Beschluss vom Bundesfinanzhof (7. Senat) - VII B 199/10

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beansprucht die von dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid auf sie und ihren Ehemann, dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), mit dem sie in den Streitjahren zusammenveranlagt worden ist, aufgeteilten, überzahlten Einkommensteuerbeträge für sich allein.

2

Die Klägerin erzielte 2006 Einnahmen aus Gewerbebetrieb, Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung; der Kläger lediglich Renteneinkünfte. Gegen die Kläger wurde zunächst eine Einkommensteuer 2006 von rd. … € (zzgl. Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) festgesetzt und von dem Konto der Klägerin gezahlt. Später ist die Steuer aufgrund eines dem Kläger zustehenden Verlustvortrags auf 0 € herabgesetzt worden und das Steuerguthaben von rd. … € zu rd. … € an die Klägerin ausbezahlt und im Übrigen mit Steuerschulden des Klägers verrechnet worden.

3

Die auf rd. … € festgesetzte Einkommensteuer 2007, die ebenfalls vom Konto der Klägerin bezahlt worden ist, ist in gleicher Weise später auf 0 € herabgesetzt worden, wobei das Guthaben von rd. … € zu rd. … € an die Klägerin ausbezahlt und im Übrigen mit Steuerschulden des Klägers verrechnet worden ist.

4

Das FA hat auf Antrag der Kläger den angefochtenen Abrechnungsbescheid erlassen, in dem es der Klägerin die auf ihre Einkünfte gezahlte Zinsabschlag- und Kapitalertragsteuer zugerechnet, die verbleibenden Beträge jedoch auf die Kläger hälftig aufgeteilt hat; Ansprüche auf Erstattungszinsen hat es im Verhältnis der Erstattungen zu dem Gesamtbetrag der Erstattung auf die Kläger verteilt.

5

Die hiergegen erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht (FG) urteilte im Anschluss an die Rechtsprechung des beschließenden Senats (Hinweis u.a. auf das Urteil vom 30. September 2008 VII R 18/08, BFHE 222, 235, BStBl II 2009, 38), es fehle an Anhaltspunkten dafür, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Steuerzahlung ausschließlich ihre eigene Einkommensteuerschuld erfüllen wollte, was Voraussetzung für eine diesbezügliche Erstattung ausschließlich an sie wäre. Ein solcher Anhaltspunkt ergebe sich insbesondere nicht daraus, dass die Kläger in den Einkommensteuererklärungen 2006 und 2007 ein Konto angegeben haben, dessen Inhaberin die Klägerin sei. Es handele sich um eine bloße Zahlungsanweisung, welche allein die Tilgung, nicht aber das Entstehen der Erstattungsansprüche betreffe. Die Angabe eines Erstattungskontos in der Steuererklärung enthalte keine Willenserklärung dahin, dass Steuernachzahlungen auf Rechnung des Inhabers dieses Erstattungskontos geleistet würden. Das verstehe sich von selbst, wenn Inhaber des Erstattungskontos ein Dritter ist, und sei auch bei zusammenveranlagten Eheleuten nicht anders zu beurteilen.

6

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Kläger, die der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimessen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, weil die Rechtssache nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung hat.

8

Die Beschwerde möchte in dem angestrebten Revisionsverfahren sinngemäß geklärt wissen, wann die Vermutung, dass zusammenveranlagte Eheleute Zahlungen auf ihre Einkommensteuerschuld mit dem (stillschweigend erklärten) Willen leisten, nicht nur die eigene, sondern auch die Steuerschuld des anderen zu tilgen, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als widerlegt anzusehen ist und welche Anforderungen an Art und Form der Äußerung einer von dieser Vermutung abweichenden Tilgungsabsicht zu stellen sind. Sie hält diese Frage insbesondere deshalb für klärungsbedürftig, weil die bisherige Rechtsprechung an Veränderungen zu messen sei, die sich aus der Gestaltung der aktuell verwendeten Steuererklärungsformulare und dem computergestützten bargeldlosen Zahlungsverkehr ergäben.

9

Soweit diese Fragen einer rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich sind und nicht der tatrichterlichen Würdigung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des einzelnen Falles überlassen bleiben müssen, sind sie indes in der Rechtsprechung des beschließenden Senats hinreichend geklärt.

