Beschluss vom Bundesverfassungsgericht (2. Senat) - 2 BvR 651/16
Tenor
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Die Ablehnung des Richters Müller wegen Besorgnis der Befangenheit wird für begründet erklärt.
Gründe
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A.
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Der Beschwerdeführer ist ein Sterbehilfeverein, der unter anderem den Zweck verfolgt, Mitgliedern, die aus dem Leben scheiden wollen, einen begleiteten Suizid zu ermöglichen. Seine Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen § 217 Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung des Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung vom 3. Dezember 2015 (BGBl I S. 2177). Die Vorschrift lautet:
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§ 217 Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung
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(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
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(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.
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Der Beschwerdeführer lehnt den Richter Müller wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
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I.
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1. In einer Kanzelrede, die er am 9. Dezember 2001 in der evangelischen Christuskirche in Dormagen hielt, bekannte sich Richter Müller, damals Ministerpräsident des Saarlands, zum Grundsatz der "Nichtverfügbarkeit des Lebens", lehnte aktive Sterbehilfe ab und forderte zugleich mehr Begleitung und Hilfe für Sterbende.
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2. Am 7. März 2006 fand ein Treffen der saarländischen Landesregierung unter Vorsitz des Ministerpräsidenten Müller mit Vertretern der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Evangelischen Kirche der Pfalz statt. Eine anschließende Presseerklärung gab das Ergebnis des Treffens wie folgt wieder:
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"Einmütig verurteilen Land und Kirchen die mit der in Niedersachsen erfolgten Gründung des Vereins 'Dignitas Deutschland' einhergehende geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung. Gemeinsam mit Thüringen will das Saarland nach Gründung des Vereins gegen die Zulassung solcher aktiven Sterbehilfe vorgehen und für die Schaffung eines entsprechenden Straftatbestandes eintreten".
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Mit Schreiben an den Bundesratspräsidenten vom 27. März 2006 übersandte Ministerpräsident Müller den von Saarland, Hessen und Thüringen getragenen Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der geschäftsmäßigen Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung. Dieser sah vor, folgenden neuen § 217 in das Strafgesetzbuch einzufügen:
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§ 217 Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung
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Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit vermittelt oder verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.
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Der Bundesrat verwies den Entwurf in seiner Sitzung am 7. April 2006 in die Ausschüsse (BRDrucks 230/06). Nachdem sich weder für diesen noch für einen alternativen Entwurf (BRDrucks 436/08) eine Mehrheit fand, beschloss der Bundesrat am 4. Juli 2008, die Beratung der Vorlage zu vertagen und die Ausschussberatungen fortzusetzen. Ferner fasste er eine Entschließung, wonach ein gesetzgeberisches Handeln noch im laufenden Jahr geboten sei. Diese Entschließung wurde in der Plenarsitzung des Bundesrats vom 11. April 2014 für erledigt erklärt.
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3. § 217 StGB in seiner verfahrensgegenständlichen Fassung beruht auf einer Initiative mehrerer Abgeordneter des Deutschen Bundestags, die den Gesetzentwurf am 1. Juli 2015 eingebracht hatten (BTDrucks 18/5373). Dieser Gesetzentwurf nimmt mehrfach auf den von Ministerpräsident Müller vorgelegten Gesetzentwurf aus dem Jahr 2006 und dessen Begründung (BRDrucks 230/06) Bezug.
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II.
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Zur Begründung seiner mit Schriftsatz vom 20. Februar 2017 erklärten Ablehnung des im November 2011 vom Bundesrat zum Richter des Bundesverfassungsgerichts gewählten Richters Müller wegen Besorgnis der Befangenheit hat der Beschwerdeführer ausgeführt: Die Zuleitung des Gesetzentwurfs an den Bundesrat im Jahre 2006 sei für den jetzigen Richter Müller keine Routine exekutiven Handelns, sondern ein Ausnahmevorgang gewesen, für den er sich persönlich engagiert habe. Richter Müller sei politischer Initiant und geistiger Urheber eines Gesetzgebungsverfahrens gewesen, das auf ein strafrechtliches Verbot der geschäftsmäßigen Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung abgezielt habe. Eine Besonderheit liege in der gesellschaftspolitischen Brisanz der Regelungsmaterie, die eine auch von taktischen Erwägungen geprägte intensive Abstimmung der drei an der Gesetzesinitiative beteiligten Landesregierungen und ihrer Ministerpräsidenten nahelege. Auch die Pressekonferenz vom 7. März 2006 anlässlich des Treffens des saarländischen Kabinetts mit der Evangelischen Kirche zeige das persönliche Engagement des damaligen Ministerpräsidenten Müller.
