Beschluss vom Amtsgericht Duisburg - 62 IN 227/03
Tenor
wird die Berichtigung des Rubrums der Beschlüsse vom 25.07.2003 (Anordnung von Sicherungsmaßnahmen) und vom 19.08.2003 (Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen) hinsichtlich des Vertreters der Schuldnerin abgelehnt.
1
I. Die Schuldnerin, die seit 1999 als Private Limited Company mit Sitz in London im Gesellschaftsregister für England und Wales in Cardiff eingetragen ist, errichtete im Jahr 2002 eine Zweigniederlassung für Industriemontage in Dinslaken (Nordrhein-Westfalen). Die gewerberechtliche Anmeldung beim Ordnungsamt der Stadt Dinslaken erfolgte am 31.10.2002 durch den Beteiligten V. In dem von ihm unterschriebenen Anmeldeformular ist unter der Rubrik "vertretungsberechtigte Personen" nur er selbst mit Name und Anschrift aufgeführt. Zur Eintragung in das zuständige Handelsregister beim AG Duisburg wurde die Zweigniederlassung nicht angemeldet.
2Am 25.06.2003 beantragte die AOK R, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Der Antrag, dem u.a. eine Ablichtung der Gewerbeanmeldung vom 31.10.2002 beigefügt war, wurde der Schuldnerin unter der Betriebsanschrift in Dinslaken und dem Beteiligten V unter seiner Wohnanschrift zugestellt. In London war die Schuldnerin unter der im Gesellschaftsregister erfaßten Anschrift postalisch nicht erreichbar; ob sie in Großbritannien überhaupt noch Geschäftsräume unterhält, ist unklar. Mit Beschluß vom 25.07.2003 ordnete das Gericht Sicherungsmaßnahmen an. Am 14.08.2003 erklärte die Antragstellerin wegen Zahlung der Beitragsrückstände ihren Antrag in der Hauptsache für erledigt. Daraufhin wurden die Sicherungsmaßnahmen am 19.08.2003 aufgehoben.
3In beiden Beschlüssen ist der Beteiligte V als "Geschäftsführer" der Schuldnerin aufgeführt. Hiergegen wendet er sich u.a. mit Schreiben vom 05.09.2003 und bittet um "Änderung" der Beschlüsse. Er behauptet, er sei lediglich beauftragt gewesen, bei der Stadt Dinslaken die Niederlassung der Schuldnerin "umzumelden"; dies ergebe sich auch aus der Vollmacht, die er bei der Ummeldung vorgelegt habe. Weitergehende Vertretungsbefugnisse für die Schuldnerin habe er nicht. Die Geschäftsführung sei in England ansässig.
4II. Die Eingabe des Beteiligten V vom 05.09.2003 ist als Antrag auf Berichtigung des Rubrums der beiden Beschlüsse zu werten. Eine solche Berichtigung ist grundsätzlich möglich, sofern eine offenkundige Unrichtigkeit vorliegt und die Identität des im Eröffnungsantrag angesprochenen Schuldners gewahrt bleibt (§ 319 ZPO, § 4 InsO; BGH NZI 2003, 197, 198). Das Begehren des Beteiligten V ist jedoch unbegründet. Eine Unrichtigkeit des Rubrums steht nicht fest und ist erst recht nicht offenkundig. Nach dem gegenwärtigen Sachstand ist der Beteiligte V für das vorliegende Verfahren zumindest als besonderer Vertreter der Schuldnerin für den Betrieb der Zweigniederlassung in Dinslaken anzusehen. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts ist wegen der Erledigungserklärung der Antragstellerin weder geboten noch zweckmäßig.
5a) Die Aufnahme des Beteiligten V als "Geschäftsführer" der Schuldnerin in das Rubrum der beiden Beschlüsse beruht auf seinen eigenen Angaben in der von ihm unterschriebenen Gewerbeanmeldung vom 31.10.2002. Dort hat er allein sich selbst als vertretungsberechtigte Person der Schuldnerin bezeichnet. Über glaubhafte entgegenstehende Erkenntnisse verfügt das Gericht zur Zeit nicht. Die Bekanntmachungen des Gesellschaftsregisters im Internet (www.companieshouse.gov.uk, Company Information) enthalten keine Angaben über vertretungsberechtigte Personen.
