Urteil vom Bundessozialgericht (8. Senat) - B 8 SO 18/15 R

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Februar 2015 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

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Im Streit ist im Wege eines Überprüfungsverfahrens, ob der Kläger zu einem Kostenbeitrag für die Einnahme des Mittagessens in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), in der er beschäftigt ist, herangezogen werden darf.

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Der schwerbehinderte und alleinstehende Kläger bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Zahlbetrag ab 1.7.2012 monatlich 738,70 Euro). Er besucht den Arbeitsbereich einer WfbM, in der ihm die Teilnahme an einem Mittagessen möglich ist, und erhält aus der dortigen Beschäftigung ein Entgelt in Höhe von 325 Euro brutto/323,69 Euro netto monatlich. Für seine Wohnung zahlte er eine monatliche Miete in Höhe von 380 Euro (295 Euro Kaltmiete zuzüglich 85 Euro für Heiz- und Betriebskosten), seit 1.9.2014 in Höhe von 434 Euro (309 Euro Kaltmiete zuzüglich 125 Euro für Heiz- und Betriebskosten).

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Der Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern als damaliger überörtlicher Träger der Sozialhilfe setzte einen Kostenbeitrag für die Einnahme des Mittagessens in der WfbM fest; zuletzt für die Zeit ab 1.1.2004 in Höhe von 3 Euro je eingenommenem Essen (Bescheid vom 3.12.2003). Einen im Jahr 2005 gestellten Antrag auf Befreiung hiervon im Hinblick auf das Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 26.7.2005). Am 30.5.2011 beantragte der Kläger erneut die Befreiung vom Kostenbeitrag; einen weiteren Antrag (vom 21.6.2012) lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 1.10.2012; Widerspruchsbescheid vom 7.2.2013). Zur Begründung führte sie aus, das bereinigte Nettoeinkommen des Klägers habe im Jahr 2012 den nach § 92 Abs 2 Satz 4 SGB XII maßgeblichen zweifachen Regelsatz der Bedarfsstufe I (748 Euro) überstiegen. Bei einem Kostenbeitrag in Höhe von 51 Euro monatlich (die Einnahme des Mittagessens in der WfbM an 17 Tagen zugrunde gelegt), verbleibe noch ein den fiktiven Grundsicherungsanspruch in Höhe von 824,24 Euro (Regelbedarfsstufe I, Mehrbedarfe sowie die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung) übersteigendes Einkommen (Bescheid vom 1.10.2012; Widerspruchsbescheid vom 7.2.2013).

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Die Klage und die Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.6.2014; Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9.2.2015). Zur Begründung hat das LSG unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG ausgeführt, es handele sich bei der Regelung in § 92 Abs 2 SGB XII um eine spezielle abschließende Regelung, die die allgemeinen Regelungen über die Anrechnung von Einkommen (§§ 85 ff SGB XII) verdränge. Die Aufhebung des Bescheids vom 3.12.2003 scheitere überdies daran, dass der Antrag des Klägers nur eine Befreiung vom Kostenbeitrag zum Mittagessen für die Zukunft betroffen habe, nicht aber eine Überprüfung für die Vergangenheit nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) beantragt worden sei.

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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision und rügt die Verletzung von § 92 Abs 2 Satz 1 und Satz 4 SGB XII, §§ 85 ff SGB XII. Für den Teil der häuslichen Ersparnis, die auf das Mittagessen entfalle, könne ein Kostenbeitrag nur gefordert werden, sofern überhaupt nach § 85 SGB XII Kosten für die Maßnahme der Eingliederungshilfe aufzuwenden seien. § 92 Abs 2 SGB XII stelle nämlich keine Regelung außerhalb der allgemeinen Einkommensregelungen für Leistungen des 5. bis 9. Kapitels dar, sondern lediglich eine (weitere) Einschränkung zu § 92 Abs 1 SGB XII. Die Einkommensgrenzen des § 85 SGB XII überschreite sein Einkommen aber nicht.

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Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Februar 2015 und das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. Juni 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 26. Juli 2005 aufzuheben, soweit er den Kostenbeitrag ab 1. Januar 2010 regelt.

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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des Beschlusses des LSG und der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ). Für eine abschließende Entscheidung des Senats fehlen die notwendigen Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) sowohl zur Rechtmäßigkeit der Bewilligung der Eingliederungshilfe als Voraussetzung für die Heranziehung zu den Kosten des Lebensunterhalts wegen häuslicher Ersparnis als auch für die Prüfung, in welcher Höhe eine Heranziehung zu diesen Kosten zumutbar wäre.

