Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO) - 20 F 4/10

Gründe

I.

1

Im Mai 2008 beantragte die Verbraucherzentrale Bayern beim Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (im Folgenden: Landesamt) Auskunft nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) über Beanstandungen bei Kochschinken, Formschinken und Schinkenimitaten in den Jahren 2007 und 2008. Sie bat mit einer Liste, die 15 Punkte umfasst, um Angabe der Anzahl der insgesamt untersuchten sowie der beanstandeten Proben und je betroffenem Anbieter um die Mitteilung des Namens, der Bezeichnung der Speise, des Herstellers, des Herstellungslandes, des Produktnamens, der Verkehrsbezeichnung, des Fleisch-, Brät- und Fremdwasseranteils, weiterer Bestandteile (Bindemittel, Fremdeiweiß, Eiweißhydrolysate, erhöhter Knochenpartikelanteil) sowie des Beanstandungsgrundes.

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Nach Anhörung der betroffenen Firmen gab das Landesamt dem Antrag der Verbraucherzentrale mit Bescheid vom 1. Oktober 2008 im Wesentlichen statt und legte fest, dass die jeweiligen Datensätze schriftlich zwei Tage nach Bestandskraft des Bescheids erteilt werden. Mit Schreiben vom gleichen Tag übersandte es der Klägerin einen Abdruck des Bescheids und begründete die Informationsfreigabe im Wesentlichen damit, dass Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften nicht unter den Schutz der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse fielen. Beanstandungsgrund sei hier eine irreführende Kennzeichnung sowie Kennzeichnungsmängel gewesen. Von einem Verstoß sei auszugehen, wenn die zuständige Behörde eine Normverletzung festgestellt habe; eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit sei nicht erforderlich. Im Übrigen handele es sich schon nicht um Betriebsgeheimnisse, weil die Analyse des Produkts, nachdem es in den Handel gelangt sei, von jedermann durchgeführt werden könne.

3

Die Klägerin hat gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2008 Anfechtungsklage erhoben. Das Gericht der Hauptsache hat den beklagten Freistaat, vertreten durch das Landesamt, zunächst formularmäßig um Übersendung der Verwaltungsvorgänge gebeten und dies sodann dahin präzisiert, dass nur die Akten angefordert würden, die sich nicht auf die streitgegenständlichen Informationen bezögen. Das Landesamt hat mit Schreiben vom 6. April 2009 die Verwaltungsakten teilweise vorgelegt und die zurückgehaltenen Aktenbestandteile des Näheren beschrieben. Danach handelt es sich um die Labordatensätze zu den Anfrageparametern der betroffenen Firmen sowie um Schriftverkehr, Einlieferungsbelege und Erhebungsbögen mit den Namen und teilweise den Daten der betroffenen Firmen. Bezogen auf die Klägerin werden in dem Schreiben vom 6. April 2009 bestimmte Blattzahlen aus dem Gesamtvorgang bezeichnet, die das Anhörungsverfahren und die mit der Klägerin geführte Korrespondenz betreffen (Seiten 327 bis 488 mit Ausnahme der vorgelegten Seiten 385 bis 388 und 429 bis 452). Mit Schreiben vom 12. Juni 2009 teilte der Berichterstatter dem Beklagten mit, das Gericht sei nach Durchsicht der Akten zu dem Ergebnis gekommen, dass diese für eine Entscheidungsfindung möglicherweise nicht ausreichend seien. Daher werde gebeten, die vollständigen Verwaltungsakten vorzulegen oder eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 VwGO abzugeben.

