Beschluss vom Amtsgericht Mettmann - 7 Lw 4/18
Tenor
Der Beschwerde der Beteiligten C1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mettmann vom 29.07.2019 wird nicht abgeholfen und der Antrag des Beteiligten C2 auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses zurückgewiesen.
Die Sache wird dem Oberlandesgericht Köln als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
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G r ü n d e :
2Die Einwände gegen den angefochtenen Beschluss greifen nicht durch, so dass nicht abzuhelfen war, sondern die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorzulegen ist.
3Das Gericht hält auch in Ansehung des Beschwerde der Beteiligten C1, die zur ihrer Begründung darauf verweist, dass dem Beteiligten C2 ein Hoffolgezeugnis zu erteilen sei, an seiner Auffassung fest, dass allein hinsichtlich des Beteiligten I1 die erforderlichen Tatsachen für die Erteilung des beantragten Hoffolgezeugnisses als gegeben erachtet werden können.
4Für den Beteiligten C2 kann – losgelöst von Fragen des Gradual- oder Stammesprinzips sowie Ältesten- und Jüngstenrecht – nicht festgestellt werden, dass er allein aufgrund mangelnder Altersreife wirtschaftsunfähig ist.
5Der am 12.12.2006 geborene C2 war zum Zeitpunkt des Erbfalls 11 Jahre alt. Er ist – damals wie heute – noch Schüler. Bei einem Kind ist zur Frage der Wirtschaftsfähigkeit mit Blick auf § 6 Abs. 2 Satz 2 HöfeO nicht festzustellen, dass es wirtschaftsfähig oder wirtschaftsunfähig ist, sondern dass allein oder nicht allein mangelnde Altersreife der Grund der Wirtschaftsunfähigkeit ist. Diese Feststellung muss für den Zeitpunkt des Erbfalles getroffen werden. Die Wirtschaftsfähigkeit bedeutet die Fähigkeit zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung eines Hofes, wobei die im Einzelnen zu stellenden Anforderungen von Art und Größe des jeweiligen Hofes abhängen. Der Übernehmer eines Hofes muss jedenfalls in der Lage sein, den Hof in einer Weise zu bewirtschaften, dass in den Erträgen der Acker- und Viehwirtschaft keine größeren Ausfälle eintreten als bei jedem anderen neu aufziehenden Landwirt, der den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung gewachsen ist. Ob dies bei einem Kind künftig der Fall sein wird oder nicht, ist – bezogen auf den Zeitpunkt des Erbfalls – im Wege einer Prognose zu beurteilen, für die es darauf ankommt, ob bestimmte Umstände für ein späteres Hineinwachsen in die Aufgaben des Hofeigentümers sprechen; dabei sind alle für die Beurteilung bedeutsamen Umstände heranzuziehen und zu würden. Insoweit ist unter Berücksichtigung des Landwirtschaftserbrechts der Höfeordnung an die Wirtschaftsfähigkeit ein strenger, objektiver Maßstab anzulegen, von dem im Einzelfall auch nicht in extensiver Beurteilung abgewichen werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn Angehörige derselben Hoferbenordnung um die Hoferbfolge streiten und darunter – wie hier – eindeutig wirtschaftsfähige Personen vorhanden sind. Die Begünstigung, die die Höfeordnung für im Vergleich zu den allgemeinen Regelns des Erbrechts vorsieht, ist – auch aus verfassungsrechtlicher Sicht – nur zu rechtfertigen, wenn der Zweck der Höfeordnung, der in der Erhaltung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe liegt, erreicht werden kann und dazu der Hoferbe die subjektiven Voraussetzungen für eine eigene, selbständige und verantwortliche Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebes mit der erforderlichen Sicherheit erfüllt. Die funktionelle Gleichsetzung der Wirtschaftsfähigkeit des Volljährigen mit der Erwartung künftiger Wirtschaftsfähigkeit des noch nicht Volljährigen gebietet insoweit, dass auch die Erwartung des „Hineinwachsens“ mit zumindest einer gewissen Wahrscheinlichkeit positiv festzustellen ist und es daher nicht ausreicht, wenn ein „Hineinwachsen“ nicht auszuschließen ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 20.12.2011, Az. 23 WLw 3/11 – zitiert nach juris – m. w. Nachw.).
6Vorliegend sind keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen vorhanden, die das Gericht in die Lage versetzen würden, ein Hineinwachsen des Beteiligten C2 in den landwirtschaftlichen Beruf mit der gebotenen gewissen Wahrscheinlichkeit positiv zu prognostizieren. Die zweifellos vorhandene Tierliebe und Leidenschaft für das Angeln reicht hierfür nicht aus. Der Beteiligte C2 ist ein „Stadtkind“ und – jedenfalls bis zum Eintritt des Hoferbfalls – ohne einen nennenswerten Bezug zur Landwirtschaft aufgewachsen. Seine Eltern sind Lehrer. Sie haben die Urlaube mit C2 und seinem Bruder vorwiegend in Holland verbracht. Vor dem Hoferbfall hat der Beteiligte C2
7lediglich einmal mit seiner Patenttante und seinem Patenonkel einen Bauernhof besucht. Dass ihn dieses Erlebnis nachhaltig beeindruckt hätte, war im Rahmen der Anhörung nicht festzustellen. Gleiches gilt für das freiwillige Praktikum, das der Beteiligte C2 ausweislich der vorgelegten Bescheinigung in der Zeit vom 12.10.2019 bis 17.10.2019 – also knapp zwei Jahre nach dem Erbfall und etwa sechs Wochen nach Einlegung der Beschwerde durch seine Mutter – bei einem in der Nähe seines Wohnorts gelegenen Bauernhofs absolviert hat. Das Praktikum hat ihn weder dazu veranlasst, in der Zwischenzeit noch einmal auf dem Hof vorbeizuschauen noch hat er bislang die Neigung verspürt, sich für sein anstehendes Pflichtpraktikum in der Schule um einen Praktikumsplatz mit landwirtschaftlichem Bezug zu bemühen. Der jetzt bald 14-jährige C2 hat bislang auch noch keine Vorstellungen zur Dauer und zum Inhalt der Ausbildung entwickelt, die für den Beruf eines Landwirts erforderlich ist und auch im Rahmen der Anhörung kein Interesse gezeigt, hierzu etwas Näheres zu erfahren.
8Eine Würdigung dahin, dass dem Beteiligten C2 die Wirtschaftsfähigkeit allein wegen seines Alters fehlt, ist mithin nicht zu rechtfertigen. Dies gilt erst recht bezogen auf den Zeitpunkt des Erbfalles.
9Es war daher – wie geschehen – zu entscheiden.
10HRichterin am Amtsgericht
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Referenzen
- § 6 Abs. 2 Satz 2 HöfeO 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 23 WLw 3/11 1x