Urteil vom Bundessozialgericht (6. Senat) - B 6 KA 43/12 R

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. September 2012 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. September 2011 zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten auch des Berufungs- und Revisionsverfahrens.

Tatbestand

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Streitig sind sachlich-rechnerische Richtigstellungen wegen Überschreitung der für die Job-Sharing-Praxis des Klägers festgesetzten Gesamtpunktzahlvolumina in den Quartalen III/2008 und IV/2008.

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Der Kläger ist als Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) zur vertragsärztlichen Versorgung in W. zugelassen. Mit Beschluss vom 30.1.2008 erteilte ihm der Zulassungsausschuss (ZA) eine Genehmigung zur Beschäftigung der HNO-Ärztin Dr. E. im zeitlichen Umfang von 10 Wochenstunden ab dem 1.4.2008 als sog Job-Sharing-Partnerin nach § 101 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V. Mit der Genehmigung war die Festsetzung quartalsbezogener Gesamtpunktzahlen verbunden, die bei der Abrechnung als Leistungsobergrenze maßgeblich sein sollten.

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Auf einen Antrag des Klägers vom 21.3.2008 setzte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) mit Bescheid vom 28.5.2008 aus Sicherstellungsgründen die Fallzahlzuwachsbegrenzung für das Jahr 2008 aus. Der Kläger hatte angegeben, dass der HNO-Arzt Dr. S.
in V. (Bezirk der KÄV Hessen) mit Wirkung zum 1.10.2007 seine Zulassung zurückgegeben habe und dessen Patienten mangels Nachfolger zum Teil von ihm versorgt werden müssten. Der Praxisnachfolger nahm tatsächlich seine vertragsärztliche Tätigkeit zum Quartal II/2008 auf.

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Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 12.1.2009 mit, dass bei Job-Sharing-Praxen, die die vom ZA festgesetzten Gesamtpunktzahlvolumina überschreiten, eine quartalsbezogene Rückforderung vorgenommen werden solle. Nach Ablauf von vier Quartalen erfolge ggf eine Saldierung, sodass im Fall einer Unterschreitung eine Rückvergütung erfolge. Er habe im Quartal II/2008 die Punktzahlobergrenze um 49.811,1 Punkte unterschritten. Mit Honorarbescheid vom 15.1.2009 setzte die Beklagte für das Quartal III/2008 ein Honorar in Höhe von insgesamt 47 420,35 Euro fest. Für das Quartal IV/2008 setzte sie mit Bescheid vom 15.4.2009 insgesamt ein Honorar in Höhe von 51 282,37 Euro fest. Dabei berücksichtigte sie jeweils sämtliche der Fallzahlzuwachsbegrenzung unterliegenden Fälle, nicht jedoch die Leistungsbegrenzung durch die Gesamtpunktzahlvolumina.

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Mit Bescheid vom 25.6.2009 nahm die Beklagte wegen Überschreitungen der Gesamtpunktzahlvolumina in den Quartalen III/2008 und IV/2008 eine sachlich-rechnerische Richtigstellung vor und kürzte das Honorar des Klägers für das Quartal III/2008 um 3455,25 Euro und für das Quartal IV/2008 um 5204,42 Euro. Aufgrund einer Rückvergütung für das Quartal II/2008 in Höhe von 1910,80 Euro werde ein Betrag in Höhe von insgesamt 6748,87 Euro im Rahmen des Honorarbescheides für das Quartal II/2009 verrechnet. Für das Quartal III/2008 wurde dabei eine individuelle Punktzahlobergrenze von 1.211.887,6 Punkten und für das Quartal IV/2008 eine individuelle Punktzahlobergrenze von 1.191.850,5 Punkten zugrunde gelegt. Abgerechnet worden seien im Quartal III/2008 1.308.945,0 Punkte und im Quartal IV/2008 1.327.520,0 Punkte, sodass die Differenz in Höhe von 97.057,4 Punkten (Quartal III/2008) und 135.669,5 Punkten (Quartal IV/2008) abzuziehen sei.

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Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6.8.2010 zurück. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22.9.2011 abgewiesen. Aus dem bestandskräftigen Bescheid des ZA vom 7.4.2008 (= Beschluss vom 30.1.2008), der für die Beteiligten und das Gericht bindend sei, ergebe sich eine Begrenzung der abrechenbaren Leistungsmenge. Da dem Kläger die Begrenzung des abrechenbaren Leistungsumfangs bekannt gewesen sei, habe kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend entstehen können, dass er Leistungen über die Gesamtpunktzahlvolumina hinaus abrechnen könne. Ein solches Vertrauen sei auch nicht durch die Befreiung von der Fallzahlzuwachsbegrenzung entstanden. Aufgrund der unterschiedlichen Regelungsgegenstände und Zuständigkeiten habe der Kläger nicht davon ausgehen können, von der Einhaltung der Punktzahlobergrenzen befreit zu sein. Es habe daher dem Kläger oblegen, für die Zeit ab dem 1.4.2008 bei dem ZA eine Erhöhung der Gesamtpunktzahlvolumina zu beantragen.

