Beschluss vom Bundesgerichtshof (5. Zivilsenat) - V ZR 11/16
Tenor
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Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 22. Dezember 2015 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
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Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 10.000 €.
Gründe
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I.
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Die Parteien sind Nachbarn; ihre Grundstücke befinden sich in der Altstadt eines Ostseebades. Das von der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft verwaltete Grundstück grenzt in voller Länge an eine öffentliche Straße. Das Grundstück des Klägers hat keine Verbindung zu einem öffentlichen Weg. Es ist mit einem Fußweg von 27 m Länge und 1,5 m Breite mit der Straße verbunden, der mittels Treppenstufen einen Höhenunterschied von 4 m überwindet. Die Ausübung eines fußläufigen Notwegerechts wird von der Beklagten gewährt.
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Der Kläger will sein Ende des 19. Jahrhunderts erbautes Wohnhaus mit drei Wohneinheiten modernisieren. Er verlangt von der Beklagten die Duldung eines auf seine Kosten auszubauenden Notweges, so dass dieser mit Personenkraftwagen und Versorgungsfahrzeugen befahren werden kann, und die Gewährung eines Notleitungsrechts mit dem Ziel, die im Nachbargrundstück verlegten Wasser- und Abwasserleitungen auf seine Kosten zu erneuen. Die Beklagte ist dazu nicht bereit.
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Das Landgericht hat der Klage auf Duldung einer Zufahrt über das Nachbargrundstück zum Erreichen des Grundstücks und auf Duldung der Nutzung zur Neuverlegung der Wasser- und Abwasserleitungen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. Mit dieser trägt er unter Vorlage eines Gutachtens vor, dass der Wert der Beschwer nicht dem in den Vorinstanzen festgesetzten Gegenstandswert von 14.000 € entspreche, sondern 64.000 € betrage.
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II.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger nicht dargelegt und glaubhaft gemacht hat, dass der Wert der mit der Revision geltend gemachten Beschwer 20.000 € übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
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1. Die Beschwer des Klägers bemisst sich nach dem Streitwert der abgewiesenen Klage auf Gewährung des beantragten Notwege- und Notleitungsrechts. Dieser Wert ist in den Tatsacheninstanzen fehlerhaft nach den Angaben des Klägers über die Kosten des Ausbaus des Weges (10.000 €) und der Erneuerung der Wasser- und Abwasserleitung (4.000 €) auf 14.000 € festgesetzt worden. Der Gegenstandswert einer Klage auf Gewährung eines Notweges und eines Notleitungsrechts bemisst sich nämlich nicht nach den Herstellungskosten und/oder der Notwegrente, sondern gemäß §§ 3, 7 ZPO nach dem Wert, den diese Rechte für das herrschende Grundstück haben (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Juli 2012 - V ZR 29/12, juris Rn. 3; Beschluss vom 12. Dezember 2013 - V ZR 52/13, NZM 2015, 99 Rn. 6, 8).
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2. Der Kläger hat mit dem von ihm vorgelegten Gutachten jedoch nicht - wie geboten (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Juli 2012 - V ZR 29/12, juris Rn. 2; Beschluss vom 18. Juni 2015 - V ZR 234/14, AUR 2016, 25 Rn. 4 ff.) - dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Beschwer durch die Abweisung der Klage den Wert von 20.000 € übersteigt.
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a) In dem Gutachten ist die Wertminderung des Grundstücks des Klägers „für ein fehlendes befahrbares“ Notwegerecht allerdings mit einem Betrag von 64.000 € angegeben. Grundlage für die Ermittlung ist die Differenz aus einem Vergleich des Werts des Hausgrundstücks mit drei Wohnungen mit und ohne drei Kraftfahrzeug-Stellplätzen. Der Sachverständige hat zu diesem Zweck die Vergleichswerte nach den Kaufpreisen für Wohnungen mit und ohne Fahrzeugstellplätze gegenübergestellt und bei der Berechnung der jeweiligen Ertragswerte Mietmindererträge aus der fehlenden PKW-Abstellmöglichkeit auf dem Grundstück in Ansatz gebracht.
