Beschluss vom Bundesgerichtshof (5. Zivilsenat) - V ZR 170/16

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 27. Juni 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 220.000 €.

Gründe

I.

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Mit notariellem Vertrag vom 7. Juli 2008 kauften die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann von der Beklagten ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück zu einem Preis von 220.000 €. Das Haus verfügt über einen überdachten und umbauten Vorraum (sog. Veranda). Die Haftung wegen Sachmängeln wurde ausgeschlossen. Der Kaufvertrag wurde vollzogen und die Käufer als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

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Mit Schreiben vom 9. Januar 2009 erklärten die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann die Anfechtung des Kaufvertrages, weil ihnen erhebliche Mängel - u. a. an der Veranda - verschwiegen worden seien. In der Folgezeit leiteten sie ein selbstständiges Beweisverfahren ein. 2010 verstarb der Ehemann der Klägerin zu 1, der durch diese und die minderjährige Tochter, die Klägerin zu 2, beerbt wurde.

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Die Klägerinnen verlangen die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat ihr stattgegeben und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten, die im Rahmen eines Revisionsverfahrens die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen will.

II.

Das Berufungsgericht meint, der Kaufvertrag sei wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten worden. Nach den im selbstständigen Beweisverfahren getroffenen Feststellungen sei das Verandadach bei Vertragsschluss und Gefahrübergang jedenfalls undicht gewesen. Der Sachverständige K.     habe bereits bei dem ersten Ortstermin sichtbare Wasserlaufspuren festgestellt, die zu Verfärbungen der Tapete an den Wänden der Veranda geführt hätten. Ebenso sei das Holz an der verkleideten Decke „verworfen“ gewesen, wie es bei einer Durchfeuchtung von oben üblich sei. Beim zweiten Ortstermin seien 3 qm der Verandadecke geöffnet worden. Dabei seien zunächst die aus Nut- und Federbrettern bestehende Deckenverkleidung und sodann die zwischen dieser und der eigentlichen Decke befindlichen Polystyrol-Dämmplatten, an denen keine Wasserlaufspuren sichtbar gewesen seien, entfernt worden. Der Putz der freigelegten Decke sei deutlich durchhängend, verhältnismäßig stark federnd und gebrochen gewesen. Der von dem Sachverständigen K.     hinzugezogene Sachverständige V.    habe nach der Demontage der Holzdecke der Veranda festgestellt, dass das Dach mit einer Fläche von 6 qm undicht sei. Wasser habe ungehindert durch das Dach einschließlich der abgehängten Holzdecke fließen können. Der Sachverständige K.    habe zudem Mängel am Dach, u. a. eine deutlich zu geringe Neigung des Dachs bei den verwendeten Pfannen, festgestellt. Er gehe auch davon aus, dass die Ursache für den Wasserschaden bereits vor Kaufvertragsschluss liege. Nach dem unstreitigen Einbau der Dämmplatten durch die Beklagte, die das Objekt bewohnt habe, sei kein Wassereintritt mehr zu verzeichnen gewesen. Veranlassung zu ergänzenden Fragen an den Sachverständigen oder zur Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugen habe nicht bestanden.

III.

4

Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

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1. a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Vorschrift verlangt auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Dazu gehört der Antrag einer Partei auf mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen, und zwar auch des Sachverständigen aus einem vorausgegangenen selbständigen Beweisverfahren. Denn dieses Recht ist den Parteien nicht nur einfach-rechtlich nach §§ 397, 402 ZPO gewährt, sondern Teil ihres Grundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Juli 2015 - V ZR 214/14, juris Rn. 5; BGH, Beschluss vom 19. November 2014 - IV ZR 47/14, NJW-RR 2015, 510 Rn. 8). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2009 - VI ZR 275/08, VersR 2009, 1137 Rn. 2 und vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 273/13, RuS 2015, 44 Rn. 6). So liegt es hier.

