Beschluss vom Amtsgericht Duisburg - 62 IN 302/05
Tenor
werden dem Schuldner aufgrund seines Antrages vom 30.06.2005 die Verfahrenskosten für das Eröffnungsverfahren und das Hauptverfahren gestundet, soweit sie nicht im Verlaufe des Verfahrens aus der Insolvenzmasse gedeckt werden können (§ 4a Abs. 1, 3, § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die Stundung gilt, wenn sie nicht zuvor aufgehoben wird (§ 4c InsO), bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung.
Mit der Stundung ist nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts verbunden.
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G r ü n d e:
2I. Der 50 Jahre alte Schuldner, ein ehemals selbständiger Gastwirt, ist nicht geschäftsfähig und steht seit November 2000 unter rechtlicher Betreuung (AG x). Betreuerin mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge ist seine etwa ein Jahr jüngere Schwester B, in deren Haushalt der Schuldner in O lebt. Von Februar 2000 bis Juni 2003, als der Schuldner noch in M wohnte, war beim AG C ein eröffnetes Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners anhängig. Nach dessen Aufhebung sind dem Schuldner Verbindlichkeiten in Höhe von mindestens 45.000,00 EUR verblieben. Dies war der Betreuerin bekannt.
3Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 30.06.2005, nebst Anlagen bei Gericht eingegangen am 04.07.2005, hat die Betreuerin für den Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie Restschuldbefreiung und Stundung der Verfahrenskosten beantragt. In der Antragsschrift ist erwähnt, dass eine Rentennachzahlung in Höhe von ca. 11.000,00 EUR anstehe. Die daraufhin eingesetzte vorläufige Insolvenzverwalterin, Rechtsanwältin K, hat festgestellt, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist und weder über pfändbare laufende Einkünfte noch über sonstiges freies Vermögen verfügt. In ihrem Gutachten vom 12.08.2005 berichtet die vorläufige Verwalterin ferner, dass nach ihren Ermittlungen am 03.05.2005 dem Konto des Schuldners aus einer Rentennachzahlung ein Betrag von 11.696,22 EUR gutgeschrieben worden sei. Die Betreuerin habe ihr erklärt, von diesem Geld habe sie 5.000,00 EUR an die Gläubigerin D ausgezahlt und 4.000,00 EUR für sich selbst entnommen, weil sie den Schuldner achtzehn Monate finanziell versorgt habe; der Rest sei verbraucht. Mit Schreiben vom 23.11.2005 hat die Verwalterin nachgetragen, dass die Zahlung an D nicht auf eine Verbindlichkeit des Schuldners, sondern auf eine solche der Betreuerin und ihres Ehemannes geleistet worden sei.
4II. Der Stundungsantrag ist zulässig und begründet. Das zur Zeit verfügbare liquide Schuldnervermögen reicht zur Deckung der Verfahrenskosten (§ 26 Abs. 1, § 54 InsO) nicht aus. Hinreichende Anhaltspunkte für grob schuldhafte Versäumnisse des Schuldners oder für die Vorschusspflicht eines Dritten bestehen nicht.
51. Die Verfügungen der Betreuerin vom Mai 2005 verstießen zwar objektiv gegen die Pflicht des Schuldners, im absehbaren Vorfeld eines auf ihn zukommenden Insolvenzverfahrens mit der erforderlichen Sorgfalt Rücklagen für die Verfahrenskosten anzusparen (vgl. LG Duisburg NZI 2005, 48 = ZVI 2004, 534; AG Duisburg NZI 2000, 286; NZI 2002, 217; NZI 2005, 462 f. = ZVI 2005, 309 f.). Versäumnisse der Betreuerin in diesem Zusammenhang sind auch grundsätzlich dem Schuldner zuzurechnen, weil die Betreuerin die Stellung einer gesetzlichen Vertreterin hat (§§ 1902, 164 BGB). Angesichts der besonderen Umstände ist aber im vorliegenden Fall eine solche Zurechnung nicht gerechtfertigt. Die Betreuerin hat nämlich durch die Verfügungen zugunsten ihrer Gläubigerin D sowie zur Befriedigung ihrer eigenen Forderung ihre Vertretungsmacht vorsätzlich zu ihrem Vorteil teils überschritten und teils mißbraucht.
