Urteil vom Bundesfinanzhof (4. Senat) - IV R 3/08
Tatbestand
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I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden in den Streitjahren (1996 bis 2000) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Landwirt. Den Gewinn ermittelt er durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) für das landwirtschaftliche Normalwirtschaftsjahr (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG).
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Der Kläger hatte von anderen Landwirten Zuckerrübenlieferrechte erworben. Die Anschaffungskosten aktivierte er und schrieb sie auf einen Zeitraum von zehn Jahren ab.
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Nach einer Außenprüfung für die Jahre 1996 bis 1999 versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) u.a. die Abschreibungen auf die Zuckerrübenlieferrechte und erhöhte die betreffenden Buchwerte und die den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft in den Streitjahren zu Grunde liegenden Gewinne entsprechend.
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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, Zuckerrübenlieferrechte seien immaterielle Wirtschaftsgüter des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Solche Rechte könnten zwar abgeschrieben werden, wenn sie dem Wertverzehr unterlägen. Daran habe es jedoch in den Streitjahren bei Zuckerrübenlieferrechten gefehlt. Diese seien daher trotz ihrer zeitlichen Begrenzung dem nicht abnutzbaren Anlagevermögen zuzurechnen. Das Urteil ist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2008, 1056 veröffentlicht.
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Dagegen richtet sich die Revision der Kläger. Sie machen geltend, ein Zuckerrübenlieferrecht sei ein verfestigtes Recht von unbestimmter Dauer, bei dem Gewissheit über das Ende bestehe, bis zum 30. Juni 2006 jedoch nicht über den Zeitpunkt des Wegfalles. Ab dem Wirtschaftsjahr 2006/07 gelte eine neue EU-Verordnung (Nr. 318/2006), die zu einem Paradigmenwechsel geführt habe, mit der Folge, dass nunmehr retrospektiv betrachtet das Ende der bisherigen Regelungen wirtschaftlich auf den 30. Juni 2006 zu fixieren sei. Damit sei auch die Nutzungsdauer bestimmbar. Zuckerrübenlieferrechte seien daher in allen noch offenen Fällen einer planmäßigen linearen Abschreibung nach § 7 EStG zugänglich. Hierbei könne eine Nutzungsdauer von zehn Jahren unterstellt werden, analog der Regelung der Finanzverwaltung in Bezug auf entgeltlich erworbene Milchreferenzmengen.
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Die Kläger beantragen,
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das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer-Änderungsbescheide für die Jahre 1996 bis 2000 vom 28. November 2002, sämtlich in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 24. November 2003, in der Weise zu ändern, dass unter Berücksichtigung einer linearen Abschreibung von zehn Jahren auf die Zuckerrübenlieferrechte in den Wirtschaftsjahren
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1995/96 in Höhe von 16.137 DM,
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1996/97 in Höhe von 27.867 DM,
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1997/98 in Höhe von 24.717 DM,
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1998/99 in Höhe von 30.379 DM,
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1999/2000 in Höhe von 52.751 DM und
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2000/01 in Höhe von 66.308 DM
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die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft gemindert werden und die Einkommensteuer für die Jahre 1996 bis 2000 entsprechend festgesetzt wird.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Kläger konnte die Zuckerrübenlieferrechte linear auf zehn Jahre abschreiben.
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1. Absetzungen für Abnutzung (AfA) in gleichen Jahresbeträgen sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG bei Wirtschaftsgütern vorzunehmen, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt. Die Absetzung bemisst sich dabei nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts (§ 7 Abs. 1 Satz 2 EStG).
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2. Zuckerrübenlieferrechte sind selbständige immaterielle Wirtschaftsgüter (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Oktober 2008 IV R 1/06, BFHE 226, 37, BStBl II 2010, 28, unter II.2. der Gründe, m.w.N.), wie vorliegend zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Es handelt sich um Rechte von zwar unbestimmter, aber begrenzter Dauer, da Gewissheit über ihr Ende, nicht aber über dessen Zeitpunkt besteht. Ihre Nutzung ist zeitlich begrenzt, weil sie von der EU-Zuckermarktordnung abhängt, die nur für begrenzte Zeit Gültigkeit hat. Zuckerrübenlieferrechte sind daher abnutzbar, wie der Senat im Urteil in BFHE 226, 37, BStBl II 2010, 28 im Einzelnen dargelegt hat (unter II.3. und II.4. der Gründe, m.w.N.). Daran ist festzuhalten. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob es sich um betriebsgebundene oder um an Aktien gebundene Zuckerrübenlieferrechte handelt.
