Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 B 28/10

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. März 2010 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 als Gesamtschuldner. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

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1. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre.

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1.1 Die Fragen

Liegt in der erheblichen Beeinträchtigung der Gesamtanlage zugleich eine erhebliche Beeinträchtigung eines denkmalgeschützten Wohngebäudes - hier der Kläger - als Teil der Gesamtanlage?

Hat der Eigentümer eines Wohngebäudes, das Teil einer denkmalgeschützten Gesamtanlage ist, einen verfassungsunmittelbaren, aus Art. 14 Abs. 1 GG resultierenden Abwehranspruch gegen ein die Gesamtanlage erheblich beeinträchtigendes Vorhaben, auch wenn das Wohngebäude - so der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts (angeblich) - durch das Vorhaben nicht erheblich beeinträchtigt ist?

Unter welchen Voraussetzungen hat bei Anwendung und Auslegung landesrechtlicher Regelungen der Denkmalschutzgesetze der Eigentümer eines (als Teil einer Gesamtanlage) unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes im Lichte des Art. 14 Abs. 1 GG einen Abwehranspruch und einen Anspruch auf Aufhebung einer dem Nachbarn erteilten Baugenehmigung?

rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil näher dargelegt, unter welchen landesrechtlichen Voraussetzungen ein denkmalschutzrechtlicher Abwehranspruch in Betracht kommt (UA S. 15 f.). Der nach Art. 14 Abs. 1 GG gebotene nachbarliche Drittschutz verlangt nur, dass der Eigentümer des Denkmals als Nachbar - bestimmte - Verletzungen objektiven Rechts geltend machen kann (Urteil vom 21. April 2009 - BVerwG 4 C 3.08 - BVerwGE 133, 347 Rn. 18). Art. 14 Abs. 1 GG vermittelt insofern ein - wie die Kläger formulieren - grundrechtlich gebotenes Mindestmaß an denkmalrechtlichem Nachbarschutz. Aus Art. 14 Abs. 1 GG folgt indes nicht, dass sich aus einem objektiv-rechtlichen Verstoß gegen Landesdenkmalrecht gleichsam automatisch eine Verletzung des subjektiven Rechts eines Denkmaleigentümers ergibt. Ob ein Denkmaleigentümer einen Abwehranspruch gegen eine objektiv-rechtlich erhebliche Beeinträchtigung einer denkmalgeschützten Gesamtanlage "als solche" hat, ist eine Frage des einfachen Rechts. Die Belange des Denkmalschutzes werden in der Regel - positiv wie negativ - durch das Landesdenkmalrecht konkretisiert (Urteil vom 21. April 2009 a.a.O. Rn. 21). Das Landesdenkmalrecht darf den Schutz eines Denkmaleigentümers, dessen Gebäude Teil einer denkmalgeschützten Gesamtanlage ist, auf die Abwehr einer erheblichen Beeinträchtigung seiner Belange - mit Blick auf sein Eigentum - beschränken. Die Entscheidung darüber, ob die erhebliche Beeinträchtigung der Gesamtanlage zugleich zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines einzelnen - einen Teil der Gesamtanlage bildenden - Gebäudes führt, ist eine Tatsachenfrage, die anhand der jeweiligen örtlichen Umstände und Besonderheiten zu beurteilen ist.

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1.2 Mit der Frage

Hat der Baunachbar als Eigentümer eines Kulturdenkmals (als Einzeldenkmal oder Teil der Gesamtanlage) hinsichtlich eines Vorhabens in der Umgebung dieses Kulturdenkmals, das dessen Denkmalwürdigkeit erheblich beeinträchtigt, grundsätzlich einen Aufhebungsanspruch bzgl. der Vorhabensgenehmigung, wenn das Vorhaben seinerseits nicht durch überwiegende Gründe des Allgemeinwohls oder durch überwiegende private Interessen gerechtfertigt ist?

werden wiederum lediglich Maßstäbe des Landesrechts benannt. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof eine erhebliche Beeinträchtigung der denkmalrechtlich geschützten Belange der Kläger gerade verneint (UA S. 17).

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2. Auch die Divergenzrüge bleibt ohne Erfolg. Eine die Revision eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre (stRspr).

