Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 C 41/09

Tatbestand

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Die Klägerin, eine beamtete Lehrerin, war von August 2005 bis August 2006 teilzeitbeschäftigt und für ihre Tochter kindergeldberechtigt. Ihr Ehemann war in Vollzeit als Angestellter bei der Forschungszentrum J. GmbH beschäftigt. Ab Oktober 2005 erhielt er seine Vergütung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Da der TVöD keine Regelungen zu kinderbezogenen Entgeltbestandteilen enthält, kürzte der Beklagte den bis dahin ungekürzt gezahlten kinderbezogenen Familienzuschlag entsprechend dem Beschäftigungsumfang der Klägerin ab 1. April 2006.

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Die hiergegen erhobene Klage war in beiden Instanzen erfolgreich. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Kürzungsvorschrift des § 6 Abs. 1 BBesG sei gemäß § 40 Abs. 5 Satz 3 BBesG auf den kinderbezogenen Anteil im Familienzuschlag nicht anwendbar. Der TVöD enthalte zwar keine dem kinderbezogenen Familienzuschlag entsprechende Leistung, jedoch sei eine solche in der Besitzstandszulage nach § 11 TVÜ-Bund zu sehen. Unerheblich sei, dass der Ehemann, weil er im September 2005 nicht kindergeldberechtigt gewesen sei, tatsächlich keinen Anspruch auf die Besitzstandszulage gehabt habe, da nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 40 Abs. 5 Satz 1 BBesG eine fiktive Prüfung zu erfolgen habe.

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Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Revision. Er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Oktober 2008 und des Verwaltungsgerichts Aachen vom 11. Januar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Der Vertreter des Bundesinteresses hält das Berufungsurteil für unzutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Anspruch der Klägerin auf den Familienzuschlag der Stufe 2 für ihre Tochter nicht gemäß § 6 Abs. 1 BBesG im Umfang ihrer Teilzeitbeschäftigung zu kürzen ist. Diese Kürzungsvorschrift findet gemäß § 40 Abs. 5 Satz 3 BBesG keine Anwendung.

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Für den Fall, dass neben dem betroffenen Beamten einer anderen Person, die im öffentlichen Dienst steht, der Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen zustünde, wird der auf das Kind entfallende Betrag des Familienzuschlages demjenigen Beamten gewährt, der berechtigt das Kindergeld erhält (§ 40 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 BBesG). Gemäß § 40 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 BBesG steht dem Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen der Sozialzuschlag nach den Tarifverträgen für Arbeiter des öffentlichen Dienstes, eine sonstige entsprechende Leistung oder das Mutterschaftsgeld gleich. § 6 BBesG findet auf den zu zahlenden Betrag unter anderem dann keine Anwendung, wenn einer der Anspruchsberechtigten im Sinne des Satzes 1 vollbeschäftigt ist (§ 40 Abs. 5 Satz 3 BBesG). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

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a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts steht der Ehemann der Klägerin im öffentlichen Dienst im Sinne von § 40 BBesG. Nach § 40 Abs. 6 Satz 3 BBesG steht dem öffentlichen Dienst die Tätigkeit im Dienst eines sonstigen Arbeitgebers gleich, der die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge anwendet, wenn der Bund oder eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Die Forschungszentrum J. GmbH beschäftigt den Ehemann der Klägerin auf der Grundlage des TVöD, wendet also einen für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifvertrag an. An der Forschungszentrum J. GmbH sind auch der Bund und das Land Nordrhein Westfalen beteiligt, und zwar die Bundesrepublik Deutschland mit einem Anteil von 90 % und das Land Nordrhein Westfalen mit einem Anteil von 10 % als Gesellschafter der GmbH.

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b) § 40 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 BBesG setzt voraus, dass dem Ehemann der Klägerin eine dem Familienzuschlag nach Stufe 2 entsprechende Leistung im Sinne von § 40 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 BBesG zustünde. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) enthält keine familienbezogenen Entgeltbestandteile mehr, die dem Familienzuschlag nach §§ 39, 40 BBesG entsprechen könnten. Um eine dem kinderbezogenen Familienzuschlag entsprechende Leistung handelt es sich jedoch bei der sog. Besitzstandszulage nach § 11 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund; vgl. schon Beschlüsse vom 18. September 2007 - BVerwG 2 B 27.07 - und vom 25. September 2008 - BVerwG 2 B 104.07 -, jeweils juris).