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Gegenstand der Klage ist der Bescheid der Beklagten vom 1.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.2.2013 (§ 95 SGG). Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) gerichtet auf Überprüfung des bestandskräftigen Bescheids vom 26.7.2005, der Rechtsgrundlage für die Heranziehung seit dem 1.1.2005 ist (im Einzelnen später). Eine Leistungsklage auf Rückzahlung ggf zu viel gezahlter Kosten ist dagegen nicht Streitgegenstand. Insoweit lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen, dass ein solcher zu beziffernder Anspruch Gegenstand seines Begehrens ist.

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Der angegriffene Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist die Beklagte für die Entscheidung über die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids vom 26.7.2005 zuständig, weil sie die für die Erbringung von Eingliederungshilfeleistungen an den Kläger sachlich und örtlich zuständige Behörde ist (vgl §§ 44 Abs 3, 48 Abs 4 SGB X). Dabei ist der Senat an der eigenen Überprüfung des Landesrechts, soweit es Zuständigkeitsregelungen enthält, nicht gehindert, weil das LSG entsprechende Feststellungen nicht getroffen hat. In Baden-Württemberg sind nach Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände mit Ablauf des 31.12.2004 durch das Gesetz zur Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände (; verkündet als Art 177 des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes vom 1.7.2004, GBl BW 469) deren Aufgaben als überörtliche Träger der Sozialhilfe auf die Stadt- und Landkreise und den Kommunalverband für Jugend und Soziales übergegangen (vgl §§ 1, 2 WohlfVbdAuflG BW). Die Stadt- und Landkreise als örtliche Träger sind dabei für alle Leistungen iS des § 8 SGB XII sachlich zuständig (§ 97 SGB XII iVm §§ 1, 2 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII BW, verkündet als Art 122 des VRG BW). Der Landkreis Reutlingen, dessen örtliche Zuständigkeit sich aus § 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII ergibt, hat schließlich die Beklagte durch Satzung zur Durchführung der Aufgabe der Eingliederungshilfe herangezogen (vgl § 3 Abs 1 AG-SGB XII BW).

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Als Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Aufhebung der Entscheidung über die Heranziehung von Kosten zum Mittagessen kommt einerseits § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X, nicht aber § 44 Abs 2 SGB X, und andererseits § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X (dazu später) in Betracht. Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

13

Soweit eine Heranziehung zu den Kosten des Mittagessens festgesetzt wird, liegt eine Entscheidung vor, mit der iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X die Erbringung von Sozialleistungen geregelt wird. Bei den Heranziehungsbescheiden handelt es sich jeweils um Verwaltungsakte auf unbestimmte Dauer, mit denen die Beklagte ab einem bestimmten Zeitpunkt den Kostenbeitrag nach § 92 Abs 1 iVm Abs 2 SGB XII ohne zeitliche Grenze für die Zukunft festgesetzt hat. Zwar legt der Heranziehungsbescheid unmittelbar eine Belastung fest, nämlich die Beteiligung an den Kosten einer Sozialleistung. Mit der vorangehenden Bewilligung über diese Leistung ist aber lediglich im Hinblick auf den Bedarf in der Sache eine abschließende Entscheidung getroffen; im Übrigen wird erst mit der nachfolgenden Entscheidung über den Kostenbeitrag eine (vollständige) Prüfung des zu berücksichtigenden Einkommens und Vermögens des Leistungsberechtigten durchgeführt (sog Bruttoprinzip). Der Bescheid, mit dem über die Heranziehung zu einem bestimmten Betrag pro eingenommenem Mittagessen entschieden wird, stellt sich dabei als Grundlagenbescheid dar (zur Zulässigkeit eines solchen Bescheids zuletzt BSGE 122, 154 = SozR 4-3500 § 53 Nr 5, RdNr 16); denn er trifft noch keine konkrete Entscheidung über die monatliche Belastung, die den Leistungsempfänger trifft. Der Sache nach handelt es sich aber bereits bei dieser Entscheidung über die Grundlagen der Berechnung des Kostenbeitrags um eine Entscheidung über die Höhe der zu erbringenden Sozialleistung. Die Heranziehung zu den Kosten nach § 92 SGB XII regelt nicht Rechtsbeziehungen außerhalb bzw "im Nachgang" zum Sozialleistungsverhältnis, sondern ist Teil der Entscheidung über die Sozialleistung selbst. Allein die Berücksichtigung von Einkommen im Wege des Brutto- statt des Nettoprinzips ändert aus Sicht des Leistungsempfängers den Charakter der erbrachten Leistung als Sozialleistung iS des § 44 Abs 1 SGB X nicht (vgl bereits BSG SozR 4-3500 § 116 Nr 1 RdNr 14).

