Beschluss vom Bundesfinanzhof (1. Senat) - I B 66/11

Gründe

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Die Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der (verlängerten) Frist des § 116 Abs. 3 Sätze 1 und 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet worden ist und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 56 Abs. 1 FGO nicht gegeben sind. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten. Das Verschulden ihres Bevollmächtigten muss sich die Klägerin wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung --ZPO--).

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1. Das Urteil des Finanzgerichts ist der Klägerin am 12. April 2011 zugestellt worden. Die Frist zur Begründung der am 3. Mai 2011 fristgerecht erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) lief aufgrund der Pfingstfeiertage am 14. Juni 2011 ab (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO). Sie wurde vom Vorsitzenden des erkennenden Senats bis zum 14. Juli 2011 verlängert (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO). Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist per Telefax erst am 15. Juli 2011 um 00:13 Uhr beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen. Dies ergibt sich aus dem maschinellen Empfangsbericht des Telefax-Gerätes beim BFH. Die Frist ist daher versäumt. Auch wenn sich aus dem Sendebericht des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ergibt, dass die Übermittlung des Schriftsatzes im Umfang von 34 Seiten am 14. Juli 2011 um 23:55 Uhr begonnen wurde, ändert dies nichts an der Fristversäumnis. Die Frist ist nur gewahrt, wenn der fristgebundene Schriftsatz vor Fristablauf vollständig eingegangen ist (BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2006 I B 70/06, BFH/NV 2007, 929; Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 56 Rz 20 "Telefax", m.w.N.; vgl. auch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. April 2006 IV ZB 20/05, BGHZ 167, 214). Der Eingangszeitpunkt bestimmt sich dabei nach dem Uhrzeitaufdruck des Telefaxgerätes des Gerichts (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. März 2000 VII B 137/99, BFH/NV 2000, 1344; vom 25. November 2003 VII R 9/03, BFH/NV 2004, 519; vom 24. April 2008 IX B 164/07, BFH/NV 2008, 1349). Es genügt daher entgegen der Ansicht der Klägerin nicht, wenn die Seite mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Klägerin (vorab) als zweite Seite übermittelt wird und damit vor Fristablauf eingegangen ist. Entscheidend ist der vollständige Eingang des fristgebundenen Schriftsatzes von 34 Seiten.

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2. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist kann nicht gewährt werden.

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a) Eine solche Wiedereinsetzung ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist (§ 56 Abs. 1 FGO) verhindert war. Vorliegend war der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht unverschuldet an der Einhaltung der Begründungsfrist gehindert.

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Zwar dürfen die Beteiligten gesetzliche Fristen grundsätzlich bis zur letzten Minute ausschöpfen. Sie müssen aber zugleich dafür Sorge tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz auf dem gewählten Übertragungsweg noch rechtzeitig vor Fristablauf bei dem Gericht eingeht. Auf die gewöhnlichen Übertragungszeiten darf vertraut werden. Da es auf den vollständigen Eingang beim Empfänger ankommt, muss der Absender eines Telefax mit der Übermittlung so rechtzeitig beginnen, dass er unter gewöhnlichen Umständen mit dem Abschluss des Übermittlungsvorgangs noch vor Fristablauf rechnen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Januar 2010 VIII B 88/09, BFH/NV 2010, 919). Dabei muss er auch die gewöhnliche Zeitdauer der Übertragung umfänglicher Schriftsätze in Betracht ziehen.

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b) Im Streitfall konnte der Prozessvertreter der Klägerin jedenfalls nicht davon ausgehen, dass der Schriftsatz bis 23:59:59 Uhr am 14. Juli 2011 vollständig beim BFH eingehen würde. Denn er konnte nicht darauf vertrauen, dass ein Schriftsatz von 34 Seiten Länge in der Zeitspanne zwischen 23:55 Uhr und 23:59:59 Uhr per Telefax vollständig übertragen werden kann. Damit fällt ihm ein Verschulden zur Last.

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c) Aus den Schilderungen des Tagesablaufs des 14. Juli 2011 durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Schriftsatz vom 12. August 2011 wird nach Auffassung des erkennenden Senats nicht hinreichend ersichtlich, dass die geschilderten Umstände (u.a. 15-minütiger Anruf einer Mandantin, Gerichtsverhandlung eine Stunde länger als geplant, Auswahl eines langsamen Druckers, Spazierengehen mit dem Hund) kausal für den um 13 Minuten verspäteten Eingang des fristgebundenen Schriftsatzes waren. Die geschilderten Umstände legen vielmehr eine Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nahe. Eine solche wird jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des BFH nicht als Wiedereinsetzungsgrund anerkannt (vgl. z.B. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 110 AO Rz 346). Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitsüberlastung nicht vorhersehbar war und aufgrund unbeeinflussbarer Umstände eingetreten ist, wurden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.

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