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Mit dem angefochtenen Urteil vom 26.9.2012 hat das LSG das Urteil des SG vom 22.9.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 25.6.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.8.2010 aufgehoben. Grundsätzlich seien hier die Voraussetzungen für eine nachträgliche Richtigstellung der Honorarbescheide erfüllt, weil der Kläger die verbindlich festgesetzten Gesamtpunktzahlvolumina überschritten habe. Indes sei Grund hierfür nicht eine dauerhafte Mengenausweitung unter Missachtung der für die Praxis festgesetzten Leistungsbegrenzung, sondern der durch die Rückgabe der Zulassung durch Dr. S. entstandene zeitlich begrenzte zusätzliche Versorgungsbedarf. Die aus diesem Grund erteilte befristete Ausnahme von der Fallzahlzuwachsbegrenzung hätte im Falle einer "Normalpraxis" zur Vergütung der zur Sicherstellung der Versorgung erbrachten Mehrleistungen geführt. Im Falle einer Job-Sharing-Praxis müssten indes zusätzlich die Gesamtpunktzahlvolumina für die Übergangszeit angehoben werden. Einen entsprechenden Antrag bei dem ZA hätten jedoch weder die Beklagte noch der Kläger gestellt. Der Kläger habe zwar die statusrechtlichen Voraussetzungen der Leistungserbringung und -abrechnung zu kennen und müsse sich bei Zweifeln ggf informieren, sodass er sich nicht auf Unkenntnis berufen könne. Es liege jedoch ein Sonderfall vor, weil die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (BedarfsplRL) eine Änderung der Gesamtpunktzahlvolumina für den Fall eines zeitlich begrenzten zusätzlichen Versorgungsbedarfs nicht vorsehe und die Notwendigkeit einer vorübergehenden Änderung der Leistungsgrenze bei Job-Sharing im Falle eines zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs dem ZA und der Beklagten jedenfalls aus Sicht des Klägers habe bekannt sein müssen. Das sich hieraus ergebende Vertrauen des Klägers darauf, die Mehrleistungen auch ohne ausdrücklichen statusrechtlichen Ausnahmebescheid des ZA vergütet zu erhalten, sei ausnahmsweise schutzwürdig.

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Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten. Das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger sich hier auf Vertrauensschutz berufen könne. Der Beschluss des ZA vom 30.1.2008 habe Bestandskraft erlangt und sei daher für sie und den Kläger bindend. Änderungen und Anpassungen der Gesamtpunktzahlvolumina könne sie zwar beantragen, die Umsetzung sei aber ausschließlich dem ZA vorbehalten. Der Bescheid vom 28.5.2008 habe daher die in dem Bescheid des ZA festgesetzten Gesamtpunktzahlvolumina nicht aufheben können. Er beziehe sich im Übrigen ausdrücklich auch nur auf die Fallzahlzuwachsbegrenzung, die ein völlig anderes Regelungsinstrument als die Gesamtpunktzahlvolumina im Rahmen des Job-Sharing sei. Aufgrund der unterschiedlichen Regelungsbereiche und Zuständigkeiten habe der Kläger nicht ohne Weiteres davon ausgehen dürfen, von der Einhaltung der Job-Sharing-Obergrenze entbunden zu sein. Er habe sich vielmehr, nachdem er den Bescheid über die Aussetzung der Fallzahlbegrenzungsregelung erhalten habe, bei dem ZA oder bei ihr, der Beklagten, nach den Auswirkungen dieser Aussetzung auf die Gesamtpunktzahlvolumina erkundigen und ggf einen entsprechenden Änderungsantrag stellen müssen.

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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 26. September 2012 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Stuttgart vom 22.9.2011 zurückzuweisen.

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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend. Es sei bereits keine Unrichtigkeit der Honorarbescheide anzunehmen, da er durch den Bescheid vom 28.5.2008 ausdrücklich damit beauftragt worden sei, den durch die Rückgabe der Zulassung durch Dr. S. vorübergehend entstandenen Versorgungsmangel auszugleichen. Selbst bei Annahme der Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide habe die Beklagte durch die zeitlich nach der Festsetzung der Gesamtpunktzahlvolumina erfolgte Aufhebung der Fallzahlzuwachsbegrenzung jedenfalls einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der der Honorarkürzung entgegenstehe. Vertrauensschutz scheide nicht deshalb aus, weil es sich bei der Beklagten und dem ZA um zwei unterschiedliche Behörden handele. Diese Betrachtung lasse außer Acht, dass auch die Beklagte regelmäßig Anpassungen der Punktzahlgrenzen vornehme, die durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) oder den Honorarverteilungsvertrag bedingt würden. Im Übrigen bestehe der ZA zur Hälfte aus Mitgliedern der Beklagten und werde bei der Beklagten geführt. Es habe der Beklagten oblegen, ihn über sein Antragsrecht auf Erhöhung der Gesamtpunktzahlvolumina zu informieren oder den Antrag selbst zu stellen. Sie hätte die Bewilligung der Ausnahme von der Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung auch mit der Bedingung versehen können, dass dennoch die Gesamtpunktzahlvolumina eingehalten werden müssten. Da in den BedarfsplRL eine Ausnahmeregelung für den Fall eines zeitlich begrenzten zusätzlichen Versorgungsbedarfs nicht vorgesehen gewesen sei, könne es nicht zu seinen Lasten gehen, dass er keinen Antrag auf Aussetzung der Gesamtpunktzahlvolumina bei dem ZA gestellt habe.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Beklagte war berechtigt, die Abrechnungen des Klägers sachlich-rechnerisch richtig zu stellen, weil er die für seine Job-Sharing-Praxis geltenden Gesamtpunktzahlvolumina in den streitbefangenen Quartalen überschritten hat.