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Der am 27. März 2006 von Ministerpräsident Müller in den Bundesrat eingebrachte Gesetzentwurf bilde hinsichtlich seiner rechtspolitischen Zielsetzung, Tatbestandsbeschreibung, strafrechtsdogmatischen Struktur und der wesentlichen Begründungsmuster das Referenzmodell für alle nachfolgenden Gesetzentwürfe, einschließlich des nunmehr verfahrensgegenständlichen § 217 StGB. In dem Gesetzentwurf zu diesem Straftatbestand werde an fünf Stellen auf den früheren Gesetzentwurf Bezug genommen. Dieser habe in erheblichem Ausmaß, insbesondere bei der Gesetzesbegründung, als Vorbild gedient.
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Der damalige Gesetzentwurf und der verfahrensgegenständliche § 217 StGB stimmten in ihrer tatbestandlichen und dogmatisch-strukturellen Ausgestaltung nahezu vollständig überein. Aufgrund dieser weitgehenden Deckungsgleichheit seien beide Gesetzentwürfe derart aufeinander bezogen, dass es denkunmöglich sei, sie bei Zugrundelegung derselben verfassungsrechtlichen Maßstäbe unterschiedlich zu beurteilen. Damit müsste sich Richter Müller selbst attestieren, dass er seinerzeit ein verfassungswidriges Strafgesetz im Bundesrat eingebracht habe. Zudem müsste er eine komplette innere Kehrtwende vollziehen, die in Widerspruch zu seinen über Jahre hinweg öffentlichkeitswirksam vorgetragenen rechtspolitischen Bestrebungen gegen organisierte Suizidassistenz stünde. Die Gesamtwürdigung dieser Umstände begründe die nachvollziehbare Sorge des Beschwerdeführers, dass Richter Müller bei der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 217 StGB schon so festgelegt sei, dass er sich kein unvoreingenommenes Urteil über die vom Beschwerdeführer vorgetragenen verfassungsrechtlichen Argumente mehr bilden könne.
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III.
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Richter Müller hat zu dem Ablehnungsgesuch am 11. April 2017 Stellung genommen. Er selbst sehe sich auch angesichts der in seinem damaligen politischen Amt vorgenommenen und - soweit verfahrensrelevant - mehr als zehn Jahre zurückliegenden Positionierungen in der Lage, der Erwartung des Verfassungs- und Gesetzgebers zu entsprechen, seine Aufgabe als Richter des Bundesverfassungsgerichts im vorliegenden Fall unvoreingenommen und unabhängig von seiner früheren politischen Tätigkeit wahrzunehmen. Davon sei allerdings die für das Vorliegen der Besorgnis der Befangenheit maßgebliche Frage zu unterscheiden, ob aus der Sicht eines Dritten Anlass bestehe, an dieser Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Zwar sei insoweit von der gesetzgeberischen Wertung auszugehen, dass selbst die Beteiligung am Verfahren zum Erlass der entscheidungserheblichen Vorschrift - die vorliegend nicht gegeben sei - weder die Ausschließung noch die Besorgnis der Befangenheit eines Richters begründe. Allerdings könnte hier eine abweichende Bewertung angesichts der mit der beschlossenen Fassung des § 217 StGB weitgehend inhaltsgleichen Bundesratsinitiative des Saarlands möglicherweise deshalb in Betracht kommen, weil die zu entscheidenden verfassungsrechtlichen Fragen wie etwa die Reichweite des aus der Menschenwürde fließenden Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen, die Unverfügbarkeit menschlichen Lebens sowie daraus folgender staatlicher Schutzpflichten von ethischen Vorverständnissen nicht vollkommen abgelöst werden könnten und Problematiken wie diejenige, ob dem Anspruch auf menschenwürdiges und selbstbestimmtes Sterben durch palliative medizinische Versorgung hinreichend Rechnung getragen werden könne, wertungsfreier Erkenntnis vielleicht nicht zugänglich seien.
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B.
