Beschluss vom Bundesgerichtshof (Senat für Anwaltssachen) - AnwZ (Brfg) 44/18

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25. Mai 2018 wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die beigeladene Rechtsanwältin ist geschäftsführende Juristin der "Di.                                             im Erzbistum     " (Di.      ). Diese Tätigkeit übt sie auf der Grundlage von mit dem Erzbistum als Arbeitgeber ("Dienstgeber") seit 2011 abgeschlossener Verträge aus. Zuletzt erfolgte mit Arbeitsvertrag vom 29. Juni/25. Juli 2016 die Weiterbeschäftigung in Vollzeit ab 1. Juli 2016 auf unbestimmte Zeit. Die Di.     ist der Zusammenschluss von etwa 500 Mitarbeitervertretungen in diversen Einrichtungen verschiedener kirchlicher Rechtsträger im Erzbistum auf der Grundlage des § 25 der Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO), die im Amtsblatt des Erzbistums vom 1. Februar 2018 (S. 48 ff.) neu bekannt gemacht worden ist. Die Vertretungen haben die in § 26 MAVO bezeichneten Aufgaben sowie die in §§ 29 ff. dargestellten Anhörungs- und Beteiligungsrechte. Sie bilden entsprechend § 25 MAVO die Di.       . Die Zwecke dieser Arbeitsgemeinschaft werden in § 25 Abs. 2 MAVO beschrieben. Hierzu gehören u.a. die gegenseitige Information und der Erfahrungsaustausch mit den Mitarbeitervertretungen, deren Beratung in Angelegenheiten des Mitarbeitervertretungsrechts und beim Abschluss von Dienstvereinbarungen im Sinne des § 38 MAVO sowie Schulungsangelegenheiten. Organe der Arbeitsgemeinschaft sind gemäß § 25 Abs. 3 MAVO die Mitgliederversammlung und der Vorstand. Gemäß § 25 Abs. 4 MAVO trägt das Erzbistum die im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft anfallenden notwendigen Kosten. Die Bildung der Arbeitsgemeinschaft wird nach § 25 Abs. 1 Satz 2 MAVO in Sonderbestimmungen (SB) festgelegt. § 6 Abs. 2 SB (Amtsblatt 2011 S. 265 ff.) regelt, dass das Erzbistum die Di.     durch Einrichtung einer Geschäftsstelle in den Stand versetzt, die notwendigen Organisations-, Schreib- und Verwaltungsarbeiten zu erledigen. § 6 Abs. 3 SB bestimmt: "Die Einstellung des hauptamtlichen Geschäftsführers erfolgt in Anstellungsträgerschaft des Erzbistums auf der Grundlage des vorgesehenen Stellenplans. Der Geschäftsführer soll Jurist sein. Der Geschäftsführer wird zur diözesanen Arbeitsgemeinschaft versetzt. Dienstvorgesetzter ist der Vorstand. Bestellung und Abberufung des hauptamtlichen Geschäftsführers können nur einvernehmlich zwischen Anstellungsträger und Vorstand der diözesanen Arbeitsgemeinschaft erfolgen." Nach der von der Beigeladenen vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung ist sie in der Geschäftsstelle der Di.      tätig und berät den Vorstand sowie die übrigen Gremien der Di.     (Mitgliederversammlung, Fachbereiche, Mitarbeitervertretungen) in allen Fragen des kollektiven Arbeitsrechts. Sie bearbeitet selbständig kollektiv-arbeitsrechtliche Problemfälle und erstellt hierzu außergerichtliche und gerichtliche Schriftsätze. Sie führt Vertrags- und Einigungsverhandlungen mit den jeweiligen kirchlichen Dienstgebern bzw. Arbeitgebern und anderen Stellen des Erzbistums. Sie vertritt einzelne Mitarbeitervertretungen auch vor dem kirchlichen Arbeitsgericht und der MAVO-Einigungsstelle.