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1. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung und Rückforderung ist § 106a Abs 2 Satz 1 SGB V (idF des Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 , insoweit in der Folgezeit unverändert). Danach stellt die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheides. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 SGB I in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 SGB X verdrängen (stRspr, zB BSGE 89, 62, 66 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42 S 345 f und BSGE 89, 90, 93 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6 f; BSG, SozR 4-5520 § 32 Nr 2 RdNr 10; BSGE 96, 1, 2 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 11; BSG, SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 12). Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des Honorarbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG SozR 3-2500 § 76 Nr 2 S 3; BSGE 89, 62, 75 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42 S 355; BSGE 96, 1, 3 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 12; aaO Nr 3 RdNr 18).

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a) Die Tatbestandsvoraussetzung für eine nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellung nach § 106a Abs 2 Satz 1 SGB V ist vorliegend erfüllt, weil die verbindlich festgesetzten Gesamtpunktzahlvolumina nicht berücksichtigt wurden und daher die Honorarbescheide vom 15.1.2009 und vom 15.4.2009 rechtswidrig sind. In wessen Verantwortungsbereich die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt, ist unerheblich; einzige tatbestandliche Voraussetzung ist die Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides (vgl BSGE 93, 69, 71 = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 7 - hierzu Engelhard, jurisPR-SozR 44/2004 Anm 1).

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Der ZA hat auf der Grundlage von §§ 23 c ff BedarfsplRL (in der Fassung vom 15.2.2007 mit Wirkung ab dem 1.4.2007, Bundesanzeiger Nr 64 S 3491 vom 31.3.2007; zur weiteren BedarfsplRL-Änderung, die am 1.1.2013 in Kraft getreten ist, siehe die Neufassung der BedarfsplRL vom 20.12.2012, BAnz vom 31.12.2012, Bekanntmachung Nr 7, mit Neunummerierung der §§ 23a-23m als §§ 40-47, 58-62) mit Beschluss vom 30.1.2008 die Gesamtpunktzahlvolumina für die Job-Sharing-Praxis festgelegt (vgl zur Berechnung der Leistungsbegrenzung BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 12 RdNr 21 ff). Diesen Beschluss hat der Kläger nicht angegriffen, sodass Bestandskraft eingetreten ist. Auch die Beklagte, die den Honoraranspruch des Vertragsarztes festsetzt, ist an die bestandskräftige Beschränkung des Leistungsumfangs aufgrund der Genehmigung der Anstellung einer Ärztin in der Praxis des Klägers unter Job-Sharing-Bedingungen gebunden.

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Die verbindlich festgesetzten Gesamtpunktzahlvolumina hat der Kläger in den streitbefangenen Quartalen überschritten. Für die streitbefangenen Quartale hat die hierfür gemäß § 23c Satz 4 BedarfsplRL aF (§ 42 Satz 4 BedarfsplRL nF) zuständige Beklagte ausweislich des Bescheides vom 25.6.2009 eine Anpassung der quartalsbezogenen Punktzahlobergrenzen vorgenommen und eine individuelle Punktzahlobergrenze von 1.211.887,6 Punkten (Quartal III/2008) bzw 1.191.850,5 Punkten (Quartal IV/2008) ermittelt. Die ermittelten Gesamtpunktzahlvolumina hat der Kläger in den streitbefangenen Quartalen um 97.057,4 Punkte (Quartal III/2008) bzw 135.669,5 Punkte (Quartal IV/2008) überschritten. Diese Überschreitungen wurden in den Honorarbescheiden vom 15.1.2009 (Quartal III/2008) und vom 15.4.2009 (Quartal IV/2008) zunächst nicht berücksichtigt.

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b) Für eine Ausnahme von der Leistungsbegrenzung aufgrund eines befristeten lokalen Versorgungsbedarfs, wie der Kläger ihn hier behauptet hat, wäre eine Erhöhung der Gesamtpunktzahlvolumina erforderlich gewesen. Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger hier nicht gestellt. Es kann offenbleiben, ob der Widerspruch des Klägers gegen den Richtigstellungsbescheid hier als solcher Antrag hätte aufgefasst werden können (vgl zu den Anforderungen BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 1/12 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 101 Nr 14 vorgesehen -; zur rückwirkenden Antragstellung vgl Urteil des Senats vom heutigen Tag - B 6 KA 36/12 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Beklagte wäre dann verpflichtet gewesen, den Antrag an den zuständigen ZA weiterzuleiten. Allein die Zulassungsgremien können eine Neubestimmung der Gesamtpunktzahlvolumina vornehmen, die grundsätzlich nur unter Beachtung der Voraussetzungen, die in den Tatbeständen des § 23e Satz 2, 3 BedarfsplRL aF (§ 44 Satz 2 und 3 BedarfsplRL nF) normiert sind, zulässig ist (vgl BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 1/12 R - Juris RdNr 27, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 101 Nr 14 vorgesehen). Der Antrag wäre jedenfalls nicht erfolgreich gewesen.