6

b) Das Berufungsgericht hat die im selbständigen Beweisverfahren bestellten Sachverständigen K.    und V.    nicht mündlich angehört, obwohl die Beklagte das beantragt hat. Die Beklagte verweist in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend auf den Inhalt ihrer Klageerwiderung, mit der sie unter Formulierung bestimmter Fragen den Antrag gestellt hat, dass die Sachverständigen ihr Gutachten erläutern sollen. An diesem Antrag hat die Beklagte, die erstinstanzlich obsiegt hat, ohne dass es zu der beantragten Erläuterung der Gutachten gekommen ist, auch im Rahmen des Berufungsverfahrens festgehalten. Das Berufungsgericht durfte die ergänzende Befragung der Sachverständigen nicht mit der Begründung ablehnen, dafür bestehe kein Anlass. Eine Partei darf dem Sachverständigen zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen. Auch wenn das Gericht selbst das schriftliche Gutachten für überzeugend hält und keinen weiteren Erläuterungsbedarf sieht, dürfen diese Fragen nicht zurückgewiesen werden, da ansonsten eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung vorliegt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 22. Mai 2007 - VI ZR 233/06, NJW-RR 2007, 1294 Rn. 2 f.; Urteil vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 273/13, RuS 2015, 44 Rn. 6; jeweils mwN). Im Hinblick darauf hätte das Berufungsgericht die Sachverständigen anhören müssen.

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2. Der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist entscheidungserheblich. Eine arglistige Täuschung der Käufer durch die Beklagte über die Undichtigkeit des Verandadachs lässt sich ohne mündliche Anhörung der Sachverständigen K.    und V.    nicht feststellen. Deren Feststellungen sind in einem entscheidenden Punkt, auf den die Fragen der Beklagten auch zielen, unklar.

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a) Hatte der Verkäufer mit der umfassenden Beseitigung eines Mangels ein Fachunternehmen beauftragt, muss er sich nach der Rechtsprechung des Senats nicht Kenntnis vom Erfolg der Sanierungsbemühungen verschaffen. Er handelt nur arglistig, wenn er konkrete Umstände kannte, die den Verdacht begründen, die Arbeiten hätten keinen Erfolg gehabt, und diese dem Käufer nicht mitteilt (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 2016 - V ZR 216/14, WM 2016, 1755 Rn. 19 f.). Hiervon ausgehend besteht ein Aufklärungsbedarf.

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b) Auf der Grundlage der Ausführungen der Sachverständigen kann, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, der von ihnen festgestellte Wasserschaden am Verandadach vor den daran im Oktober 2006 ausgeführten Arbeiten eingetreten sein. Zu den Arbeiten, die in den als Anlagen B 6 und B 7 vorliegenden Rechnungen eines Fachunternehmens ausgewiesen sind, gehörte nach der Leistungsbeschreibung auch die Wiedereindeckung der Dachfläche nach einer Rinnenerneuerung. Die entsprechende Auftragserteilung kann ebenso wie der Einbau der Dämmplatten unterhalb der Putzdecke auf die Beseitigung des Wasserschadens und seiner Folgen zurückzuführen sein. Dann aber könnte dem von dem Sachverständigen K.     festgestellten Umstand, dass die zwischen der Holz- und der Putzdecke des Dachs angebrachten Dämmplatten keine Wasserspuren aufwiesen, entscheidende Bedeutung zukommen. Der Sachverständige K.     hat dies damit begründet, dass nach der letzten Sanierung unter Einbau der Dämmplatten offenbar kein Wasser mehr durchgelaufen sei. Dies spricht entweder für eine erfolgreiche Sanierung oder aber dafür, dass ein Misserfolg für die Beklagte nicht erkennbar war. Den Ausführungen des Sachverständigen K.     stehen jene des Sachverständigen V.    gegenüber, wonach Wasser weiter ungehindert auf die Holzdecke habe laufen können, was in die gegenteilige Richtung deutet. Diese Widersprüche wird das Berufungsgericht im Rahmen der Anhörung der Sachverständigen aufzuklären haben. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht nach einer erneuten tatrichterlichen Würdigung sämtlicher Umstände ein arglistiges Verschweigen der Undichtigkeit des Daches durch die Beklagte verneint.

10

3. Die weiteren mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Schmidt-Räntsch     

       

Brückner     

       

Weinland

       

Kazele     

       

Hamdorf     

       

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