Urteil vom Bundesfinanzhof (4. Senat) - IV R 63/07

Tatbestand

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I. Die A-KG (KG) wurde durch Vertrag vom 1. Januar 1985 gegründet. Komplementärin war eine GmbH, Kommanditistin zunächst die Beigeladene.

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Die KG war bis zum Jahr 1987 eine reine Vorratsgesellschaft. Danach diente sie der Bebauung einer größeren Grundstücksfläche mit gewerblichen Anlagen (Gewerbepark).

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Mit Wirkung zum 1. September 1987 veräußerte die Beigeladene ihre Kommanditbeteiligung an S, der diese sofort durch Treuhandvertrag vom selben Tag zu treuen Händen zurück übertrug. Im Treuhandvertrag verpflichtete sich die Beigeladene, mit der Kommanditbeteiligung und den damit verbundenen gesellschaftsrechtlichen Befugnissen nur nach Weisung des S zu verfahren und alles, was sie aus der Beteiligung erhielt, an S herauszugeben. S verpflichtete sich, der Beigeladenen alle Aufwendungen im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung als Kommanditistin zu erstatten.

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Am 12. Januar 1988 schlossen S, K sowie der Kläger und Revisionskläger (Kläger) eine Vereinbarung. Danach übertrug S alle ihm zustehenden Rechte aus dem Treuhandvertrag vom 1. September 1987 zu 91 % auf K und zu 9 % auf den Kläger. Die Abtretung nahmen K und der Kläger "jeder für sich" an und traten im Verhältnis ihrer Rechtserwerbe in alle Verpflichtungen von S aus diesem Vertrag ein. K und der Kläger verpflichteten sich, S von allen Forderungen in diesem Zusammenhang freizustellen und etwaige Aufwendungen zu erstatten. Hinsichtlich des Kaufpreises in Höhe des Nominalwerts der Kommanditanteile wurde vereinbart, dass K und der Kläger erfüllungshalber die Pflicht übernehmen, die Beigeladene "wegen der insoweit getätigten Einlage zu befriedigen". § 6 der Vereinbarung vom 12. Januar 1988 lautet:

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K und der Kläger "vereinbaren hinsichtlich ihrer Rechtsgemeinschaft, daß die unternehmerische Verantwortung und Entscheidung ausschließlich bei Herrn K... liegt," der Kläger "daher nur am Vermögen beteiligt ist. Seine Beteiligung am Verlust ist daher ausgeschlossen. Seine Rechte, insbesondere auf Information, nimmt er nur in den Gesellschaftsversammlungen wahr; §§ 164, 166 HGB sind daher ausgeschlossen. Nach Übernahme des KG-Anteils werden die Parteien den Gesellschaftsvertrag entsprechend ändern. Die Rechtsstellung" des Klägers "soll hinsichtlich seiner Befugnisse und Pflichten so ausgestaltet werden, als sei er an einer Kapitalgesellschaft beteiligt, wobei eine Änderung der Gesellschaftsform und Überführung der Anwartschaft in eine Beteiligung an eine Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen ist."

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Am 18. Februar 1988 wurde der Kläger von der KG bevollmächtigt, diese bei den Verhandlungen zur Realisierung einer Bebauung im Bereich des Gewerbeparks zu vertreten. Die dem Kläger erteilte Vollmacht berechtigte diesen zur Abgabe aller erforderlichen Rechtserklärungen, die einer Realisierung dieses Projektes dienlich sein sollten. Der Kläger wurde auch bevollmächtigt, die Gesellschaft beim Abschluss der erforderlichen Verträge für eine Projektentwicklung bzw. eine spätere Generalübernehmerschaft zu vertreten.

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Am 11. August 1989 veräußerte der Kläger 6 % seiner "Rechtsbeteiligung" an die D GmbH & Co. OHG (D-OHG). Das zwischen dem Kläger und der Beigeladenen weiterhin bestehende Treuhandverhältnis hinsichtlich Anteilen in Höhe von 3 % sollte von diesem Vertrag unberührt bleiben.