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Der ZA hätte allerdings die Punktzahlobergrenze der Praxis anheben können, wenn kurzfristig ein regionaler zusätzlicher Versorgungsbedarf bestanden hätte. Nach § 101 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 1 SGB V (eingefügt durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz vom 22.12.2006 mit Wirkung vom 1.1.2007) hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in den BedarfsplRL Regelungen bezüglich einer Ausnahme von der Leistungsbegrenzung zu treffen, soweit und solange dies zur Deckung eines zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs erforderlich ist. Eine solche Ausnahmeregelung hat der G-BA in den §§ 23i ff BedarfsplRL aF (§§ 58 ff BedarfsplRL nF), mit denen der Regelungsauftrag des § 101 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V umgesetzt wurde, nicht vorgesehen. Der G-BA hat lediglich mit Beschluss vom 13.3.2008 (BAnz Nr 80, S 1950) gestützt auf § 101 Abs 3a SGB V in § 34a BedarfsplRL aF geregelt, dass der Landesausschuss festlegt, für welche Bezugsregionen innerhalb eines nicht unterversorgten Planungsbereiches er die Feststellung von zusätzlichem lokalem Versorgungsbedarf trifft (§ 34a Abs 2 Satz 1 BedarfsplRL aF). Diese Vorschrift erfasst mithin nur strukturell und damit langfristig bestehende lokale Bedarfe. Der Landesausschuss für Ärzte und Krankenkassen hat hier dementsprechend nur auf der Grundlage von § 103 Abs 1, 3 SGB V das Vorliegen einer Überversorgung geprüft und mit Beschluss vom 20.2.2008 (abrufbar im Internet unter: http://www.kvbawue.de/vertraegerecht/bekanntmachungen/landesausschuss/, letzter Aufruf am 12.7.2013) für den Planungsbereich Rhein-Neckar-Kreis, in dem der Sitz des Klägers liegt, eine Überversorgung mit HNO-Ärzten angenommen und keinen zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf festgestellt. Auch § 23e BedarfsplRL aF (§ 44 BedarfplRL nF), der die Voraussetzungen für die Neubestimmung der Gesamtpunktzahlvolumina regelt, berücksichtigt den Fall einer erkennbar nur vorübergehenden Steigerung des Leistungsumfangs zur Sicherstellung eines befristeten regionalen Mehrbedarfs nicht. Nach dieser Vorschrift kommt eine Neubestimmung der Abrechnungsobergrenzen nur in Betracht, wenn Änderungen des EBM oder vertragliche Vereinbarungen spürbare Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlagen haben (Satz 2) oder Änderungen der Berechnung der für die Obergrenze maßgeblichen Faktoren eine spürbare Veränderung bewirken und die Beibehaltung der durch den ZA festgestellten Gesamtpunktzahlvolumina im Verhältnis zu den Ärzten der Fachgruppe eine nicht gerechtfertigte Bevorzugung/Benachteiligung darstellen würde (Satz 3). Fehlt es damit zwar an einer ausdrücklichen normativen Grundlage für die Berücksichtigung eines zeitlich begrenzten zusätzlichen Versorgungsbedarfs, der etwa durch die vorübergehende Schließung einer Praxis entstehen kann, ist eine Erhöhung der Leistungsgrenze in einem solchen Fall gleichwohl nicht ausgeschlossen. Sie kann vielmehr im Interesse der Sicherstellung der Versorgung der Versicherten ausnahmsweise geboten sein. Eine Erhöhung der Gesamtpunktzahlvolumina kann in diesen Fällen unter Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 101 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 1 SGB V erfolgen. Das LSG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Honorierung der zur Sicherstellung eines befristeten zusätzlichen Versorgungsbedarfs erbrachten Mehrleistungen einer Job-Sharing-Praxis nicht nur eine Ausnahme von der Fallzahlzuwachsbegrenzung, wie sie hier von der Beklagten erteilt wurde, erfordert, sondern auch eine Erhöhung der Leistungsgrenze.

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Ohne eine solche zeitlich auf das Bestehen eines begrenzten zusätzlichen Versorgungsbedarfs beschränkte Erhöhung der Leistungsgrenze käme eine Job-Sharing-Praxis für die Deckung des Bedarfs nicht in Betracht. Es müssten dann ggf Ermächtigungen erteilt werden, um die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung auch während der vorübergehenden Vakanz einer Praxis zu gewährleisten, obwohl Vertragsärzte bereit und imstande wären, den Bedarf zu decken. Damit würde der prinzipielle Vorrang der Vertragsärzte (und Medizinischen Versorgungszentren) in der ambulanten Versorgung allein deshalb in Frage gestellt, weil in den BedarfsplRL keine Regelung für eine Erhöhung der Leistungsgrenzen in den hier in Rede stehenden Konstellationen getroffen worden ist. Der G-BA wird daher entsprechende Regelungen zu treffen haben, damit künftig ein unmittelbarer Durchgriff der Zulassungsgremien auf den Rechtsgedanken des § 101 Satz 1 Nr 5 SGB V entbehrlich wird.

