Beschluss vom Bundesfinanzhof (11. Senat) - XI B 126/13
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) ist als städtische Gemeinde Eigentümerin des Stadtbades, das sie zunächst selbst als Betrieb gewerblicher Art (BgA) führte.
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Ab dem 1. Januar 2007 verpachtete sie das Freibad. In der Präambel des entsprechenden "Pacht- und Betriebsführungsvertrages" hielten die Vertragsparteien fest, dass die Kosten für den Betrieb nicht durch die Einnahmen gedeckt würden und der Vertrag das Ziel habe, den sicheren Betrieb des Bades weiterhin zu gewährleisten sowie dessen Effektivität und Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Zu diesem Zweck wurde vereinbart, dass der Pächter das gesamte Grundstück des Bades einschließlich der kompletten Badeanlage pachtete, das Bad im Auftrag der Stadt betrieb und es in gleicher Weise der Öffentlichkeit zur Verfügung stellte, wie dies bisher die Klägerin selbst getan hatte. Die Klägerin sollte dem Pächter die aus Eintrittsgeldern und sonstigen Einnahmen nicht zu erwirtschaftenden Betriebsaufwendungen erstatten, sofern diese allein aus einem ordnungsgemäßen und wirtschaftlichen Badebetrieb entstanden waren. Als konkrete Kostenbeteiligung der Klägerin war in § 6 des Pachtvertrages vorgesehen, dass diese zum Ausgleich der durch den Betrieb des Bades nicht deckungsfähigen Kosten (ungedeckter Aufwand) an den Pächter einen jährlichen Zuschuss in Höhe von … € zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer zahlte. Dabei richteten sich lt. § 7 des Pachtvertrages die Eintrittspreise nach der von der Stadt erlassenen Entgeltordnung. Der Pächter trug die Betriebskosten und war verpflichtet, eine jährliche Pacht von … € zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen.
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Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) hob im Einspruchsverfahren gegen die für die Jahre 2007, 2008 und 2009 (Streitjahre) ergangenen Umsatzsteuerfestsetzungen nach Hinweis auf eine mögliche Verböserung die entsprechenden Umsatzsteuer-Jahresbescheide mit Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 2013 unter Hinweis darauf auf, dass die Klägerin im Hinblick auf das verpachtete Freibad nicht als Unternehmerin i.S. von § 2 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetztes (UStG) anzusehen sei und ihr deshalb der von ihr geltend gemachte Vorsteuerabzug nicht zustehe.
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Das Finanzgericht (FG) gab der anschließend erhobenen Klage statt.
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Mit der hiergegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde rügt das FA Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die vom FA behauptete Divergenz nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO liegt nicht vor.
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1. Die vom FA begehrte Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen Divergenz setzt voraus, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als ein anderes Gericht oder ein anderer Spruchkörper desselben Gerichts; die Entscheidung des FG muss auf der Abweichung beruhen (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. August 2013 XI B 79/12, BFH/NV 2013, 1953; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 176, 185). Ferner muss die Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich sein (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 48).
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2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
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a) Das FA führt aus, die Entscheidung des FG stehe im Widerspruch zum Urteil des Niedersächsischen FG vom 13. November 2008 5 K 407/05. Der behaupteten Divergenzentscheidung und dem im Streitfall ergangenen FG-Urteil habe jeweils ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde gelegen.
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Das Niedersächsische FG habe in seiner Entscheidung konkludent folgenden Rechtssatz aufgestellt:
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"Überlässt eine [juristische Person des öffentlichen Rechts (jPöR)] einen Betrieb vertraglich an einen privaten Dritten zur Betriebsführung, sind für die Feststellung, ob die jPöR den Betrieb dadurch zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 KStG (wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL) nutzt, alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen."
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Die Vorinstanz habe seiner Entscheidung demgegenüber stillschweigend folgenden Rechtssatz zugrunde gelegt:
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"Überlässt eine jPöR einen Betrieb vertraglich an einen privaten Dritten zur Betriebsführung, genügt für die Feststellung, ob die jPöR den Betrieb dadurch zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ... nutzt, ein für die Überlassung geschuldeter Zins; eine korrespondierende Verpflichtung der jPöR zum Ausgleich ungedeckten betrieblichen Aufwands ist unbeachtlich."
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Das im Streitfall ergangene FG-Urteil beruhe auf dieser Abweichung, weil es anders ausgefallen wäre, wenn es von der divergierenden Auffassung des Niedersächsischen FG ausgegangen wäre. Denn eine das Pachtentgelt und die Zuschussgewährung verknüpfende Betrachtungsweise führe vorliegend zu einer Belastung der Klägerin. Bei dieser Gesamtschau sei das Tatbestandsmerkmal einer Einnahmeerzielung gemäß § 4 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) nicht erfüllt. Es bestehe daher ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Abweichung und dem Ergebnis der Entscheidung.