6a) Mit der Entnahme des Geldbetrags zur Rückzahlung ihrer Verbindlichkeit gegenüber D hat die Betreuerin die rechtlichen Grenzen ihrer Vertretungsmacht überschritten. Diese Verfügung war – als Gewährung eines Darlehens an sich selbst – ein Rechtsgeschäft der Betreuerin im Namen des Schuldners mit sich selbst im eigenen Namen. Ein solches Geschäft ist ihr von Gesetzes wegen nicht gestattet (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1795 Abs. 2, § 181 BGB). Es ist deshalb dem Schuldner nicht zuzurechnen.
7b) Durch die Entnahme des weiteren Geldbetrags zum Ausgleich für ihre finanzielle Unterstützung des Schuldners hat die Betreuerin, selbst wenn man die Entnahme als bloße Erfüllung einer Verbindlichkeit des Schuldners bewertet und deshalb als nach § 181 BGB unbedenklich ansieht, offenkundig, grob und vorsätzlich ihre gesetzliche Vertretungsmacht mißbraucht. Die finanzielle Lage des Schuldners und seine Zahlungsunfähigkeit waren ihr bekannt. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt sogar bereits Rechtsanwalt R beauftragt, den Insolvenz-eröffnungsantrag vorzubereiten; im Antrag selbst ist nämlich nur von einer anstehenden, also noch bevorstehenden Rentennachzahlung die Rede. Unter diesen Umständen hatte die Betreuerin als gesetzliche Vertreterin des Schuldners das Gebot der Redlichkeit besonders zu beachten (§ 1 Satz 2 InsO). Sie musste alles unterlassen, was einzelne Gläubiger bevorzugte und andere benachteiligte (vgl. § 133 und § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO). Insbesondere durfte sie durch die Entnahme nicht sich selbst einen einseitigen Vorteil verschaffen. Sie überschritt hierdurch offenkundig die interne Bindung ihrer Vertretungsmacht. Diese Erkenntnis musste sich auch ihr selbst als einem juristischen Laien ohne Weiteres aufdrängen. Sie nahm es jedenfalls bewusst und billigend in Kauf.
8Ob damit zugleich strafrechtliche Tatbestände, etwa Untreue (§ 266 StGB) oder Gläubigerbegünstigung (§§ 283c, 14 Abs. 1 Nr. 3 StGB, §§ 131, 133 InsO) verwirklicht sind, ist ohne Bedeutung. Jedenfalls kann dem Schuldner dieses Verhalten im Zusammenhang mit seiner Pflicht zur Rücklagenbildung nicht zugerechnet werden.
9c) Die Schadensersatzansprüche, die sich aus dem Verhalten der Betreuerin ergeben, sind Bestandteile der künftigen Insolvenzmasse und von der Insol-venzverwalterin mit allen rechtlich zulässigen Mitteln zu verfolgen und durch-zusetzen. Einnahmen, die sich daraus ergeben, sind nach Verfahrenseröffnung kraft Gesetzes vorrangig zur Deckung der Verfahrenskosten zu verwenden (§ 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Dennoch reicht das Bestehen solcher Ansprüche nicht aus, um zur Zeit eine verfügbare kostendeckende Masse zu begründen und damit die Ablehnung der Kostenstundung zu rechtfertigen.
102. Eine Vorschusspflicht (§ 26 Abs. 1 Satz 2 InsO) ergibt sich aus dem Ver-halten der Betreuerin nicht. Bei den erwähnten Ansprüchen gegen sie handelt es sich um Schadensersatzansprüche, die nicht vor, sondern nach der Ver-fahrenseröffnung zur Masse zu erfüllen sind.
11Duisburg, 06.12.2005
12Amtsgericht
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