Urteil vom Amtsgericht Bielefeld - 10 Ls - 566 Js 962/21 - 476/21
Tenor
In der Strafsache
gegen D. S.
wegen sexueller Nötigung
wird die Angeklagte wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt.
Die Vollstreckung der Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
Die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
1
G r ü n d e :
2(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
3Die 39 Jahre alte Angeklagte lebt von ihrem Ehemann schon seit längerem getrennt und es scheint ein nicht ganz unkompliziertes Scheidungsverfahren zu geben. Die Angeklagte ist Mutter von zwei Kindern, wobei das ältere Kind, welches 15 Jahre alt ist, von ihr zur Adoption freigegeben wurde, es besteht aber Kontakt. Das jüngere Kind im Alter von 7 Jahren lebt beim Vater, ihrem getrennt lebenden Ehemann. Die Angeklagte ist von Haus aus Hauswirtschafterin und möchte jetzt einen Arbeitsvertrag für eine Vollzeitstelle in einem Hotel in Bad T. unterschreiben. Was sie dort verdienen wird, weiß sie nicht. Die Angeklagte hat jetzt nach längerer Zeit aber auch eine Wohnung gefunden, nach dem sie zwischendurch in einem Hotel gelebt hatte.
4Der Bundeszentralregisterauszug der Angeklagten weist keine Voreintragungen auf.
5Die Angeklagte hat sich wegen folgenden Sachverhaltes zu verantworten:
6Die Angeklagte wohnte in der Zeit von September 2020 bis zum 22.02.2021 in einer Wohngemeinschaft in der P-Straße in C. mit dem Geschädigten L. V. X. In der Zeit führte sie mit dem Geschädigten eine Sexualbeziehung mit einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, eine sogenannte „Freundschaft Plus“ eine ernsthafte Beziehung wollte der Geschädigte mit der Angeklagten nicht. In der Regel benutzten die beiden auch Kondome, weil der Geschädigte kein Kind mit der Angeklagten wollte und sich zeitgleich auch vor Krankheiten schützen wollte. Ab und an kam es aber auch wohl zum Geschlechtsverkehr ohne Kondom. Obwohl die Angeklagte wusste, dass – weitgehend – ein Kondom benutzt werden würde, weil der Geschädigte dieses so wollte, perforierte sie an einem unbekannten Tag im oben genannten Tatzeitraum die von dem Geschädigten gekauften und noch verpackten Kondome, ohne dass dieser davon Kenntnis hatte. Sodann kam es zumindest bei einer Gelegenheit zwischen der Angeklagten und dem Geschädigten zum Geschlechtsverkehr mit einem der zuvor von der Angeklagten heimlich durchlöcherten Kondome, ohne dass der Geschädigte dieses wusste. In Kenntnis der perforierten Kondome hätte der Geschädigte den Geschlechtsverkehr in dieser Situation nicht durchgeführt. Die Angeklagte bezweckte durch das Perforieren der Kondome schwanger zu werden und den Geschädigten so an sich zu binden. Sie offenbarte ihm dann auch am 21.03.2021 über Whatsapp, dass sie nunmehr schwanger sei – was glücklicherweise gelogen war -, aber dazu führte, dass der Zeuge zur Polizei ging. Dort wurden 4 noch vorhandene Kondome untersucht und konnten dort an den Verpackungen Einstiche festgestellt werden. Es wurde sodann eines der Kondome aus der Verpackung geholt und der Beamte füllte Wasser in das Kondom, welches sich dann tatsächlich als löchrig erwies, weil dort Wasser austrat.
7Die zuvor getroffenen Feststellungen beruhen auf der geständigen Einlassung der Angeklagten wie der Aussage des uneidlich vernommenen Zeugen X., der inzwischen an einer Strafverfolgung kein Interesse mehr hat.
8Nach den getroffenen Feststellungen hat die Angeklagte sich der sexuellen Nötigung im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Es wurden zwischen ihr und dem Geschädigten sexuelle Handlungen vorgenommen, obwohl dieses gegen den erkennbaren Willen des Zeugen X. gewesen ist, der – zumindest – an diesem Tag nicht mit der Angeklagten geschlafen hätte, wenn er von dem durchlöcherten Kondomen gewusst hätte. Das Vorgehen der Angeklagten muss daher dem sogenannten „Stealthing“ also dem heimlichen Abziehen des Kondoms während des Geschlechtsverkehrs, gleichgestellt werden.
9Die sexuelle Nötigung in der Form des § 177 Abs. 1 StGB sieht Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren vor. Der Straftatbestand der angeklagten Vergewaltigung dürfte nicht erfüllt sein, weil an bzw. mit dem Zeugen keine Handlung vorgenommen wurde, die dazu geeignet gewesen ist, ihn besonders zu erniedrigen. Unabhängig davon wäre aber ohnehin vom Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 StGB abgesehen worden und der „Normalstrafrahmen“ des § 177 Abs. 1 StGB angenommen worden, weil die Tat nicht so schwer wiegt, dass hierfür eine Mindeststrafe von 2 Jahren angemessen gewesen wäre.
10Im Rahmen der konkreten Strafzumessung sprach für die Angeklagte neben ihrem Geständnis, dass sie strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten ist, der Zeuge kein Verfolgungsinteresse mehr hat, man hat sich im Gegenteil wieder vertragen – auch wenn es nicht zu der von der Angeklagten gewünschten Beziehung geführt hat. Die Angeklagte hat sich auch gleich, nachdem sie aus der Wohnung des Zeugen ausgezogen ist, diesem gegenüber offenbart, mit anderen Worten, es wäre die Tat nicht herausgekommen, wenn sie sich nicht selber an den Zeugen gewandt hätte – um diesen zu ärgern. Insgesamt sind vorliegend keine Gründe ersichtlich, weshalb die Mindeststrafe zu erhöhen wäre, womit eine Freiheitsstrafe von
116 Monaten
12verhängt wurde, deren Vollstreckung im Hinblick auf das bislang straffreie Vorleben der Angeklagten natürlich zur Bewährung ausgesetzt werden konnte.
13Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.
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