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Richter Müller ist nicht gemäß § 18 BVerfGG kraft Gesetzes von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen (I.). Jedoch ist die Ablehnung des Richters Müller gemäß § 19 BVerfGG wegen Besorgnis der Befangenheit begründet (II.).
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I.
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Richter Müller ist nicht kraft Gesetzes von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen (§ 18 BVerfGG).
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1. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG ist ein Richter des Bundesverfassungsgerichts von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen, wenn er in derselben Sache von Amts oder Berufs wegen tätig gewesen ist. Die Ausschlussregelung ist als Ausnahmetatbestand konzipiert und deshalb eng auszulegen. Das Tatbestandsmerkmal "in derselben Sache" in § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG ist - in Übereinstimmung mit den Ausschlussregelungen anderer fachgerichtlicher Verfahrensordnungen - stets in einem konkreten, strikt verfahrensbezogenen Sinne zu verstehen. Zu einem Ausschluss kann deshalb regelmäßig nur eine Tätigkeit in dem verfassungsgerichtlichen Verfahren selbst oder in dem diesem unmittelbar vorausgegangenen und ihm sachlich zugeordneten Verfahren führen (vgl. BVerfGE 47, 105 <108>; 72, 278 <288>; 78, 331 <336>; 82, 30 <35 f.>; 109, 130 <131>; 133, 163 <165 f. Rn. 6>; 135, 248 <254 Rn. 16>). Nicht als eine solche Tätigkeit gelten die Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren (§ 18 Abs. 3 Nr. 1 BVerfGG) oder die Äußerung einer wissenschaftlichen Meinung zu einer Rechtsfrage, die für das Verfahren bedeutsam sein kann (§ 18 Abs. 3 Nr. 2 BVerfGG).
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2. Richter Müller war zum einen vor dem Antritt seines Richteramtes nicht "in derselben Sache" tätig (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG). Der von ihm am 27. März 2006 in den Bundesrat eingebrachte Gesetzentwurf fand keine Mehrheit; das verfahrensgegenständliche Gesetz beruht auf einer neuen, eigenständigen Gesetzesinitiative aus der Mitte des Bundestags ohne seine Beteiligung. Zum anderen gilt eine Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren nach § 18 Abs. 3 Nr. 1 BVerfGG nicht als Tätigkeit in derselben Sache.
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II.
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Die Ablehnung des Richters Müller nach § 19 BVerfGG wegen Besorgnis der Befangenheit ist begründet.
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1. Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters des Bundesverfassungsgerichts nach § 19 BVerfGG setzt einen Grund voraus, der geeignet ist, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 82, 30 <37>; 101, 46 <50 f.>; 108, 122 <126>; 142, 18 <21 Rn. 11>). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich parteilich oder befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält. Entscheidend ist allein, ob bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass besteht, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 73, 330 <335>; 82, 30 <38 f.>; 98, 134 <137>; 102, 122 <125>; 108, 122 <126>; 135, 248 <257 Rn. 23>; 142, 18 <21 Rn. 11>). Bei den Vorschriften über die Besorgnis der Befangenheit geht es auch darum, bereits den "bösen Schein" einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit zu vermeiden (vgl. BVerfGE 108, 122 <129>).
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a) Den Bestimmungen über die Wahl von Richtern des Bundesverfassungsgerichts (Art. 94 Abs. 1 GG, §§ 3 ff. BVerfGG) liegt als selbstverständlich, sogar als erwünscht, zugrunde, dass auch Personen, die als Repräsentanten von Parteien politische Funktionen in den Parlamenten ausgeübt oder politische Ämter in den Regierungen bekleidet haben, zu Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts gewählt und ernannt werden können, um ihre politischen Erfahrungen für die Verfassungsrechtsprechung fruchtbar zu machen. Damit geht die Erwartung des Verfassungs- und Gesetzgebers einher, dass Richter des Bundesverfassungsgerichts über jene Unabhängigkeit und Distanz verfügen, die sie befähigen, in Unvoreingenommenheit und Objektivität zu entscheiden (vgl. BVerfGE 35, 171 <173 f.>), und dass sie ihre Rolle als Richter unabhängig von früheren parteipolitischen Auseinandersetzungen ausüben werden (vgl. BVerfGE 99, 51 <56 f.>; 142, 18 <21 f. Rn. 14>). Wenn ein Richter zuvor Aufgaben politischer Gestaltung zu erfüllen hatte und in diesem Zusammenhang am Wettstreit unterschiedlicher politischer Auffassungen teilnahm, genügt dies für sich genommen nicht, um die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. BVerfGE 99, 51 <56>). Die Kundgabe politischer Meinungen, die ein Richter zu einer Zeit geäußert hat, als er noch nicht Mitglied des Bundesverfassungsgerichts war und daher den besonderen Anforderungen dieses Richteramtes in seinem Verhalten noch nicht Rechnung zu tragen hatte, rechtfertigt eine Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nicht (vgl. BVerfGE 99, 51 <56 f.>; 142, 18 <21 f. Rn. 14>).