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Eine Möglichkeit der Erhöhung der Leistungsgrenze gebietet in diesen Fällen nicht zuletzt der Grundsatz der Gleichbehandlung der Job-Sharing-Praxen mit den Praxen, für die die Zulassungsgremien keine Gesamtpunktzahlvolumina festgesetzt haben; diesem Grundsatz wird auch in § 23e Satz 3 BedarfsplRL aF (§ 44 Satz 3 BedarfsplRL nF) besondere Bedeutung beigemessen. Den Nicht-Job-Sharing-Praxen würde nämlich, worauf das LSG zu Recht hingewiesen hat, allein die Ausnahme von der Fallzahlzuwachsbegrenzung die Vergütung der erbrachten Mehrleistungen sichern.

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Eine Situation, die kurzfristig eine zeitlich begrenzte Anhebung der Leistungsgrenzen hätte erfordern können, war hier jedoch nicht gegeben. Der seit dem 1.10.2007 vakante Vertragsarztsitz von Dr. S. war schon zu Beginn des Quartals II/2008, als Dr. E. ihre Tätigkeit in der Praxis des Klägers aufnahm, wieder besetzt. Sofern durch die vorübergehende Schließung der Praxis ein besonderer Versorgungsbedarf entstanden war, erstreckte er sich jedenfalls nicht (mehr) auf die streitbefangenen Quartale.

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2. Die Befugnis der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der fehlerhaften Honorarbescheide war auch nicht durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes eingeschränkt. Vertrauensschutz kann der Kläger insbesondere nicht aus dem Bescheid der Beklagten vom 28.5.2008 herleiten, mit dem ihm - zu Unrecht, weil ein etwaiger Sicherstellungsbedarf schon seit dem 1.4.2008 wieder entfallen war - eine Ausnahme der Fallzahlzuwachsbegrenzung bewilligt wurde.

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a) Der Vertragsarzt kann nach der Rechtsprechung des Senats auf den Bestand eines vor einer endgültigen Prüfung auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit erteilten Honorarbescheides grundsätzlich nicht vertrauen (stRspr zB BSG SozR 3-2500 § 76 Nr 2 S 4; BSGE 89, 90, 94 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 7 mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 18). Die Auskehrung der Gesamtvergütungsanteile durch die KÄV im Wege der Honorarverteilung ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass diese quartalsmäßig auf die Honoraranforderungen ihrer Vertragsärzte hin Bescheide zu erlassen hat, ohne dass sie - aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen - die Rechtmäßigkeit der Honoraranforderungen hinsichtlich ihrer sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Leistungserbringung bereits umfassend überprüfen konnte. Die Berechtigung der KÄV zur Rücknahme rechtswidriger Honorarbescheide ist nicht auf die Berichtigung von Fehlern aus der Sphäre des Vertragsarztes beschränkt, sondern besteht umfassend, unabhängig davon, in wessen Verantwortungsbereich die allein maßgebliche sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt.

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Die umfassende Berichtigungsbefugnis der KÄV, die den Besonderheiten und Erfordernissen der Honorarverteilung Rechnung trägt, ist daher im Hinblick auf den gebotenen Vertrauensschutz der Vertragsärzte zu begrenzen. Das gilt nach der Rechtsprechung des Senats sowohl für Unrichtigkeiten, die ihre Ursache in der Sphäre des Vertragsarztes finden, wie auch bei anderen Fehlern, etwa der Unwirksamkeit der generellen Grundlagen der Honorarverteilung. Insbesondere im letztgenannten Fall müssen die Interessen des einzelnen Arztes an der Kalkulierbarkeit seiner Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit einerseits und die Angewiesenheit der KÄV auf die Weitergabe nachträglicher Änderungen der rechtlichen Grundlagen der Honorarverteilung an alle Vertragsärzte andererseits zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht werden (vgl BSGE 93, 69, 72 = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 9 mwN). Zur generellen Sicherstellung dieses Interessenausgleichs und damit zur Beurteilung der Frage, in welchen Konstellationen das Vertrauen des Vertragsarztes auf den Bestand eines rechtswidrigen, ihn begünstigenden Verwaltungsaktes schutzwürdig ist, hat der Senat Fallgruppen herausgearbeitet, in denen die Befugnis zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen aus Gründen des Vertrauensschutzes begrenzt ist (zusammenfassend BSGE 96, 1, 4 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14 ff mwN; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 16; vgl im Einzelnen zu den Fallgruppen Clemens, in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106a SGB V RdNr 189 ff; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: April 2012, K § 106a RdNr 33 ff; Harneit, in: Festschrift 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, 2008, 361, 366 ff; Knopp, Die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen, 2009, 180 ff).