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Der mit "Kinderbezogene Entgeltbestandteile" überschriebene § 11 TVÜ-Bund ordnet in Absatz 1 Satz 1 unter bestimmten Voraussetzungen die Fortzahlung der kinderbezogenen Entgeltbestandteile des BAT als Besitzstandszulage an. Die Zulage nimmt an der allgemeinen Gehaltsentwicklung teil (§ 11 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-Bund). Dass der Ortszuschlag gemäß § 29 BAT nach Leistungszweck, Leistungsvoraussetzungen und Leistungsmodalitäten dem Familienzuschlag nach §§ 39, 40 BBesG entspricht, hat der Senat bereits entschieden (für die kinderbezogenen Anteile: Urteil vom 1. September 2005 - BVerwG 2 C 24.04 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 33 S. 12 <14>). Der Bewertung als dem kinderbezogenen Familienzuschlag entsprechende Leistung steht auch nicht der in § 11 TVÜ-Bund mehrfach verwendete Begriff der "Besitzstandszulage" entgegen. Denn es kommt weder auf die Bezeichnung der Leistung an, noch ist deren Höhe maßgeblich (Urteile vom 1. September 2005 a.a.O. und vom 15. November 2001 - BVerwG 2 C 69.00 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 29).

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Im Übrigen unterstützt - entgegen der Auffassung der Revision - schon der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 TVÜ-Bund dieses Ergebnis. In dieser Vorschrift ist festgelegt, dass die kinderbezogenen Entgeltbestandteile des BAT "als" Besitzstandszulage fortgezahlt werden. Damit ist der entscheidende Bezugspunkt die insoweit fortgeltende Regelung des BAT. Der Begriff des Besitzstandes knüpft nur an einen Personenkreis an, der zum genannten Stichtag einen bestimmten Besitzstand erreicht haben musste, ohne den Charakter der fortgeltenden Regelungen des BAT zu ändern (vgl. auch BAG, Urteile vom 13. August 2009 - 6 AZR 319/08 - ZTR 2009, 639 Rn. 30 - 32 und vom 25. Februar 2010 - 6 AZR 809/08 - ZTR 2010, 306 Rn. 12 und - 6 AZR 877/08 - juris Rn. 12). Weil die Regelungen über die kinderbezogenen Entgeltbestandteile des BAT über § 11 TVÜ-Bund insgesamt fortgelten, es sich also um eine Rechtsgrundverweisung handelt, enthält der Überleitungstarifvertrag auch keine eigenständige Bestimmung der Person des Anspruchsberechtigten und keine Konkurrenzklausel, denn diese sind bereits im BAT enthalten.

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Für diejenigen, denen die Besitzstandszulage zusteht, ist es unerheblich, dass sie nur dem in § 11 TVÜ-Bund genannten Personenkreis gewährt wird, so dass auf Dauer kinderbezogene Entgeltbestandteile für die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes gänzlich abgeschafft werden. An dem Rechtscharakter der weiterhin gewährten Leistungen vermag dies nichts zu ändern. Weil die Besitzstandszulage nach § 11 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-Bund an den allgemeinen Entgeltanpassungen teilnimmt, sichert sie nicht nur das bisherige Entgeltniveau, sondern dynamisiert für die von ihr erfassten Kinder den aus sozialen Gründen gewährten kinderbezogenen Entgeltbestandteil weiterhin, lediglich ihre Bezeichnung hat sich geändert (vgl. BAG, Urteil vom 25. Februar 2010 - 6 AZR 877/08 - juris Rn. 13).

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c) Nach § 40 Abs. 5 Satz 3 BBesG in der hier maßgeblichen Fassung findet keine anteilige Kürzung der familienbezogenen Besoldungsbestandteile des Beamten, der das Kindergeld erhält, statt, wenn einer der Anspruchsberechtigten im Sinne des Satzes 1 vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist oder mehrere Anspruchsberechtigte mit jeweils mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt sind. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 29. September 2005 - BVerwG 2 C 44.04 - BVerwGE 124, 227 = Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 34) genügt es, wenn beide Anspruchsberechtigten zusammen mindestens eine Vollzeitbeschäftigung erreichen (vgl. § 40 Abs. 5 Satz 3 BBesG in der aktuellen Fassung). Die Regelung des § 40 Abs. 5 Satz 3 BBesG soll bewirken, dass den Eltern eines Kindes, die beide im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, kein Nachteil daraus erwächst, dass der kindergeldberechtigte Elternteil teilzeitbeschäftigt ist.

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§ 40 Abs. 5 Satz 3 BBesG stellt dabei auf die Anspruchsberechtigung nach Satz 1 ab. Wer Anspruchsberechtigter nach Satz 1 ist, beurteilt sich für den neben dem betroffenen Beamten stehenden Ehegatten danach, ob ihm ebenfalls für das Kind ein Familienzuschlag oder eine entsprechende Leistung "zustünde". Unerheblich ist, dass der Ehemann der Klägerin, weil er im September 2005 nicht das Kindergeld bezogen hat, tatsächlich keinen Anspruch auf die Besitzstandszulage nach § 11 TVÜ-Bund hat. Denn die Anspruchsberechtigung dem Grunde nach regelt in Bezug auf die kinderbezogene Leistung nicht § 11 Abs. 1 TVÜ-Bund, der lediglich eine Rechtsgrundverweisung ist, sondern weiterhin § 29 Abschn. B Abs. 3 BAT.