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In derselben Urkunde veräußerte K 41 % seiner "Rechtsbeteiligung" an die D-OHG. Ferner bot er der A-AG die übrigen Anteile (50 %) an. Die A-AG nahm das Angebot später an. Sowohl der D-OHG als auch der A-AG trat K seine Rechte u.a. aus der Treuhandvereinbarung vom 1. September 1987 und der Vereinbarung vom 12. Januar 1988 ab.

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Die Beigeladene trat ihre Kommanditanteile entsprechend der Veräußerungen an die D-OHG und die A-AG ab.

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Mit Vertrag vom 27. Juli 1992 veräußerte der Kläger schließlich seine verbliebene "Rechtsbeteiligung" (3 %) an die X-GmbH; die Beigeladene trat ihre Kommanditanteile (3 %) an die X-GmbH ab. Hieraus ergab sich ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 2.031.943,85 DM.

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Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) u.a. die Auffassung, der Kläger habe im Streitjahr (1992) einen Veräußerungsgewinn nach § 16 des Einkommensteuergesetzes erzielt.

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Das FA erließ durch Einzelbekanntgabe (§ 183 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO--) dementsprechend nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung für das Streitjahr.

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Dabei stellte das FA mit Bescheid vom 28. Januar 2000 zunächst auf einer ersten Stufe einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 60.851.725,85 DM fest. In der "Feststellung zweiter Stufe (Treuhandverhältnis)" stellte das FA einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 2.031.943,85 DM fest und ordnete diesen ausschließlich dem Kläger zu.

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Der Kläger vertrat in seinem Einspruch gegen die Feststellung zweiter Stufe die Auffassung, er sei aufgrund der Beschränkung in § 6 der Vereinbarung vom 12. Januar 1988 kein Mitunternehmer gewesen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

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Die Klage blieb erfolglos. Zur Begründung seines in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 429 veröffentlichten Urteils führte das Finanzgericht (FG) aus, der Kläger könne bei der Anfechtung der Feststellungen zweiter Stufe nicht einwenden, er sei nicht Mitunternehmer; dies sei bereits auf der ersten Stufe bestandskräftig festgestellt worden.

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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

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Er beantragt sinngemäß, das angefochtene FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung und den Bescheid vom 28. Januar 2000 hinsichtlich der Feststellungen zweiter Stufe aufzuheben.

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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision des Klägers ist jedenfalls im Ergebnis unbegründet und ist daher zurückzuweisen (vgl. § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

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Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob der Kläger --wie das FG ausgeführt hat-- aus formellen Gründen gehindert ist, geltend zu machen, er sei kein Mitunternehmer. Er war jedenfalls im Streitjahr Mitunternehmer.

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1. Mitunternehmer ist derjenige Gesellschafter, der kumulativ Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. Die eine Mitunternehmerstellung kennzeichnenden Merkmale müssen auch beim Treugeber vorliegen. Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z.B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführern, Prokuristen oder anderen leitenden Angestellten obliegen. Ausreichend ist indes schon die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) zustehen oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechen. Mitunternehmerrisiko trägt, wer gesellschaftsrechtlich oder diesem Status wirtschaftlich vergleichbar am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens teilnimmt. Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.V.3.b cc und C.V.3.c der Gründe; vgl. auch BFH-Urteil vom 30. Juni 2005 IV R 40/03, BFH/NV 2005, 1994, unter 1. der Gründe).

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2. Der Kläger trug im Streitfall Mitunternehmerrisiko.

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a) Ursprünglich vereinbarten S und die Beigeladene am 1. September 1987 ein Treuhandverhältnis.

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b) Diese Treugeberstellung hat S zu 9 % auf den Kläger mit Vertrag vom 12. Januar 1988 wirksam übertragen. Der Kläger ist im Verhältnis seines "Rechtserwerbs" in alle Verpflichtungen des S aus dem Treuhandverhältnis eingetreten. Der Kaufpreis wurde durch die Verpflichtung erfüllt, die Beigeladene wegen der geleisteten Einlage zu befriedigen.

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c) Der Kläger war demnach am Gewinn und an den stillen Reserven der KG beteiligt. Ferner trug der Kläger das Risiko, in Höhe des eingesetzten Kapitals einen Verlust zu erleiden. Denn er hatte die Beigeladene für die geleistete Einlage zu befriedigen und ist der Verpflichtung beigetreten, die Beigeladene von allen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Kommanditbeteiligung entsprechend seinem Anteil freizustellen. Dem steht § 6 der Vereinbarung vom 12. Januar 1988 nicht entgegen. Zwar ist danach für den Kläger die "Beteiligung am Verlust ... ausgeschlossen". Der Senat kann offenlassen, was damit gemeint war. Jedenfalls bedeutet dies nicht, dass dem Kläger das Risiko des Verlusts seiner "Kapitalbeteiligung" abgenommen werden sollte. Denn der Kläger sollte nach der Vereinbarung im Verhältnis zwischen K und dem Kläger die Stellung eines Gesellschafters an einer Kapitalgesellschaft haben. Ein solcher trägt aber stets --wie ein Kommanditist-- das Risiko, das eingesetzte Kapital zu verlieren.

Daher stand der Kläger einem Gesellschafter gleich, der am Gewinn, an den stillen Reserven und am Verlust in Höhe seiner Einlage beteiligt ist. Dies entspricht der Stellung eines Kommanditisten und reicht daher für das Mitunternehmerrisiko aus (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.V.3.c cc (2) der Gründe).

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d) An dieser Beurteilung hat sich auch durch die Vereinbarung vom 11. August 1989 nichts geändert. Denn danach bestand das Treuhandverhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen in Höhe von 3 % der Kommanditbeteiligung fort (Nr. 11 dieser Vereinbarung).

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3. Der Kläger hatte auch Mitunternehmerinitiative.

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a) Dabei kann der Senat offenlassen, wie sich § 6 der Vereinbarung vom 12. Januar 1988 auswirkt, wonach der Kläger sich gegenüber K verpflichtet, von seinen über die Beigeladene zustehenden Gesellschafterrechten keinen Gebrauch zu machen.

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b) Denn jedenfalls vermittelt dem Kläger die ihm am 18. Februar 1988 erteilte Vollmacht die erforderliche Mitunternehmerinitiative. Danach hat der Kläger umfassende Vertretungsmacht für das einzige von der KG betriebene Projekt und damit für ihren gesamten Geschäftsbereich. Die Stellung des Klägers ähnelt damit der eines Geschäftsführers oder eines anderen leitenden Angestellten. Ohne Bedeutung ist, ob --wie der Kläger vorträgt-- ihm die Vollmacht in seiner Funktion als Rechtsanwalt erteilt worden ist. Denn die Mitunternehmerstellung ist --wie der Kläger an anderer Stelle zutreffend ausführt-- unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.V.3.c cc der Gründe). Zudem spielt keine Rolle, ob der Kläger im Innenverhältnis weisungsgebunden war. Denn dies trifft auch auf leitende Angestellte zu; der diesem Personenkreis zustehende Einfluss reicht aber für die Annahme einer Mitunternehmerinitiative aus (vgl. oben zu II.1.). Dementsprechend vermittelt auch die im Innenverhältnis weisungsgebundene Vertretungsmacht eines Komplementärs Mitunternehmerinitiative (BFH-Urteil vom 11. Juni 1985 VIII R 252/80, BFHE 144, 357, BStBl II 1987, 33, unter 2.a der Gründe). Der BFH hat zwar im Fall eines Komplementärs, der weder am Gewinn und Verlust noch am Vermögen der Gesellschaft beteiligt ist, für die Annahme einer Mitunternehmerstellung darauf abgestellt, dass dem Komplementär --anders als dem Kläger im Streitfall-- die Vertretungsmacht aufgrund der Regelung des § 170 HGB nicht entzogen werden kann (BFH-Urteile vom 25. April 2006 VIII R 74/03, BFHE 213, 358, BStBl II 2006, 595, unter II.2. der Gründe; vom 10. Mai 2007 IV R 2/05, BFHE 218, 152, BStBl II 2007, 927, unter II.B.3.b der Gründe). Demgegenüber ist aber im vorliegenden Fall das Mitunternehmerrisiko des Klägers ---wie dargelegt-- nicht schwach ausgeprägt.

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c) Für die Mitunternehmerinitiative ist schließlich nicht von Bedeutung, ob der Kläger von seiner Vollmacht tatsächlich Gebrauch gemacht hat (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1997 IV R 4/95, BFH/NV 1998, 947, unter 2. der Gründe).

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