Beschluss vom Bundessozialgericht (13. Senat) - B 13 R 37/16 BH
Tenor
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Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. November 2016 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
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I. Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
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Den im April 2014 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung des 1974 in Aserbaidschan geborenen, seit 1996 in Deutschland lebenden und zuletzt als Lagerhelfer pflichtversichert beschäftigten Klägers lehnte die Beklagte im Wesentlichen gestützt auf ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 25.7.2014 ab (Bescheid vom 8.8.2014, Widerspruchsbescheid vom 2.6.2015). Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein.
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Das SG hat nach Einholung eines Gutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vom 17.1.2016 sowie einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 7.4.2016 mit Gerichtsbescheid vom 20.5.2016 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei noch in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von sechs Stunden täglich und mehr durchzuführen. Zu vermeiden seien Akkordarbeit, Nachtarbeit, Arbeiten unter besonderem Zeitdruck und Tätigkeiten mit einer das normale Maß deutlich überschreitenden geistigen Verantwortung oder Beanspruchung. Zwar habe der Sachverständige eine gewisse Fixierung des Klägers auf die Schmerzen als solche, auf die seiner Ansicht nach aufgetretenen Behandlungsfehler und die damit zusammenhängenden Rechtsfragen festgestellt. Diese Fixierung sei jedoch nicht so gravierend, dass sie erheblichen Einfluss auf das Leistungsvermögen des Klägers habe. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Kläger keinerlei Schmerzmedikation einnehme, wenn er tatsächlich - wie von ihm angegeben - ca 75 % seiner Wachzeit schmerzgeplagt sei. Es sei auch zu hinterfragen, warum der Kläger eine ihm nach dem Bericht des Dr. J. (K.hospital S.) vom 5.2.2015 angebotene multimodale Schmerztherapie oder eine sonstige fachärztliche Therapie nicht durchführe. Schließlich lasse auch der Tagesablauf des Klägers keine wesentlichen Einschränkungen erkennen.
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Die Berufung des Klägers hat das LSG nach mündlicher Verhandlung vom 9.11.2016 mit Urteil vom selben Tag zurückgewiesen. Auch das Berufungsgericht ist der Einschätzung des klägerischen Leistungsvermögens in dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H. gefolgt. Die bei Schmerzen in dem Ausmaß, wie der Kläger sie schildere, zu erwartenden psychopathologischen Befunde habe Dr. H. wie zuvor bereits der Gutachter Dr. G. nicht feststellen können. Auch der Bescheinigung des Orthopäden/Unfallchirurgen W. vom 30.6.2015 und den dort mitgeteilten Befunden sei eine zeitliche Limitierung des Leistungsvermögens nicht zu entnehmen. Der Antrag des Klägers auf Einholung eines schmerztherapeutischen Gutachtens von einem Sachverständigen mit Fachkenntnissen zur craniomandibulären Dysfunktion werde abgelehnt. Die Gutachten der Neurologen und Psychiater Dr. G. und Dr. H. vermittelten ausreichende sachliche Grundlagen bezüglich der Schmerzverhältnisse des Klägers und deren entscheidungserheblichen Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen.
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Der Kläger hat für die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihm am 22.11.2016 zugestellten LSG-Urteil am 14.12.2016 beim BSG Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Er macht Divergenz und Verfahrensmängel geltend.
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II. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen.
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1. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg haben könnte.
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Gegen das vom Kläger angegriffene LSG-Urteil ist als Rechtsmittel allein eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision statthaft (§ 160a SGG). In einem solchen Verfahren geht es nicht darum, ob die Entscheidung des LSG inhaltlich richtig oder falsch ist. Vielmehr darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Dass einer dieser Zulassungsgründe hier mit Erfolg geltend gemacht werden könnte, ist nach Prüfung des Streitstoffs und Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers in seinem Schreiben vom 14.12.2016 nicht ersichtlich.
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a) Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das Urteil des LSG auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bislang nicht hinreichend geklärte und für den Rechtsstreit entscheidungserhebliche Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt. Dass im Rechtsstreit des Klägers solche Rechtsfragen von Bedeutung sein könnten, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Rechtsfragen werden von ihm in seinem Schriftsatz vom 14.12.2016 auch nicht (sinngemäß) geltend gemacht.
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b) Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kann nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (vgl Senatsbeschluss vom 20.5.2014 - B 13 R 49/14 B - Juris RdNr 10).
