Urteil vom Bundesfinanzhof (2. Senat) - II R 31/10

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine von der Stadt A (Gemeinde) nach § 114a Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (GO NRW) errichtete Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie erbringt für die Gemeinde Beistandsleistungen, die u.a. im Bau der Straßen, Wege und Plätze bestehen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe wurden in der Zeit vom 26. November 2007 bis 28. Februar 2008 mehrere Fahrzeuge der Gemeinde auf die Klägerin umgemeldet. Vor ihrer Ummeldung waren diese Fahrzeuge wegen ihres ausschließlichen Einsatzes für den Wegebau gemäß § 3 Nr. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in der ab 1. Mai 2005 gültigen Fassung (KraftStG) von der Kraftfahrzeugsteuer befreit.

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Mit Kraftfahrzeugsteuerbescheiden vom 17. Dezember 2007, 7. Januar 2008, 14. Januar 2008, 11. Februar 2008, 19. Februar 2008, 10. März 2008 und 26. März 2008 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gegenüber der Klägerin Kraftfahrzeugsteuer für die auf sie umgemeldeten Fahrzeuge fest.

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Am 20. März 2008 beantragte die Klägerin, die Fahrzeuge nach § 3 Nr. 3 KraftStG von der Steuer zu befreien, da sie diese ausschließlich zum Wegebau verwende. Das FA lehnte die Anträge mit Bescheid vom 14. April 2008 ab. Der Einspruch blieb erfolglos.

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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, das FA habe eine Neufestsetzung der Kraftfahrzeugsteuer auf 0 € zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 3 KraftStG lägen nicht vor, da die Fahrzeuge nicht auf eine Gemeinde zugelassen seien. Ebenso wenig komme mangels Regelungslücke eine analoge Anwendung des § 3 Nr. 3 KraftStG in Betracht. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 181 veröffentlicht.

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Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 3 Nr. 3, 12 Abs. 2 Nr. 4 KraftStG. Sie sei als Anstalt des öffentlichen Rechts unter den Begriff der "Gemeinde" i.S. von § 3 Nr. 3 KraftStG zu subsumieren. Denn sie erbringe die auf sie übertragenen Aufgaben "Straßenbau und -unterhaltung" als Beistandsleistung für die Gemeinde und übernehme diese Aufgaben als Erfüllungsgehilfe. Mithin handele es sich weiterhin um Aufgaben der Gemeinde im weitesten Sinne. Ferner sei, trotz ihrer rechtlichen Selbständigkeit, die Einflussnahme der Gemeinde stark ausgeprägt. Jedenfalls sei § 3 Nr. 3 KraftStG analog anzuwenden. Es liege eine Regelungslücke vor. Denn der Gesetzgeber habe bei der Neufassung des KraftStG vom 30. Juni 1955 die erst viele Jahre später geschaffene Möglichkeit der Gemeinden, öffentliche Aufgaben auf Anstalten des öffentlichen Rechts zu übertragen, nicht berücksichtigt.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie den Bescheid vom 14. April 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Dezember 2008 aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Kraftfahrzeugsteuer für die Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen ab dem 20. März 2008, für die Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen ab dem 28. Januar 2008, für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ab dem 19. Februar 2008 und für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ab dem 28. Februar 2008 auf 0 € festzusetzen.

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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Neufestsetzung der Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 KraftStG für die in ihren Anträgen vom 20. März 2008 bezeichneten Fahrzeuge hatte, da das Halten dieser Fahrzeuge nicht nach § 3 Nr. 3 KraftStG von der Steuer befreit und die jeweilige Steuerfestsetzung daher nicht fehlerhaft gewesen ist.

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1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 KraftStG ist die Steuer, wenn eine Steuerfestsetzung fehlerhaft ist, zur Beseitigung des Fehlers neu festzusetzen. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Insbesondere war das Halten der hier fraglichen Fahrzeuge weder in direkter noch analoger Anwendung des § 3 Nr. 3 Satz 1 KraftStG von der Steuer befreit.

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a) Gemäß § 3 Nr. 3 Satz 1 KraftStG ist das Halten von Fahrzeugen von der Steuer befreit, solange sie u.a. für eine Gemeinde zugelassen sind und ausschließlich zum Wegebau verwendet werden. Für die Anwendbarkeit des § 3 Nr. 3 Satz 1 KraftStG genügt es nicht, dass das Fahrzeug lediglich im Auftrag einer Gemeinde ausschließlich zum Wegebau verwendet wird. Dies ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut der Vorschrift, wonach das Fahrzeug für eine Gemeinde zugelassen sein muss.

