Beschluss vom Bundesarbeitsgericht (3. Senat) - 3 AZM 19/19

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revisionsbeschwerde in dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 10. Juli 2019 - 6 Sa 15/19 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 10.836,72 Euro festgesetzt.

Gründe

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Die nach § 77 ArbGG statthafte Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Der Kläger hat sie zwar rechtzeitig eingelegt. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

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I. Der Kläger hat die Beschwerde mit seinem vervollständigten Schriftsatz vom 11. September 2019 - der am selben Tag beim Bundesarbeitsgericht per Fax eingegangen ist - rechtzeitig begründet.

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1. Nach § 77 Satz 2 ArbGG gilt für die Zulassung der Revisionsbeschwerde die Regelung des § 72a ArbGG entsprechend. Eine Besonderheit besteht nach § 77 Satz 3 ArbGG allein gegenüber § 72a Abs. 5 Satz 2 ArbGG. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revisionsbeschwerde stets ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter. Im Übrigen finden die Vorschriften des § 72a ArbGG über die Nichtzulassungsbeschwerde im arbeitsgerichtlichen Verfahren unabhängig davon Anwendung, ob das Landesarbeitsgericht die Berufung durch Urteil (§ 72 Abs. 1 ArbGG) oder Beschluss (§ 77 Satz 1 ArbGG) als unzulässig verworfen hat. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist in beiden Fällen nach § 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung zu begründen (BAG 11. September 2019 - 2 AZM 18/19 - Rn. 2). Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Rechtsbeschwerde (§§ 574 ff. ZPO) finden im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren hingegen keine Anwendung. Sie gelten gemäß § 77 Satz 4 ArbGG nur für eine zugelassene Revisionsbeschwerde. Die auf die Zulassung einer solchen gerichtete Beschwerde muss deshalb nicht nach § 575 Abs. 2 ZPO binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der anzufechtenden Entscheidung begründet werden.

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2. Danach lief die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den - der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11. Juli 2019 zugestellten - Verwerfungsbeschluss des Landesarbeitsgerichts bis zum 11. September 2019 und wurde mit dem an diesem Tag per Fax eingereichten (vervollständigten) Begründungsschriftsatz auch gewahrt.

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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

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1. Die Beschwerdebegründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, soweit sie auf Divergenz gestützt wird.

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a) Nach § 77 Satz 2 iVm. § 72a Abs. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen Divergenz darauf gestützt werden, dass in der anzufechtenden Entscheidung ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt wird, der von einem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte zu derselben Rechtsfrage abweicht (BAG 24. Oktober 2019 - 8 AZN 624/19 - Rn. 9 mwN). Die Spruchkörper, zu denen eine Divergenz iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG in Betracht kommt, sind in dieser Vorschrift abschließend aufgezählt. Dazu gehören nicht die übrigen obersten Gerichtshöfe des Bundes und die ihnen nachgeordneten Gerichte. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG hat lediglich die Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung innerhalb der Arbeitsgerichtsbarkeit zu sichern (vgl. BAG 29. Januar 1986 - 1 ABN 33/85 - zu II 1 der Gründe).

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b) Danach ist die Nichtzulassungsbeschwerde nicht ordnungsgemäß begründet, soweit sie auf Divergenz gestützt wird. Die Beschwerdebegründung rügt ausschließlich Divergenzen zu den angezogenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH 29. Juni 1995 - III ZB 6/95 - und BGH 11. Januar 2001 - III ZR 148/00 -). Diese Entscheidungen sind jedoch nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG schon nicht divergenzfähig.

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2. Die Beschwerde hat auch im Übrigen keinen Erfolg. Sie greift die selbständig tragende Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht durchgreifend an, eine Postausgangsmappe sei nur dann geeignet, einem Postausgangsfach gleich als letzte Station vor dem Adressaten zu dienen, wenn sie an einem festen Platz liegt, also das Einlegen in die Postausgangsmappe nur unter diesen Umständen ein Streichen der Frist rechtfertigt.

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a) Hinsichtlich dieser Begründung ist die grundsätzliche Bedeutung entscheidungserheblicher Rechtsfragen nicht hinreichend aufgezeigt.