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b) Dieses Vorbringen des FA vermag indes die behauptete Divergenz nicht zu begründen. Denn entgegen der Auffassung des FA ist eine Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit nicht erforderlich.
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aa) Nach der Rechtsprechung des BFH sind jPöR nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nur im Rahmen ihrer BgA unternehmerisch und damit wirtschaftlich tätig. Bei diesen Betrieben handelt es sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 4 KStG um alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich (§ 4 Abs. 1 Satz 2 KStG). Betriebe, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe), gehören nach § 4 Abs. 5 KStG nicht hierzu. Diese Vorschriften sind unter Berücksichtigung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem bzw. des bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern richtlinienkonform auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17. März 2010 XI R 17/08, BFHE 230, 466, BFH/NV 2010, 2359, Rz 23 ff.; vom 2. März 2011 XI R 65/07, BFHE 233, 264, BFH/NV 2011, 1454, Rz 17; vom 1. Dezember 2011 V R 1/11, BFHE 236, 235, BFH/NV 2012, 534, Rz 14; vom 14. März 2012 XI R 8/10, BFH/NV 2012, 1667, Rz 27 ff., jeweils m.w.N.).
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Handelt die jPöR dabei auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag, kommt es für ihre Unternehmereigenschaft auf weitere Voraussetzungen nicht an (vgl. BFH-Urteile vom 3. März 2011 V R 23/10, BFHE 233, 274, BStBl II 2012, 74, Rz 21, und vom 10. November 2011 V R 41/10, BFHE 235, 554, BFH/NV 2012, 670, Rz 14).
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Der BFH hat ferner in diesem Zusammenhang geklärt, dass grundsätzlich von einem steuerbaren Leistungsaustausch auszugehen ist, wenn ein Unternehmer aufgrund eines gegenseitigen Vertrages Leistungen zur Erfüllung der von ihm übernommenen Aufgaben einer jPöR gegen Entgelt übernimmt (BFH-Urteile vom 18. Juni 2009 V R 4/08, BFHE 226, 382, BStBl II 2010, 310, und vom 19. November 2009 V R 29/08, BFH/NV 2010, 701).
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bb) Daraus ist ersichtlich, dass die Rechtsgrundsätze in der behaupteten Divergenzentscheidung des Niedersächsischen FG vom 13. November 2008 5 K 407/05 durch die neuere Rechtsprechung des BFH überholt sind, wonach es bei Vorliegen eines privatrechtlichen Vertrages zwischen der jPöR und dem Vertragspartner für die Unternehmereigenschaft auf weitere Voraussetzungen gerade nicht ankommt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 233, 274, BStBl II 2012, 74, Rz 21, und in BFHE 235, 554, BFH/NV 2012, 670, Rz 14) und außerdem grundsätzlich von einem steuerbaren Leistungsaustausch auszugehen ist, wenn ein Unternehmer aufgrund eines gegenseitigen Vertrages Leistungen zur Erfüllung der von ihm übernommenen Aufgaben einer jPöR gegen Entgelt übernimmt (BFH-Urteile in BFHE 226, 382, BStBl II 2010, 310, und in BFH/NV 2010, 701). Das FG hat seiner Entscheidung im Streitfall diese Rechtsprechung zugrunde gelegt und ist dabei zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin als Unternehmerin in diesem Sinne tätig war.
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Vor diesem Hintergrund besteht kein Allgemeininteresse an einer weiteren Entscheidung des BFH zu der vom FG im Rahmen der Divergenzrüge aufgeworfenen Rechtsfrage zur Wahrung der Rechtseinheit.
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cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom FA zitierten Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 20. Juni 2013 C-219/12 --Fuchs-- (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2013, 752, MehrwertSteuerrecht 2013, 371). Denn diese Entscheidung ist nicht zur Unternehmereigenschaft einer jPöR ergangen.
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3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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Referenzen
- 2011 XI R 65/07 1x (nicht zugeordnet)
- 2011 V R 23/10 1x (nicht zugeordnet)
- 2010 XI R 17/08 1x (nicht zugeordnet)
- 2013 XI B 79/12 1x (nicht zugeordnet)
- 5 K 407/05 2x (nicht zugeordnet)
- 2011 V R 41/10 1x (nicht zugeordnet)
- 2009 V R 4/08 1x (nicht zugeordnet)
- 2009 V R 29/08 1x (nicht zugeordnet)
- 2011 V R 1/11 1x (nicht zugeordnet)
- 2012 XI R 8/10 1x (nicht zugeordnet)