6b) Mit dem Wort "Geschäftsführer" hat das Gericht bewußt und erkennbar eine hier rechtlich unspezifische Funktionsbezeichnung gewählt. Eine Private Limited Company (kleine Kapitalgesellschaft englischen Rechts) wird nämlich gesetzlich nicht durch "Geschäftsführer", sondern durch das Direktorium (board of directors) vertreten, das aus einem oder mehreren Direktoren besteht. Allerdings kann eine ausländische Kapitalgesellschaft, wenn sie in Deutschland eine Zweigniederlassung errichtet, für die Tätigkeit dieser Niederlassung auch einen besonderen, dem Prokuristen vergleichbaren "ständigen Vertreter" bestellen (vgl. § 13e Abs. 2 Satz 4 Nr. 3 HGB). Zumindest diese Funktion hat der Beteiligte V allem Anschein nach zur Zeit inne.
7Sollte dieser Anschein falsch sein, so hätte der Beteiligte V es sich selbst zuzuschreiben. Eine ausländische Kapitalgesellschaft, die in Deutschland eine Zweigniederlassung errichtet, ist gesetzlich verpflichtet, diese in das örtlich zuständige inländische Handelsregister eintragen zu lassen (§ 13d Abs. 1, § 13e Abs. 2 HGB). Dies gilt erst recht, wenn es sich hierbei um die faktische Hauptniederlassung handelt. Mit der Eintragung der Zweigniederlassung werden auch die vertretungsberechtigten Personen, die allgemeinen gesetzlichen Vertreter ebenso wie der "ständige Vertreter", mit ihrer jeweiligen Vertretungsbefugnis zweifelsfrei verlautbart. Unterläßt die Unternehmensleitung die Registeranmeldung, so muß sich jedenfalls derjenige, der im Rechtsverkehr als Vertretungsberechtigter der Gesellschaft auftritt, seine Erklärungen entgegenhalten lassen. Dies gilt vor allem für eine Erklärung auf dem amtlichen Vordruck zur gewerberechtlichen Anmeldung der Niederlassung (§ 14 Abs. 4 GewO). Die Angaben in der Gewerbeanmeldung genießen zwar keinen öffentlichen Glauben. Sie dokumentieren aber rechtlich erhebliche Erklärungen der anmeldenden Person. Wer sich in diesem Zusammenhang gegenüber der Ordnungsbehörde ohne Einschränkung als Vertretungsberechtigter der Schuldnerin bezeichnet, muß sich daher, solange die Zweigniederlassung nicht im Handelsregister eingetragen ist, grundsätzlich auch im Verfahren vor dem Insolvenzgericht bis zur Feststellung des Gegenteils als solcher behandeln lassen. Er muß insbesondere seine Erwähnung im Rubrum von Beschlüssen hinnehmen.
8c) Die Behauptung des Beteiligten V, er sei nur mit der bloßem "Ummeldung" der Gesellschaft beauftragt gewesen, ist durch nichts belegt. Er hat weder die natürlichen Personen benannt, die ihn seinerzeit beauftragt haben, noch sonstige nähere Umstände des Auftrags dargelegt, die eine Einschränkung glaubhaft erscheinen lassen könnten. Auch nach der Zustellung des Eröffnungsantrags und des Sicherungsbeschlusses unter der Niederlassungsanschrift in Dinslaken sind für die Schuldnerin keine anderen, möglicherweise vertretungsberechtigten Personen in Erscheinung getreten. Die Unterschriften auf den bei Gericht eingegangenen Geschäftsbriefen der Zweigniederlassung waren unleserlich.
9Angesichts der unwidersprochenen Erledigungserklärung der Antragstellerin ist das Verfahren beendet. Es besteht deshalb kein Anlaß, von Amts wegen die Vertretungsverhältnisse der Schuldnerin weiter aufzuklären.
10III. Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 319 Abs. 3 ZPO, § 4 InsO).
11Duisburg, 12.09.2003
12Amtsgericht
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.