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Im Streitfall ist der Tatbestand des § 3 Nr. 3 Satz 1 KraftStG nicht erfüllt. Denn die Fahrzeuge wurden nicht von einer Gemeinde gehalten. Halterin der Fahrzeuge war vielmehr die Klägerin, bei der es sich um eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts handelt (vgl. § 114a Abs. 1 Satz 1 GO NRW). Zwar nimmt die Klägerin öffentliche Aufgaben für eine Gemeinde wahr und hat die Gemeinde als Anstaltsträgerin über ihre Vertretung im Verwaltungsrat auch die Möglichkeit, die Willensbildung bei der Klägerin zu beeinflussen. Dies führt, entgegen ihrer Auffassung, jedoch nicht dazu, dass die Klägerin unter den Begriff der "Gemeinde" zu subsumieren ist. Vielmehr hat sie als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts den Charakter eines selbständigen Verwaltungsträgers (Rehn/Cronauge/Lennep/Knirsch, GO NRW, § 114a, S. 5).

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b) Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 3 Nr. 3 Satz 1 KraftStG liegen nicht vor.

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aa) Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus. Eine solche Regelungslücke liegt vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. August 2010 III R 47/09, BFHE 230, 563, BStBl II 2011, 589, m.w.N.).

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bb) § 3 Nr. 3 Satz 1 KraftStG enthält keine planwidrige Regelungslücke für den Fall, dass ein ausschließlich zum Wegebau verwendetes Fahrzeug nicht von einer Gemeinde, sondern von einem Dritten gehalten wird, der das Fahrzeug ausschließlich im Auftrag der Gemeinde verwendet.

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Durch § 3 Nr. 3 KraftStG sollen Gebietskörperschaften für ihre im Dienst des öffentlichen Wohls erforderlichen Fahrzeuge bei Beachtung gewisser Voraussetzungen steuerlich entlastet werden (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 1965 II 59/62 U, BFHE 82, 492, BStBl III 1965, 425, zu dem mit § 3 Nr. 3 KraftStG wortlautidentischen § 2 Nr. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1961 i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 17. März 1964, BGBl I 1964, 145, BStBl I 1964, 243 --KraftStÄndG 1964--). Der Gesetzgeber wollte hingegen das Halten eines Fahrzeugs nicht allein deshalb von der Steuer befreien, weil dieses im Auftrag einer Gemeinde ausschließlich zum Wegebau eingesetzt wird.

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Hierfür spricht, worauf das FG zutreffend hinweist, zum einen ein Vergleich des § 3 Nr. 3 KraftStG mit § 3 Nrn. 2, 4 und 5 KraftStG. Denn anders als in § 3 Nr. 3 KraftStG genügt es für die Steuerbefreiungstatbestände des § 3 Nrn. 2, 4 und 5 KraftStG, dass sie für eine bestimmte Behörde verwendet (§ 3 Nr. 2 KraftStG) oder für eine bestimmte Tätigkeit eingesetzt werden (§ 3 Nrn. 4 und 5 KraftStG). Hätte es der Gesetzgeber für eine Steuerbefreiung ausreichen lassen wollen, dass ein Fahrzeug ausschließlich zum Wegebau im Auftrag einer Gemeinde verwendet wird, hätte er für § 3 Nr. 3 Satz 1 KraftStG eine ähnliche Formulierung wie in § 3 Nr. 2 oder § 3 Nrn. 4 und 5 KraftStG gewählt.

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Zum anderen ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zum KraftStÄndG 1964, dass der Gesetzgeber sich bewusst dafür entschieden hat, die Steuerbefreiung nicht zu gewähren, wenn das Fahrzeug von einem Dritten gehalten wird, der ausschließlich im Auftrag der Gebietskörperschaft das Fahrzeug zum Wegebau verwendet.

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Der Finanzausschuss hatte einen entsprechenden Änderungsantrag einzelner Abgeordneter (vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestags - 4. Wahlperiode, Stenographische Berichte, Band 53, 79. Sitzung, S. 3866, Anlage 6, Umdruck 305) abgelehnt. Eine Ausdehnung der Steuerbefreiung nach § 2 Nr. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes i.d.F. vom 2. Januar 1961 auf die Fahrzeuge, die nicht für diese Gebietskörperschaften zugelassen seien, jedoch in ihrem Auftrag für die bezeichneten Zwecke verwendet würden, sei nicht vertretbar (Bericht der Abgeordneten Frau Beyer, BTDrucks IV/1690, S. 1).

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Der Gesetzgeber hat sich somit bei der Schaffung des § 3 Nr. 3 KraftStG (damals § 2 Nr. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes i.d.F. des KraftStÄndG 1964) bewusst dafür entschieden, zum Wegebau verwendete Fahrzeuge unabhängig davon, ob diese (ausschließlich) im Auftrag einer Gemeinde verwendet werden, nicht von der Steuer zu befreien, wenn sie von keiner Gemeinde, sondern von einem Dritten gehalten werden.

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