2

Die Beklagte hat die Beigeladene mit Bescheid vom 10. Mai 2017 als Syndikusrechtsanwältin zugelassen. Die hiergegen gerichtete Klage der D.                           hatte Erfolg. Der Anwaltsgerichtshof hat den Bescheid aufgehoben. Die Beklagte beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung.

II.

3

Der Antrag der Beklagten ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1-4 VwGO) liegen nicht vor.

4

1. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, NJW-RR 2018, 827 Rn. 5 und vom 18. April 2018 - AnwZ (Brfg) 20/17, juris Rn. 4; jeweils mwN). Entsprechende Zweifel vermag die Beklagte nicht darzulegen.

5

Der Anwaltsgerichtshof ist davon ausgegangen, dass die fachliche Unabhängigkeit der Beigeladenen nicht gewährleistet sei. Nach § 6 Abs. 3 SB sei der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft ihr Dienstvorgesetzter. Es liege indessen keine Erklärung des Vorstands zur Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit, sondern lediglich eine Bescheinigung des Erzbistums vor.

6

Insoweit verweist die Beklagte darauf, dass die Beigeladene nach Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin am 25. Mai 2018 angegeben habe, sie sei davon ausgegangen, dass eine Erklärung ihres Arbeitgebers (Erzbistum) ausreiche; es sei jedoch unproblematisch, eine entsprechende Erklärung auch des Vorstands der Di.       zu erhalten. Vor diesem Hintergrund hätte der Anwaltsgerichtshof der Beigeladenen im Wege einer Auflage unter Fristsetzung aufgeben müssen, eine solche Erklärung vorzulegen.

7

Dieser Einwand, bei dem dahinstehen kann, ob mit ihm richtigerweise nicht der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensfehler) geltend gemacht werden soll, ist unbegründet. Zum einen hat bereits die Klägerin in ihrer Klagebegründung darauf hingewiesen, dass eine Erklärung des Erzbistums nicht ausreiche und eine Erklärung des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft nicht vorliege, so dass die Problematik der Beklagten und der Beigeladenen bekannt war. Zum anderen bestand für den Anwaltsgerichtshof aus seiner Sicht keine Veranlassung für eine entsprechende Auflage. Denn der Anwaltsgerichtshof hat in seinem Urteil zusätzlich darauf abgestellt, dass die Zulassung an § 46 Abs. 5 BRAO scheitere. Eine Auflage bezüglich des Nachweises der fachlichen Unabhängigkeit (§ 46 Abs. 3, 4 BRAO) hätte hieran nichts ändern können. Bezüglich § 46 Abs. 5 BRAO legt die Beklagte aber keinen Zulassungsgrund schlüssig dar (siehe nachfolgend II 2-4). Deshalb kann auch dahinstehen, inwieweit die nach Ablauf der Begründungsfrist für den Zulassungsantrag von dem am Verfahren nicht beteiligten Vorstand der Di.       eingereichte Erklärung vom 10. September 2018 zulassungsrelevante Bedeutung hat.

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2. Der Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) setzt voraus, dass die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zugrunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen deutlich abhebt (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. März 2018, aaO Rn. 14 mwN).

