Nichtannahmebeschluss vom Bundesverfassungsgericht (2. Senat 3. Kammer) - 2 BvR 950/21

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

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Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>), weil sie unzulässig ist. Sie genügt den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Substantiierungsanforderungen (1.) in formeller wie in materieller Hinsicht nicht (2.); insbesondere versäumt sie es, hinreichend zu denjenigen den vorliegenden Fall besonders prägenden Tatsachen und Wertungen vorzutragen, die die angegriffenen Entscheidungen möglicherweise zu tragen geeignet sind (3.).

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1. Der Sachverhalt, aus dem sich die Grundrechtsverletzung ergeben soll, ist substantiiert und schlüssig darzulegen. Die hinreichende Begründung einer Verfassungsbeschwerde erfordert einen Vortrag, der das Bundesverfassungsgericht in die Lage versetzt, den angegriffenen Hoheitsakt ohne eigene weitere Nachforschungen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen. Hierzu sind die angegriffenen Gerichtsentscheidungen sowie die zugrundeliegenden behördlichen Maßnahmen vorzulegen oder zumindest ihrem wesentlichen Inhalt nach mitzuteilen beziehungsweise in einer Weise wiederzugeben, die eine Beurteilung erlaubt, ob die Entscheidung mit dem Grundgesetz in Einklang steht (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 93, 266 <288>; 112, 304 <314 f.>). Je nach Angriffsgegenstand kann dies erfordern, neben den angegriffenen Entscheidungen auch andere relevante Entscheidungsgrundlagen, beispielsweise vorangegangene Gerichtsentscheidungen oder Sachverständigengutachten, vorzulegen (BVerfGK 14, 402 <417>), wenn etwa die angegriffene Entscheidung oder die Beschwerdeschrift selbst auf diese Grundlagen verweist (vgl. BVerfGE 78, 320 <327>; 88, 40 <45>).

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Inhaltlich muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht, soweit dies für die verfassungsrechtliche Beurteilung von Belang ist, sowie und insbesondere mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen. Aus dem Vortrag eines Beschwerdeführers muss sich mit hinreichender Deutlichkeit die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung ergeben (vgl. BVerfGE 78, 320 <329>). Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat sich der Beschwerdeführer mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen (vgl. BVerfGE 82, 43 <49>; 86, 122 <127>; 130, 1 <21>); das erfordert in der Regel eine ins Einzelne gehende argumentative Auseinandersetzung mit den angegriffenen Entscheidungen und ihren tragenden Begründungslinien auf der Ebene des Verfassungsrechts am Maßstab der als verletzt gerügten grundrechtlichen Positionen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Oktober 2020 - 2 BvR 1893/20 -, Rn. 1).

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2. Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht.

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a) Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Heranziehung von § 8 Abs. 4 Nr. 1 Buchstabe b SächsJAG als Rechtsgrundlage für die Ablehnung seines Antrags auf Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst im Freistaat Sachsen wendet und demgegenüber von einer Spezialität des § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SächsJAG ausgeht, setzt sich die Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht zureichend mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben für die Überprüfung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung durch das Bundesverfassungsgericht auseinander.

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Auslegung und Anwendung des (einfachen) Gesetzesrechts sind Aufgabe der Fachgerichte und können vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Norm die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f., 96>; 33, 125 <168>; 85, 248 <257 f.>).

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Hieran gemessen verdeutlicht die Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht zureichend, dass die insbesondere vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss vom 29. April 2021 (Rn. 15 bis 18) vertretene Auslegung von § 8 Abs. 3, Abs. 4 SächsJAG willkürlich sein oder auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte beruhen könnte. Dass die auf historisch-genetischen, systematischen und teleologischen Gesichtspunkten fußende Auslegung des Oberverwaltungsgerichts, dass die genannten Vorschriften nicht in einem Spezialitätsverhältnis zueinander stehen, willkürlich sein könnte, ist als zumindest fernliegend einzustufen und tritt aus der Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht ansatzweise hervor. Zudem setzt sich der Beschwerdeführer nicht damit auseinander, dass die angegriffenen Hoheitsakte insbesondere seine Berufsfreiheit auch im Rahmen der Anwendung von § 8 Abs. 4 Nr. 1 Buchstabe b SächsJAG eingehend berücksichtigen und würdigen.

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b) Vermag die Begründung der Verfassungsbeschwerde danach keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Heranziehung von § 8 Abs. 4 Nr. 1 Buchstabe b SächsJAG als Rechtsgrundlage für den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Dresden vom 1. April 2021 zu begründen, so gelingt ihr dies auch nicht hinsichtlich der in den angegriffenen Hoheitsakten vorgenommenen Auslegung dieser Bestimmung, die sich auf die in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten verfassungsrechtlichen Maßstäbe stützt. Dass diese verfassungsrechtlichen Maßstäbe in einem dem Beschwerdeführer günstigen Sinne fortzuentwickeln sein müssten, kann die Begründung der Verfassungsbeschwerde erst recht nicht zureichend darlegen.

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c) Die Begründung der Verfassungsbeschwerde hätte sich schließlich eingehender mit den in den angegriffenen Hoheitsakten zu Lasten des Beschwerdeführers angeführten Tatsachen und ihrer Würdigung auseinandersetzen und deren fundierte verfassungsrechtliche Überprüfung ermöglichen müssen. Das geschieht aber nicht, weil es der Beschwerdeführer versäumt hat, namentlich die vom Antragsgegner des Ausgangsverfahrens eingeholten Auskünfte des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz zu Erkenntnissen über den Beschwerdeführer vorzulegen. Nach den angegriffenen Entscheidungen zeigen diese Erkenntnisse umfangreich und überzeugend, dass es sich bei der Partei "Der III. Weg", der der Beschwerdeführer seit 2013 angehört und in der er bis April 2020 Führungsämter ausübte, um eine Organisation handelt, die darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen beziehungsweise zu beseitigen, dass dies in kämpferisch aggressiver Weise geschieht und dass der Antragsteller dieses Ziel maßgeblich selbst aktiv unterstützt. Der Beschwerdeführer hat die dem Antragsgegner übermittelten Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden auch nicht ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt oder erläutert, warum er sie nicht vorlegen kann.

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3. Deshalb können insbesondere solche Tatsachen - und ihre Bewertung durch die angegriffenen Hoheitsakte - nicht umfassend überprüft werden, die jedenfalls von mitentscheidender Bedeutung sind, weil sie geeignet sein könnten, die gegen den Beschwerdeführer getroffenen Entscheidungen zu tragen. Dazu zählt vor allem, dass nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts der Beschwerdeführer ungeachtet der Niederlegung seiner Führungsämter weiterhin ein wichtiger Aktivist seiner Partei sei und in seinem radikalen Umfeld weiterhin so wahrgenommen werde, was auch durch den Umstand belegt werde, dass noch im November 2020, nachdem sich der Beschwerdeführer beim Antragsgegner des Ausgangsverfahrens erstmals um Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bemüht hatte, in einem Spendenaufruf auf dem Kanal "Die Rechte Braunschweig Hildesheim" um Unterstützung für seinen "Rechtskampf" als "nationaler Aktivist" geworben worden sei. Dazu, ob dieser letztgenannte Umstand als Indiz dafür gewertet werden darf, dass die Behauptung des Beschwerdeführers als falsch gewertet werden muss, er habe sich von seinen früheren herausgehobenen Aktivitäten distanziert, hätte der Beschwerdeführer angesichts der Plausibilität der diesbezüglichen Argumentation in den angegriffenen Hoheitsakten substantiiert vortragen müssen.

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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

12

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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