Dass die Sicherheitsabstände nach diesem Maßstab fehlerhaft ermittelt wären und die Antragstellerin hierdurch - trotz des vergleichsweise großen Abstands ihres Grundstücks (vgl. zur Berechnung BayVGH, Beschluss vom 08.12.2021 a. a. O.) - auch betroffen sein könnte, legt sie nicht dar. Die in der Beschwerdebegründung stattdessen angestellten, abstrakten und von den Verhältnissen am streitigen Anlagenstandort losgelösten Betrachtungen gehen bereits am Schutzzweck der BEMFV weitgehend vorbei. Dieser besteht ausschließlich in der Gewährleistung des Schutzes von Personen in den durch den Betrieb von ortsfesten Funkanlagen entstehenden elektromagnetischen Feldern (§ 1 BEMFV). Eine mit der Erteilung der Standortbescheinigung verbundene Rechtsverletzung der Antragstellerin kann daher schon im Ansatz nicht aus Umständen hergeleitet werden, die nicht in der Exposition der Antragstellerin mit elektromagnetischen Feldern begründet liegen. Die Ausführungen der Klägerin zum Klimaschutz oder zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind zur Begründung der Beschwerde daher ebenso unbehelflich wie der behauptete Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, dessen Schutzbereich durch eine Bestrahlung mit Funkwellen auch nicht tangiert wird (vgl. näher BayVGH, Beschluss vom 08.12.2021 a. a. O.; siehe zur Regelungswirkung der Standortbescheinigung ferner BayVGH, Beschluss vom 25.04.2022 - 22 CS 22.711 - juris). Gleiches gilt für die abstrakten Ausführungen der Antragstellerin zur sog. „5G-Technik“, da nicht dargelegt oder ersichtlich ist, aus welchen Gründen die Antragstellerin davon ausgeht, dass der Einsatz einer solchen von der erteilten Standortbescheinigung gedeckt sein könnte (vgl. hierzu bereits VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.11.2021 - 8 S 2400/21 - in Bezug auf die Baugenehmigung).
20 
Die Bundesnetzagentur muss im Standortbescheinigungsverfahren auch nicht allgemein die Auswirkungen des Funkbetriebs auf die menschliche Gesundheit prüfen und ihr obliegt erst recht nicht die Revision der von der Antragstellerin für unzureichend gehaltenen 26. BImSchV, die auf der die Bundesregierung ermächtigenden Regelungsgrundlage des § 23 Abs. 1 BImSchG beruht. Sie hat insbesondere auch keine weitergehende immissionsschutzrechtliche Prüfung am Maßstab des § 22 BImSchG durchzuführen, ohne dass es hierfür darauf ankäme, ob die Baurechtsbehörden im Baugenehmigungsverfahren eine solche Prüfung durchzuführen haben, was abhängig vom jeweiligen Landesrecht schon im Grundsatz unterschiedlich zu beurteilen ist (vgl. für Baden-Württemberg § 58 Abs. 1 Satz 1 und 2 LBO sowie hierzu Gassner in Spannosky/Uechtritz, Bauordnungsrecht Baden-Württemberg, § 58 LBO Rn. 92, und Sauter, LBO, § 58 Rn. 56; zur Rechtslage in anderen Ländern siehe exemplarisch etwa BayVGH, Beschluss vom 14.04.2022 - 15 ZB 21.2827 - NVwZ-RR 2022, 567; NdsOVG, Beschluss vom 17.01.2022 - 1 ME 142/21 - BauR 2022, 631; hierzu ferner Augustin, jurisPR UmwR 8/2022 Anm. 4). In ständiger Rechtsprechung wird freilich davon ausgegangen, dass durch die von einem Funkstandort ausgesendeten elektromagnetischen Felder keine schädlichen Umweltauswirkungen (§ 3 Abs. 1 und § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG) verursacht werden, wenn eine Standortbescheinigung erteilt wurde, welche die Einhaltung der Anforderungen nach der 26. BImSchV dokumentiert (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.06.2013 - 4 C 2.12 - BVerwGE 147, 37 Rn. 19; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.05.2019 - 10 A 1860/17 - juris Rn. 41 ff.; BayVGH, Beschluss vom 18.01.2022 - 1 CS 21.2386 - juris Rn. 16; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.10.2021 - 1 MB 18/21 - juris Rn. 20). Soweit die Antragstellerin die Anforderungen der 26. BImSchV - allerdings ohne konkret darzulegen, dass sich hieraus für sie auch unter Berücksichtigung der Entfernung ihres Grundstücks von dem Anlagenstandort eine individuelle Betroffenheit ergeben könnte - für unzureichend hält und dem Normgeber mit Blick auf seinen verfassungsrechtlichen Schutzauftrag der Sache nach ein Unterlassen vorwirft, ist - ungeachtet der Frage, ob dies letztlich auf die Rechtmäßigkeit der Standortbescheinigung durchschlagen könnte - schließlich darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung von der Verfassungskonformität der Vorgaben der 26. BImSchV ausgeht und dies erst jüngst erneut bestätigt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.11.2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 44 m. w. N.; siehe hierzu ferner OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.10.2021 a. a. O. Rn. 21 ff.). Die 26. BImSchV ist auch nicht seit ihrem Inkrafttreten am 01.01.1997 unverändert geblieben, sondern wurde - u. a. zur Anpassung an neuere wissenschaftliche Erkenntnisse - im Jahr 2013 novelliert (Verordnung zur Änderung der Vorschriften über elektromagnetische Felder und das telekommunikationsrechtliche Nachweisverfahren, BGBl. I 3259; vgl. zur Begründung der Änderungsverordnung BT-Drs. 17/12372).
III.
21 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
22 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 sowie auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Der danach festzusetzende Auffangstreitwert von 5.000,-- EUR war unter Berücksichtigung der Empfehlung in Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit für das Eilverfahren zu halbieren.
23 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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