Urteil vom Bundesfinanzhof (2. Senat) - II R 36/15
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Mai 2015 15 K 4287/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, war Eigentümerin von vier in unterschiedlichen Finanzamtsbezirken liegenden Grundstücken. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 18. Januar 2002 erwarb eine andere GmbH & Co. KG sämtliche Kommanditanteile an der Klägerin. Zwischen Veräußerer- und Erwerberseite bestand keine Identität. Der Notar zeigte den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang der Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts nicht an.
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Nach einer Außenprüfung nahm das Finanzamt an, der Wechsel des vollständigen Gesellschafterbestandes der Klägerin unterliege nach § 1 Abs. 2a des Grunderwerbsteuergesetzes in der für das Jahr 2002 geltenden Fassung (GrEStG) der Grunderwerbsteuer, und stellte mit Bescheid vom 4. Dezember 2009, der am 7. Dezember 2009 bekannt gegeben wurde, gegenüber der Klägerin als Steuerschuldnerin gesondert und einheitlich die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer fest.
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Mit Bescheid vom 8. März 2011 stellte das Finanzamt für das in seinem Bezirk liegende Grundstück den Grundbesitzwert auf den 18. Januar 2002 für Zwecke der Grunderwerbsteuer in Höhe von 11.034.000 € fest.
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Mit Bescheid vom 21. März 2011 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gegenüber der Klägerin auf der Grundlage der Feststellungsbescheide vom 4. Dezember 2009 und vom 8. März 2011 die Grunderwerbsteuer auf 386.190 € fest.
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Auf die Einsprüche gegen den Feststellungsbescheid vom 8. März 2011 und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 21. März 2011 stellte das Finanzamt den Grundbesitzwert mit Bescheid vom 19. April 2011 auf 3.527.000 € fest und setzte das FA mit Bescheid vom 12. Mai 2011 die Grunderwerbsteuer entsprechend auf 123.445 € herab.
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Gegen diese Änderungsbescheide legte die Klägerin erneut Einspruch ein. Der Grundbesitzwert sei zwar antragsgemäß niedriger festgestellt worden. Der Grunderwerbsteuerbescheid sei aber rechtswidrig, da der Feststellungsbescheid wegen Eintritts der Feststellungsverjährung nicht mehr habe erlassen werden dürfen. Die reguläre Festsetzungsfrist für die Grunderwerbsteuerfestsetzung sei am 31. Dezember 2009 abgelaufen. § 181 Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz der Abgabenordnung (AO) sei für den Feststellungsbescheid nicht einschlägig, da der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Grunderwerbsteuerfestsetzung wegen § 181 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz AO nicht nach § 171 Abs. 10 AO gehemmt gewesen sei.
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Während das Einspruchsverfahren gegen den Feststellungsbescheid vom 19. April 2011 zum Ruhen gebracht wurde, wurde der Einspruch gegen den Grunderwerbsteuerbescheid als unbegründet zurückgewiesen. Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dem angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid stehe keine Festsetzungsverjährung entgegen. Aufgrund des am 7. Dezember 2009 bekannt gegebenen Feststellungsbescheids nach § 17 GrEStG, der rechtmäßig innerhalb der bis zum 31. Dezember 2009 laufenden Feststellungsfrist ergangen sei, sei die Festsetzungsfrist für die Grunderwerbsteuer nach § 171 Abs. 10 AO erst am 7. Dezember 2011 abgelaufen und der Grunderwerbsteuerbescheid vom 12. Mai 2011 daher innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen. Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO habe daher auch der Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert vom 19. April 2011 noch erlassen werden dürfen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1418 veröffentlicht.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine Verletzung des § 181 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 171 Abs. 10 AO geltend.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 21. März 2011 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 12. Mai 2011 und die Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2011 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Grunderwerbsteuerbescheid vom 12. Mai 2011 rechtmäßig ist.
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1. Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 vom Hundert der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft (§ 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG).
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2. Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO).
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a) Nach § 171 Abs. 10 AO endet die Festsetzungsfrist, soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids.
