Urteil vom Bundesfinanzhof (6. Senat) - VI R 59/10

Tatbestand

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I. Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Zahlung des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) als Gegenleistung für den Verzicht seiner früheren Ehefrau (F) auf den Versorgungsausgleich als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen ist.

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Der Kläger erzielte im Streitjahr (2005) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er hatte Anspruch auf eine Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen. Die Ehe des Klägers wurde 1996 geschieden, nachdem die Eheleute schon seit 1991 getrennt gelebt hatten. Vor Eheschließung am 22. September 1980 hatten der Kläger, zu dieser Zeit Regierungsrat z.A., und F einen notariell beurkundeten Ehevertrag geschlossen. Darin heißt es u.a.:

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"Wir schließen den gesetzlichen Güterstand aus und vereinbaren Gütertrennung ..." (Ziffer 1).

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"Für den Fall der Scheidung unserer Ehe schließen wir den Versorgungsausgleich aus" (Ziffer 2).

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"Die Erschienenen werden einen dynamischen Ehegatten-Lebens-Versicherungsvertrag über eine zu vereinbarende Versicherungssumme mit einer Laufzeit von 35 Jahren abschließen. Nach Fälligkeit der Versicherungssumme steht der auszuzahlende Betrag den Erschienenen zu 1) und 2) im Erlebensfalle zu gleichen Teilen zu ..." (Ziffer 5).

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Am 4. Dezember 1991 hatten der Kläger und F eine ebenfalls notariell beurkundete Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen. Darin heißt es unter Ziffer 9:

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"Die im Ehevertrag ... getroffenen Regelungen hinsichtlich des Ausschlusses des Versorgungsausgleiches für den Fall der Scheidung werden bestätigt. Der Ehemann verpflichtet sich --wie im Ehevertrag vorgesehen-- schuldrechtlich, nach Fälligkeit der dynamischen Lebensversicherung die Hälfte des ausgezahlten Betrages der Ehefrau unverzüglich zur Verfügung zu stellen. Der Ehemann verpflichtet sich, die an ihn ausgezahlten Beträge unter Einbeziehung der Überschußanteile der Ehefrau offenzulegen."

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Diese und andere Regelungen waren im Scheidungsverfahren bestätigt worden.

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Im Streitjahr zahlte der Versicherer die auf den Namen des Klägers lautende Lebensversicherung an diesen aus. Der Auszahlungsbetrag belief sich auf 71.303,80 €. Am 2. November des Streitjahres überwies der Kläger F die Hälfte dieses Betrags (35.651,90 €).

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In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger den an F gezahlten Betrag als vorab entstandene Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend, weil diese Aufwendungen der Erhaltung ungeschmälerter künftiger Versorgungsbezüge gedient hätten. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nicht.

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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1598 veröffentlichten Gründen ab.

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Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

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Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2005 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von 35.651,90 € bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit festgesetzt wird.

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Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und der Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die bisherigen Feststellungen des FG gestatten keine Entscheidung darüber, ob die vom Kläger vorgenommene Zahlung der hälftigen Versicherungssumme an seine geschiedene Ehefrau als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen ist.

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Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG), auch wenn die mit dem Aufwand zusammenhängenden Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die Berücksichtigung solcher vorab entstandenen Werbungskosten ist ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart, der sich nach der wertenden Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments richtet (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830; BFH-Urteile vom 11. Januar 2005 IX R 15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477; vom 8. März 2006 IX R 107/00, BFHE 212, 511, BStBl II 2006, 446).

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a) Nach diesen Maßstäben sind Ausgleichszahlungen, die ein zum Versorgungsausgleich verpflichteter Ehegatte auf Grund einer Vereinbarung gemäß § 1587o des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) an den anderen Ehegatten leistet, um Kürzungen seiner Versorgungsbezüge (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) zu vermeiden, ebenso wie Auffüllungszahlungen nach § 58 des Beamtenversorgungsgesetzes als sofort abziehbare Werbungskosten zu beurteilen. Nichts Anderes gilt für Ausgleichszahlungen, die auf Grundlage einer Vereinbarung nach § 1408 Abs. 2 BGB als Gegenleistung für einen Verzicht auf den Versorgungsausgleich an den früheren Ehegatten gezahlt werden (BFH-Urteile vom 8. März 2006 IX R 78/01, BFHE 212, 514, BStBl II 2006, 448; in BFHE 212, 511, BStBl II 2006, 446; vom 17. Juni 2010 VI R 33/08, BFH/NV 2010, 2051; Heuermann, Der Betrieb 2006, 688).

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b) Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG den Werbungskostenabzug des streitigen Betrags zu Unrecht allein mit der Begründung versagt, der Kläger wäre auch bei Fortbestehen der Ehe zur hälftigen Teilung der Versicherungssumme verpflichtet gewesen. Das FG hat dabei unbeachtet gelassen, dass die Übereinkunft im Ehevertrag vom 22. September 1980 (Ziffer 2 des Vertrags) --bestätigt durch den Vertrag vom 4. Dezember 1991-- eine Vereinbarung gemäß § 1408 Abs. 2 BGB darstellt. Eine auf Grund einer solchen Vereinbarung geleistete Zahlung kann, wie dargestellt, zum Werbungskostenabzug berechtigen, wenn sie Ausgleichscharakter hat. Deshalb kommt es im Streitfall entscheidend darauf an, ob die auf der Grundlage der genannten Vereinbarungen zur Hälfte überlassene Versicherungssumme als Gegenleistung für den Verzicht auf den Versorgungsausgleich an die frühere Ehegattin gezahlt wurde.

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Zwar ist ein solcher Veranlassungszusammenhang nach Wortlaut und Systematik des Ehevertrags nicht offenkundig, allerdings auch nicht ausgeschlossen. Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang Feststellungen zu treffen haben, welche Absichten der Kläger und seine frühere Ehegattin mit dem Verzicht auf den Versorgungsausgleich und der Abrede über die Teilung der Versicherungssumme verbunden haben. Zu prüfen ist, ob die Abrede ganz oder teilweise auf den ausgeschlossenen Versorgungsausgleich zielt oder ob sie daneben bzw. ausschließlich im Zusammenhang mit der vereinbarten Gütertrennung und dem damit verbundenen Ausschluss des Zugewinns zu sehen ist. Im letzteren Fall kommt insoweit der beantragte Werbungskostenabzug nach Auffassung des Senats nicht in Betracht.

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