14

Eine solche überprüfbare Entscheidung über die Heranziehung der Kosten hat die Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 26.7.2005 für die Zeit ab dem 1.1.2005 getroffen. Dieser Bescheid, nicht dagegen der vom LSG in Bezug genommene Bescheid vom 3.12.2003, ist bei zutreffender Auslegung der Überprüfungsanträge aus den Jahren 2011 und 2012 Ausgangspunkt für die vorliegend im Streit stehende Überprüfung. Mit ihm ist die gegenüber den vorangegangenen Bescheiden eigenständige Prüfung erfolgt, ob der Kläger nach der seit dem 1.1.2005 geltenden Rechtslage zu den Kosten des Mittagessens heranzuziehen ist; er ist allein Grundlage der Heranziehung für die Zeit seither. Da dieser nicht begünstigende Verwaltungsakt im Falle seiner Rechtswidrigkeit bereits im Zeitpunkt seines Erlasses vom zuständigen Träger mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen wäre (vgl § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X), ergibt sich kein Anhalt für die vom LSG vorgenommene Auslegung, der Kläger habe mit seinen Anträgen, die keine Einschränkung in zeitlicher Hinsicht erkennen lassen, entgegen dieser im Gesetz regelmäßig vorgesehenen Rechtsfolge lediglich die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft beantragt. Eine Einschränkung ergibt sich insoweit nur aus § 44 Abs 4 SGB X iVm § 116a SGB XII (idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 - BGBl I 453). Nach diesen Vorschriften tritt anstelle des Zeitraums von vier Jahren, für den der Kläger eine Rückzahlung des geleisteten Kostenbeitrags verlangen könnte, ein Zeitraum von einem Jahr. Der vom Kläger im Revisionsverfahren gestellte Antrag berücksichtigt dies. Ausgehend von seinem Überprüfungsantrag vom 30.5.2011, über den die Beklagte nicht ausdrücklich entschieden hatte, ist eine (mögliche) Pflicht zur Rücknahme auf die Zeit ab dem 1.1.2010 beschränkt, weil die Rücknahme in der vorliegenden Konstellation einer Heranziehung zu den Kosten ansonsten keine Auswirkungen mehr haben kann (vgl BSGE 68, 180 = SozR 3-1300 § 44 Nr 1).

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Eine abschließende Entscheidung über einen Anspruch auf Rücknahme in der Sache ist dem Senat aber nicht möglich. Es fehlen für die Prüfung, ob bei Erlass des Bescheids vom 26.7.2005 zu Lasten des Klägers das Recht unrichtig angewandt worden ist und insoweit zu Unrecht ein (ggf zu hoher) Kostenbeitrag festgesetzt worden ist, schon die notwendigen Feststellungen des LSG dazu, ob die Beklagte zu Recht Leistungen der Eingliederungshilfe in der WfbM, mithin einer Tageseinrichtung für behinderte Menschen iS des § 92 Abs 1 SGB XII, bewilligt hat (vgl § 54 Abs 1 SGB XII iVm §§ 39, 41 Abs 2 Nr 2, § 136 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - ) und diese Voraussetzungen durchgehend vorgelegen haben. Nur in diesem Fall kann eine Heranziehung zu Kosten dieser Maßnahme nach § 92 Abs 2 SGB XII ihrerseits rechtmäßig sein.

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War die Bewilligung der Eingliederungshilfe rechtmäßig und sind die Voraussetzungen für ihre Weiterbewilligung in der Folge unverändert geblieben, bestimmt § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 7 iVm Satz 4 SGB XII, dass dem Leistungsberechtigten, der Leistungen in einer anerkannten WfbM erhält, die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten ist und zwar nur insoweit als die genannten Einkommensgrenzen (dazu später) nicht überschritten sind. Auch diese Prüfung kann der Senat auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend durchführen.

