Urteil vom Amtsgericht Wipperfürth - 9 C 168/20
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 666,96 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.12.2019 zu zahlen.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 15 % und der Beklagte 85 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
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Tatbestand:
2Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch aus § 5 Abs. 2 LandesJagdG NRW für die Jahre 2016-2018.
3Die Klägerin ist Eigentümerin von Grundbesitzflächen in einer Größe von 15,2902 ha im Bereich X. Der Beklagte ist Inhaber einer Eigenjagd, wobei die klägerischen Grundbesitzflächen innerhalb der Eigenjagd des Beklagten liegen. An die Eigenjagd des Beklagten grenzen zudem drei weitere Jagdreviere an.
4Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Klägerin dem Grunde nach eine Entschädigung nach § 5 Abs. 2 LandesJagdG NRW zusteht und dass sich die Höhe der angemessenen Entschädigung insoweit nach den gezahlten Durchschnittspachten der an die Eigenjagd angrenzenden gemeinschaftlichen Jagdbezirke bemisst. Die Höhe dieses Entschädigungsanspruchs ist zwischen den Parteien vorliegend streitig. Zudem hat der Beklagte hinsichtlich des Entschädigungsanspruchs für 2016 die Einrede der Verjährung erhoben.
5Die Klägerin trägt vor,
6vorliegend bestehe ein klägerischer Zahlungsanspruch für die Jahre 2016-2018 in Höhe von jeweils 17,00 € pro Hektar, sodass sich bei 15,2902 ha ein jährlicher Anspruch in Höhe von 259,93 ergebe, mithin für drei Jahre die Klagesumme von 779,79 €. Der Betrag von 17,00 € pro Hektar folge daraus, dass hinsichtlich des an die Eigenjagd des Beklagten angrenzenden Jagdrevieres Y seit 2013 eine Jagdpacht von 14,00 € pro Hektar mit Wildschadenentschädigung, für das ebenfalls an die Eigenjagd des Beklagten angrenzenden Jagdrevieres Z, eine Jagdpacht in Höhe von 19,50 € pro Hektar mit Wildschadenentschädigung und für das dritte angrenzende Jagdrevier E-Weg eine Jagdpacht von 10,12 € pro Hektar zuzüglich der Beseitigung von Wildschäden gezahlt werde. Insoweit sei bei der Bewertung der Jagdpacht als weiterer geldwerter Vorteil die Übernahme der Beseitigung von sämtlichen durch das Wild verursachten Schäden durch den Jagdpächter zu berücksichtigen, sodass sich insgesamt der geltend gemachte Betrag von 17,00 € pro Hektar ergebe.
7Verjährung sei hinsichtlich des Zahlungsanspruches für 2016 nicht eingetreten.
8Die Klägerin beantragt,
9den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 779,79 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheides zu zahlen.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Er trägt vor,
13hinsichtlich der Entschädigung für das Jahr 2016 werde die Einrede der Verjährung erhoben, weil der Mahnbescheid vom 20.12.2019 die Verjährung wegen Unbestimmtheit des hierin bezeichneten Anspruchs nicht unterbrochen habe.
14Es werde bestritten, dass für die angrenzenden Jagdbezirke tatsächlich die von der Klägerin behaupteten Jagdpachten gezahlt worden seien.
15Zudem würde selbst dann ein Anspruch in Höhe von 17,00 € pro Hektar und Jahr nicht bestehen, da sich bereits nach der Klagebegründung allenfalls ein Anspruch in Höhe von 14,54 € pro Hektar ergebe.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
17Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Zeugenaussagen Bl. 126 der Akte und Bl. 137 der Akte Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
20Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den geltend gemachten Zeitraum 2016-2018 einen Anspruch auf Zahlung von 666,96 € gemäß § 5 Abs. 2 LandesJagdG NRW.