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b) Die nachträgliche Korrektur eines Honorarbescheides nach den Vorschriften über die sachlich-rechnerisch Richtigstellung ist nicht mehr möglich, wenn die Frist von vier Jahren seit Erlass des betroffenen Honorarbescheides bereits abgelaufen ist (BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 16 mwN; vgl jüngst zur Hemmung der vierjährigen Ausschlussfrist BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 35/12 R - SozR 4-2500 § 106a Nr 10; vgl im Hinblick auf die Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V auch: BSG Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 27/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 37 RdNr 19 ff; Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 45/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 16 ff). Eine Rücknahme des Honorarbescheides ist nach Ablauf der Frist nur noch unter Berücksichtigung der Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs 2 Satz 3 iVm Abs 4 Satz 1 SGB X möglich. Diese Fallgruppe ist vorliegend nicht einschlägig, da ersichtlich die Frist von vier Jahren, die nach der Rechtsprechung des Senats am Tag nach der Bekanntgabe des Honorarbescheides beginnt (vgl BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 16; BSG Urteil vom 28.3.2007 - B 6 KA 26/06 R - Juris RdNr 16; BSGE 106, 222, 236 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 60 mwN), nicht abgelaufen ist.

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c) Weiterhin ist die Befugnis der KÄV zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten eingeschränkt, soweit die KÄV ihre Befugnis zur sachlich-rechnerische Richtigstellung bereits "verbraucht" hat, indem sie die Honoraranforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat (BSGE 89, 90, 98 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 11 f; bekräftigt in BSG Urteil vom 26.6.2002 - B 6 KA 26/01 R - Juris RdNr 19; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 18 ff für den Fall der Rückgängigmachung einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung). In diesem Fall ist die jedem Honorarbescheid innewohnende spezifische Vorläufigkeit und damit die Anwendbarkeit der Berichtigungsvorschriften entfallen (vgl BSGE 93, 69, 74 = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 15). Auch eine solche Fallkonstellation ist hier nicht gegeben.

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d) Darüber hinaus ist nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Vertrauensschutz der Vertragsärzte zu beachten, wenn die KÄV es unterlassen hatte, bei der Erteilung des Honorarbescheides auf ihr bekannte Ungewissheiten hinsichtlich der Grundlagen der Honorarverteilung oder ihrer Auslegung (BSGE 89, 62, 72 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42 S 352; BSGE 93, 69, 75 = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 16; BSG Urteil vom 26.6.2002 - B 6 KA 26/01 R - Juris RdNr 20) oder auf ein noch nicht abschließend feststehendes Gesamtvergütungsvolumen (BSGE 96, 1, 7 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 20) hinzuweisen und durch einen Vorläufigkeitshinweis zu manifestieren. Der Vorläufigkeitshinweis muss sich dabei nicht ausdrücklich aus dem Honorarbescheid selbst ergeben, es genügt vielmehr, dass sich der Vorbehalt aufgrund bestehender Ungewissheiten ausreichend deutlich aus den Gesamtumständen ergibt (zB BSGE 89, 62, 72 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42 S 352; BSG Urteil vom 26.6.2002 - B 6 KA 26/01 R - Juris RdNr 20; BSGE 96, 1, 7 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 20; BSGE 98, 169, 177 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 28). Hat die KÄV einen derartigen Hinweis in der notwendigen Form unterlassen, sind die Berichtigungsvorschriften zwar weiterhin anwendbar, wegen des durch das Verhalten der KÄV begründeten Vertrauensschutzes der Vertragsärzte ist für die Aufhebung eines Honorarbescheides aber nur Raum, wenn in entsprechender Anwendung des § 45 Abs 2 Satz 3 iVm Abs 4 Satz 1 SGB X Vertrauensausschlusstatbestände gegeben sind (BSGE 96, 1, 5 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 16). Eine solche Fallkonstellation liegt hier nicht vor. Im Hinblick auf den hier maßgeblichen Grund für die Richtigstellung, die Überschreitung der Gesamtpunktzahlvolumina, bestand bei Erlass der Honorarbescheide vom 15.1.2009 und vom 15.4.2009 keine Ungewissheit im genannten Sinn. Weder waren die normativen Grundlagen der Honorarverteilung betroffen, noch Unsicherheiten im Hinblick auf das Gesamtvergütungsvolumen. Die Richtigstellung resultierte vielmehr aus Besonderheiten bei der Honorarbegrenzung für Job-Sharing-Praxen, über die bei Erlass der Honorarbescheide auch keine Unsicherheit bestand.