10

Der beschließende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 25. Juli 1989 VII R 118/87 (BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41) hinsichtlich der bei bestehender und intakter Ehe bestehenden Vermutung, dass der Ehegatte, der die Einkommensteuerschuld zusammenveranlagter Eheleute begleicht, die Zahlung nicht nur für eigene Rechnung, sondern auch für die des Ehepartners vornehme, die Berücksichtigung u.a. folgender --vom Tatrichter zu würdigender-- Umstände des Einzelfalls für notwendig gehalten:

11

-

den auf dem Überweisungsträger angegebenen Verwendungszweck (nur Angabe der Steuern ohne die Namen der Ehegatten)

-

 die Abwicklung sonstiger, vorausgegangener Steuerzahlungen  

-

 Kenntnis des FA von der Inhaberschaft und der gemeinsamen Verfügungsberechtigung der Eheleute über das Bankkonto

-

eventuell auch Angabe des Erstattungsberechtigten (Erstattungsanschrift, Erstattungskonto) in den Steuererklärungen.

                                     

12

Eine die tatrichterliche Würdigung beschränkende Regel, dass eines dieser Indizien oder eine bestimmte Verbindung mehrerer dieser Indizien, ggf. beim Hinzutreten weiterer, in der vorgenannten Entscheidung nicht ausdrücklich benannter Indizien, die Vermutung einer doppelten Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten ausräumt, hat der Senat in dieser Entscheidung nicht aufgestellt und sie lässt sich auch nicht aufstellen. Insbesondere ist, anders als die Beschwerde offenbar meint, die Angabe eines Erstattungskontos nicht zwingend dahin zu würdigen, dass damit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Inhaber dieses Kontos nur seine eigene Steuer(gesamt)schuld tilgen will. Der Beschwerde dürfte zwar zuzugeben sein, dass die vom FG vorgenommene, rechtlich zutreffende Differenzierung zwischen der Angabe eines Erstattungskontos, welche lediglich eine Zahlungsanweisung darstellt, und einer Erklärung über die Tilgungsbestimmung --welche gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung Folgen für die materielle Erstattungsberechtigung hat-- der Mehrheit juristisch nicht ausgebildeter Steuerpflichtiger nicht geläufig und auch nicht ohne weiteres nachvollziehbar sein mag. Gerade deshalb stellt es indes jedenfalls keine revisionsrechtlich zu beanstandende Würdigung des Sachverhalts dar, wenn das FG im Streitfall in der Angabe eines Erstattungskontos keine solche Tilgungsbestimmung, sondern lediglich eine Zahlungsanweisung erblickt hat. Denn dem begegnet, dass ein Steuerpflichtiger bei bestehender und intakter Ehe sich im Allgemeinen keine Gedanken darüber machen wird, ob er seinem Ehepartner im Falle der Überzahlung der Steuer einen (hälftigen) materiellen Erstattungsanspruch zugestehen will; wohl aber wird er sich Gedanken darüber machen, auf welches Konto ggf. eine Erstattungszahlung überwiesen werden soll.

13

Aus der vorgenannten Entscheidung des beschließenden Senats ergibt sich ferner und es bedarf daher nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass die Angabe einer Tilgungsbestimmung nicht "ausdrücklich" erfolgen muss, sondern sich aus den Umständen des Einzelfalls ergeben kann. Davon ist im Übrigen auch das FG ausgegangen. Es bedarf weiter auch nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass die tatsächlichen Schwierigkeiten, unter den Bedingungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs --etwa bei einer Internetüberweisung oder Erteilung einer Einzugsermächtigung an das FA-- eine bestimmte, von der nach der Rechtsprechung des Senats im Regelfall zu unterstellenden abweichende Tilgungsbestimmung zum Ausdruck zu bringen, nichts daran ändern können, dass es einer diesbezüglichen Erklärung bedarf, wenn jene Vermutung eines doppelten Tilgungswillens bei bestehender und intakter Ehe erschüttert werden soll. Dass die Interessenlage des Steuerpflichtigen, der seine Steuerschuld begleicht, für die Ermittlung einer etwaigen Tilgungsbestimmung nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist und sogar die Insolvenzbefangenheit des Vermögens des Ehepartners der Annahme einer doppelten Tilgungsbestimmung nicht entgegensteht, hat der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 222, 235, BStBl II 2009, 38 entschieden.

14

Auch die schließlich von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob das FA, "wenn es trotz verdichteter Hinweise auf eine abweichende Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten von der gesetzlichen Vermutung auszugehen beabsichtigt", bei den Eheleuten Nachfrage halten muss, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Denn diese Frage ist offensichtlich zu verneinen, weil es an einer gesetzlichen Grundlage für die Annahme fehlt, die bei bestehender und intakter Ehe zu vermutende Tilgungsbestimmung stehe gleichsam unter dem Vorbehalt einer klärenden Nachfrage des FA. Eine dahin gehende Regelung wäre überdies erkennbar kaum praktikabel und der Rechtssicherheit nicht dienlich.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen