Beschluss vom Bundesfinanzhof (5. Senat) - V B 35/10

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) --die Gemeinde G-- führte einen Eigenbetrieb unter der Bezeichnung "Gemeindewerke G", die die Gemeinde mit Wasser, Strom und Fernwärme versorgte und ein Hallenbad betrieb. Für die Streitjahre 1999 bis 2002 gaben die "Gemeindewerke G" sowie das …stadion unter derselben Steuernummer vom Werkleiter unterzeichnete Umsatzsteuererklärungen ab. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) stimmte den Erklärungen zu und zahlte die Erstattungsbeträge aus. Auch eine Außenprüfung wurde bei den "Gemeindewerken G" durchgeführt, wobei die Prüfungsanordnungen an die "Gemeinde G, …stadion" bzw. an die "Gemeindewerke G" adressiert waren.

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Am 4. August 2006 gingen beim FA Umsatzsteuererklärungen 1999 bis 2002 der Gemeinde G "Betrieb gewerblicher Art O" ein, unterzeichnet vom Bürgermeister, in der weitere Steuererstattungen im Zusammenhang mit der Sanierung eines Bürgerzentrums geltend gemacht wurden. Das FA lehnte eine Änderung der bisher ergangenen Umsatzsteuerbescheide mit der Begründung ab, es gebe für Zwecke der Umsatzbesteuerung lediglich ein Unternehmen, in dem sämtliche Betriebe gewerblicher Art zu erfassen seien. Im Übrigen sei wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung bzw. nach Aufhebung des Vorbehaltes der Nachprüfung eine Änderung nicht mehr möglich.

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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Klägerin geltend machte, durch die gegenüber den "Gemeindewerken G" adressierten Steuerbescheide sei keine Bindungswirkung für die klagende Gemeinde G eingetreten, ab. Lege man die Anträge der Klägerin so aus, dass diese eine Änderung von Steuerfestsetzungen begehre, die sich gegen die "Gemeindewerke G" und nicht gegen die Klägerin richteten, seien die Anträge mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, weil sie die Änderung von Steuerfestsetzungen eines Dritten beträfen. Im Übrigen sei jedenfalls im Wege der Auslegung davon auszugehen, dass sich die Bescheide auch gegen die Klägerin richteten. Auch wenn die Umsatzsteuerbescheide an die "Gemeindewerke G" adressiert worden seien, richteten sie sich gleichwohl an die klagende Gemeinde G, weil diese lediglich im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art zur Umsatzsteuer zu veranlagen sei. Der Werkleiter sei auch zur Empfangnahme dieser Bescheide im Rahmen einer Duldungsvollmacht der Klägerin befugt, weil die Gemeinde jahrelang geduldet habe, dass der Werkleiter Umsatzsteuererklärungen abgegeben, die Bescheide gegen "sich" habe gelten lassen und Zahlungen geleistet habe. Die beantragte Änderung der gegenüber der Klägerin wirkenden Umsatzsteuerfestsetzungen sei nunmehr wegen Festsetzungsverjährung bzw. nach Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nicht mehr möglich.

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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der auf Verfahrensfehler sowie auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist unbegründet.

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1. Die Abweisung der Klage durch das FG beruht nicht auf einem Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Hierbei kann dahinstehen, ob es sich bei der Annahme des FG, es handele sich um einen unzulässigen Änderungsantrag der Klägerin der gegen die "Gemeindewerke" gerichteten Steuerbescheide und nicht um einen zulässigen Antrag auf erstmalige Steuerfestsetzung der Klägerin, lediglich um einen dem materiellen Recht zuzuordnenden Rechtsanwendungsfehler oder --wie die Klägerin meint-- um eine Sachverhaltsunterstellung handelt (vgl. hierzu Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. Juli 2007 VII B 105/07, BFH/NV 2007, 2300). Denn jedenfalls beruht das Urteil nicht auf einer verfahrensfehlerhaften Feststellung, weil das FG sein Urteil auf eine weitere selbständige Begründung gestützt hat, für die die Klägerin keinen hinreichenden Zulassungsgrund geltend gemacht hat (vgl. BFH-Beschluss vom 7. April 2010 I B 108/09, BFH/NV 2010, 1298). Wegen der Doppelbegründung kann das Urteil auch nicht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen, weil die Verletzung des rechtlichen Gehörs lediglich hinsichtlich einer von zwei selbständig tragenden Begründungen geltend gemacht wird.