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e) Schließlich ist die Richtigstellungsbefugnis der KÄV begrenzt, wenn die Besonderheiten der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen, die in der Rechtsprechung für die Verdrängung der Regelung des § 45 SGB X durch die Vorschriften über die sachlich-rechnerische Richtigstellung angeführt worden sind, nicht konkret tangiert sind (BSGE 93, 69, 76 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 18 ff; BSGE 96, 1, 6 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 26). Diese Fallgruppe erfasst die fehlerhafte Abrechnung im Einzelfall etwa infolge eines Rechenfehlers oder der versehentlichen Verwendung eines falschen Berechnungsfaktors. Auch in einem solchen Fall wird die Honorarberichtigung zwar nach den einschlägigen bundesmantelvertraglichen Regelungen durchgeführt, im Rahmen des Berichtigungsverfahrens sind indes die speziellen Vertrauensschutztatbestände des § 45 Abs 2 iVm Abs 4 SGB X entsprechend heranzuziehen (vgl BSGE 93, 69, 76 = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 18). Ein solcher Sachverhalt gibt keinen Anlass, von den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen abzuweichen, wonach die Behörde vorbehaltlich der besonderen Tatbestände des § 45 Abs 2 Satz 3 iVm Abs 4 SGB X das Risiko dafür trägt, dass sie einen für den Bürger günstigen Verwaltungsakt erlässt, der sich nachträglich als teilweise rechtswidrig erweist (BSGE 93, 69, 76 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 20). Eine Beschränkung der Richtigstellungsbefugnis der Beklagten ergibt sich auch unter diesem Gesichtspunkt nicht. Die Umsetzung der Bescheide der Zulassungsgremien über die Punktzahlobergrenzen nach Zulassungen oder Arztanstellungen unter Job-Sharing-Bedingungen in den Honorarbescheiden der vertragsärztlichen Praxen betrifft spezifische Umstände der Honorierung der vertragsärztlichen Leistungen. Die ursprünglichen Honorarbescheide der Beklagten gegenüber dem Kläger enthielten dementsprechend keinen Rechenfehler oder vergleichbare Defizite, die Beklagte hatte sie vielmehr bewusst - wie bei allen anderen Job-Sharing-Praxen - zunächst ohne Anwendung der Regelungen über die Leistungsgrenzen erstellt. Ob das für diese Vorgehensweise angeführte Argument einer Entlastung der Verwaltung bei der zeitnahen Erstellung der Honorarbescheide das Gewicht hat, das die Beklagte ihm zumisst, kann auf sich beruhen. Jedenfalls vollzog die Richtigstellung einen komplexen Berechnungsschritt bei Festsetzung des vertragsärztlichen Honorars nach. Mit den in der Entscheidung des Senats vom 30.6.2004 (BSGE 93, 69, 76 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 20) angesprochenen individuellen Rechtsanwendungsfehlern ohne Bezug zu den Besonderheiten der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen hat das keine Berührungspunkte.

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f) Ob daneben ein allgemeiner Vertrauensschutz weiterhin in Betracht kommt, wenn die KÄV die rechtswidrige Erbringung bestimmter Leistungen in Kenntnis aller Umstände längere Zeit geduldet hat, diese später jedoch insgesamt von einer Vergütung ausschließt, kann offenbleiben (vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 16, hieran anknüpfend: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: April 2012, K § 106a RdNr 33d; ebenso Harneit, in: Festschrift 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, 2008, 361, 370 ff; Knopp, Die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen, 2009, 181). Die Frage bedarf vorliegend keiner Beantwortung, da die Beklagte die Überschreitung der Gesamtpunktzahlvolumina nicht längere Zeit geduldet hat.

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g) Es besteht nach den Besonderheiten des Falles auch kein Anlass, über die in der Rechtsprechung des Senats anerkannten Konstellationen hinaus Vertrauensschutz zu gewähren. Ein Schutzbedürfnis des Klägers, das mit demjenigen in den anerkannten Fallgruppen vergleichbar ist, besteht nicht. Es kann offenbleiben, ob ein rechtswidriger Verwaltungsakt - hier die ungerechtfertigte Ausnahme von der Fallzahlzuwachsbegrenzung - überhaupt geeignet sein kann, schutzwürdiges Vertrauen zu begründen. Durch die mit Bescheid vom 28.5.2008 gewährte Ausnahme von der Fallzahlzuwachsbegrenzung begründete die Beklagte jedenfalls keinen Vertrauenstatbestand darauf, dass auch die vom ZA festgesetzten Gesamtpunktzahlvolumina nicht mehr gelten sollten. Dieser Bescheid hatte ausschließlich die Fallzahlzuwachsbegrenzung zum Gegenstand und ließ keinen Zusammenhang zu dem Job-Sharing sowie dem hierdurch bedingten Gesamtpunktzahlvolumen erkennen. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei der Fallzahlzuwachsbegrenzung und dem Gesamtpunktzahlvolumen um unterschiedliche Regelungsbereiche handelt. Dies wird bereits aus den unterschiedlichen Zuständigkeiten deutlich. Der Kläger kannte die Festsetzungen des ZA. Die Abgabe einer entsprechenden Verpflichtungserklärung war nach § 101 Abs 1 Nr 5 SGB V Voraussetzung für die Genehmigung des Job-Sharing. Ausweislich des Beschlusses vom 30.1.2008 haben sich der Kläger und Frau Dr. E. schriftlich gegenüber dem ZA damit einverstanden erklärt, den bestehenden Umfang der Praxis nicht wesentlich zu überschreiten. Dem Kläger war also, was auch nicht in Abrede gestellt wird, bewusst, dass die vom ZA festgesetzten Obergrenzen einzuhalten waren. Weder die organisatorische Anbindung der Zulassungsgremien an die KÄV nach § 96 Abs 3 SGB V noch die Besetzung der Gremien (auch) mit von den KÄVen bestellten Vertretern sind geeignet, den Anschein zu begründen, die KÄV könne eine vom ZA getroffene Regelung ändern. Es kann vorausgesetzt werden, dass dem Vertragsarzt die Unterscheidung zwischen ZA und KÄV bekannt ist. Auch der Umstand, dass die Beklagte gemäß § 23c Satz 4 BedarfsplRL aF (§ 42 Satz 4 BedarfsplRL nF) die Berechnung der Anpassung der Gesamtpunktzahlvolumina entsprechend der Entwicklung des Fachgruppendurchschnitts nach § 23f BedarfsplRL aF (§ 45 BedarfsplRL nF) vornimmt, kann kein Vertrauen darauf begründen, dass sie auch für eine Neuberechnung oder Aufhebung der Gesamtpunktzahlvolumina vornehmen kann. Dass es dafür nach § 23e BedarfsplRL aF (§ 44 BedarfsplRL nF) eines besonderen Antrags an den ZA bedarf, darf für die Job-Sharing-Partner als bekannt vorausgesetzt werden.