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2.1 Die Beschwerde vertritt die Auffassung, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs weiche von folgenden Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 21. April 2009 (a.a.O.) Rn. 14 ab:

Vorhaben in der Umgebung eines Kulturdenkmals, die dessen Denkmalwürdigkeit erheblich beeinträchtigen, dürfen (jedoch) nur zugelassen werden, wenn das Vorhaben seinerseits durch überwiegende Gründe des Gemeinwohls oder durch überwiegende private Interessen gerechtfertigt ist.

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Entgegen dem Vorbringen der Beschwerde weicht der Verwaltungsgerichtshof nicht von diesen Maßstäben ab. Er bezieht sich vielmehr ausdrücklich auf das genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (UA S. 15). Für die den Klägern gehörende Doppelhaushälfte gelangt er auf der Grundlage seiner tatsächlichen Würdigung zu dem Ergebnis, diese werde durch das dem Beigeladenen zu 1 genehmigte neue Wohnhaus "nicht erheblich beeinträchtig" (UA S. 17). Aus diesem Grund verneint er eine Rechtsverletzung.

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Mit seiner von der Beschwerde kritisierten Formulierung, es sei die Frage aufzuwerfen, ob ein Nachbarvorhaben im Denkmalschutzrecht wie im Baurecht handgreiflich unzumutbare nachbarliche Beeinträchtigungen hervorrufe oder nicht (UA S. 16), umschreibt der Verwaltungsgerichtshof die - im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - im Landesdenkmalrecht anzuwendenden Maßstäbe im Einzelnen. Einen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Rechtssatz - gar des Bundesrechts - stellt der Verwaltungsgerichtshof damit nicht auf.

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2.2 Eine Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2000 - BVerwG 4 C 12.98 - (Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 = BRS 63 Nr. 185) ist ebenfalls nicht erkennbar. Die Beschwerde nimmt Bezug auf die Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Leitsätze 1 und 2):

Ein Doppelhaus im Sinne des § 22 Abs. 2 BauNVO ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden. Das Erfordernis der baulichen Einheit ist nur erfüllt, wenn die beiden Gebäude in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut werden.

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Der Verwaltungsgerichtshof nimmt auf dieses Urteil ausdrücklich Bezug und gelangt in Würdigung der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls zum Ergebnis, die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Anforderungen seien hier erfüllt. Die Beschwerde hält diese Würdigung für unzutreffend. Eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wird damit nicht dargelegt. Im Übrigen beziehen sich die Ausführungen im angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auf diejenigen Gebäudeteile, die aneinander gebaut sind. Davon kann bei denjenigen Gebäudeteilen, die einen landesrechtlich vorgegebenen Grenzabstand wahren, nicht gesprochen werden.

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3. Auch die Verfahrensrüge bleibt ohne Erfolg. Die Beschwerde macht in erster Linie geltend, das Gericht habe den Sachverhalt "aktenwidrig" festgestellt. Eine derartige Verfahrensrüge bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt bestehe ein Widerspruch. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss dieser Widerspruch offensichtlich sein, so dass es keiner weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts bedarf; der Widerspruch muss also "zweifelsfrei" sein. Die Verfahrensrüge der Aktenwidrigkeit verlangt eine genaue Darstellung des Verstoßes, und zwar durch konkrete Angaben von Textstellen aus den vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll. Diese Voraussetzungen sind erforderlich, da eine Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung als solche nicht als Verfahrensmangel rügefähig ist (stRspr; vgl. Beschluss vom 2. November 1999 - BVerwG 4 BN 41.99 - UPR 2000, 226). Ferner ist darzulegen, dass die angegriffene Entscheidung auf der behaupteten aktenwidrigen Feststellung beruht. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

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Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, die Kläger hätten selbst den Bestand und das Erscheinungsbild des historischen Doppelhauses durch bauliche Veränderungen auf der Vorder- und Rückseite ihres Wohnhauses verändert. Auf der Vorderseite sei ein eingeschossiger Anbau um ein Geschoss aufgestockt worden, im rückwärtigen Gebäudebereich sei ein Balkon angebaut und als Teil der Grenzwand ein Glasbausteinfeld errichtet worden (UA S. 17). Die Beschwerde wendet hiergegen ein, der Balkon und ein Windschutz hätten von Anfang an existiert und verweist zum Beleg auf entsprechende Fotos in den Akten. Die Beschwerde stellt indes nicht in Frage, dass auf der östlichen Seite zunächst im Jahre 1972 ein Balkongitter errichtet wurde und im Jahr 1998 eine Aufstockung erfolgt ist. Dies belegen auch die beigezogenen Bauakten 20943 (1972) und B 98-1348 (1998). Auch die Errichtung einer Glasbauwand zieht sie nicht in Zweifel; soweit sie das Ersetzen der Glaswand durch Glasbausteine als unerheblich wertet, trägt sie lediglich eine andere Würdigung vor, die einen Verfahrensfehler nicht zu begründen vermag. Selbst wenn der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich des Balkons im rückwärtigen Bereich einem Irrtum erlegen sein sollte, weil ein solcher von Anfang an bestanden habe und dies zweifelsfrei erkennbar wäre, würde dies das vom Verwaltungsgerichtshof gewonnene Ergebnis nicht entscheidungserheblich in Zweifel ziehen.