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aa) Nach § 77 Satz 2 iVm. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größ;eren Teils der Allgemeinheit berührt (BAG 14. April 2005 - 1 AZN 840/04 - zu 2 c aa der Gründe, BAGE 114, 200). Eine Rechtsfrage ist eine Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat (BAG 24. Januar 2017 - 3 AZN 822/16 - Rn. 10, 13). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich noch nicht entschieden und ihre Beantwortung nicht offenkundig ist, es sei denn, es werden gewichtige Argumente gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgebracht (BAG 17. Oktober 2017 - 10 AZN 533/17 - Rn. 8 mwN). Die aufgeworfene Rechtsfrage muss sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer F8;lle stellen können und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren (vgl. BAG 11. April 2019 - 3 AZN 720/18 - Rn. 3 mwN).</p>

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Der Beschwerdeführer hat die nach § 77 Satz 2 iVm. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG von ihm darzulegende entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung konkret zu benennen und ihre Klärungsfähigkeit, Klärungsbedürftigkeit, Entscheidungserheblichkeit und allgemeine Bedeutung für die Rechtsordnung und ihre Auswirkungen auf die Interessen jedenfalls eines größeren Teils der Allgemeinheit aufzuzeigen (vgl. BAG 5. Oktober 2010 - 5 AZN 666/10 - Rn. 3 mwN). Unzulässig ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl. BAG 5. November 2008 - 5 AZN 842/08 - Rn. 10; 23. Januar 2007 - 9 AZN 792/06 - Rn. 6, BAGE 121, 52). Dabei ist auszuführen, welche abstrakte Interpretation das Landesarbeitsgericht bei Behandlung der Rechtsfrage vorgenommen hat (vgl. BAG 11. April 2019 - 3 AZN 720/18 - Rn. 4 mwN).

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bb) Zugunsten des Klägers unterstellt, es wären Rechtsfragen im vorgenannten Sinne formuliert, ist deren Klärungsbedürftigkeit nicht aufgezeigt. Das Landesarbeitsgericht ist in der Sache davon ausgegangen, nur ein fester Ort für die Postausgangsmappe könne sicherstellen, dass die dort einliegende Post zuverlässig abgesandt wird. Denn nur dann könne die Mappe täglich kontrolliert werden. Anderenfalls könne dagegen jede zufällige Verlegung mit einem darin liegenden Schriftstück zu einem Fehler in der Ausgangskontrolle führen. Diese Überlegung ist so offensichtlich einleuchtend, dass es - hier fehlender - näherer Ausführungen dazu bedurft hätte, welche Überlegungen dagegen stehen. Wäre vorliegend ein fester Platz für die Mappe vorgesehen gewesen, hätte Rechtsanwältin H ihr Fehlen bemerkt und weiter nachgeforscht.

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b) Die Beschwerde bleibt schließlich ohne Erfolg, soweit sie zu diesem Punkt auf eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör gestützt wird.

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aa) Nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG kann die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gestützt werden. Die Beschwerdebegründung muss in einem solchen Fall die Darlegung der Verletzung dieses Anspruchs und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten. Insoweit gelten grundsätzlich die Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO gestellt werden (dazu BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - BAGE 109, 145). Die Gehörsrüge muss danach die Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben, auf den sich die Beschwerde stützen will. Dazu muss regelmäßig auch die Kausalität zwischen Verfahrensmangel und Ergebnis des Berufungsurteils dargelegt werden. Es genügt, wenn der Schluss gerechtfertigt ist, bei richtigem Verfahren hätte das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden.

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bb) Die Beschwerde rügt insoweit, das Landesarbeitsgericht habe unter Verstoß gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör angenommen, es seien keine organisatorischen Maßnahmen getroffen worden, dass die Postausgangsmappe an dem vorgesehenen Platz liegen bleibt und rügt als übergangen den Vortrag: „Unterschriftenmappen für den Postausgang (mit unterschriebener Post) werden immer und ausschließlich im Sekretariatsbüro an dem dafür vorgesehenen Platz deponiert, bis die Schriftsätze gefaxt oder per Post weitergeleitet werden.“ Der Kläger selbst hat damit vorgetragen, dass Postmappen nur so lange an dem vorgesehenen Platz liegen, wie sich noch Postausgang in ihnen befindet, nicht jedoch immer. Das Landesarbeitsgericht durfte deshalb ohne Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör davon ausgehen, dass ein Organisationsverschulden vorliegt, weil eine Verlegung der Mappe - aus welchen Gründen auch immer - dazu führt, dass eine Kontrolle auf abzusendende Post unterbleibt.

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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

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