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2. Die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) in Bezug auf die zweite Begründung des FG liegt nicht vor. Sie macht geltend, von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob ein an einen Betrieb gewerblicher Art adressierter Umsatzsteuerbescheid im Wege der Auslegung als gegen die betreffende Körperschaft gerichtet angesehen werden kann. Es sei verwirrend, wenn bei einem Körperschaftsteuer- oder Gewerbesteuerbescheid der einzelne Betrieb gewerblicher Art als Steuersubjekt angesehen würde, während ein Umsatzsteuerbescheid gegen die Körperschaft zu richten sei.

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Eine grundsätzliche Bedeutung ergibt sich hieraus nicht, denn es ist in der Rechtsprechung des BFH geklärt, dass bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die einen oder mehrere Betriebe gewerblicher Art betreibt (§ 2 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes --UStG--), ein Umsatzsteuerbescheid lediglich gegenüber der Körperschaft und nicht gegenüber dem Betrieb gewerblicher Art ergehen kann, da allein die Körperschaft Träger von Rechten und Pflichten sein kann (BFH-Urteil vom 18. August 1988 V R 194/83, BFHE 154, 274, BStBl II 1988, 932). Da das Unternehmen des Unternehmers seine gesamte gewerbliche und berufliche Tätigkeit umfasst (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG), betreibt auch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts lediglich ein einheitliches Unternehmen, das sämtliche Umsätze der Betriebe gewerblicher Art sowie ihre landwirtschaftlichen und fortwirtschaftlichen Betriebe umfasst (BFH-Urteil vom 17. März 2010 XI R 17/08, BFHE 230, 466, Deutsches Steuerrecht 2010, 2234). Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ergibt sich kein umsatzsteuerrechtlicher Klärungsbedarf deswegen, weil beim Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerbescheid der einzelne Betrieb als Steuersubjekt erfasst werde. Denn auch bei diesen Steuerarten ist ebenso wie bei der Umsatzsteuer einzig die als Rechtsträger in Betracht kommende Körperschaft des öffentlichen Rechts und nicht der von ihr unterhaltene Betrieb gewerblicher Art als Inhaltsadressat eines Steuerbescheides anzusehen, auch wenn für jeden einzelnen Betrieb das Einkommen des Betriebs gewerblicher Art gesondert zu erfassen und festzusetzen ist (BFH-Urteil vom 13. März 1974 I R 7/71, BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391; ebenso das Adressierungsbeispiel im Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 122 Tz. 2.8.2.).

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3. Geklärt ist weiterhin, dass ein gegen einen Betrieb gewerblicher Art erlassener Steuerbescheid grundsätzlich nichtig ist, sofern der Bescheid nicht im Wege der Auslegung als gegen die Körperschaft gerichtet angesehen werden kann (BFH-Urteil vom 9. Juli 1996 VII R 136/95, BFH/NV 1997, 10). Eine ungenaue Adressatenangabe ist jedoch unschädlich, wenn aus anderen Umständen erkennbar wird, an welche Person sich der Bescheid seinem Inhalt nach richtet (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 1986 III R 12/81, BFHE 148, 212 BStBl II 1987, 178). Die Frage, ob --wie die Klägerin meint-- im Streitfall das FG zu Unrecht den an den Betrieb gewerblicher Art gerichteten Umsatzsteuerbescheid im Wege der Auslegung als an die Körperschaft gerichtet angesehen hat, ist jedoch von den Umständen des Einzelfalles abhängig und einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich.

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