Urteil vom Bundesfinanzhof (2. Senat) - II R 10/14

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war Teilnehmerin an einem Flurbereinigungsverfahren, in das sie Flächen in einer Größe von ca. 61 ha einbrachte. Der ebenfalls an dem Flurbereinigungsverfahren beteiligte E stimmte mit Erklärung nach § 52 des Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG) vom 10. Mai 2001 in einer Verhandlung vor der zuständigen Behörde zugunsten der Klägerin zu, für zwei eingebrachte Flurstücke statt in Land in Geld abgefunden zu werden. Die Klägerin verpflichtete sich, an E eine Geldabfindung von 14.820 DM (7.577 €) zu zahlen. Gemäß der im Jahre 2009 ergangenen Ausführungsanordnung des Flurbereinigungsplans erhielt die Klägerin eine Fläche von ca. 21 ha. Die in der Landverzichtserklärung des E bezeichneten Flächen wurden der Klägerin nicht zugewiesen. Diese Flächen wurden jedoch bei der Berechnung der der Klägerin zustehenden Landabfindung durch Zuweisung von Ersatzgrundstücken berücksichtigt.

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Durch Bescheid vom 26. Februar 2010 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gegenüber der Klägerin für ihren Erwerb aus dem Flurbereinigungsverfahren Grunderwerbsteuer in Höhe von 265 € fest. Bemessungsgrundlage war die von der Klägerin an E gezahlte Geldabfindung von 7.577 €. Der Einspruch, mit dem die Klägerin für ihren Erwerb die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) geltend machte, hatte keinen Erfolg.

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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es sah die Befreiungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG als nicht erfüllt an, weil sich der Landabfindungsanspruch der Klägerin aufgrund der Landverzichtserklärung des E erhöht habe. Es sei unschädlich, dass der Klägerin Ersatzgrundstücke anstelle der in der Erklärung des E bezeichneten Grundstücke zugeteilt worden seien.

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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG.

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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom 26. Februar 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2011 aufzuheben.

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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126  Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zwar zutreffend erkannt, dass die Landzuteilung an den Teilnehmer einer Flurbereinigung in dem Umfang, in dem zu seinen Gunsten ein Dritter einer Abfindung in Geld statt in Land zugestimmt hat, grundsätzlich nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG steuerbefreit ist. Das FG hat aber nicht berücksichtigt, dass diese Steuerbefreiung auf alle Landzuteilungen zugunsten des Teilnehmers anzuwenden ist, deren Wert nicht den Wert der vom Teilnehmer in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachten Grundstücke überschreitet.

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1. Der Grunderwerbsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Übergang des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil die Klägerin aufgrund der vorzeitigen Ausführungsanordnung des Flurbereinigungsplans vom 11. November 2009 gemäß § 61 Satz 2 FlurbG Eigentümerin der Ersatzgrundstücke geworden ist, ohne dass ein einen Übereignungsanspruch begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und ohne dass es einer Auflassung bedurfte.

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Die der Ausführungsanordnung vorangegangene Landverzichtserklärung des E zugunsten der Klägerin vom 10. Mai 2001 ist kein Rechtsgeschäft, das für die Klägerin einen Anspruch auf Übereignung der entsprechenden Flächen begründet hat. Die Landverzichtserklärung, mit der lediglich der Abfindungsanspruch des Verzichtenden auf den begünstigten Dritten übergeht, bereitet den Erwerb des Eigentums an den Ersatzgrundstücken lediglich vor und unterliegt weder nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 noch nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Mai 2000 II R 47/99, BFHE 191, 426, BStBl II 2000, 627, und vom 23. August 2006 II R 41/05, BFHE 213, 406, BStBl II 2006, 919).

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2. Für die Eigentumsübertragung auf die Klägerin war nicht schon deshalb Grunderwerbsteuer festzusetzen, weil sie aufgrund der zu ihren Gunsten erfolgten Landverzichtserklärung des E einen Anspruch auf Landabfindung erworben hat.