9

Dies ist hier nicht der Fall. Für die von der Beigeladenen erstrebte Zulassung fehlt es an der gemäß § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 BRAO erforderlichen gesetzlichen Voraussetzung, dass der Syndikusrechtsanwalt im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für seinen Arbeitgeber in dessen Rechtsangelegenheiten tätig sein muss, seine Tätigkeit sich mithin auf die Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers zu beschränken hat. Bei dem Merkmal der Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers handelt es sich um eine tatbestandliche Voraussetzung für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt (vgl. auch Senat, Urteil vom 2. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 49/17, juris Rn. 37 f.). Dem entspricht die Tätigkeit der Beigeladenen nicht, die - wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend festgestellt hat - nicht ihren Arbeitgeber (Erzbistum    ) in dessen Rechtsangelegenheiten berät und vertritt, sondern im Wesentlichen originäre Arbeitnehmer-Rechtsangelegenheiten der Mitarbeiter bzw. Mitarbeitervertretungen dritter Rechtsträger betreut. Die in einer Mitarbeitervertretung zusammengefassten und durch sie vertretenen Beschäftigten sind bei einem Dienstgeber tätig, der im Sinne der Mitarbeitervertretungsordnung Rechtsträger der Einrichtung ist (§ 2 Abs. 1 MAVO). § 1a Abs. 1 MAVO bestimmt, dass in den Einrichtungen der in § 1 genannten kirchlichen Rechtsträger solche Vertretungen zu bilden sind. Hierzu zählen u.a. neben der Erzdiözese die Kirchengemeinden und Kirchenstiftungen, die Verbände der Kirchengemeinden, der D.          -Verband mit seinen Gliederungen und weitere kirchliche Rechtsträger (§ 1 Abs. 1 MAVO). Die Beigeladene berät und vertritt mithin nicht ihren Arbeitgeber, sondern Dritte, dies im Übrigen selbst dann, wenn es sich im Einzelfall um beim Erzbistum als Arbeitgeber gebildete Mitarbeitervertretungen handelt. Hieran ändert der Umstand, dass das Erzbistum Personal- und Sachmittel für die Arbeitsgemeinschaft zur Verfügung stellt, nichts. Dies macht die Tätigkeit der Beigeladenen nicht zur Wahrnehmung von Rechtsangelegenheiten des Erzbistums. Hierbei kann ihre Tätigkeit, was im Übrigen mit der Zulassungsbegründung auch nicht geltend gemacht wird, schon mangels planwidriger Regelungslücke auch nicht in analoger Anwendung der abschließenden und eng auszulegenden Regelung des § 46 Abs. 5 Satz 2 BRAO als eine Rechtsangelegenheit ihrer Arbeitgeberin angesehen werden (vgl. auch Senat, aaO Rn. 53, 56, 60). Von besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kann insoweit nicht gesprochen werden. Die Gesetzeslage ist eindeutig.

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3. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) stellen sich ebenfalls nicht. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören dabei Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihrer Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihrer Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs erforderlich ist (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. März 2018, aaO Rn. 17 und vom 18. April 2018, aaO Rn. 10).

11

Die Beklagte ist der Meinung, der Rechtsstreit werfe folgende Frage grundsätzlicher Bedeutung auf:

"Handelt es sich um Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO, wenn die anwaltliche Beratung für eine Einrichtung/Stelle stattfindet, die aufgrund ihrer rechtlichen Konstruktion keine eigenen Arbeitnehmer beschäftigt, sondern diese Arbeitnehmer ihr von einem Dritten, der als Arbeitgeber auftritt, aufgrund gesetzlicher Verpflichtung zur Verfügung gestellt werden."

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Hiermit lässt sich ein Zulassungsgrund nicht schlüssig darlegen. § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO beschränkt die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts auf die Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers. Dies ist im Falle der Beigeladenen das Erzbistum     , nicht dagegen die Di.       bzw. deren Mitglieder, für die die Beigeladene tätig ist. Der Wortlaut des Gesetzes ist insoweit eindeutig und auch einer Analogie nicht zugänglich (s.o.). Im Übrigen handelt es sich bei § 6 Abs. 3 SB um eine auf die besondere Stellung eines hauptamtlichen Geschäftsführers bei der Di.   im Erzbistum    zugeschnittene Sonderkonstellation, aus der sich keine verallgemeinerungsfähigen Grundsatzfragen ableiten lassen.

13

4. Der von der Beklagten geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Die Beklagte ist der Meinung, die angefochtene Entscheidung stehe in Widerspruch zu einer zeitlich späteren Entscheidung desselben Senats vom 29. Juni 2018 (1 AGH 13/17). Etwaige Unterschiede innerhalb der Rechtsprechung desselben Spruchkörpers begründen aber von vorneherein keine Divergenz im Sinne der vorbenannten Normen. Im Übrigen betreffen die Entscheidungen unterschiedliche Sachverhalte; der behauptete Widerspruch besteht nicht.

III.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 194 Abs. 2 BRAO.

Kayser     

      

Lohmann     

      

Seiters

      

Braeuer     

      

Kau     

      

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