Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 552/17

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 5. Oktober 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Der 1937 geborene Betroffene leidet unter einer Verhaltenssucht (Spielsucht) auf dem Boden eines Frontalhirnsyndroms, infolge derer er sich in der Vergangenheit hoch verschuldet hat.

2

Seit Juni 2014 war die Beteiligte zu 1 zur Berufsbetreuerin für den Betroffenen bestellt, zuletzt mit dem Aufgabenkreis "Vermögenssorge, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten". Für die Vermögenssorge war ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet.

3

Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Betreuung mit dem genannten Aufgabenkreis unter Beibehaltung des Einwilligungsvorbehalts verlängert. Zugleich hat es anstelle der Beteiligten zu 1 eine andere Rechtsanwältin zur Berufsbetreuerin bestellt. Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das Amtsgericht in einer Teilabhilfeentscheidung die Bestellung der neuen Berufsbetreuerin aufgehoben und angeordnet, dass die Beteiligte zu 1 wieder zur Betreuerin bestellt wird. Das Landgericht hat die Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Betroffene weiterhin gegen die Verlängerung der Betreuung.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

5

1. Die Entscheidung des Landgerichts hält bereits deshalb rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil es an ausreichenden tatrichterlichen Feststellungen dazu fehlt, ob die vom Betroffenen mit seinen Beschwerden erklärte Ablehnung der Betreuung auf einem freien Willen im Sinne des § 1896 Abs. 1 a BGB beruht.

6

a) Der Grundsatz, dass gegen den freien Willen eines Betroffenen ein Betreuer nicht bestellt werden darf, gilt auch im Verlängerungsverfahren, weshalb gemäß § 1896 Abs. 1 a BGB die Betreuung nicht gegen den freien Willen des Betroffenen fortgeführt werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 336/17 - FamRZ 2018, 134 Rn. 13). Die beiden entscheidenden Kriterien für den Begriff der freien Willensbildung sind die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern allenfalls ein natürlicher Wille vor. Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Der Betroffene muss Grund, Bedeutung und Tragweite seiner Betreuung intellektuell erfassen können, was denknotwendig voraussetzt, dass er seine Defizite im Wesentlichen zutreffend einschätzen und auf der Grundlage dieser Einschätzung die für oder gegen eine Betreuung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abwägen kann. Ist der Betroffene zur Bildung eines klaren Urteils zur Problematik der Betreuerbestellung in der Lage, muss es ihm weiter möglich sein, nach diesem Urteil zu handeln und sich dabei von den Einflüssen interessierter Dritter abzugrenzen. Die Feststellungen zum Ausschluss der freien Willensbestimmung müssen durch ein Sachverständigengutachten belegt sein (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. März 2016 - XII ZB 455/15 - FamRZ 2016, 970 Rn. 6 f. mwN und vom 22. Januar 2014 - XII ZB 632/12 - FamRZ 2014, 647 Rn. 6 ff.).

b) Diesen Maßstäben wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Das Beschwerdegericht hat in seiner Entscheidung lediglich ausgeführt, dass die freie Willensbildung des Betroffenen "erheblich eingeschränkt" sei. Hierbei hat es sich auf die Einschätzung im Sachverständigengutachten gestützt, wonach der Betroffene seine finanziellen Angelegenheiten und die damit zusammenhängenden Behörden- und Postangelegenheiten "nicht mehr selbständig besorgen könne, weil die freie Willensbildung durch die beschriebene Symptomatik erheblich eingeschränkt" sei. Allein damit steht noch nicht fest, dass der Betroffene zu einer freien Willensbildung bezüglich der Ablehnung der Betreuung nicht mehr in der Lage ist (vgl. auch Senatsbeschluss vom 7. März 2018 - XII ZB 540/17 - FamRZ 2018, 848 Rn. 7 und vom 17. Mai 2017 - XII ZB 495/16 - FamRZ 2017, 1341 Rn. 13).

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2. Darüber hinaus hat der Senat die von der Rechtsbeschwerde erhobenen Verfahrensrügen geprüft, diese Rügen aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG iVm § 564 ZPO). Insoweit sieht der Senat von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung ab, weil diese nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

8

3. Die angefochtene Entscheidung kann keinen Bestand haben und ist nach § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Die nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG gebotene Zurückverweisung der Sache gibt dem Beschwerdegericht zugleich Gelegenheit, ergänzende Feststellungen zur (weiteren) Erforderlichkeit des Einwilligungsvorbehalts zu treffen.

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