Beschluss vom Bundessozialgericht (6. Senat) - B 6 KA 62/17 B
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Mai 2017 wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
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Der Streitwert wird auf 60 000 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Die Klägerin, eine privatrechtliche Stiftung, betreibt ua ein Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) in der M straße Derzeit besteht eine Ermächtigung bis 2020. Im August 2012 beantragte sie einen "2. Standort S straße für die Betreuung chronisch kranker Kinder". Der Zulassungsausschuss lehnte diesen Antrag ebenso ab wie der beklagte Berufungsausschuss (Beschlüsse vom 17.7.2013 und 29.4.2014). Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27.10.2015 abgewiesen. Das LSG hat mit Urteil vom 24.5.2017 die Berufung zurückgewiesen. Der Standort S straße sei von der bestehenden Ermächtigung nicht erfasst. Er sei auch nicht als Zweigpraxis analog § 24 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) genehmigungsfähig.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, zu deren Begründung sie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend macht.
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II. Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.
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1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG liegen nicht vor. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Frage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt. Das ist hier der Fall.
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Die Klägerin fragt:
"Ist bei einem sozialpädiatrischen Zentrum, das gemäß § 119 SGB V ermächtigt ist, die Errichtung einer Zweigstelle bzw. Zweigpraxis zur Ermächtigung bzw. Genehmigung grundsätzlich möglich, dies analog § 24 Ärzte-ZV und analog § 118 Abs. 4 SGB V oder aus anderen gesetzlichen Grundlagen?"
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Für die Beantwortung dieser Frage bedarf es der Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht. Der Senat hat die Frage zwar nicht ausdrücklich entschieden. Sie lässt sich aber ohne Weiteres beantworten. Wie die Vorinstanzen zu Recht herausgestellt haben, ist eine Außen- oder Zweigstelle eines SPZ nicht im Gesetz vorgesehen. Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber auch im Zusammenhang mit der Einführung einer speziellen Ermächtigungsnorm für Außenstellen von Psychiatrischen Institutsambulanzen, § 118 Abs 4 SGB V, keine Veranlassung gesehen hat, eine entsprechende Regelung für SPZ zu treffen. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ermächtigung für räumlich und organisatorisch nicht an ein Krankenhaus angegliederte Außenstellen von Psychiatrischen Institutsambulanzen nach § 118 Abs 1 SGB V wurden im Hinblick auf die besondere Bedeutung der psychiatrischen Versorgung insbesondere von Kindern und Jugendlichen gelockert (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, BT-Drucks 18/5123 S 133), § 119 SGB V wurde nicht geändert. Nach Sinn und Zweck der SPZ besteht insofern auch keine Regelungslücke, die eine analoge Anwendung von § 118 Abs 4 SGB V oder § 24 Abs 3 Ärzte-ZV rechtfertigen würde. SPZ bieten in integrierter Form spezielle medizinische, psychologische, pädagogische und soziale Maßnahmen an (vgl BT-Drucks 11/2237 S 202 zu § 128). Ausgerichtet ist die Behandlung im SPZ auf Kinder, deren Versorgung nicht bereits durch die Angebote von Kinderärzten und von Frühförderstellen ausreichend sichergestellt wird. Das differenzierte und hochspezialisierte, aber bezogen auf den Versorgungsauftrag umfassende Leistungsangebot dieser Zentren soll auf die Kinder- und Jugendlichen konzentriert werden, die gerade auf diese Leistungen angewiesen sind (BSGE 120, 254 = SozR 4-2500 § 119 Nr 2, RdNr 28). Dabei stehen Anforderungen an die Wohnortnähe nicht im Vordergrund (BSG aaO RdNr 32). Nach dieser Konzeption geht es in erster Linie um ein Angebot von einerseits hochspezialisierten und andererseits umfassenden interdisziplinären Leistungen. Um ein Ineinandergreifen der unterschiedlichen Leistungen zu gewährleisten, ist, wie bereits der Begriff des "Zentrums" verdeutlicht, auch eine räumliche Zusammenfassung des Leistungsangebots erforderlich.
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Es kann offenbleiben, ob, wie das SG in Übereinstimmung mit dem LSG Berlin-Brandenburg meint (vgl Urteil vom 10.12.2014 - L 7 KA 102/13 - Juris RdNr 42), die Leistungen auch in nur gering entfernten Gebäuden mit unterschiedlichen Anschriften erbracht werden können. Da zu jedem Zeitpunkt klar erkennbar sein muss, an welchem Ort und von welcher Person Leistungen zu Lasten der GKV erbracht werden, dürfte dies nur zulässig sein, wenn alle Anschriften im Ermächtigungsbescheid aufgeführt sind. Eine solche Konstellation ist hier jedoch nicht gegeben. Die beantragte Außenstelle befindet sich nach den Feststellungen des LSG 7,8 km vom Standort des SPZ entfernt. Eine räumliche Einheit kann danach nicht mehr angenommen werden, weil das Leistungsgeschehen von einem längeren Weg unterbrochen würde. Soweit am neuen Standort nicht nur einzelne Leistungen, sondern sämtliche Leistungen eines SPZ erbracht werden sollen, handelt es sich um eine Neugründung, für die nach allgemeinen Grundsätzen eine Ermächtigung zu beantragen und eine spezielle Bedarfsprüfung (vgl dazu BSGE 120, 254 = SozR 4-2500 § 119 Nr 2, RdNr 30 ff) durchzuführen wäre.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Als erfolglose Rechtsmittelführerin hat die Klägerin auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen (§ 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO).
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3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
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Referenzen
- § 119 SGB V 2x (nicht zugeordnet)
- § 118 Abs. 4 SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- § 24 Ärzte-ZV 1x (nicht zugeordnet)
- § 24 Abs 3 Ärzte-ZV 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x
- 7 KA 102/13 1x (nicht zugeordnet)
- § 118 Abs 1 SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- § 47 Abs 1 und 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 118 Abs 4 SGB V 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 154 ff VwGO 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 160 2x