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Denn der Verwaltungsgerichtshof ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung einer Vielzahl von Einzeltatsachen zu dem Ergebnis gelangt, die Denkmalwürdigkeit der den Klägern gehörenden Doppelhaushälfte werde durch das dem Beigeladenen zu 1 genehmigte neue Wohnhaus nicht erheblich beeinträchtigt (UA S. 17). Dabei stellen die zwischen den Beteiligten in ihrem Ausmaß und ihrer rechtlichen Würdigung streitigen (vgl. nur Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung vom 7. September 2009 einerseits, Erwiderungen der Kläger vom 19. Februar 2010 und vom 4. März 2010 im Berufungsverfahren andererseits) Veränderungen nur ein Begründungselement von mehreren Argumenten dar. Außerdem steht der wesentliche Teil dieser Veränderungen, insbesondere der 1998 erfolgte Anbau im Obergeschoss (statt einer Terrasse), nicht in Frage. Entscheidend war für den Verwaltungsgerichtshof ersichtlich der bei seinen Ortsterminen am 16. Dezember 2008 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes) und am 9. März 2010 gewonnene Gesamteindruck. Bei der Entscheidung, eine denkmalrechtliche Rücksichtslosigkeit zu Lasten der Kläger hier "noch zu verneinen", hat sich der Verwaltungsgerichtshof ausweislich seiner Begründung ferner davon leiten lassen, dass die nicht dem Neuen Bauen der 1920er Jahre entsprechende großzügige Befensterung unter Betonung der Senkrechten mehr auf der dem Gebäude der Kläger abgewandten Gebäudeseite und bei der Gartenansicht zu finden sei, so dass direkte Blickbeziehungen vom Gebäude der Kläger aus und umgekehrt nicht vorherrschten (UA S. 18).

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Soweit die Kläger ferner die Begründung des Verwaltungsgerichtshofs als aktenwidrig rügen, hinsichtlich des Denkmalwerts der Gesamtanlage Höhenblick 52 bis 60 falle als Vorbelastung das dritte Geschoss auf dem Gebäude Nr. 60 in den Blick, kann ihnen ebenfalls nicht gefolgt werden. Sie tragen hierzu vor, dieses dritte Geschoss habe von Anfang an bestanden. Den von ihnen in Bezug genommenen Unterlagen lässt sich eine offensichtlich aktenwidrige Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs jedoch nicht entnehmen. Dem steht schon entgegen, dass die Beklagte insoweit auf eine Baugenehmigung Nr. 67-0839 verweist, die im Jahre 1976 für dieses Grundstück erteilt worden ist (vgl. Antrag auf Zulassung der Berufung vom 11. September 2009 S. 7 unter Hinweis auf Anlage 4). Diese betrifft eine "Restüberdachung der vorhandenen Dachterrasse mit Einbau von Fenstern".

15

Soweit die Beschwerde zum Beleg einer Aktenwidrigkeit oder zum Vorwurf, das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs sei nicht mit Gründen versehen, auf die inhaltlichen Stellungnahmen des Landesamts für Denkmalpflege verweist, kann sie ebenfalls keinen Erfolg haben. Denn nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. hierzu UA S. 16: "handgreiflich unzumutbare nachbarliche Beeinträchtigungen") ist es seine Aufgabe als Tatsachengericht, die Frage einer Beeinträchtigung des Gebäudes der Kläger eigenständig tatsächlich und rechtlich zu würdigen. Auf dieser Grundlage stellt es keinen Verfahrensfehler dar, wenn der Verwaltungsgerichtshof den Stellungnahmen der genannten Behörde nicht in der von den Klägern gewünschten Weise gefolgt ist.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

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