Urteil vom Bundesfinanzhof (9. Senat) - IX R 26/10

Tatbestand

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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war als Postbeamter bei der Deutschen Telekom beschäftigt. Seit dem 1. Oktober 1999 war er von seinem Dienstherrn beurlaubt worden und vom 1. Oktober 1999 bis zum 30. April 2004 aufgrund eines unbefristeten Arbeitsvertrags bei der K, einem früheren Tochterunternehmen der Telekom, als Arbeitnehmer beschäftigt. In der Zeit vom 1. Mai 2004 bis zum 30. Dezember 2006 war der Kläger wieder bei der Telekom beschäftigt und befindet sich seither --auf seinen Antrag-- im Ruhestand.

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Im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen, die mit einem Personalabbau einhergingen, bot die K einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern an, einen Auflösungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung abzuschließen. Dieses Angebot nahm der Kläger an und erhielt im Streitjahr (2004) eine Abfindung in Höhe von 32.000 €.

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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte diese Abfindung bei der Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer und berechnete die darauf entfallende Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG), ohne indes einen Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG anzusetzen. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

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Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, § 3 Nr. 9 EStG sei teleologisch zu reduzieren und dann nicht anzuwenden, wenn dem Arbeitnehmer unter keinem denkbaren Gesichtspunkt, das heißt nicht einmal theoretisch ein Arbeitsplatzverlust drohe. In einem derartigen Fall sei die der Vorschrift zugrunde liegende sozialstaatliche Motivation nicht berührt. Auch im Streitfall sei letztlich kein Arbeitsplatzverlust eingetreten, weil infolge der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ein anderes, bislang ruhendes Beschäftigungsverhältnis wieder auflebe.

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Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er sich gegen die seiner Auffassung nach unzulässige teleologische Reduktion des § 3 Nr. 9 EStG wendet. Der Gesetzgeber gehe in typisierender Weise davon aus, dass der Verlust des Arbeitsplatzes ein Nachteil sei. Die Absicherung des Klägers (keine Bedrohung durch Arbeitslosigkeit) könne nicht für eine einschränkende Auslegung des § 3 Nr. 9 EStG herangezogen werden. Wenn das FG überdies die Drucksituation des Klägers in Frage stelle, verletze es sein rechtliches Gehör.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA vom 7. März 2006 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 29. Juni 2005 zu ändern, indem die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Berücksichtigung eines Freibetrags nach § 3 Nr. 9 EStG von 7.200 € bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neu festgesetzt wird.

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Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zutreffend hat das FG die Voraussetzungen des § 3 Nr. 9 EStG verneint.

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Nach § 3 Nr. 9 EStG sind Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten Auflösung des Dienstverhältnisses höchstens bis zu 7.200 € steuerfrei.

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a) Die Auflösung des Dienstverhältnisses verlangt dessen Beendigung. Wechselt der Arbeitgeber, wird eine rein formale Betrachtung der Zielsetzung des § 3 Nr. 9 EStG (sozialpolitisch begründeter Ausgleich der Folgen eines Arbeitsplatzverlustes) nicht gerecht. Entscheidend für die steuerrechtliche Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals ist vielmehr, wie die Beteiligten nach den Umständen des Einzelfalles die Umsetzung des Arbeitnehmers ausgestaltet haben. Wird das bestehende Dienstverhältnis beim Umsetzen eines Arbeitnehmers innerhalb eines Konzerns oder anlässlich eines Betriebsübergangs zwar mit einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt, so ist ein Arbeitsplatzverlust, der eine steuerfreie Abfindung rechtfertigen könnte, nicht gegeben (vgl. die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, z.B. Urteile vom 2. April 2008 IX R 82/07, BFH/NV 2008, 1325; vom 13. Dezember 2005 XI R 8/05, BFH/NV 2006, 1071, jeweils m.w.N.).

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b) Nach diesen Maßstäben hat der Kläger --wie das FG zutreffend entschieden hat-- seinen Arbeitsplatz nicht verloren und erfüllt deshalb nicht das Tatbestandsmerkmal der "Auflösung des Dienstverhältnisses".

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Dazu hat das FG für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt: Der Kläger war und blieb Bundesbeamter. Sein Dienstverhältnis zur Telekom ruhte seit dem 1. Oktober 1999 nur und lebte nach der Aufhebung des Arbeitsvertrags mit der K wieder auf. Er musste zu keinem Zeitpunkt einen Arbeitsplatzverlust befürchten.

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Daraus folgt: Der Kläger hat seinen Arbeitsplatz nicht verloren. Er verwirklicht nicht den Tatbestand des § 3 Nr. 9 EStG und kann deshalb die Steuerbegünstigung für Abfindungen nicht beanspruchen.

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c) Da es bereits am Tatbestandsmerkmal der Auflösung des Dienstverhältnisses fehlt, ist unerheblich, ob der Arbeitgeber (K) die Aufhebung des Arbeitsvertrags mit dem Kläger veranlasst hat. Deshalb kommt es auch auf den in diesem Zusammenhang gerügten Verfahrensmangel einer Verletzung rechtlichen Gehörs nicht an.

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