21Nach dieser Vorschrift hat der Eigentümer von Flächen, die an einen Eigenjagdbezirk angegliedert werden, gegen den Eigentümer oder Nutznießer des Eigenjagdbezirks einen Anspruch auf eine dem Flächenanteil entsprechende angemessene Entschädigung. Als angemessene Entschädigung ist der Pachtpreis anzusehen, der für den gemeinschaftlichen Jagdbezirks der Gemeinde gezahlt wird, in der der Eigenjagdbezirk liegt, oder, wenn in einer Gemeinde mehrere gemeinschaftliche Jagdbezirke bestehen oder der Eigenjagdbezirk sich über mehrere Gemeinden erstreckt, der Durchschnittspreis der an den Eigenjagdbezirk angrenzenden gemeinschaftlichen Jagdbezirke.
22Insoweit ist zunächst davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 LandesJagdG NRW vorliegend gegeben sind, da die Grundstücke der Klägerin dem Eigenjagdbezirk des Beklagten angeschlossen sind und der Klägerin somit - was zwischen den Parteien auch unstreitig ist - dem Grunde nach ein Entschädigungsbetrag zusteht.
23Soweit die Höhe dieses Betrages zwischen den Parteien umstritten ist, konnte die insoweit in vollem Umfange darlegungs- und beweispflichtige Klägerin den Beweis führen, dass sich der Durchschnittspreis der an den Eigenjagdbezirk angrenzenden gemeinschaftlichen Jagdbezirke (hier insgesamt drei Jagdbezirke) auf jedenfalls 14,54 € pro Hektar bemisst. Zunächst hat die Klägerin durch Vorlage des Jagdpachtvertrages vom 01.04.2017 betreffend den Jagdbezirk E-Weg nachgewiesen, dass sich hieraus ein Preis von 10,12 € pro Hektar ergibt. Durch die eingeholten schriftlichen Zeugenaussagen der Zeugen N und C steht zudem zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass im Zeitraum 2016-2018 an den Zeugen N für den Jagdbezirk Z, eine Jagdpacht in Höhe von 19,50 € pro Hektar gezahlt wird und an den Zeugen C für den Jagdbezirk Y eine Jagdpacht in Höhe von 14,00 € pro Hektar.
24Der Durchschnittspreis pro Hektar beträgt somit abweichend von der Berechnung der Klägerin nicht 17,00 €, sondern tatsächlich nur 14,54 € (10,12 € + 19,50 € + 14,00 € = 43,62 €, /3 = 14,54 €), sodass sich bei einer Grundstücksfläche von 15,2902 ha eine Jahressumme von 222,32 € und für drei Jahre einen Gesamtbetrag von 666,96 € ergibt.
25Dabei kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, der geltend gemachte Preis von 17,00 € pro Hektar ergebe sich daraus, dass in der Höhe der geltend gemachten Jagdpacht eine Wildschadensregulierung noch nicht enthalten sei, es sich jedoch bei der Übernahme der Beseitigung von sämtlichen durch das Wild verursachten Schäden durch den Jagdpächter um eine geldwerte Gegenleistung handele, mithin ein potentieller Schadensersatz zu berechnen und dieser bei der Bewertung der Jagdpacht zu berücksichtigen sei. Abgesehen davon, dass sich dem Klagevorbringen nicht schlüssig entnehmen lässt, weshalb ein in dieser Weise pauschalierter potentieller Schadensersatz sich vorliegend auf 2,46 € pro Hektar summieren soll, kann die Klägerin mit diesem Vorbringen bereits deshalb nicht durchdringen, weil ein Anspruch auf Schadensersatz nicht unter den zu entschädigenden Pachtpreis gemäß § 5 Abs. 2 Landesjagd Gesetz NRW fällt. Die Pächter der angrenzenden Jagdreviere müssen nur dann für etwaigen Wildschaden einstehen, sofern und soweit dies im Pachtvertrag vereinbart wurde (§ 29 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 3 BJagdG). Grundsätzlich ist die Jagdgenossenschaft (§ 29 Abs. 1 S. 1 BJagdG) oder der Eigentümer bzw. der Nutznießer des Eigenjagdbezirks (§ 29 Abs. 2 S. 1 BJagdG) Anspruchsgegner und nicht der Pächter. Eine abweichende Vereinbarung, die die Haftung des Pächters begründet, darf aber dem nach § 5 Abs. 2 LandesJagdG NRW Entschädigungsverpflichteten nicht zum Nachteil gereichen. Pachtverträge von angrenzenden Jagdbezirken, in denen sich der Pächter zur Übernahme von Wildschäden verpflichtet, würden dann nämlich mittelbar zu Verträgen zulasten Dritter werden. Zudem stellt § 5 Abs. 2 LandesJagdG NRW ausschließlich auf die Pflicht zur Zahlung des (durchschnittlichen) Pachtpreises ab, sodass ein pauschalierter potentieller Schadensersatz über diese Norm nicht geltend gemacht werden kann.