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b) Zweifel an der Objektivität eines Richters des Bundesverfassungsgerichts können allerdings berechtigt sein, wenn sich aufdrängt, dass ein innerer Zusammenhang zwischen einer - mit Engagement geäußerten - politischen Überzeugung und seiner Rechtsauffassung besteht (vgl. BVerfGE 35, 246 <253 f.>; 73, 330 <337>; 142, 18 <22 Rn. 15>), oder wenn frühere Forderungen des Richters nach einer Rechtsänderung in einer konkreten Beziehung zu einem während seiner Amtszeit beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren stehen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. Oktober 1986 - 2 BvR 508/86 -, NJW 1987, S. 429; BVerfGK 19, 110 <117 f.>). Entscheidend ist, dass sein Verhalten den Schluss zulässt, dass er einer der seinigen widersprechenden Rechtsauffassung nicht mehr frei und unvoreingenommen gegenübersteht, sondern "festgelegt" ist (BVerfGE 142, 18 <22 Rn. 15>; Klein, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 19 Rn. 9 [Mai 2017]).
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c) Bei der Anwendung des § 19 BVerfGG sind ferner die gesetzgeberischen Wertungen der Vorschrift zum Mitwirkungsausschluss (§ 18 BVerfGG) zu berücksichtigen. Eine Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 19 BVerfGG kann nicht aus den allgemeinen Gründen hergeleitet werden, die nach der ausdrücklichen Regelung des § 18 Abs. 2 und 3 BVerfGG einen Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes nicht rechtfertigen. Es wäre ein Wertungswiderspruch, könnte gerade wegen dieser Gründe dennoch über eine Befangenheitsablehnung ein Richter von der Mitwirkung ausgeschlossen werden. Daher bedarf es zusätzlicher Umstände, die über die bloße Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren hinausgehen, um die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. BVerfGE 82, 30 <38 f.>; 102, 122 <125>; 108, 122 <126>; 135, 248 <257 Rn. 24>). Sie müssen eine besonders enge Beziehung des Richters zu dem zur verfassungsrechtlichen Prüfung anstehenden Gesetz geschaffen haben, wie dies etwa der Fall sein kann, wenn sich der Richter als ehemaliger Politiker für ein politisch stark umstrittenes Gesetz in der Öffentlichkeit besonders engagiert (vgl. Klein, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 19 Rn. 8 [Mai 2017]) oder in einer Weise inhaltlich klar positioniert hat, die das nunmehr anhängige Verfahren unmittelbar betrifft (vgl. Heusch, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 19 Rn. 23).
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2. Der vorliegende Fall ist durch solche besonderen, zusätzlichen Umstände gekennzeichnet, die über eine bloße Mitwirkung des Richters Müller in einem Gesetzgebungsverfahren deutlich hinausreichen und die Besorgnis seiner Befangenheit begründen.
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a) Richter Müller war zwar nicht an demselben, sondern an einem früheren, letztlich gescheiterten Gesetzgebungsverfahren beteiligt. Jedoch sind der Entwurf eines § 217 StGB, den er als damaliger Ministerpräsident des Saarlands in den Bundesrat eingebracht hat (BRDrucks 230/06), und der verfahrensgegenständliche § 217 StGB (BGBl I 2015, S. 2177) weitgehend deckungsgleich. § 217 StGB in der hier zur verfassungsrechtlichen Prüfung anstehenden Fassung unterscheidet sich von dem Gesetzentwurf aus dem Jahr 2006 lediglich in der weiteren Tatbestandsvariante des (unmittelbaren) Gewährens, im nunmehr reduzierten Strafmaß sowie im - in seinem Anwendungsbereich indes geringen (vgl. Brunhöber, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2017, § 217 Rn. 78; Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 217 Rn. 12) - persönlichen Strafausschließungsgrund des Absatzes 2. Auch nimmt die Gesetzesbegründung des verfahrensgegenständlichen § 217 StGB an mehreren Stellen ausdrücklich auf den früheren Gesetzentwurf und dessen Begründung Bezug (BTDrucks 18/5373, S. 12 f., 16, 18).