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Feststellungen, worauf die Festlegung des Kostenbeitrags für ein Mittagessen auf 3 Euro überhaupt gründet, hat das LSG bislang nicht getroffen. Maßgeblich für die Zumutbarkeit sind dabei jedenfalls nicht die Kosten, die der Sozialhilfeträger gegenüber der WfbM (oder der Mehrzahl der Werkstätten in seinem Bezirk) für das Mittagessen aufzubringen hat, sondern die individuelle Ersparnis von Aufwendungen für den jeweiligen Leistungsempfänger. Eine abstrakt-generelle Regelung zur Bestimmung der Kostenhöhe könnte dabei allenfalls für die Festlegung von Kriterien zur Bemessung ersparter Aufwendungen (vgl dazu § 92 Abs 2 Satz 5 SGB XII) getroffen werden, die wegen einer erforderlichen individuellen Schätzung anzuwenden sind (vgl bereits BSGE 121, 129 = SozR 4-3500 § 92 Nr 2, RdNr 26).

18

Wegen der individuellen Ersparnis kann dabei höchstens der Wert in Ansatz gebracht werden, der dem im Regelbedarf enthaltenen Anteil eines täglichen Mittagessens entspricht. Nur so wird sichergestellt, dass der Empfänger von Eingliederungshilfeleistungen nicht zu einem Kostenbeitrag herangezogen wird, der über den Betrag hinausgeht, der für die Prüfung der Bedürftigkeit wegen einer Grundsicherungsleistung nach §§ 82 ff SGB XII zugrunde zu legen wäre, und dadurch allein wegen seines Einkommens schlechter gestellt würde, als ein behinderter Leistungsempfänger, der weder die Leistungen der Eingliederungshilfe noch seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten kann. Die Notwendigkeit, die Maßstäbe für die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen und die Beteiligung des Leistungsberechtigten an Kosten iS des § 92 Abs 2 SGB XII zu harmonisieren, besteht seit dem Inkrafttreten des SGB XII zum 1.1.2005: Das Mittagessen, das bis zum 31.12.2004 nach § 27 Abs 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) Teil der gewährten Eingliederungshilfeleistung war, wird zwar weiterhin normativ der Eingliederungshilfe unterstellt; es ist integraler Bestandteil der Eingliederungshilfe (BSGE 102, 126 ff = SozR 4-3500 § 54 Nr 3). Da mit Inkrafttreten des SGB XII eine Trennung zwischen der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Hilfe in besonderen Lebenslagen aufgegeben und die Hilfe zum Lebensunterhalt wie die einzelnen Leistungsarten der Hilfe in besonderen Lebenslagen als gleichwertige Leistungen in unterschiedlichen Notlagen nebeneinandergestellt werden sollte (vgl dazu BT-Drucks 15/1514 S 53 f) und damit eine dem § 27 Abs 3 BSHG entsprechende Regelung nicht übernommen worden ist, kommen bei Maßnahmen in teilstationären Einrichtungen - wie einer WfbM - aber seither daneben Ansprüche auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (oder nach dem 3. Kapitel) in Betracht. Erhält der behinderte Leistungsberechtigte zugleich Leistungen der Grundsicherung und ein für ihn kostenfreies Mittagessen im Rahmen der Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe, ist einerseits der Regelbedarf abweichend festzulegen, um die im Regelbedarf pauschal enthaltenen Kosten nicht mehrfach zu berücksichtigen (vgl BSGE 99, 252 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3). Andererseits darf der zu fordernde Kostenbeitrag eines Empfängers von Eingliederungshilfeleistungen, für den nach Berücksichtigung von Einkommen iS der §§ 82 bis 84 SGB XII ein Anspruch nach dem 3. oder 4. Kapitel nicht besteht, die individuelle Ersparnis, die sich insoweit wegen der in der Eingliederungshilfe inkludierten Leistung zum Lebensunterhalt ergibt, nicht übersteigen (vgl bereits BSGE 121, 129 = SozR 4-3500 § 92 Nr 2, RdNr 25 zu stationären Leistungen).

19

Ob der so ermittelte Kostenbeitrag vom Leistungsempfänger gefordert werden kann, bestimmt sich nach den jeweiligen Einkommensverhältnissen des Behinderten. Insoweit regelt § 92 Abs 2 Satz 4 SGB XII, dass die Aufbringung der Mittel nach Satz 1 Nr 7 aus dem Einkommen nicht zumutbar ist, wenn das Einkommen des behinderten Menschen insgesamt einen Betrag in Höhe des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 nicht übersteigt. In diesen Fällen darf ein Kostenbeitrag von vornherein nicht gefordert werden, unabhängig davon, wie sich die individuelle Bedarfslage des Leistungsempfängers im Übrigen darstellt. § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 7, Satz 4 SGB XII normiert damit (ergänzend zu §§ 85 ff SGB XII) eine weitere Privilegierung, weil für die Kostenbeteiligung an den genannten Maßnahmen nur das Einkommen des Leistungsberechtigten herangezogen wird und eine Beteiligung an anderen Kosten als den Kosten des Lebensunterhalts überhaupt ausscheidet.

