Beschluss vom Bundesfinanzhof (4. Senat) - IV B 105/09

Tatbestand

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I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine GmbH & Co. KG, an deren Vermögen die Kommanditisten K zu 67 % und B zu 33 % beteiligt sind. Im Streitjahr 2006 wurde eine weitere GmbH & Co. KG gegründet (S-KG), deren Kommanditisten ebenfalls K und B mit denselben Vermögensanteilen sind.

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Die Antragstellerin war Eigentümerin von drei seit Jahren zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücken, die sie mit notariellem Vertrag vom 13. Dezember 2006 auf die S-KG übertrug. Die Übertragung diente zur Erbringung der Kommanditeinlagen von insgesamt 10.000 € bei der S-KG. Zum Zeitpunkt der Übertragung betrugen die Buchwerte des Grund und Bodens sowie der Gebäude und baulichen Anlagen insgesamt 195.074,68 €. Die S-KG führte die Buchwerte fort und erfasste den die Kommanditeinlagen übersteigenden Betrag auf einem Rücklagekonto.

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Nach einer Außenprüfung vertrat der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, die Grundstücke seien zum Teilwert aus dem Betriebsvermögen der Antragstellerin entnommen worden. Er ermittelte den Teilwert mit 675.000 € und erhöhte den Gewinn der Antragstellerin um 479.925,32 €.

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Gegen den entsprechend nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2006 vom 2. Februar 2009 hat die Antragstellerin rechtzeitig Einspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist.

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Nachdem ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Bescheids in Höhe des Entnahmegewinns beim FA keinen Erfolg hatte, stellte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG) einen Antrag auf AdV. Das FG lehnte den Antrag mit Beschluss vom 17. Juli 2009 ab, ließ aber die Beschwerde zu.

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Mit der Beschwerde macht die Antragstellerin weiter geltend, § 6 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei auf die Übertragung der Grundstücke anzuwenden, so dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids beständen. Nach dem Transparenzprinzip erschienen steuerrechtlich Einkünfte und Vermögen der Gesellschaft als solche der Gesellschafter. Die Gesellschafter hätten im Betrieb der Gesellschaft auch eine Betriebsstätte und verfügten über Betriebsvermögen. Sie könnten Steuervergünstigungen in Anspruch nehmen, die das Unterhalten eines eigenen Betriebsvermögens voraussetzten. Danach handele es sich bei der Übertragung der Grundstücke aus steuerlicher Sicht um die Überführung zwischen zwei Betriebsvermögen der Gesellschafter. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der Beteiligungsidentität. Die Übertragung stehe damit einer Übertragung in das oder aus dem Betriebsvermögen des Gesellschafters nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG gleich.

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Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

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Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des Niedersächsischen FG vom 17. Juli 2009  1 V 54/09 aufzuheben und die Vollziehung des Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2006 vom 2. Februar 2009 in Höhe eines Gewinns von 479.925,32 € auszusetzen.

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Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

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Es stützt sich auf die Entscheidung des FG und trägt vor, § 6 Abs. 5 EStG sei eine abschließende Regelung, die den Streitfall nicht erfasse. Eine erweiternde Auslegung würde den Willen des Gesetzgebers in sein Gegenteil verkehren.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Aussetzung des angefochtenen Bescheids in dem beantragten Umfang.

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1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung). Die AdV setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Mai 1997 VIII B 108/96, BFHE 183, 174, m.w.N.).

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2. Bei summarischer Prüfung hat der Senat ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Er neigt dazu, die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter zwischen Gesamthandsvermögen beteiligungsidentischer Personengesellschaften gegen Minderung und Gewährung von Gesellschaftsrechten zwingend zum Buchwert stattfinden zu lassen.

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a) Das FG hat zwar zutreffend ausgeführt, dass § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG die Übertragung zwischen den Gesamthandsvermögen von Schwestergesellschaften nicht regelt. Es trifft auch zu, dass im Gesetzgebungsverfahren gemachte Vorschläge zur ausdrücklichen Aufnahme dieser Vorgänge in § 6 Abs. 5 EStG nicht übernommen worden sind. Gleichwohl sieht sich der beschließende Senat bei summarischer Prüfung abweichend vom FG und der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des I. Senats des BFH mit Urteil vom 25. November 2009 I R 72/08 (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 269) nicht daran gehindert, die zwingende Buchwertverknüpfung auf Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zu erstrecken.