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Mit Schreiben vom 12. August 2009 nahm der Beigeladene als oberste Aufsichtsbehörde des Landesamts zu der erbetenen Aktenvorlage Stellung und beschrieb dabei auch den Inhalt der dem Gericht nicht vorgelegten, das Verfahren der Klägerin betreffenden Aktenbestandteile, die er als Seiten 327 bis 454 angibt (Seiten 455 bis 488 betreffen nach seinen Angaben nicht das Verfahren der Klägerin). Bei diesen Aktenseiten handelt es sich um Schreiben der Klägerin oder Anlagen zu solchen Schreiben, die Informationen zur Identität der Klägerin, der Verkehrsbezeichnung des beanstandeten Produktes und seiner Vertriebswege enthalten, ferner um ein Gutachten zu einer Verdachtsprobe eines Produktes der Klägerin sowie ein dazugehöriges Probenahmeprotokoll, eine tabellarische Zusammenfassung des Gutachtens sowie um allgemeine Hinweise für Dritte zur Behandlung von Anwaltsschriftsätzen. Zur Frage der Vorlage dieser Aktenbestandteile hat der Beigeladene ausgeführt, dass eine Verweigerung der Vorlage nicht in Betracht komme, weil dafür kein Geheimhaltungsgrund im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO bestehe. Bei dem vom Landesamt festgestellten Sachverhalt handele es sich um einen Verstoß im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG. Deshalb könne sich der Betroffene nach § 2 Satz 3 VIG gegenüber einem Auskunftsbegehren nicht auf Ausschluss- oder Beschränkungsgründe nach § 2 Satz 1 Nr. 2 VIG berufen. Unbeschadet dessen berühre der festgestellte Sachverhalt kein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis; auch sei ein berechtigtes wirtschaftliches Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Firma nicht ersichtlich. § 4 Abs. 3 Satz 3 VIG, der den Informationszugang erst nach Bestandskraft der Entscheidung über das Auskunftsbegehren vorschreibe, stehe der Vorlage im gerichtlichen Verfahren ebenfalls nicht entgegen; die Vorschrift sei kein Gesetz im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Verweigerung der Aktenvorlage nicht gegeben seien, erübrigten sich Ermessenserwägungen. Das Landesamt hat dieses Schreiben des Beigeladenen - ohne die freigegebenen Aktenbestandteile - dem Gericht der Hauptsache vorgelegt.

5

Die Klägerin hat daraufhin beantragt festzustellen, dass die Vorlage der Akten in dem im Schreiben des Beigeladenen vom 12. August 2009 vorgesehen Umfang rechtswidrig sei. Der Vorlage der Akten stünde § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c VIG entgegen. Der Beigeladene könne sich nicht auf § 2 Satz 3 VIG berufen; denn ein Verstoß im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG erfordere die rechtskräftige Feststellung in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren. Außerdem würde die Vorlage der Akten gegen die Verpflichtung zur Geheimhaltung nach Art. 7 Abs. 2 und 3 VO (EG) Nr. 882/2004 verstoßen. Auch § 4 Abs. 3 Satz 3 VIG stehe der Vorlage der Akten entgegen.

6

Der Fachsenat des Verwaltungsgerichtshofs hat mit Beschluss vom 22. Dezember 2009 festgestellt, dass die beabsichtigte Vorlage der Akten rechtmäßig sei. Der Antrag sei nach § 99 Abs. 2 VwGO statthaft; die Vorschrift ermögliche auch die Überprüfung der behördlichen Anordnung der Offenbarung der Akten. Dass das Verwaltungsgericht keinen förmlichen Beweisbeschluss zur Aktenvorlage erlassen habe, sei unschädlich. Die zurückgehaltenen Unterlagen seien zweifelsfrei rechtserheblich, weil der Fall vergleichbar sei mit Hauptsacheverfahren, in denen es um die Verpflichtung der Behörde zur Aktenvorlage gehe. Der Antrag sei jedoch unbegründet. Die Akten seien nicht nach dem Verbraucherinformationsgesetz als einem Gesetz im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geheimzuhalten. Eine Berufung auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder sonstige wettbewerbsrelevante Informationen sei der Klägerin nach § 2 Satz 3 VIG verwehrt. Insoweit reiche aus, dass das Landesamt eine unzutreffende Etikettierung des Schinkenprodukts festgestellt habe; zu einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren müsse es nicht gekommen sein. Diese Auslegung entspreche dem Gemeinschaftsrecht. Unabhängig davon schütze das Gesetz keine ohnehin offenkundigen Umstände. Bei den streitgegenständlichen Informationen gehe es nur darum, dass die auf dem Produkt angebrachte Etikettierung nicht mit dem Produktinhalt übereinstimme. Das betreffe kein Produktionsgeheimnis. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Durchführung amtlicher Kontrollen begründeten ebenfalls keine Geheimhaltungspflicht. Schließlich stehe auch § 4 Abs. 3 Satz 3 VIG nicht entgegen; § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gehe als prozessuale Spezialnorm vor. Eine Ermessensbetätigung des Beigeladenen sei ausnahmsweise nicht erforderlich gewesen, weil das Ergebnis der Abwägung vorgezeichnet sei.