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Fallzahlzuwachsbegrenzung und Leistungsbegrenzung durch Gesamtpunktzahlvolumina sind zudem unterschiedliche Regelungsinstrumente mit jeweils eigenständiger Bedeutung. Die Fallzahlzuwachsbegrenzung gemäß § 3 Nr 1 des in den streitbefangenen Quartalen geltenden Vertrages über den Honorarverteilungsmaßstab (HVM-V) iVm Anlage 1 zum HVM-V findet für alle in der Anlage genannten Arztgruppen Anwendung, während die Gesamtpunktzahlvolumina in Anwendung der BedarfsplRL nur in der besonderen Konstellation eines Job-Sharing von Bedeutung sind. Eine Ausnahme von der Fallzahlzuwachsbegrenzung kann auch dann Vorteile für den Vertragsarzt mit sich bringen, wenn die Gesamtpunktzahlvolumina - wie vorliegend - nicht an- oder aufgehoben wurden. Dies ergibt sich daraus, dass die Fallzahlzuwachsbegrenzung gemäß § 4 Nr 1 Satz 3 HVM-V für die Berechnung des Punktzahlgrenzvolumens maßgeblich ist. Die über das Punktzahlgrenzvolumen hinausgehende Leistungsmenge wird gemäß § 4 Nr 1 Satz 2 HVM-V mit einem abgestaffelten Punktwert vergütet. Hieraus folgt, dass die ohne Abstaffelung vergütete Leistungsmenge mit der anerkannten Fallzahl wächst. Auch wenn dies im Fall des Job-Sharing nur bis zur Höhe des für die Praxis festgesetzten Gesamtpunktzahlvolumens gilt, hat die Fallzahlbegrenzung eine eigenständige Bedeutung und kann sich begünstigend auf die Honorarfestsetzung auswirken. Dass erst im Zusammenspiel von Regelungen zur Fallzahlzuwachsbegrenzung und Gesamtpunktzahlvolumina aus einem die Leistungsgrenze übersteigenden Leistungsumfang auch ein entsprechendes Honorar generiert werden, ändert nichts daran, dass es sich um verschiedene Instrumente zur Mengenbegrenzung mit jeweils unterschiedlichem Anwendungsbereich handelt.

32

Es hätte für den Kläger nahe gelegen, mit dem im März 2008 gestellten Antrag auf Ausnahme von der Fallzuwachsbegrenzung mit der Begründung des zusätzlichen Versorgungsbedarfs bei dem ZA ein höheres Gesamtpunktzahlvolumen zu beantragen. Soweit er vorträgt, zu diesem Zeitpunkt sei ihm noch nicht bekannt gewesen, dass er ohne Verletzung der Obergrenzen den Sicherstellungsauftrag nicht habe einhalten können, mag dies vor dem Hintergrund des erstmals im Quartal III/2008 überschrittenen Gesamtpunktzahlvolumens zutreffend sein. Letztlich bedarf dies jedoch keiner Klärung, da der Kläger in Folge des Beschlusses vom 30.1.2008 jedenfalls wissen musste, dass er die Gesamtpunktzahlvolumina einhalten musste. Spätestens nach der Zustellung des Beschlusses des ZA im April 2008 und damit nach seinem Antrag auf Ausnahme von der Fallzahlzuwachsbegrenzung hätte sich die Frage aufdrängen müssen, in welchem Verhältnis die Gesamtpunktzahlvolumina zur Fallzahlzuwachsbegrenzung stehen. Den Honorarbescheiden vom 15.1.2009 und 15.4.2009 war zu entnehmen, dass keine Fallzahlzuwachsbegrenzung zugrunde gelegt und dementsprechend sämtliche in diesem Zusammenhang relevanten Fälle bei der Berechnung der PZGV berücksichtigt worden waren, jedoch die Gesamtpunktzahlvolumina keine Beachtung gefunden hatten. Es hätte damit Anlass bestanden, bei der Beklagten nachzufragen, ob die Gesamtpunktzahlvolumina keine Anwendung finden. Zwar hat die Beklagte den Kläger auch nicht auf die ggf erforderliche Antragstellung beim ZA hingewiesen, indes hat sie allein hierdurch noch keinen Vertrauenstatbestand geschaffen.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung des § 154 Abs 1 und 2 VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten auch des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu tragen.

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