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b) Dabei lässt er sich von folgenden Überlegungen leiten:

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aa) Mit § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG hat sich der Gesetzgeber für eine transparente Besteuerung von Personengesellschaften entschieden. Die Personengesellschaft ist danach Steuerrechtssubjekt bei der Qualifikation und der Ermittlung der Einkünfte. Subjekt der Einkünfteerzielung ist hingegen der Gesellschafter (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617). Aus dem Subjektsteuerprinzip folgt, dass jeder Gesellschafter den auf ihn entfallenden Anteil an den erzielten Einkünften zu versteuern hat. Jedem Gesellschafter ist auch sein Anteil an den stillen Reserven der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens zuzuordnen.

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Eine Verschiebung stiller Reserven zwischen den Gesellschaftern entspricht nicht dem Subjektsteuerprinzip. Gleichwohl lässt das Gesetz in verschiedenen Fällen zu, dass stille Reserven auf andere Gesellschafter derselben Personengesellschaft übergehen. Dies gilt insbesondere bei Übertragungen von Einzelwirtschaftsgütern in den von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG geregelten Fällen. Zu der Eröffnung dieses an sich systemwidrigen Transfers sah sich der Gesetzgeber bei Verabschiedung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz --UntStFG--) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) genötigt, um erforderliche Umstrukturierungen von Personenunternehmen nicht durch aus der Substanz zu zahlende Ertragsteuern zu erschweren. Der Senat betrachtet dies als ausreichenden Rechtfertigungsgrund für die Verletzung des Folgerichtigkeitsgrundsatzes.

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Folgerichtig ist es demgegenüber, wenn ein Steuersubjekt die ihm zuzuordnenden stillen Reserven ungeachtet dessen beibehält, in welchem Betriebsvermögen sich das betreffende Wirtschaftsgut befindet. Diesen Grundsatz regelt systemkonform § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG, der den Ansatz des Buchwerts bei der Überführung zwischen zwei Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen anordnet. Ebenfalls dem System entspricht es dann, wenn § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG die Beibehaltung des Buchwerts bei Überführungen von Wirtschaftsgütern zwischen Einzel- und Sonderbetriebsvermögen bzw. zwischen zwei verschiedenen Sonderbetriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen verlangt.

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Angesichts dessen bedürfte es einer besonderen Rechtfertigung dafür, stille Reserven der Besteuerung zu unterwerfen, wenn diese dadurch demselben Steuersubjekt zugeordnet bleiben, dass sie von dem Gesamthandsvermögen einer mitunternehmerischen Personengesellschaft unentgeltlich oder gegen Minderung und Gewährung von Gesellschaftsrechten in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen anderen mitunternehmerischen Personengesellschaft übertragen werden. Eine derartige Rechtfertigung ist nicht ersichtlich. Es ist auch nicht zu erkennen, dass sich der Gesetzgeber des UntStFG auf einen Rechtfertigungsgrund bezogen hätte. Die Aufdeckung stiller Reserven aufgrund einer derartigen Übertragung würde danach zu einer im Sinne des Folgerichtigkeitsgebots gleichheitswidrigen Besteuerung führen, denn sie kann sich weder auf die gesteigerte Leistungsfähigkeit des Gesellschafters noch auf eine Entstrickung und noch nicht einmal auf die erhöhte Gefahr einer späteren unbemerkten Entstrickung stützen.

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bb) Der Senat sieht sich zur Vermeidung eines solchen Gleichheitssatzverstoßes berechtigt und verpflichtet, § 6 Abs. 5 EStG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung auf Übertragungen zwischen den Gesamthandsvermögen von beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften zu erstrecken. Dies geschieht dadurch, dass auf diesen Vorgang § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG entsprechend angewendet wird. Denn bei transparenter Betrachtung wird das Wirtschaftsgut von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Gesellschafters überführt.

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3. Der Senat entscheidet wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache aufgrund mündlicher Verhandlung und nach § 10 Abs. 3 Halbsatz 1 FGO in der Besetzung mit fünf Richtern. Er ist sich dessen bewusst, dass er von dem BFH-Urteil in DStR 2010, 269 abweicht. Eine Anfrage i.S. des § 11 Abs. 3 FGO wegen einer materiellen Rechtsfrage kommt in einem Verfahren wegen AdV, in dem die Rechtsfrage nicht endgültig zu beantworten ist, nicht in Betracht (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 11 Rz 5).

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