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a) Das Flurbereinigungsverfahren ist ein gesetzlich geregelter Grundstückstausch, der gemäß § 1 FlurbG der Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie der Förderung der allgemeinen Landeskultur und Landesentwicklung dient. Es wird beherrscht von dem Grundsatz der wertgleichen Abfindung. Jeder Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens ist gemäß § 44 FlurbG für seine Grundstücke unter Berücksichtigung der nach § 47 FlurbG vorgenommenen Abzüge mit Land von gleichem Wert (zur Wertermittlung vgl. §§ 27 ff. FlurbG) abzufinden.

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Die Abfindung erfolgt gemäß § 44 Abs. 1 FlurbG grundsätzlich als Landabfindung. Ungeachtet eines etwaigen Wertausgleichs aufgrund in Geld auszugleichender unvermeidbarer Mehr- oder Minderausweisungen von Land (§ 44 Abs. 3 FlurbG) tritt die Landabfindung an die Stelle der alten Grundstücke (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG).

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b) Der Verzicht auf Landabfindung gemäß § 52 Abs. 1 FlurbG, durch den mit seiner Unwiderruflichkeit (§ 52 Abs. 2 FlurbG) der Anspruch auf Abfindung in Land erlischt, kann "zugunsten eines bestimmten Dritten" (§ 52 Abs. 3 Satz 2 FlurbG) erfolgen. Mit der späteren Eigentumszuweisung an den Dritten wird dessen auf § 44 FlurbG beruhender Abfindungsanspruch erfüllt. Dieser Erwerb wird zwar vom Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG erfasst. Diese Vorschrift bedarf aber ausgehend von ihrem Zweck, den Erwerb des Eigentums durch die Abfindung in Land in dem Umfang von der Grunderwerbsteuer zu befreien, in dem der Teilnehmer eigenes Land hergeben musste, einer einschränkenden Auslegung. Ausgehend von diesem Grundgedanken ist die Eigentumszuweisung an einen Dritten, der erst durch den Landabfindungsverzicht eines Teilnehmers in das Flurbereinigungsverfahren einbezogen wurde, nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG steuerfrei. Dies muss grundsätzlich auch dann gelten, wenn der durch die Landverzichtserklärung begünstigte Dritte bereits Teilnehmer der Flurbereinigung war und aufgrund der Verzichtserklärung eine (weitere) Zuteilung von Land beanspruchen kann (BFH-Urteil in BFHE 213, 406, BStBl II 2006, 919).

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c) In Ausnahme von diesen Rechtsgrundsätzen ist eine Landzuteilung im Flurbereinigungsverfahren gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG dann grunderwerbsteuerfrei, wenn die vom Teilnehmer in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachten Grundstücke ihrem Wert nach den diesem Teilnehmer bei Beendigung des Flurbereinigungsverfahrens zugeteilten Flächen entsprechen. In diesem Fall ist für eine einschränkende Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG kein Raum. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Teilnehmer der Flurbereinigung einerseits durch Landverzichtserklärung eines anderen Teilnehmers gemäß § 52 Abs. 3 Satz 2 FlurbG einen Abfindungsanspruch in Land erwirbt und zum anderen für von ihm selbst in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachte Grundstücke zugunsten eines Dritten auf eine Abfindung in Land verzichtet. In diesem Fall ist eine Eigentumszuweisung an den Teilnehmer aufgrund der Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan nur insoweit steuerpflichtig, als der Wert der zugeteilten Grundstücke den Wert der in die Flurbereinigung eingebrachten Grundstücke übersteigt.

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Die von anderen Grundsätzen ausgehende Vorentscheidung war demgemäß aufzuheben.

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3. Die Sache ist nicht spruchreif.

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Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Wert der von der Klägerin in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachten Grundstücke den Wert der ihr durch die Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan zugeteilten Grundstücke übersteigt. Insoweit wird das FG zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls in welchem wertmäßigen Umfang die Klägerin auf die Abfindung in Land verzichtet hat und ob der Klägerin nach der Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan im Ergebnis wertmäßig mehr Flächen zugeteilt wurden als sie in das Flurbereinigungsverfahren eingebracht hatte.

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