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Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Es ist schon nicht ersichtlich, dass das LSG gegenüber den vom Kläger zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Vielmehr rügt er sinngemäß, das Berufungsgericht habe die aus seiner Sicht bei ihm vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht beachtet und im Hinblick auf das ihm verbliebene Restleistungsvermögen nicht hinreichend gewürdigt. Damit stellt er aber allein auf die - angeblich - fehlerhafte Rechtsanwendung des LSG in seinem konkreten Einzelfall ab; die Entwicklung anderer von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichender Kriterien benennt er nicht; solche sind auch nicht ersichtlich. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers in seinem Schreiben vom 14.12.2016 geht daher über eine im Rahmen der Divergenzrüge unbeachtliche Subsumtionsrüge nicht hinaus.
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c) Schließlich ist auch kein Verfahrensmangel erkennbar, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
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Der vom Kläger gerügte Verstoß des LSG gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) liegt nicht vor. Insbesondere hätte sich das Berufungsgericht nicht gedrängt fühlen müssen, den vom Kläger angebotenen weiteren Sachverständigenbeweis zu erheben. Voraussetzung hierfür wäre, dass sich das LSG bei der Feststellung des Leistungsvermögens des Klägers nicht auf die von ihm erhobenen Beweise hätte stützen dürfen, weil etwa die vorliegenden Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters besteht oder wenn die in verschiedenen Gutachten enthaltenen sich widersprechenden Schlussfolgerungen mit entsprechenden Feststellungen einhergehen (vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 9 mwN).
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Der Kläger zieht zwar vorliegend die Richtigkeit der im Rentenverfahren eingeholten Gutachten von Dr. G. und Dr. H. in Frage. Ebenso bezweifelt er deren Sachkunde im Hinblick auf die Beurteilung der craniomandibulären Dysfunktion bzw Myoarthropathie, die seiner Ansicht nach der der bei ihm vorliegenden Schmerzsymptomatik zugrunde liegen. Er verkennt jedoch, dass es im Rahmen eines Rentenverfahrens nicht nur auf eine andere Diagnosestellung oder Bezeichnung von Befunden ankommt. Vielmehr ist im Rahmen des § 43 SGB VI die Beeinflussung des Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen zu prüfen (vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6). Dem sind die beiden gehörten Sachverständigen gerecht geworden. Sie haben als Neurologen und Psychiater eine in ihr medizinisches Fach- und Kompetenzgebiet fallende anhaltende somatoforme "Schmerzstörung" beim Kläger festgestellt und deren sozialmedizinische Auswirkung auf sein individuelles (quantitatives und qualifiziertes) Leistungsvermögen (Restleistungsvermögen) beurteilt. Die Rentenbegutachtung ist in diesem Sinne im Wesentlichen eine "Funktionsbegutachtung" (vgl Thüringer LSG Urteil vom 30.6.2015 - L 6 R 166/08 ZVW - Juris RdNr 64; Bayerisches LSG Urteil vom 16.10.2014 - L 13 R 556/09 - Juris RdNr 171). Insoweit ist es nicht zu beanstanden, dass die Gutachter anlässlich ihrer sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung keine weitergehende wissenschaftliche Ursachenklärung für erforderlich gehalten bzw vorgenommen haben.
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Dass der Kläger mit der Auswertung und Würdigung der beiden Sachverständigengutachten und der sonstigen aktenkundigen medizinischen Berichte durch das LSG nicht einverstanden ist, ist für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unerheblich. Denn insoweit wendet er sich gegen die Beweiswürdigung des LSG. Auf Angriffe gegen die Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) kann aber nach dem eindeutigen Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.
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Auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG vom Kläger nochmals zu den Akten gereichten Befundberichts des Schlaflabors der Klinik für Neurologie, Neurophysiologie und Frührehabilitation vom 15.2.2016 und des Attestes seines Hausarztes, des Internisten Dr. W., vom 25.2.2016 musste sich das LSG nicht zu einer weiteren Beweiserhebung gedrängt fühlen. Die dort attestierte chronische Schmerzstörung war den im Rentenverfahren gehörten Gutachtern bekannt. Eine Verschlechterung der Symptomatik ist in den vorgenannten Berichten nicht beschrieben. Eine relevante, die vom Kläger beschriebene Schlafstörung erklärende schlafbezogene Atemstörung wurde in dem Bericht des Schlaflabors ausgeschlossen, sodass sich das LSG auch hiervon ausgehend nicht zu einer weiteren Begutachtung auf internistischem Fachgebiet hätte gedrängt sehen müssen.
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2. Da nach alledem die Bewilligung von PKH abzulehnen ist, entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts durch das Gericht (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
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Referenzen
- SGG § 160a 1x
- SGG § 103 1x
- § 43 SGB VI 1x (nicht zugeordnet)
- 6 R 166/08 1x (nicht zugeordnet)
- 13 R 49/14 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 121 Beiordnung eines Rechtsanwalts 1x
- 13 R 556/09 1x (nicht zugeordnet)
- 13 RJ 179/03 2x (nicht zugeordnet)
- SGG § 160 5x