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3. Da die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Zuckerrübenlieferrechte nicht feststeht, ist sie zu schätzen (BFH-Urteil in BFHE 226, 37, BStBl II 2010, 28, unter II.5. der Gründe, m.w.N.). Der Senat hat damals entschieden, dass die Schätzung der Nutzungsdauer durch die Klägerin auf 15 Jahre, die mit der Schätzung der Nutzungsdauer eines Geschäfts- oder Firmenwerts übereinstimmte, jedenfalls nicht zu niedrig war. Er hat jedoch offen gelassen, ob eine kürzere Nutzungsdauer infrage kommt, zum Beispiel in Anlehnung an die Schätzung einer zehnjährigen Nutzungsdauer bei Milchquoten, wie sie die Finanzverwaltung vornimmt (Urteil in BFHE 226, 37, BStBl II 2010, 28, unter II.5.b der Gründe).
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4. Nunmehr entscheidet der Senat, dass eine Schätzung der Nutzungsdauer von Zuckerrübenlieferrechten auf zehn Jahre nicht zu beanstanden ist, sofern sie mindestens zehn Jahre vor Auslaufen der Zuckermarktordnung erworben wurden.
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a) Dafür sprechen die relativ kurze Laufzeit der zu Grunde liegenden EU-Verordnungen --im vorliegend maßgeblichen Zeitraum zwischen ein und fünf Jahren-- und die Ungewissheit ihrer Verlängerung (s. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 226, 37, BStBl II 2010, 28, unter II.4.a der Gründe). Diese Ungewissheit rechtfertigt es entgegen der Auffassung des FA nicht, von immerwährenden Rechten auszugehen.
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b) Hinzu kommt, dass die für die Bestimmung der Nutzungsdauer von Zuckerrübenlieferrechten maßgeblichen Gesichtspunkte sich nicht wesentlich von denjenigen bei Milchlieferrechten unterscheiden.
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aa) Bei Zuckerrübenlieferrechten handelt es sich wie bei Milchlieferrechten um gemeinschaftsrechtlich geregelte Lieferrechte (zu Milchlieferrechten vgl. insoweit das BFH-Urteil vom 29. April 2009 IX R 33/08, BFHE 225, 361, unter II.2.a der Gründe). Die Zuckermarktordnung gilt bis zum Ablauf des Zuckerwirtschaftsjahrs 2014/15 am 30. September 2015 (EG-Verordnung Nr. 318/2006 des Rates vom 20. Februar 2006 über die gemeinsame Marktordnung für Zucker, Amtsblatt der Europäischen Union 2006, Nr. L 58, 1); sie ist auch insoweit der Milch-Garantiemengen-Verordnung vergleichbar, die zum 31. März 2015 ausläuft (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 361, unter II.2.a der Gründe).
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Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind entgeltlich erworbene Milchlieferrechte auf zehn Jahre abzuschreiben (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 14. Januar 2003 IV A 6 -S 2134- 52/02, BStBl I 2003, 78, Tz. 28). Dem ist der BFH gefolgt (BFH-Urteil in BFHE 225, 361, unter II.2.b der Gründe).
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bb) Zuckerrübenlieferrechte sind dagegen mit firmen- oder geschäftswertähnlichen Wirtschaftsgütern weniger vergleichbar. Unter solchen Wirtschaftsgütern versteht man Rechtspositionen oder faktische Verhältnisse wie z.B. einen Kundenstamm, einen Verlagswert und eine Güterfernverkehrsgenehmigung, die ähnlich wie der Geschäftswert mit dem Unternehmen als solchem und seinen Gewinnchancen unmittelbar verknüpft sind, die aber losgelöst von einem Unternehmen oder Unternehmensteil als selbständige Wirtschaftsgüter übertragbar sind (BFH-Urteil vom 28. Mai 1998 IV R 48/97, BFHE 186, 268, BStBl II 1998, 775, unter 1.a der Gründe, m.w.N.).
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Zuckerrübenlieferrechte werden demgegenüber dadurch charakterisiert, dass sie --wie Milchlieferrechte-- auf gemeinschaftsrechtlicher Grundlage eine Abnahmegarantie zu Sonderkonditionen einräumen und vom Fortbestand der zu Grunde liegenden gemeinschaftsrechtlichen Regelungen abhängen.
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5. Das angefochtene Urteil beruht auf einer anderen Rechtsauffassung. Es war daher aufzuheben. Da über die Berechnungsgrundlagen der AfA vorliegend kein Streit besteht, ist die Sache spruchreif. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide sind antragsgemäß zu ändern. Die Ermittlung und Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuerbeträge nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO).
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Referenzen
- 2009 IX R 33/08 1x (nicht zugeordnet)
- EStG § 7 Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung 3x
- FGO § 121 1x
- 1998 IV R 48/97 1x (nicht zugeordnet)
- 2008 IV R 1/06 1x (nicht zugeordnet)
- EStG § 4a Gewinnermittlungszeitraum, Wirtschaftsjahr 1x