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b) Der von Richter Müller als früherem Ministerpräsidenten eingebrachte Gesetzesantrag war mit einer Begründung versehen, die dezidiert verfassungsrechtlich argumentierte: Die Straflosigkeit der Selbsttötung und der Teilnahme hieran bedeute nicht, dass ein Recht auf Selbsttötung grundrechtlich anerkannt wäre (BRDrucks 230/06, S. 1). Ein mit Strafe bewehrtes Verbot der geschäftsmäßigen Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung sei zwingend erforderlich, mildere Maßnahmen, etwa eine Zulassungs- oder Kontrollpflicht oder eine unabhängige Beratung des Suizidwilligen, seien nicht ausreichend. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Schutz des Lebens nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein "Höchstwert der Verfassung" sei, der den Gesetzgeber verpflichte, sich schützend und fördernd vor das Leben zu stellen und es vor rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu bewahren. Dem würde es nicht entsprechen, die eigentlich abgelehnte Praxis geschäftsmäßig handelnder Sterbehilfeorganisationen mit einem "Gütesiegel" staatlicher Kontrolle zu versehen (a.a.O., S. 6 f.).
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Richter Müller spielte als damaliger Ministerpräsident des Saarlands nicht nur eine untergeordnete Rolle im Sinne einer bloßen "Mitwirkung" im Gesetzgebungsverfahren (etwa als einzelner Abgeordneter oder als Referent, vgl. BTDrucks 1/788, S. 41). Vielmehr hat er sowohl den politischen Anstoß für das Gesetzgebungsverfahren gegeben als auch das Gesetzgebungsverfahren förmlich initiiert, sich - gemeinsam mit der Evangelischen Kirche - persönlich für ein politisch sehr umstrittenes Gesetz in der Öffentlichkeit besonders engagiert und dabei auch ausdrücklich gegen Sterbehilfevereine gewandt. Bereits mit seiner Kanzelrede im Jahr 2001 hatte Richter Müller aktive Sterbehilfe abgelehnt. Im Jahr 2006 verurteilte er "die mit der Gründung des Vereins 'Dignitas Deutschland' einhergehende geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" und kündigte an, dass das Saarland gemeinsam mit Thüringen "gegen die Zulassung solcher aktiven Sterbehilfe vorgehen und für die Schaffung eines entsprechenden Straftatbestandes eintreten" wolle. So hat sich Richter Müller in seiner vor der Wahl zum Richter des Bundesverfassungsgerichts ausgeübten Funktion als Ministerpräsident in einer klaren inhaltlichen, das nunmehr anhängige Verfahren unmittelbar betreffenden Art und Weise positioniert und - ersichtlich vor diesem Hintergrund - nur wenige Tage darauf auch den Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht.
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In diesem Zusammenhang ist nicht entscheidend, dass das von Richter Müller maßgeblich initiierte Gesetzesvorhaben nicht zeitnah verwirklicht, sondern erst einige Jahre danach durch einen späteren Gesetzentwurf umgesetzt worden ist. Ist ein Richter in einer Weise an einem Gesetzgebungsverfahren beteiligt gewesen, die eine besonders enge, nicht nur aus einem früheren politischen Amt, sondern auch aus seiner persönlichen Überzeugung abzuleitende Verbindung zu dem zur Prüfung vorliegenden Gesetz begründet hat, und stimmt dieses - wie hier - inhaltlich weitgehend mit dem ursprünglichen Gesetzentwurf überein, so lässt auch selbst ein größerer zeitlicher Abstand diese besondere Verbindung nicht wieder entfallen.
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c) Unter diesen Umständen ist die Besorgnis des Beschwerdeführers nachvollziehbar, Richter Müller werde die zu entscheidenden, in hohem Maße wertungsabhängigen und von Vorverständnissen geprägten Rechtsfragen möglicherweise nicht mehr in jeder Hinsicht offen und unbefangen beurteilen können (vgl. BVerfGE 72, 296 <298>; 95, 189 <192>; 135, 248 <259 Rn. 27>).
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