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b) Dass die Wohnungen auf dem Grundstück des Klägers bei der Anlage von drei über das Nachbargrundstück anzufahrenden Parkplätzen diesen Mehrwert hätten, sieht der Senat als glaubhaft an. Nicht glaubhaft gemacht ist jedoch, dass diese Wertminderung dem für die Beschwer des Klägers maßgeblichen wirtschaftlichen Interesse an einem befahrbaren Notweg entspricht.
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aa) Maßgebend für die Bewertung der Beschwer der Nichtzulassungsbeschwerde ist nämlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2008 - VI ZR 78/07, VersR 2009, 279; Beschluss vom 16. Mai 2013 - VII ZR 253/12, NJW-RR 2013, 1402 Rn. 3). Dem Kläger ist es verwehrt, im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren die von ihm gemachten Angaben zu korrigieren, um die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO zu überschreiten (BGH, Beschluss vom 26. November 2009 - III ZR 116/09, NJW 2010, 681 Rn. 5; Beschluss vom 16. Mai 2013 - VII ZR 253/12, aaO). So läge es hier, wenn die Vorlage des Gutachtens dahin zu verstehen sein sollte, dass mit der Klage auf den Notweg die Anlage von drei Parkplätzen auf dem Grundstück des Klägers bezweckt wird. Dabei handelte es sich um neues Vorbringen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde, das bei der Bemessung des Werts der Beschwer keine Berücksichtigung finden kann (vgl. auch Senat, Beschluss vom 30. Juni 2016 - V ZB 260/15, juris Rn. 9).
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bb) Nach dem in der Nichtzulassungsbeschwerde wiedergegebenen Vortrag des Klägers in den Tatsacheninstanzen benötigt er die Zufahrt über das Nachbargrundstück um sicherzustellen, dass er selbst, aber auch Handwerker, Versorgungsfahrzeuge und Rettungsfahrzeuge im Bedarfsfall bis zu seinem Anwesen fahren können. Die Wertsteigerung eines Grundstücks durch die Möglichkeit des Anfahrens bei Bedarf (zum Be- und Entladen) entspricht jedoch nicht annähernd dem von dem Gutachter ermittelten Mehrwert, den ein Hausgrundstück mit drei Wohnungen in einem Ferienort an der Ostsee dadurch erfährt, dass drei nutzbare Parkplätze auf ihm vorhanden sind oder angelegt werden können, wenn in dessen Nähe keine Parkmöglichkeiten bestehen. Vortrag des Klägers in den Tatsacheninstanzen, dass er mit seiner Klage auf Gewährung eines Notweges das Ziel verfolgt, eine Zufahrt für drei über das Nachbargrundstück anzufahrende Parkplätze auf seinem Grundstück zu erhalten, sowie dazu, dass deren Anlage nach Größe, Lage und Zuschnitt seines Grundstücks tatsächlich möglich und nach dem Bauordnungsrecht und der Ortssatzung auch rechtlich zulässig wäre, zeigt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf.
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c) Welchen wirtschaftlichen Wert das Interesse hat, das Grundstück des Klägers bei Bedarf mit einem Fahrzeug anzufahren, ist dagegen auch mit dem Gutachten nicht dargelegt und glaubhaft gemacht worden. Der Senat schätzt wegen fehlender Angaben dazu die Werte eines Notwegerechtes für ein Anfahren bei Bedarf und eines Notleitungsrechts zur Neuverlegung der vorhandenen Leitungen auf jeweils 5.000 €.
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III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Stresemann
Czub
Weinland
RiBGH Dr. Kazele ist infolge
Urlaubs an der Unterschrift
verhindert.
Karlsruhe, den 24. August 2016Die Vorsitzende
StresemannHaberkamp
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Referenzen
- V ZR 29/12 1x (nicht zugeordnet)
- III ZR 116/09 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 78/07 1x (nicht zugeordnet)
- VII ZR 253/12 2x (nicht zugeordnet)
- V ZR 29/12 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Bundesgerichtshof (5. Zivilsenat) - V ZR 234/14 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x
- § 26 Nr. 8 EGZPO 2x (nicht zugeordnet)
- V ZB 260/15 1x (nicht zugeordnet)
- V ZR 52/13 1x (nicht zugeordnet)