II.

7

Die Beschwerde der Klägerin hat teilweise Erfolg. Über die Rechtmäßigkeit der Absicht des Beigeladenen, dem Verwaltungsgericht die Akten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in dem im Schreiben vom 12. August 2009 festgelegten Umfang vorzulegen, kann in der Sache nicht entschieden werden, weil es derzeit an einer förmlich verlautbarten Entscheidung des Gerichts der Hauptsache zur Entscheidungserheblichkeit der betreffenden Akten und damit an einer notwendigen Voraussetzung für eine Feststellung des Fachsenats nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO fehlt. Das führt in der vorliegenden Konstellation dazu, dass die beabsichtigte Freigabe der Akten durch den Beigeladenen vorerst nicht vollzogen werden darf. Im Einzelnen:

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1. Der Fachsenat des Verwaltungsgerichtshofs ist zutreffend davon ausgegangen, dass mit einem Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht nur die Rechtmäßigkeit einer Sperrerklärung der obersten Aufsichtsbehörde zur Überprüfung gestellt werden kann, sondern ebenso die behördliche Entscheidung, einem Aktenvorlageersuchen des Verwaltungsgerichts zu entsprechen, sei es, weil schon Geheimhaltungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO verneint werden, sei es, weil im Rahmen der Ermessensentscheidung die Abwägung zugunsten einer Vorlage ausfällt (Beschlüsse vom 14. August 2003 - BVerwG 20 F 1.03 - BVerwGE 118, 350 ff.; vom 12. Januar 2006 - BVerwG 20 F 12.04 - BVerwGE 125, 40 ; vom 22. März 2007 - BVerwG 20 F 3.06 - juris Rn. 3 bis 6).

9

2. Der Fachsenat des Verwaltungsgerichtshofs hat aber zu Unrecht angenommen, dass die für eine Sachentscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Sperrerklärung oder - hier - einer Freigabeerklärung grundsätzlich erforderliche förmlich verlautbarte Entscheidung des Hauptsachegerichts zur Entscheidungserheblichkeit der in Rede stehenden Unterlagen ausnahmsweise entbehrlich sei, weil die Unterlagen, die der Beigeladene in seinem Schreiben vom 12. August 2009 bezeichnet hat, zweifelsfrei rechtserheblich seien.

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a) Vor Einleitung des Zwischenverfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO bedarf es zur Klarstellung seines Gegenstandes grundsätzlich einer förmlichen Verlautbarung des Gerichts der Hauptsache, dass es die von der obersten Aufsichtsbehörde zurückgehaltenen oder - hier - freigegebenen Akten, Unterlagen oder Dokumente für die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts benötigt. Ein formelhafter Beschluss, in dem schlicht darauf hingewiesen wird, dass die Vorlage der streitigen Verwaltungsvorgänge als entscheidungserheblich angesehen wird, genügt dafür grundsätzlich nicht (Beschluss vom 17. März 2008 - BVerwG 20 F 42.07 - juris Rn. 5), erst recht nicht die formlose Mitteilung des Berichterstatters, dass die bislang übersandten Akten "möglicherweise" für eine Entscheidungsfindung des Gerichts nicht ausreichten. Das Gericht der Hauptsache muss vielmehr durch Angabe des Beweisthemas deutlich machen, dass es die Unterlagen oder Dokumente als erheblich ansieht. Je nach Fallkonstellation darf sich das Hauptsachegericht dabei nicht allein auf die Angabe des Beweisthemas und der als entscheidungserheblich erachteten Aktenteile (Beweismittel) beschränken, sondern muss in den Gründen des Beschlusses zur Entscheidungserheblichkeit im konkreten Fall - sei es mit Blick auf die Zulässigkeit des Rechtsschutzbegehrens, sei es unter Darlegung der materiellrechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs sowie der fachgesetzlichen Ablehnungsgründe - Stellung nehmen (Beschlüsse vom 31. August 2009 - BVerwG 20 F 10.08 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 55 Rn. 3 und vom 22. Januar 2009 - BVerwG 20 F 5.08 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 53 Rn. 2).