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b) Für die Grunderwerbsteuer werden nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG die Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG durch das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, gesondert festgestellt, wenn ein außerhalb des Bezirks dieses Finanzamts liegendes Grundstück oder ein auf das Gebiet eines anderen Landes sich erstreckender Teil eines im Bezirk dieses Finanzamts liegenden Grundstücks betroffen wird. Zu den Besteuerungsgrundlagen gehören die verbindliche Entscheidung über die Steuerpflicht des jeweiligen Erwerbsvorgangs dem Grunde nach, über die als Steuerschuldner in Betracht kommenden natürlichen oder juristischen Personen und über die Finanzämter, die zur Steuerfestsetzung berufen sind (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 31. März 2004 II R 54/01, BFHE 205, 314, BStBl II 2004, 658, unter II.1.a, und vom 15. Oktober 2014 II R 14/14, BFHE 248, 228, BStBl II 2015, 405, Rz 20). Zu den Besteuerungsgrundlagen gehört auch die Angabe der betroffenen Grundstücke.
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c) Nach § 17 Abs. 3a GrEStG sind in die gesonderte Feststellung nach § 17 Abs. 3 GrEStG nicht die Grundbesitzwerte i.S. des § 138 Abs. 2 und 3 des Bewertungsgesetzes in der für das Jahr 2002 geltenden Fassung (BewG) aufzunehmen, wenn die Steuer nach § 8 Abs. 2 GrEStG zu bemessen ist. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG wird in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG die Steuer nach den Werten i.S. des § 138 Abs. 2 oder 3 BewG bemessen. In diesen Fällen sind nach § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG die Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, da sie für die Grunderwerbsteuer erforderlich sind (Bedarfsbewertung).
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d) Der Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG ist (bindender) Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO für den Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts und den Grunderwerbsteuerbescheid. Die durch ihn festgestellten Besteuerungsgrundlagen sind für diese beiden Folgebescheide von Bedeutung i.S. des § 182 Abs. 1 Satz 1 AO. Er hemmt nach § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 171 Abs. 10 AO den Ablauf der Feststellungsfrist für den Erlass des Bescheids über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts. Durch den Bescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG werden u.a. die Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs dem Grunde nach, die Steuerschuldner und die Grundstücke, die von dem Erwerbsvorgang betroffen sind, festgestellt. Erst aufgrund dieses Bescheids kann die gesonderte Wertfeststellung für die betroffenen Grundstücke erfolgen, weil vorher nicht feststeht, dass und für welche Grundstücke Werte festzustellen sind. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts für Grunderwerbsteuerzwecke ist zudem (bindender) Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO für den Grunderwerbsteuerbescheid als Folgebescheid (vgl. Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 151 BewG Rz 46; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 17 Rz 14).
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3. Nach diesen Grundsätzen hat das FG die Klage zu Recht abgewiesen. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 12. Mai 2011 ist rechtmäßig.
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a) Der Wechsel des vollständigen Gesellschafterbestandes der Klägerin unterlag wegen des Übergangs des vorhandenen Grundbesitzes nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer.
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b) Der bestandskräftige Bescheid über die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG vom 4. Dezember 2009 führte dazu, dass nach § 171 Abs. 10 AO die Feststellungsfrist für den Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts und die Festsetzungsfrist für den Grunderwerbsteuerbescheid nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheids nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG endeten. Der Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG wurde am 7. Dezember 2009 bekannt gegeben. Die Feststellungsfrist für den Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts und die Festsetzungsfrist für den Grunderwerbsteuerbescheid endeten daher am 7. Dezember 2011 (§ 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).
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c) Der Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts vom 8. März 2011 und der Grunderwerbsteuerbescheid vom 21. März 2011 ergingen in offener Feststellungsfrist bzw. offener Festsetzungsfrist. Der in dem Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts festgestellte Wert des Grundstücks war für den Grunderwerbsteuerbescheid bindend. Unerheblich ist, ob der Feststellungsbescheid seinerseits die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO auslöste.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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Referenzen
- 2004 II R 54/01 1x (nicht zugeordnet)
- 15 K 4287/11 1x (nicht zugeordnet)
- 2014 II R 14/14 1x (nicht zugeordnet)