20

Übersteigt das Einkommen des behinderten Menschen den doppelten Eckregelsatz, scheidet eine Heranziehung zu einem Kostenbeitrag auch dann aus, wenn im Einzelfall der (fiktive) Gesamtbedarf nach den maßgeblichen Vorschriften zur Hilfe zum Lebensunterhalt bzw der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung unter Berücksichtigung des geforderten Kostenbeitrags nicht mehr vom Einkommen gedeckt würde. Diese Prüfung nach §§ 82 ff SGB XII nimmt die Beklagte auch vor; sie steht allerdings nicht in ihrem (pflichtgemäßen) Ermessen - wie sie meint -, sondern ergibt sich aus der dargestellten Konzeption zwingend. Da es sich um einen Beitrag für Kosten des Lebensunterhalts handelt, der seit dem 1.1.2005 im Falle der Bedürftigkeit durch Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt bzw Grundsicherungsleistungen gedeckt wird, muss Einkommen zunächst für diese (verbleibenden) Bedarfe eingesetzt werden, bevor ein Kostenbeitrag gefordert werden kann. Zu überprüfen ist also, welche Bedarfe für den Lebensunterhalt (Regelbedarfe, Mehrbedarfe und Bedarfe für Kosten der Unterkunft und Heizung) im Einzelfall bestehen. Dabei ist von dem Regelbedarf indes der Wert für das Mittagessen abzusetzen, um dessen Beteiligung es geht (vgl erneut BSGE 99, 252 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3 RdNr 17).

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Dagegen finden die Einkommensgrenzen des Zweiten Abschnitts des 11. Kapitels (vgl §§ 85 ff SGB XII) bei der Prüfung, ob eine Heranziehung zu den Kosten des Mittagessens bei teilstationären Eingliederungshilfemaßnahmen nach dessen Vierten Abschnitt zumutbar ist, keine Anwendung. Die oben dargestellte Privilegierung wegen der Beteiligung an den Kosten des Lebensunterhalts ist in § 92 Abs 2 SGB XII abschließend geregelt. Nur so wird eine vom Gesetzgeber nicht gewollte (wesentliche) Besserstellung gegenüber behinderten Leistungsberechtigten vermieden, die neben einer teilstationären Leistung der Eingliederungshilfe auf Hilfen zum Lebensunterhalt bzw Grundsicherungsleistungen angewiesen sind und bei denen die Grundsicherungsleistung ggf um die in Rede stehenden Anteile zu vermindern ist. Dieses gesetzgeberische Verständnis macht die Streichung des § 88 Abs 1 Nr 3 SGB XII (in der bis zum 6.12.2006 geltenden Fassung) mit dem Gesetz zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze (vom 6.12.2006 - BGBl I 2670) deutlich. Die dort vorgesehen gewesene Ermessensprüfung wegen des Einsatzes von Einkommen unterhalb der Einkommensgrenze des § 85 SGB XII, soweit bei teilstationären oder stationären Leistungen Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden, hat der Gesetzgeber gestrichen und durch § 92a SGB XII ersetzt, der die Prüfung nach § 92 Abs 2 SGB XII aber unberührt lässt (vgl § 92a Abs 4 SGB XII). Begründet hat der Gesetzgeber dies mit dem Hinweis, die Hilfe zum Lebensunterhalt sei nicht mehr Bestandteil der Leistungen nach dem 5. bis 9. Kapitel (vgl BR-Drucks 617/06 S 19). Das verdeutlicht, dass eine solche Prüfung, die sich auf die Kosten für den Lebensunterhalt bezieht, nach §§ 85 ff SGB XII insgesamt nicht (mehr) vorgesehen ist.

22

Schließlich wird das LSG zu beachten haben, dass ein Anspruch des Klägers ggf aus § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X folgen könnte, wenn sich zwar die Ausgangsentscheidung im Ergebnis der Überprüfung an den neuen rechtlichen Verhältnissen als zutreffend erweist, sich aber in der Zwischenzeit die Verhältnisse (erneut) geändert haben. Eine solche Änderung der Verhältnisse könnte dazu geführt haben, dass sich ein geringerer Heranziehungsbeitrag ergeben hat.

23

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

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