11

Ein grundsätzlich erforderlicher Beweisbeschluss oder eine vergleichbare förmliche Äußerung des Hauptsachegerichts zur Klärung der rechtlichen Erheblichkeit des Akteninhalts für die Entscheidung des Rechtsstreits ist nur ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn die zurückgehaltenen oder freigegebenen Unterlagen zweifelsfrei rechtserheblich sind. Das ist dann der Fall, wenn die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten bereits Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache ist und die dortige Entscheidung von der allein anhand des Inhalts der umstrittenen Akten zu beantwortenden Frage abhängt, ob die Akten, wie von der Behörde oder dem einer Freigabe widersprechenden Beteiligten geltend gemacht, geheimhaltungsbedürftig sind (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 19. April 2010 - BVerwG 20 F 13.09 - juris Rn. 4 ; Beschluss vom 25. Juni 2010 - BVerwG 20 F 1.10 - juris Rn. 7).

12

Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten oder - hier - die Rechtmäßigkeit einer Informationsfreigabe ist, folgt jedoch nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das "in-camera"-Verfahren. Demgemäß hat der Senat schon bislang nach der Art der geltend gemachten Geheimhaltungsgründe differenziert. Werden materiellrechtliche Geheimhaltungsgründe geltend gemacht, also Gründe, die sich unmittelbar aus dem Inhalt der Akte ergeben, liegt es in der Regel auf der Hand, dass sich im Streitfall nur durch Einsichtnahme in die Akten verlässlich klären lässt, ob der Geheimhaltungsgrund vorliegt, während über prozedurale Geheimhaltungsgründe bei entsprechender Substantiierung des (abstrakten) Akteninhalts unter Umständen auch ohne Kenntnis des konkreten Akteninhalts befunden werden kann (Beschluss vom 25. Juni 2010 a.a.O.).

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b) Der vorliegende Fall zeigt, dass es Konstellationen geben kann, bei denen auch für die Feststellung, ob einem Informationsanspruch materielle Geheimhaltungsgründe entgegenstehen, der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein muss. Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens ist der Bescheid des Landesamtes vom 1. Oktober 2008, mit dem dem Auskunftsanspruch der Verbraucherzentrale stattgegeben wird. Ob dieser Bescheid rechtmäßig ist oder die Klägerin in ihren Rechten verletzt, hängt maßgeblich davon ab, ob das Fachrecht zugunsten der Klägerin Geheimhaltungsgründe bereithält. Demgemäß streiten die Beteiligten in erster Linie darüber, ob es sich bei den Daten, die der Verbraucherzentrale mitgeteilt werden sollen, um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder sonstige wettbewerbsrelevante Informationen im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c VIG handelt und - bejahendenfalls - ob deren Schutz nach § 2 Satz 3 VIG ausgeschlossen ist, weil es sich um Informationen über Verstöße gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG handelt. Für die Entscheidung dieser Fragen reicht es zunächst aus, den Gegenstand der in Rede stehenden Daten in den Blick zu nehmen, wie er in dem Bescheid mit der die 15 Punkte umfassenden Liste abstrakt beschrieben wird. Ob etwa Angaben über den Hersteller, den Produktnamen, den Fleischanteil oder den Beanstandungsgrund nach den Umständen des Falles unter § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c VIG fallen, kann unabhängig davon entschieden werden, um welche konkreten Daten es geht. Mit anderen Worten: Das Gericht der Hauptsache muss nicht den jeweiligen Produktnamen oder etwa das konkrete Analyseergebnis kennen, um entscheiden zu können, ob es sich bei diesen Angaben um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder sonstige wettbewerbsrelevante Informationen handelt. Das gilt erst recht für die Beantwortung der Frage, ob es sich bei diesen Daten schon deshalb nicht (mehr) um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse handelt, weil sich das Produkt im Handel befindet. Aufklärungsbedarf würde sich an dieser Stelle erst dann ergeben, wenn Zweifel daran bestünden, ob der die Klägerin betreffende Datensatz, der der Verbraucherzentrale mitgeteilt werden soll, tatsächlich nur die Angaben enthält, die in dem Bescheid mit der Liste abstrakt beschrieben werden. Darüber besteht zwischen den Beteiligten aber kein Streit. Der Klägerin ist im Rahmen ihrer Anhörung der Datensatz bekannt gegeben worden und sie hat keinen Anlass gesehen, eine etwaige Abweichung von dem abstrakt beschriebenen Dateninhalt zu rügen.