26Der somit bestehende klägerische Zahlungsanspruch ist hinsichtlich des auf das Jahr 2016 entfallenden Teilbetrages nicht verjährt. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren, welche vorliegend am 31.12.2016 begann und am 31.12.2019 abgelaufen wäre, wurde durch die Zustellung des Mahnbescheides am 30.12.2019 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt. Entgegen der Ansicht des Beklagten erfüllt der Mahnbescheid vom 20.12.2019 die Anforderungen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an eine hinreichende Individualisierung des Anspruchs. Insoweit genügt es, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Zwar kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden, wann diese Anforderungen erfüllt sind. Jedoch ist nicht erforderlich, dass aus dem Mahnbescheid auch für einen außenstehenden Dritten ersichtlich ist, welche konkreten Ansprüche mit dem Mahnbescheid geltend gemacht werden; es reicht aus, dass dies für den Anspruchsgegner erkennbar ist. Zudem ist die Angabe des Rechtsgrundes, aus dem der Anspruch hergeleitet wird, nicht erforderlich. Insoweit war für den Beklagten erkennbar, welcher Anspruch mit dem Mahnbescheid geltend gemacht wird, soweit hierin Zahlung von 779,79 € unter der Angabe „Pacht gem. Aufforderung vom 01.01.2016 bis 31.12.2018“ verlangt wird. Die Bezeichnung „Pacht“ anstelle von „Entschädigung gemäß LandesJagdG NRW“ ist dabei unschädlich, da § 5 Abs. 2 LandesJagdG auf einen Pachtpreis Bezug nimmt. Auch war zwischen den Parteien bereits mehrfach die Zahlung einer entsprechenden Entschädigung streitig und es wurden bereits mehrfach hierüber Rechtsstreitigkeiten geführt. Zudem ist auch nicht erkennbar, dass zwischen den Parteien ein irgendwie gearteter Pachtvertrag bestehen würde, aus welchem die Klägerin vom Beklagten einen Pachtzins verlangen könnte. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung der Entschädigung für den hier streitgegenständlichen Zeitraum, insbesondere die Höhe der Entschädigung, wiederum streitig war, der Beklagte der Klägerin sogar den Entwurf eines Jagdpachtvertrages vorgelegt hat, um den Streit zu beseitigen. Bei dieser Sachlage war zumindest für den Beklagten in hinreichender Weise erkennbar und individualisierbar, welcher Zahlungsanspruch mit dem Mahnbescheid vom 20.12.2019 gemeint ist, sodass durch die Zustellung dieses Mahnbescheides die Verjährung gehemmt wurde und insgesamt Verjährung nicht eingetreten ist.
27Die zuerkannten Zinsen folgen dem Grunde und der Höhe nach aus Verzug.
28Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
29Streitwert: 779,79 €
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Referenzen
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- BJagdG § 29 Schadensersatzpflicht 3x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 204 Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung 1x
- ZPO § 690 Mahnantrag 1x
- § 5 Abs. 2 LandesJagdG 7x (nicht zugeordnet)