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Dieses bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift folgende Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Konkurrenzregelung des § 40 Abs. 5 BBesG. Der kinderbezogene Familienzuschlag oder die entsprechende Leistung soll immer nur einem der möglichen Anspruchsberechtigten zustehen. Hierfür enthalten bzw. enthielten das Bundesbesoldungsgesetz wie auch die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst (hier der über § 11 TVÜ-Bund weiterhin anwendbare § 29 Abschn. B Abs. 6 BAT) Konkurrenzregelungen, die sicherstellen sollen, dass der kinderbezogene Anteil des Familienzuschlags oder die entsprechende Leistung aus öffentlichen Kassen für ein Kind nur einmal gezahlt wird. Dies wird im Besoldungsrecht über § 40 Abs. 5 Satz 1 BBesG dadurch erreicht, dass die Zahlung - und zwar in voller Höhe des Zuschlags - ausschließlich an einen der möglichen Berechtigten erfolgt, und zwar an denjenigen, der das Kindergeld erhält. Deshalb kann sich der Verweis in § 40 Abs. 5 Satz 3 BBesG nur auf denjenigen Ehegatten beziehen, der neben dem auch von § 40 Abs. 5 Satz 1 BBesG erfassten Anspruchsinhaber dem Grunde nach anspruchsberechtigt ist, aber die Erfüllung des Anspruches sich gegenüber nicht verlangen kann.

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Dem entsprechen die Tarifregelungen. Nach der hier über § 11 TVÜ-Bund weiterhin anwendbaren Regelung des § 29 Abschn. B Abs. 3 BAT ist die Bestimmung des Kindergeldempfängers generell außer Acht zu lassen. Damit kommt es nicht auf den tatsächlichen Bezug des Kindergeldes, sondern auf den materiellrechtlichen Anspruch an. Maßgeblich ist deshalb auch nach dem Tarifvertragsrecht, dass der Ehemann der Klägerin die Besitzstandszulage nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund erhielte, wenn er zum Kindergeldberechtigten bestimmt worden wäre. Da der Ehemann der Klägerin nicht aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden ist, besteht die Konkurrenzsituation, die der Regelung des § 29 Abschn. B Abs. 6 BAT zugrunde liegt, fort (vgl. BAG, Urteile vom 25. Februar 2010 - 6 AZR 809/08 - Rn. 15 und - 6 AZR 877/08 - Rn. 15 sowie vom 13. August 2009 - 6 AZR 319/08 - jeweils a.a.O.). Gerade diese Konkurrenzsituation bewirkte und bewirkt, dass er keinen Anspruch auf die Besitzstandszulage hat. Sie kann deshalb nicht zusätzlich dazu führen, dass es außerdem zu einer der Teilzeitbeschäftigung entsprechenden anteiligen Kürzung der kinderbezogenen Leistung kommt, die § 40 Abs. 5 BBesG nach seinem Gesetzeszweck gerade verhindern will. Die doppelte Berücksichtigung derselben Konkurrenzsituation bei tarifvertraglichen und besoldungsrechtlichen Ansprüchen darf nicht zu einem Ergebnis führen, das dem Gesetzeszweck des § 40 Abs. 5 BBesG widerspricht.

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Ein anderes Verständnis ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 11 TVÜ-Bund. Dieser soll als Vertrauensschutzregelung die Rechtsstellung Betroffener sichern. Zwar sollen über den Verweis auf die insoweit fortgeltenden Regelungen des BAT weiterhin öffentliche Kassen durch die Einschränkungen bei Leistungen kinderbezogener Entgeltanteile zugunsten von Tarifbeschäftigten entlastet werden. Den Tarifvertragsparteien kann aber mangels Regelungskompetenz nicht der Wille unterstellt werden, öffentliche Kassen auch von an Beamte zu zahlenden Leistungen zu entlasten. Diesen Sinn würde man ihm aber geben, wenn man allein aus dem Wirksamwerden dieser Tarifvertragsbestimmung - wie der Beklagte - die Rechtsfolge ableiten würde, dass bei im Übrigen unveränderten Voraussetzungen auf Seiten des Beamten ein in voller Höhe bestehender Leistungsanspruch wegen der Teilzeitbeschäftigung des Bezugsberechtigten zu kürzen wäre.

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