14

Ähnliches gilt für die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob ein Verstoß im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG stets - wie die Klägerin meint - eine festgestellte Ordnungswidrigkeit oder Straftat erfordert. Angesprochen ist insoweit die Auslegung des Begriffs "Verstoß" im Sinne des Verbraucherinformationsgesetzes, über dessen Konturen in Rechtsprechung und Schrifttum unter verschiedenen Aspekten, etwa unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Berufsfreiheit betroffener Unternehmer und der Bedeutung des § 5 Abs. 3 VIG, aber auch in Bezug auf die Feststellungskompetenz, unterschiedliche Auffassungen geäußert werden (vgl. etwa VGH Mannheim, Urteil vom 13. September 2010 - VGH 10 S 2/10 - juris Rn. 20 ff. m.w.N.; Zilkens, NVwZ 2009, 1465 f.; Wustmann, ZLR 2007, 242 ff.). Erst wenn das Gericht der Hauptsache diese Aspekte insgesamt im Sinne des Rechtsstandpunkts des Beklagten beantwortete, könnte es in einem weiteren Prüfungsschritt darauf ankommen, ob es ausreicht, dass das Landesamt aufgrund hinreichend konkreter Informationen eine Abweichung von Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs annimmt (hier: irreführende bzw. unzutreffende Angaben auf dem Etikett) oder ob diese Annahme des Landesamtes vom Gericht der Hauptsache bestätigt werden muss, um einen Verstoß bejahen zu können. Dann freilich - und nur dann - wäre die Kenntnis erforderlich, welche konkrete Angabe auf dem Etikett im Hinblick auf welchen Inhalt des Produkts beanstandet worden ist. Über diese vorgelagerten Rechtsfragen muss sich das Gericht der Hauptsache zunächst Klarheit verschaffen.

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Keine Kenntnis der konkreten Daten erfordern schließlich die im Verfahren aufgeworfenen weiteren Rechtsfragen, namentlich ob die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Datenfreigabe gegen Gemeinschaftsrecht verstößt und ob sie in Konflikt mit § 4 Abs. 3 Satz 3 VIG gerät.

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c) Dass im Hauptsacheverfahren je nach Verständnis des Verbraucherinformationsgesetzes auf der Grundlage des bislang feststehenden Sachverhalts über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids entschieden werden kann, zeigt nicht zuletzt der Beschluss des Fachsenats des Verwaltungsgerichtshofs selbst. Der Fachsenat hat den Informationsanspruch und mögliche Ausschluss- und Beschränkungsgründe nach Maßgabe des Verbraucherinformationsgesetzes und des Gemeinschaftsrechts geprüft und ist dabei zu einem eindeutigen Ergebnis gelangt, ohne dazu auf den Inhalt der in Rede stehenden Akten, die ihm nicht vorlagen, zurückgreifen zu müssen. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass es keiner förmlichen Verlautbarung des Hauptsachegerichts bedurft habe, weil der Akteninhalt zweifelsfrei entscheidungserheblich sei. Vielmehr gebietet es die durch § 99 VwGO vorgegebene Aufgabenverteilung zwischen dem Fachsenat und dem Gericht der Hauptsache, dass in einer solchen Konstellation zunächst das zur Sachentscheidung berufene Hauptsachegericht prüft und förmlich darüber befindet, ob und gegebenenfalls welche Informationen aus den Akten, deren Inhalt der Beigeladene im Einzelnen abstrakt beschrieben hat, für eine Sachentscheidung erforderlich sind, bevor der Beigeladene nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO über die Freigabe oder Verweigerung der (dann eventuell noch) in Rede stehenden Aktenteile befindet.

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3. Konsequenz der bislang fehlenden förmlichen Bekundung der Entscheidungserheblichkeit der Unterlagen durch das Hauptsachegericht für das Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO ist in Konstellationen wie der vorliegenden, in denen ein Verfahrensbeteiligter die Freigabe von Unterlagen zu verhindern sucht, die im Tenor ausgesprochene Aussetzung der beabsichtigten Freigabe der Unterlagen durch den Fachsenat. Auf diese Weise wird dem Rechtsschutzinteresse der Klägerin jedenfalls insoweit Rechnung getragen, als eine behördliche Freigabe von Akten unterbleibt, solange nicht über deren Entscheidungserheblichkeit durch das Hauptsachegericht befunden und dadurch die Voraussetzung dafür geschaffen worden ist, die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung auf dieser Grundlage durch den Fachsenat inhaltlich überprüfen lassen zu können.

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